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AUSSEN/149: Krise an Europas Südgrenze (idw)


Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung - 14.10.2014

Krise an Europas Südgrenze



Es häufen sich die Flüchtlingszahlen über das Mittelmeer. Gründe dafür sind das hohe Bevölkerungswachstum in Afrika und dem Nahen Osten, politische Krisen und das anhaltende Wirtschafts-, Sicherheits- und Entwicklungsgefälle zu den Staaten der EU.

Fast im Wochentakt erreichen neue Rekordzahlen von Flüchtlingen und Asylbewerbern in Deutschland und der EU die Öffentlichkeit. Vermutlich wird im Jahr 2015 die Zahl der Flüchtlinge und Asylsuchenden das Niveau der Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erreichen, als hundertausende von Jugoslawien-Flüchtlingen nach Westen strömten.

Diese Ereignisse lenken den Blick auf die demografische Entwicklung der Staaten südlich und östlich des Mittelmeers, auf Afrika und den Nahen Osten. Denn dort wächst - anders als in Europa - die Zahl der Menschen noch sehr stark. Heute leben in den Staaten, die als Quellorte für die Migration über das Mittelmeer in Frage kommen, in Nord-, West-, Zentral- und Ostafrika sowie im Nahen Osten rund 1,3 Milliarden Menschen. Bis 2050 dürfte sich deren Zahl auf 2,7 Milliarden mehr als verdoppeln.

"Theoretisch bedeuten viele junge Menschen ein großes wirtschaftliches Potenzial, denn sie alle könnten am wirtschaftlichen Aufstieg ihrer Länder mitarbeiten", erklärt Reiner Klingholz, der Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. "Praktisch aber finden in diesen Regionen schon heute vor allem die jungen Menschen kaum eine Beschäftigung." Bis 2050 ist in Afrika und dem Nahen Osten ein Anstieg der Zahl der Personen im Erwerbsalter zwischen 15 und 64 Jahren von heute 770 Millionen auf dann 1,7 Milliarden zu erwarten.

Junge Menschen ohne Beschäftigung machen Staaten krisenanfällig. In diesem Zusammenhang stehen die politischen Konflikte und Bürgerkriege, die derzeit für steigende Zahlen von Flüchtlingen sorgen. So hat sich die Zahl der nach Deutschland zugewanderten Afrikaner von 2012 auf 2013 um 125 Prozent mehr als verdoppelt. Noch stärker war der Zuwachs aus Syrien.

Die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage in den Staaten südlich des Mittelmeers spricht kaum für eine Verminderung des Wanderungsdrucks: Rund 60 Prozent aller Afrikaner leben von weniger als zwei US-Dollar am Tag. Selbst die ärmsten EU-Staaten Bulgarien und Rumänien erwirtschaften pro Kopf ein achtmal so hohes Bruttoinlandsprodukt wie etwa Senegal.


Außenpolitische Herausforderungen

Viele der ursächlichen Probleme, die zu dem wachsenden Migrationsdruck führen, lassen sich mittelfristig nicht lösen. "Die EU-Staaten brauchen ein strategisches Konzept der Zuwanderungs-, Asyl- und Entwicklungspolitik, das erstens den wachsenden Bedarf der Arbeitsmärkte deckt, zweitens auf Krisen und neue, heute nicht absehbare Entwicklungen möglichst flexibel reagieren kann und drittens die Perspektiven des Nahen Ostens und Afrikas für eine Entwicklung aus eigener Kraft verbessert" sagt Reiner Klingholz.

Dazu müsste sich die EU auf eine einheitliche Asylpolitik und einen fairen Schlüssel für die Aufteilung der Asylbewerber auf die Mitgliedstaaten verständigen. Ansonsten sollten die Länder der EU entwicklungspolitisch präventiv arbeiten, um den Staaten südlich des Mittelmeers beim Aufbau der Gesundheits- und Bildungssysteme zu helfen. Im Zentrum aller Bemühungen sollte die Schaffung von Arbeitsplätzen stehen. All diese Interventionen bremsen erwiesenermaßen auch das starke Bevölkerungswachstum, das eines der größten Entwicklungshemmnisse dieser Länder ist.


Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung ist ein unabhängiger Thinktank, der sich mit Fragen regionaler und globaler demografischer Veränderungen beschäftigt. Das Institut wurde 2000 als gemeinnützige Stiftung gegründet und hat die Aufgabe, das Bewusstsein für den demografischen Wandel zu schärfen, nachhaltige Entwicklung zu fördern, neue Ideen in die Politik einzubringen und Konzepte zur Lösung demografischer und entwicklungspolitischer Probleme zu erarbeiten. Das Berlin-Institut erstellt Studien, Diskussions- und Hintergrundpapiere, bereitet wissenschaftliche Informationen für den politischen Entscheidungsprozess auf und betreibt ein Online-Handbuch zum Thema Bevölkerung.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, Stephan Sievert, 14.10.2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2014