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ITALIEN/133: Römische "Republicca" enthüllt Mafia-Beteiligung an der Entführung von Aldo Moro (Gerhard Feldbauer)


Römische Republicca enthüllt Mafia-Beteiligung 1978 an Entführung des christdemokratischen Parteivorsitzenden Aldo Moro

von Gerhard Feldbauer, 16. Juli 2016


38 Jahre nach der Entführung des Vorsitzenden der Christdemokratischen Partei (DC), Aldo Moro, am 16. März 1978, enthüllte die römische Republicca am Donnerstag, dass an dem Überfall der damals 38jährige Boss der Mafia-Organisation 'Ndrangheta, Antonio Nirta, beteiligt war. Die Aussagen machte der Onkel Nirtas, der Clan-Chef Saverio Morabito, gegenüber der Staatsanwaltschaft kurz vor seinem Tod 2015. Als Beweis liegt ein im Archiv der römischen Zeitung Il Messaggero gefundenes Foto, auf dem Nirta am Tatort in der Via Fani zu sehen ist, vor. Sowohl durch eine Mitteilung des Riparto Investigazioni Scientifiche (Ris) der Carabinieri als auch des Vorsitzenden der weiter bestehenden Untersuchungskommission des Parlaments zum "Fall Moro", Giuseppe Fiorini von der Partito Democratico (PD), wurde die Echtheit des Dokuments bestätigt. Wie La Repubblica schreibt, sei Nirta ein Vertrauter des Carabinieri-General Francesco Delfino gewesen. Der 2014 Verstorbene stammte wie Nirta aus der südlichen Region Calabrien.

Neu ist das alles nicht, bestätigt aber ein weiteres Mal, dass der DC-Führer, nachdem er mit dem Generalsekretär der IKP, Enrico Berlinguer, ein Abkommen über deren Regierungsbeteiligung geschlossen hatte, einem von der CIA, ihrer NATO-Truppe Gladio mit der faschistischen Putschloge Propaganda due (P2) inszenierten Mordkomplott zum Opfer fiel. Als ausführendes Instrument wurden die von den Geheimdiensten infiltrierten Brigate Rosse instrumentalisiert. Das Mitglied der Moro-Kommission des Parlaments, Sergio Flamigni, hat die damaligen Ergebnisse der Untersuchungskommission in mehreren Büchern, darunter in "La Tela del Ragno. Il Delitto Moro" / Das Spinnennetz. Das Verbrechen an Moro (Mailand 1993) beweiskräftig dargelegt, darunter auch, dass die Faschisten der MSI-Partei, die Mafia und der Vatikan in die Verschwörung einbezogen waren. Danach saßen in den Schlüsselpositionen des Sicherheitsapparates 57 Mitglieder der P2, die für die Fahndung falsche Spuren legten und so das Aufspüren des "Gefängnisses" der Brigadisten verhinderten. General Giuseppe Santovito, Chef des Geheimdienstes SISMI, unterschlug eingehende Hinweise von Zeugen auf vier bei der Entführung beobachtete Brigadisten sowie auf ein benutztes Fahrzeug. Der zuständige Staatsanwalt Luciano Infelisi verschleppte zwei Wochen lang die Aufnahme der Ermittlungen und ließ Fotos von der Entführung, die der Besitzer einer KfZ-Werkstatt am Tatort geistesgegenwärtig gemacht hatte, verschwinden. Wie sich jetzt herausstellt, gelangte eins davon wohl zum Messaggero. Am Tatort aufgefundene 39 Patronenhülsen, die mit einem Speziallack überzogen waren, mit dem die Munition für Gladio-Einheiten präpariert wurde, verschwanden ebenfalls spurlos aus dem Innenministerium. Bereits zwei Tage nach der Entführung informierte ein Geheimdienstoffizier damals La Repubblica, dass die Liquidierung des fünfköpfigen Begleitkommandos Moros von einem "Militär mit ausgetüftelter Spezialausbildung" durchgeführt wurde. Als 1990 die Gladio-Division in Italien aufgedeckt wurde, bestätigte deren langjähriger Kommandeur, General Gerardo Serrravalle, diese Enthüllung.

Entgegen diesen schon nach 1978 vorliegenden Erkenntnissen trugen die Prozesse gegen die Brigate Rosse in skandalöser Weise dazu bei, die Verantwortung der Drahtzieher des Mordes zu vertuschen. Die Vorsitzende der Moro-Kommission des Parlaments, Tina Anselmi von der DC, hatte eindeutig die Verantwortung höchster Regierungskreise sowie der Geheimdienste bis hin zum Ministerpräsidenten Giuseppe Andreotti (der beschuldigt wurde, der geheime Chef der P2 zu sein, und später der Komplizenschaft mit der Mafia angeklagt wurde) aufgezeigt. Der Vorsitzende Richter des Corte d' Assise (Schwurgerichts) stellte dagegen zum Abschluss des dritten Prozesses am 24. Januar 1983 allen Verantwortlichen gerichtsoffizielle Persilscheine aus und erklärte: Es gibt nicht einen Beweis, nicht ein einziges Indiz, die zu der Hypothese berechtigen würde, beim Fall Moro handele es sich um eine Verschwörung des 'Palazzo' (der Regierung).

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2016

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