Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → POLITIK


ITALIEN/181: Niederlage für Renzis Koalition mit faschistoider Forza Italia Berlusconis (Gerhard Feldbauer)


Niederlage für Renzis Koalition mit faschistoider Forza Italia Berlusconis

PD-Chef scheitert im Parlament mit neuem Wahlgesetz

von Gerhard Feldbauer, 9. Juni 2017


Der Chef der regierenden Partito Democratico (PD), Matteo Renzi, hat am Donnerstag mit der Ablehnung des neuen Wahlgesetzes in der Abgeordnetenkammer eine Niederlage erlitten. Das Gesetz sollte den Weg für vorgezogene Neuwahlen noch im Herbst freimachen, bei denen Renzi kandidieren wollte, um wieder selbst Regierungschef zu werden. Der »Tedescum« (»das Deutsche«) genannte Entwurf sah nach dem deutschen Modell ein Verhältniswahlrecht und eine Fünfprozent-Sperrklausel vor. Bisher lag sie bei drei Prozent. Die Hälfte der Kandidaten - von 630 für das Abgeordnetenhaus und 315 für den Senat - sollte künftig in den Wahlkreisen, die andere Hälfte über Parteilisten gewählt werden. Der bisherige Bonus von 340 Mandaten für jene Partei, die 40 Prozent oder mehr Stimmen erreicht, sollte wegfallen, ebenso wie die ursprünglich von Renzi geforderte Stichwahl.

Da der sozialdemokratische PD im Senat über keine Mehrheit verfügt, hatte Parteichef Renzi mit dem Expremier und Chef der faschistoiden Forza Italia (FI), Silvio Berlusconi, eine gemeinsame Zustimmung zum Gesetz vereinbart, der sich auch der Exkomiker Giuseppe »Beppe« Grillo mit seiner Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) anschloss. Es wurde befürchtet, dass es mit dem Tedescum, ähnlich wie in Deutschland, nach Wahlen keine stabilen Regierungsmehrheiten geben werde.

In Medienberichten wurde deutlich, dass Renzi die Kollaboration mit Berlusconi deshalb auch nach den Wahlen fortsetzen wollte, um eine von M5S geführte Regierung zu verhindern. Denn die einstige Protestpartei, die nur noch ans Regieren denkt, wird laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Demopolis, die La Repubblica am Donnerstag veröffentlichte, mit 30 Prozent Wählerstimmen knapp vor dem PD gesehen. Aber auch M5S hätte mit etwa 218 Sitzen im Abgeordnetenhaus nicht allein regieren können (das Minimum sind 316 der 630). Deshalb peilte Grillo laut La Repubblica dem Beispiel Renzis folgend, eine Koalition mit dem Chef der rassistischen Lega Nord, Matteo Salvini, an. Der wird unterstützt von den Faschisten der Fratelli d'Italia (»Brüder Italiens«), mit deren 20 Prozent Stimmen im Juni 2016 die M5S-Politikerin Virginia Raggi zur Bürgermeisterin von Rom gewählt worden war. Im Mailänder Corriere della Sera hatte Berlusconi am Donnerstag geprahlt, nur mit seiner Hilfe werde es Renzis PD »möglich sein, M5S zu schlagen«.

Um sich einen Vorteil zu sichern hatte Renzi, wie die Südtirol News am Freitag in ihrem Online Portal berichten, eine Sonderregelung für die autonome Provinz Südtirol einbringen lassen, nach der der Südtiroler Volkspartei (SVP) dort mit einer 40 Prozent-Hürde die Mehrheit gesichert und die PD gestärkt werden sollte. Das habe gegen die Absprachen verstoßen und sei deshalb vor allem von M5S abgelehnt worden. Laut ersten Nachrichten, so der regierungsnahen La Repubblica, verzichtete Renzi jetzt auf Wahlen noch im Herbst, die nun planmäßig am Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2018 stattfinden sollen. Sie sollen nun nach dem bisherigen Wahlgesetz mit dem Siegerbonus stattfinden, der möglicherweise der Partei mit 35 Prozent Stimmen gewährt werden soll. Ob es bei der bisherigen Drei-Prozent-Sperrklausel bleibt ist noch offen, ebenso eine Stichwahl, wenn keine Partei 35 Prozent erreicht. Das bisherige Wahlgesetz muss dann auch auf den Senat ausgedehnt und im Abgordnetenhaus und dem Senat angenommen werden.

Gegen die von Renzi ausgelöste Verschiebung des Kräfteverhältnisses hin zum ultrarechten Rand hatte sich in den vergangenen Tagen stärkerer Protest formiert, denn wie La Repubblica warnte, könnte das sonst den »Untergang des PD« bedeuten. Laut dem linken Fatto Quotidiano versuchen der parteilose Linke und frühere Bürgermeister von Mailand Giuliano Pisapia mit seinem »Fortschrittlichen Lager« (Campo progressista) sowie der frühere Premier Massimo D'Alema und seine Partei »Artikel 1 - Demokratische und fortschrittliche Bewegung« (Articolo 1 - Movimento Democratico e Progressista) zusammen mit den Opponenten Renzis im PD eine gemeinsame Gegenfront zu formieren. Der frühere PD-Chef Pier Luigi Bersani forderte dagegen, wer gegen Renzi sei, müsse sich von der von ihm beherrschten Partei, die nur noch »ein zerronnener Traum« sei, trennen. Der aus dem PD ausgetretene Bersani warf Renzi »pure Machtgelüste« vor. Noch am Donnerstag erklärte Renzi sich nun zu einem Zusammengehen mit Pisapia bereit. Aber bis zum Frühjahr vergeht nun fast noch ein Jahr und es bleibt abzuwarten, wie sich die Konstellationen entwickeln werden.

*

Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juni 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang