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ITALIEN/128: Faschisten wollen Rathaus in Rom erobern (Gerhard Feldbauer)


Wer zieht ins Campidoglio?

Faschisten wollen Rathaus in Rom erobern

Von Gerhard Feldbauer, 19. Mai 2016


Nach einem Dekret der Regierung ist der Termin für die Wahl der Bürgermeister im direkten Votum und der Kommunalparlamente in 1.368 Gemeinden, darunter in Rom, Mailand, Turin und Neapel sowie 25 Provinzhauptstädten auf den 5. Juni festgelegt worden. Mit etwa 13,5 Millionen sind etwa ein Drittel der Wähler aufgerufen, was als nationaler Test für den Rückhalt der Parteien unter den Wählern gesehen wird. Da im ersten Wahlgang vielerorts nicht mit Ergebnissen gerechnet wird, konzentriert sich der Wahlkampf vor allem auf Rom, wo für das Ballottaggio, die Stichwahl zwei Wochen später, eine Signalwirkung erwartet wird.

In der Hauptstadt will Giorgia Meloni, Führerin der faschistischen Fratelli d'Italia (Brüder Italiens), der Nachfolgeorganisation der Alleanza Nazionale (AN), das Rathaus auf dem Kapitol-Hügel für die Faschisten zurückerobern. Mit Giovanni Allemano stellte die AN von 2008 bis 2013 den Bürgermeister. Der steht derzeit zwar wegen seiner Verwicklung in das korrupte Cartell "Mafia Capitale" vor Gericht, aber die Meloni verweist auf die Verwicklung zahlreicher hoher PD-Funktionäre in Mafia-Skandale als das größere Übel.

Die Gefahr ist durchaus ernst zu nehmen, denn die AN zählte 2011 rund eine halbe Million Mitglieder und kam auf etwa 12 Prozent Wählerstimmen. Meloni, die von 2008 bis 2011 unter Berlusconi Sportministerin war, geht auf Distanz zu dem Ex-Premier, der nach seinem Rücktritt 2011 bei den Parlamentswahlen 2013 zwar noch mit rund 31 Prozent knapp hinter dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) lag, aber heute nach Wählerumfragen noch nicht einmal zehn Prozent Stimmen erreichen würde. Seine faschistoide Forza Italia (FI) ist nach zwei Abspaltungen in Auflösung begriffen. Er kämpft, wie La Repubblica in einer Wahlanalyse schrieb, "um sein politisches Überleben". Dass der Ex-Premier ihre Kandidatur ablehnt und als Bewerber einen alten Freund, den Bauunternehmer Alfio Marchini aufgestellt hat und versucht mit der "Duce"-Enkelin Alessandra Mussolini als Bewerberin für das Stadtparlament Stimmen aus dem faschistischen Lager zu gewinnen, sieht die Fratelli-Führerin eher als Vorteil.

Als Freundin von Marie Le Pen, wie sie gern herausstellt, ist sie Favoritin des Chefs der rassistischen Lega Nord, Matteo Salvini, der die Führung der extremen Rechten übernommen hat. Er verzichtete auf die staatliche Abspaltung der reichen Regionen (Länder) Norditaliens, richtete seine Partei zentral aus und tritt bei den jetzigen Wahlen auch in Neapel und weiteren Gemeinden Süditaliens an.

Der PD ist bei den EU-Wahlen 2014 mit 40,8 Prozent zwar stärkste Partei geworden, jedoch mit einer starken, von den Partei-Linken getragenen innerparteilichen Opposition gegen den Rechtskurs von PD- und Regierungschef Renzi konfrontiert. Während es in Mailand und zahlreichen weiteren Gemeinden gelang, gemeinsame Kandidatenlisten mit der Partei Linke und Umwelt (SEL) aufzustellen, die in manchen Orten auch von den Kommunistischen Parteien PRC und PCdI unterstützt werden, ist das in Rom für den von Renzi favorisierten Roberto Giachetti, einem früheren Grünen und 2007 Mitbegründer der PD, nicht gelungen. Die SEL und eine Fraktion Parlamentarier und Senatoren der PD, die eine neue Linkspartei Sinistra Italia (SI) bilden wollen, schicken den früheren Vize-Premier Renzis Stefano Fassina ins Rennen. Es wird erwartet, dass die Anhänger Fassinas sich mit der PD bei fehlender Mehrheit im Ballattoggio auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen, der einer "starken linken Mitte", wie La Repubblica einschätzte, den Erfolg sichern könnte.

Das Zünglein an der Waage könnte die Protestbewegung M5S spielen, die 2013 mit gut 25 Prozent auf Platz drei lag. Ihr werden im Kampf um das Campidoglio über 20 Prozent zugetraut. Lega-Chef Salvini hat bereits angekündigt, um einen Sieg von Mitte Links zu verhindern, werde seine Partei dann für M5S stimmen.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2016

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