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ITALIEN/088: 20.000 demonstrierten gegen Verschwendungssucht auf Mailänder Expo (Gerhard Feldbauer)


20.000 demonstrierten gegen Verschwendungssucht auf Mailänder Expo

Schwere Zusammenstöße mit Polizei, die Tränengas und Wasserwerfer einsetzte

Von Gerhard Feldbauer, 4. Mai 2015


20.000 Globalisierungsgegner, Umweltaktivisten, Studenten und Kritiker der EU-Spardiktate, unter ihnen aus Frankreich, Spanien und Deutschland demonstrierten am Freitag in Mailand zur Eröffnung der Weltausstellung im vornehmen Norden der Industriemetropole unter der Losung "No Expo" gegen die monströse Schau, die sie auf Transparenten und Graffiti an Häuserwänden als "Symbol für Verschwendung und Korruption" anprangerten. Sie verwiesen auf die Milliarden Kosten, die durch bekannt gewordene Korruption noch zusätzlich anwuchsen und 2,5 Milliarden Euro mehr als geplant betragen. In der Nacht vor der Eröffnung hatte eine Gruppe unbekannter Hacker die Ticket-Webseite der Messe für einige Stunden lahmgelegt. Die Sicherheitskräfte auf dem Expo-Gelände wurden um 2.600 Mann verstärkt.

Es kam zu schweren Ausschreitungen, bei denen Rauchbomben geworfen, Scheiben, darunter in einem McDonald's-Restaurant, eingeschlagen, Autos und Mülltonnen angezündet und u. a. Feuer in einer Bankfiliale gelegt wurden. Die Verwüstungen der zunächst friedlichen Demonstration seien laut der Nachrichtenagentur ANSA von einem "Schwarzen Block" vermummter Teilnehmer ausgegangen, der Barrikaden errichtete und Teile des Stadtzentrums in ein Schlachtfeld verwandelt habe. Gegen diese mehreren Dutzend Radikaler setzte die Polizei Wasserwerfer ein und verschoss 400 Tränengas-Granaten. Bei den Zusammenstößen mit den Ordnungskräften wurden zehn Polizisten verletzt und elf Demonstranten festgenommen. Gegen vier ermittelt bereits die Mailänder Staatsanwaltschaft. Ihnen drohten wegen schweren Sachbeschädigungen und Widerstand gegen die Polizei bis zu 15 Jahren Haft, berichtete ANSA.

Die Expo, die Ministerpräsident Matteo Renzi vor 200.000 Besuchern eröffnete, steht unter dem Motto "Feeding the planet, Energy for life" (Die Erde ernähren, Energie fürs Leben), dem Kritiker entgegenhielten, dass weltweit 800.000 Millionen Menschen Hunger leiden und täglich Tausende und Abertausende Kinder daran sterben. Renzi verlor darüber kein Wort, sondern tönte "Heute beginnt Italiens Zukunft". Die Veranstalter der bis Ende Oktober gehenden Expo erwarten bei 145 ausländischen Ausstellern, die mit 80 Pavillons vertreten sind, und wenigstens 20 Millionen Besuchern Einnahmen von wenigstens zehn Milliarden Euro. Die Bundesrepublik ist mit einem der größten Pavillons vertreten, der 50 Millionen Euro kostete.


Premier Renzi kommt das sehr gelegen

Die von dem "Schwarzen Block" ausgehenden Ausschreitungen werden in der Presse undifferenziert wieder gegeben, während aus linken Kreisen darauf verwiesen wird, dass in diesem Block in der Vergangenheit Faschisten von der "Forza Nuova" als Rädelsführer aktiv waren und selbst Polizeiagenten eingeschleust wurden. Der Hintergrund sei typisch für solche Ausschreitungen. Für Premier Renzi kommen sie sehr gelegen, denn sie lenken davon ab, dass die anstehende Verabschiedung des reaktionären Wahlgesetzes Italicum seine regierende Demokratische Partei (PD) zu spalten droht. In den ersten Abstimmungen, zu denen der Premier wieder einmal die Vertrauensfrage stellen musste, stimmten trotzdem 37 Parlamentarier der PD-Minderheit dagegen oder blieben dem Votum fern. In Mailand hat Renzi bereits appelliert, Einigkeit zu zeigen. Mit der Drohung, es sind "die Söhne der Väter", diffamiert er, die PD-Linke stehe hinter den Ausschreitungen, um sie so zum Schweigen zu bringen. Dann stehen im Mai kommunale und regionale Wahlen an, bei denen vor allem die rechtsextreme Opposition verlorenes Terrain zurückgewinnen will. Der Chef der rassistischen Lega Nord, Matteo Salvini, hat bereits den linken Hintergrund der Mailänder Ereignisse ausgemacht, gegen den "schärfstens" vorgegangen werden müsse. In dieses Horn bläst dann auch Mailands Bürgermeister, der auf der Liste der Linkspartei SEL gewählte parteilose Mitte Links-Politiker Giuliano Pisapia, der "hartes Vorgehen" forderte.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2015

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