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ITALIEN/121: Zwei Jahre Renzi - Italiens Premier sitzt fest im Sattel (Gerhard Feldbauer)


Zwei Jahre Renzi

Italiens Premier sitzt fest im Sattel

von Gerhard Feldbauer, 24. Februar 2016


Italiens Premier Matteo Renzi hat eine positive Bilanz seiner am Montag zwei Jahre währenden Amtszeit gezogen, die La Repubblica am Dienstag ausführlich widergibt. An die Spitze stellte der mit 40 Jahren jüngste Regierungschef Europas, dass er "Italien gestärkt und auf eine solide Basis gestellt" habe. Er bekräftigte, seinen Reformkurs fortzusetzen und gab sich sicher, bis zum Ende der Legislaturperiode 2018 zu regieren.

In der Tat kann der zum Sozialdemokraten des Partito Democratico (PD) mutierte frühere rechte Christdemokrat einige Erfolge vorweisen, um die ihn Amtskollegen in der EU beneiden können. Mit der eingeleiteten Abschaffung der Provinzen und der Beseitigung des Senats als zweiter Kammer hat er Grundlagen für eine effektivere Regierungsarbeit und für die Einsparung von Milliarden Euro geschaffen. Angefangen bei den Ministern hat er die Gehälter leitender Staatsbeamter gekürzt. Nach bescheidenem Wachstum 2015 soll die Wirtschaft auch dieses Jahr um 0,8 Prozent steigen. Mit einigen sozialen Zugeständnissen hält er die Proteste der Gewerkschaften und seiner linken Minderheit in der PD im Zaum. 2014 hat er für Beschäftigte mit einem Einkommen unter 1.500 Euro Steuererleichterungen von 80 Euro monatlich verabschiedet. Ab 2016 soll eine Million der Ärmsten ein Mindesteinkommen von 320 Euro erhalten. Die Immobiliensteuer auf die erste Wohnung mit Ausnahme von Luxuswohnungen wird abgeschafft. Das betrifft dreiviertel der Bevölkerung, die Wohneigentum hat. Verzichtet wurde auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von derzeit 22 Prozent. Im Haushalt für 2016 (Volumen 35 Mrd. Euro) sind 290 Millionen Euro vorgesehen, um jeden Jugendlichen von 18 Jahren eine Kreditkarte mit einem Guthaben von 500 Euro zur Verwendung für den Kauf von Büchern, für Theater- oder Museumsbesuche zu gewähren. Ab Oktober soll jeder arbeitende Bürger einmal jährlich einen kostenlosen Theaterbesuch erhalten. Natürlich sind die Unternehmen nicht vergessen worden, die Steuererleichterungen bei Investitionen und der Schaffung von Arbeitsplätzen erhalten.

Das lenkt von vielen Problemen, die Renzi unvermindert hat, ab und lässt fast vergessen, dass er mit dem sogenannten jobs act, der "Arbeitsmarktreform", soziale Errungenschaften der Arbeiter wie den Kündigungsschutz beseitigte. Bei der angegebenen Schaffung neuer Arbeitsplätze, handelt es sich, wie die Gewerkschaften korrigierten, durchweg, um die Legalisierung von Schwarzarbeit oder die Neueinstellung vorher Entlassener zu schlechteren Bedingungen. 37,9 Prozent der Jugendlichen sind weiterhin arbeitslos.

Renzi nimmt für sich in Anspruch, den 2011 zum Rücktritt als Premier gezwungenen faschistoiden Berlusconi in die Bedeutungslosigkeit geschickt zu haben. In Wahlprognosen sinkt er von 2013 noch 30 unter die zehn Prozent. Seine PD, die bei den EU-Wahlen im Mai 2014 mit 40,8 Prozent zur ersten Partei aufstieg, wird dagegen mit 35 bis 40 Punkten bewertet.

Renzi, der gleichzeitig PD-Chef ist, hat den Schwund seiner auf zirka eine halbe Million geschätzten Mitglieder gestoppt, und erreicht, dass ausgetretene führende Linke die vorgesehene Neugründung einer Sinistra Italiana (SI) auf der Gründungsversammlung am Wochenende in Rom erstmal auf Dezember verschoben haben und bereit sind, Wahlbündnisse mit der PD zu den ab April stattfindenden Kommunal- und Bürgermeisterwahlen einzugehen.

Renzi zeigte sich sicher, die Niederlage, die er im Senat bei der Vorlage des Gesetzes über die Homo-Ehe durch die Ablehnung der Protestbewegung M5S einstecken musste, zu korrigieren. Für Mittwoch ist eine neue Debatte im Senat angesetzt. Die PD wird in der neuen Vorlage wahrscheinlich auf den Artikel über die Adoption von Kindern verzichten. Unterstützung erhielt Renzi am Montag von 400 prominenten Schriftstellern, Künstlern und Journalisten, die eine Petition für die Verabschiedung des Gesetzes unterzeichneten. "Die Rechte Homosexueller müssten endlich anerkannt werden", betonte Renzi. Vorsorglich hat er wieder einmal angekündigt, die Vertrauensfrage zu stellen und bei einer Niederlage zurückzutreten.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2016

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