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ITALIEN/101: Premier Renzi vor Scherbenhaufen seiner arbeiterfeindlichen Politik (Gerhard Feldbauer)


Premier Renzi vor Scherbenhaufen seiner arbeiterfeindlichen Politik

Ex-Premier Romano Prodi fordert Rückkehr zur Linken Mitte

Von Gerhard Feldbauer, 2.9.2015


Prominente des gemäßigten linken Flügels der regierenden sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) haben sich am Wochenende in scharfer Form gegen das Paktieren ihres Partei- und Regierungschefs Matteo Renzi mit dem faschistoiden Ex-Premier Berlusconi im Parlament und die Regierungskoalition mit dessen früherem Vize in der rechtsextremen Forza Italia (FI), dem heutigen Chef der Partei Neues Rechtes Zentrum (NCD), Angelini Alfano, ausgesprochen. Zu ihnen gehören zwei mehrmalige frühere Ministerpräsidenten von Centro Sinistra-Regierungen: Massimo D' Alema, Ex-Kommunist und Vorsitzender der aus der IKP hervorgegangenen Linkspartei, die sich 2007 mit der katholischen Zentrumspartei Margherita zur PD zusammenschloss, und der frühere Christdemokrat, der Wirtschaftsprofessor und von 1981 bis 1995 Chef des größten Staatskonzerns IRI, 1999-2004 Präsident der EU-Kommission, Romano Prodi. Dieser nennt in seinen Ausführungen, die die Regierungsnahe Repubblica ausführlich wiedergab, Renzis Politik gegenüber Berlusconi "als verfehlt".

Er steht zu seinen beiden Regierungen, zu deren Maßnahmen 2006 der Abzug der italienischen Truppen aus Irak gehörte, und die nach den Grundsätzen der Centro Sinistra gegen die extreme Rechte von Berlusconi regierten und dabei die Kommunisten einbezogen. Die von Renzi durchgesetzten Reformen, die einschneidend Arbeiterrechte beseitigten, lehnt er dagegen ab. Unter den Centro Sinistra-Regierungen seien noch seriöse Wirtschaftsanalysen erstellt worden, während der Premier "seine Analysen" per Twitter verbreite.

D' Alema, der auf dem Pressefest mit der linken Unità in Mailand sprach, verurteilte scharf den gewerkschaftsfeindlichen Kurs Renzis, der zu massenhaften Austritten aus der PD führte, und warnte: "Gegenwärtig ist die PD noch erste Partei. Aber sie ist gegenüber 41 Prozent bei den EU-Wahlen 2014 nach Umfragen auf 30 Prozent gesunken." Das bedeute, "wir haben zwei Millionen Wähler verloren." Es gehe darum, zu den Wahlen "mit Alfano anzutreten oder mit einer neuen Linken Mitte". Ein Bündnis mit dem früheren Vize der faschistoiden FI Berlusconis werde eine "tödliche Umarmung" sein, wie es sich "am Beispiel der griechischen Sozialisten gezeigt hat".

Die Kritiker Renzis versuchen damit, die von den aus der PD ausgetretenen Parteilinken mit der Linkspartei Linke und Umwelt (SEL) und der kommunistischen Wiedergründung PRC für Oktober angekündigte Gründung einer neuen Linkspartei abzuwenden. Da schätzungsweise etwa 100.000 Mitglieder die PD verlassen haben, würde da eine, schon zahlenmäßig, nicht zu unterschätzende Linkspartei entstehen. Der zweite Aspekt ist, dass Prodi und D' Alema mit Verspätung auf die extreme Rechte, die sich bereits auf Parlamentswahlen noch vor dem Ende der Legislatur 2018 einstellt, reagieren. Ganz nach der Front National in Frankreich, die Le Pen den Laufpass gegeben hat, stellt der Chef der rassistischen Lega Nord, Matteo Salvini, der die FN offen als sein Vorbild feiert, klar, dass "Berlusconi und seine Leute abgewirtschaftet haben" und er die Führung übernimmt. Er fordert, in so genannten Primarie (Vorwahlen, an denen jeder Italiener teilnehmen kann) über die Formierung des Bündnisses mit der FI und über dessen Führung abzustimmen. "Das werde das richtige Signal sein, die Italiener aufzurufen, darüber abzustimmen, wer gegen Renzi antritt", zitiert ihn die Nachrichtenagentur ANSA.

Wenn Prodi Renzis Kollaborieren mit Berlusconi als "verfehlt" einschätzt, bedeutet das, so Beobachter in Rom, der PD- und Regierungschef hilft dem abgehalfterten Ex-Premier politisch am Leben zu bleiben. Das geschehe, obwohl dieser inzwischen selbst von seinem früheren engsten Vertrauten Raffaele Fitto fallen gelassen wird. Gegenüber La Repubblica äußerte Fitti, Berlusconi "blockiere alles". Es gehe jetzt darum mit dem Carroccio (Führung der Lega) über "neue Ideen und neue Inhalte" übereinzukommen.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2015

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