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ITALIEN/359: Ex-Premier Giuseppe Conte zum Chef der Fünf-Sterne-Bewegung gewählt (Gerhard Feldbauer)


Conte hat es geschafft

Die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) hat den Ex-Premier zum Parteichef gewählt

von Gerhard Feldbauer, 9. August 2021


Nach monatelangem Feilschen ist der Ex-Premier Giuseppe Conte am Wochenende zum neuen Chef der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) gewählt worden. Von 67.064 stimmberechtigten Mitgliedern der Bewegung votierten mehr als 92 Prozent für den Jura-Professor der Universität von Florenz. Damit legte er gegenüber der Annahme des von ihm ausgearbeiteten Statuts, für das eine Woche vorher 87 Prozent gestimmt hatten, nochmals um fünf Punkte zu. Das verschaffe ihm in der krisengeschüttelten Sternepartei laut der staatlichen Nachrichtenagentur ANSA "einen starken Konsens".

Seit im Januar 2020 die M5S-Basis den Rücktritt des rechtsaußen stehenden Außenministers Luigi Di Maio als Parteichef durchgesetzt hatte, war die Sterne-Bewegung ohne Führung. Der Senator Vito Crimi, der die Bewegung 2009 mitbegründet hatte, war nur als Interims-Chef bestimmt worden. Angesichts der für den 17./18. Oktober in 1.162 Gemeinden, darunter 18 Provinzhauptstädte (einschließlich Turin, Mailand, Bologna, Rom und Neapel), angesetzten Kommunal- und Bürgermeisterwahlen kündigte Conte an, sich im September auf eine Tour durch das Land zu begeben.

Mit der zugesagten Unterstützung für die in Rom zur Wiederwahl antretende M5S-Bürgermeisterin Virginia Raggi kommt es zur Konfrontation mit dem Kandidaten des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), dem ehemaligen Minister und EU-Parlamentarier Roberto Gualtieri. Obendrein tritt Conte hier in die Fußstapfen der faschistischen Brüder Italiens (FdI) von Giorgia Meloni, deren Stimmen 2016 entscheidend für den Einzug der Raggi ins Campidoglio (Sitz des Bürgermeisters von Rom) waren.

Der früher parteilose Conte ist als ein wendiger Politiker bekannt. 2018/19 war er Chef der Regierung, die die Sternepartei mit der faschistischen Lega Matteo Salvinis bildete, wechselte nach deren Scheitern die Front und trat an die Spitze eines Kabinetts, das M5S mit dem vorher verfeindeten PD formierte. Im Januar 2021 liefen die Führungen seiner Koalitionspartner mehrheitlich zu dem früheren EZB-Banker Mario Draghi über, der mit ihnen und den Faschisten der Forzapartei (FI) von Ex-Premier Berlusconi und der Lega Salvinis eine Regierung bildete. Für den wendigen Conte kein Grund, die ihm angetragene Leadership der ob ihrer Regierung mit der Lega und deren migrantenfeindlichen Kurs mittragenden, tief in der Krise steckenden Bewegung abzulehnen.

Allerdings wäre er beinahe in der Auseinandersetzung mit dem Sternegründer, dem früheren Komiker Giuseppe Grillo, gescheitert. Der wollte weiter die Zügel in der Hand behalten und Conte zur Galionsfigur ohne Führungsrechte degradieren. So warf Grillo ihm vor, "keine politische Vision" zu haben. Das war nun selbst dem anpassungsfähigen Conte zuviel und er drohte, die Sache hinzuschmeißen und eine eigene Partei zu gründen. Als ihm bereits eine ansehnliche Schar von Senatoren und Abgeordneten der M5S die Gefolgschaft zusicherten, ruderte Grillo - vorerst, wie Insider meinen - zurück und ließ über das von Conte ausgearbeitete Statut abstimmen, das dann mit 87 Prozent angenommen wurde. Es legt erstmals die Funktion eines Parteipräsidenten fest, in der Conte der einzige Verantwortliche der Partei ist, der die Kandidaten für die Wahl der Führung benennt, die programmatischen Vorschläge unterbreitet und auch in der Außenpolitik die Linie vorgibt.

Dem herrschsüchtigen Grillo wurde eingeräumt, "Garant" der Bewegung und ihres Kurses zu sein - was immer darunter zu verstehen sein mag. Dass "die Kuh damit vom Eis" ist, wie manche Medien meinen, dürfte, so auch das linke Manifesto, fraglich sein. Fest steht allenfalls, dass Premier Draghi erst einmal aufatmen kann. Der Traum von einem Häufchen Linker von M5S als einer Anti-Establishment-Partei ist ausgeträumt. Die Gefahr, dass M5S auf Forderung dieser Basis die Regierung verlässt, ist vom Tisch. Wie Conte bekräftigte, verbleibt M5S mit seinen vier Ministern in der Regierung. Zur Sicherung seines Kurses will er, wie verlautet, den auf der äußersten Rechten stehenden Luigi Di Maio für sein Führungsteam vorschlagen.

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Quelle:
© 2021 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 24. August 2021

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