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AUSSEN/144: EU muss Profil ihrer weltweiten Demokratieförderung schärfen (idw)


Universität Mannheim - 13.09.2012

Mannheimer Sozialwissenschaftlerin:
EU muss Profil ihrer weltweiten Demokratieförderung schärfen

Eine internationale Expertengruppe um die MZES-Politikwissenschaftlerin Dr. Anne Wetzel hat die globale Demokratieförderung der Europäischen Union analysiert und sieht starken Verbesserungsbedarf



Die Mannheimer Politikwissenschaftlerin Dr. Anne Wetzel sieht die EU in der Pflicht, ihre internationale Demokratieförderung zu überdenken und weiterzuentwickeln. Darauf weist die Forscherin anlässlich des Internationalen Tages der Demokratie am 15. September hin. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Professor Jan Orbie von der Universität Gent hat Anne Wetzel, Postdoc Fellow am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim, zwei Jahre lang eine internationale Forschungsgruppe zur EU-Demokratieförderung geleitet. Deren Erkenntnisse liegen nun vor.

"Bis heute gibt es keine einheitliche Definition, was die EU unter Demokratie im Rahmen ihrer internationalen Fördermaßnahmen eigentlich versteht", fasst Anne Wetzel den Hauptkritikpunkt an der europäischen Demokratieförderung aus ihrer Sicht zusammen. Zwar habe die Union ihre Maßnahmen weiter ausgebaut. "Beispielhaft dafür ist die Partnerschaft für Demokratie und Wohlstand mit den Ländern des südlichen Mittelmeerraums als Reaktion auf den Arabischen Frühling. Auch gibt es eine Strategie sowie einen Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie. Es stellt sich allerdings die Frage, mit welchen Inhalten die EU diese Initiativen erfüllen möchte", so die Politikwissenschaftlerin.


Wo Demokratie draufsteht, ist nicht unbedingt Demokratie drin

Denn nicht überall, wo die EU Demokratie draufschreibe, sei auch unbedingt immer nur Demokratie drin, erläutert Anne Wetzel. So gelte seitens der EU, je nach Lesart, beispielsweise auch das effektive Management von Migrationsströmen als demokratisches Regieren. "Aus politikwissenschaftlicher Sicht ist das ein überdehntes Demokratieverständnis", konstatiert Wetzel Überarbeitungsbedarf. Alles richtig zu machen sei aber auch kaum möglich, gibt die MZES-Forscherin zu: "Die EU steht vor einem Dilemma: Einerseits muss demokratisches Regieren klar und verbindlich definiert sein, damit Europa nicht unglaubwürdig wirkt. Andererseits muss Demokratieförderung flexibel und auf die jeweiligen Bedürfnisse im Zielland abgestimmt sein."


Unzureichende Demokratieförderung kann das Gegenteil bewirken

Die Untersuchungen der Forscher zeigen laut Wetzel weiterhin, dass die EU Kontextbedingungen für Demokratie manchmal stärker betont, als demokratische Kernelemente. Das bedeute, dass beispielsweise die sozio-ökonomische Entwicklung und Verwaltungskapazität eines Landes mitunter größere Beachtung erhalte, als die mangelhafte Entwicklung der politischen Rechte und Freiheiten. "Natürlich liegt dies nicht nur an der EU, sondern auch maßgeblich an der Kooperation der betroffenen Staaten", schränkt die Politikwissenschaftlerin ein. "Die EU sollte aber bedenken, dass diese Form der Förderung autoritäre Systeme auch stabilisieren kann - was ja eben gerade nicht das Ziel ist."

Nicht unproblematisch finden die EU-Forscher auch die sogenannte "doppelte Agenda" der europäischen Demokratieförderung, wonach oftmals ganz andere außenpolitischen Ziele im Vordergrund stünden: "Manchmal soll zum Beispiel die Stärkung der Zivilgesellschaft nur dazu dienen, die gewünschte Annäherung eines Landes an die EU-Gesetzgebung zu erreichen", erklärt Anne Wetzel.


EU verspricht, künftig stärker zuzuhören

Auf einer internationalen Konferenz in Brüssel wurden die Ergebnisse der Expertengruppe diskutiert. Neben Wissenschaftlern, Vertretern von Nichtregierungsorganisation und Think Tanks nahmen auch hohe Vertreter der Europäischen Kommission und des Europäischen Auswärtigen Dienstes teil. Ergänzt wurde die Tagung um Mitarbeiter internationaler Organisationen wie des Europarates und der OSZE.

Während beispielsweise Vertreter von Nichtregierungsorganisationen aus Ghana, Ägypten und der Ukraine ihre länderspezifischen Sichtweisen präsentierten, führten Vertreter der EU aus, welche Weiterentwicklungen der EU-Demokratieförderpolitik kürzlich stattgefunden hätten. Unter anderem seien Wahlbeobachtungen, allgemeine Budgethilfen und Konsultationen der Zivilgesellschaft ausgebaut worden. Wie der Exekutiv-Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Pierre Vimont, ausführte, wolle die EU in Zukunft stärker eine Zuhörerrolle einnehmen. "Das wäre wichtig, damit berechtigte und konstruktive Kritik der Beteiligten mehr Gehör findet als bisher. Die Demokratieförderung der EU könnte auf diese Weise nach und nach substantiell verbessert werden", hofft Anne Wetzel.

Die Konferenz am 2. Juli 2012 in Brüssel bildete den Abschluss einer EU-geförderten "Jean Monnet Information and Research Activity" zur internationalen EU-Demokratieförderung, geleitet von Professor Jan Orbie (Universität Gent, Belgien) und Dr. Anne Wetzel (MZES, Universität Mannheim).

Weitere Informationen unter:
http://www.eu-ipods.eu/
- Weitere Informationen und Literatur

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http://idw-online.de/de/institution61

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Mannheim, Katja Bär, 13.09.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2012