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AUSSEN/167: Brüssel verschärft den Türkei-Deal (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 9. Dezember 2016

Brüssel verschärft den Türkei-Deal

PRO ASYL: EU-Kommission betreibt menschenrechtlichen Kahlschlag


Brüssel will nicht nur ab März 2017 Asylsuchende wieder nach Griechenland zurück ins Elend schicken, sondern auch den Türkei-Deal massiv verschärfen: Flüchtlingen, die Familienangehörige in Europa haben, und vulnerablen Gruppen (Kindern, Schwangeren etc.) droht künftig auch die Abschiebung in die Türkei. Brüssel fordert Griechenland auf, das bestehende Gesetz in diesem Sinne zu verschärfen. Nach griechischem Recht sind diese besonders verletzlichen Flüchtlingsgruppen auf den griechischen Inseln nicht dem sogenannten Zulässigkeitsverfahren unterworfen und damit nicht der unmittelbaren Gefahr ausgesetzt, in die Türkei zurück geschickt zu werden.

Die gestrigen Verlautbarungen der EU-Kommission zur Lage der Flüchtlinge in Griechenland und dem Stand der Umsetzung des Türkei-Deals sind aus der Sicht von PRO ASYL ein Armutszeugnis. "Die Kommission betreibt einen menschenrechtlichen Kahlschlag", so Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL.

Für den Deal werden Menschenwürde und Flüchtlingsrechte geopfert

Die EU hat maßgeblich die permanente humanitäre Krise auf den griechischen Inseln und dem Festland geschaffen und konserviert. Knapp 60.000 Schutzsuchende sitzen im krisengeschüttelten Land fest. Circa 16.000 vegetieren seit Inkrafttreten des Türkei-Deals am 20. März auf den griechischen Inseln. Dort gibt es aber lediglich 7.450 Unterbringungsplätze. Tausende Flüchtlinge hausen unter unmenschlichen Bedingungen und ohne jeglichen Schutz.

Diese Schutzsuchenden müssen in dem großen "Freiluftgefängnis Ägäis" verharren, weil dies Brüssel und gewichtige Regierungen, wie die Berliner, so angeordnet haben. Der Hotspotbeauftragte der EU-Kommission gab die Beweggründe am 5.12. bei der Vorstellung eines Hotspotberichts europäischer NGOs inklusive PRO ASYL im Europäischen Parlament frank und frei zu: Die Weiterreise vieler Flüchtlinge von den Inseln auf das Festland würde das Ende des Türkei-Deals bedeuten. Denn Erdogan nehme nur Flüchtlinge von den griechischen Inseln zurück.

In anderen Worten: Weil Erdogan dies so will und Europa zu jeder Widerlichkeit bereit ist, um den schmutzigen Flüchtlingsdeal am Leben zu halten, werden Elend, Verzweiflung und massive gesellschaftliche Spannungen auf den Inseln billigend in Kauf genommen.

Abschiebungen ins Elend verhindern

Während das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen und internationale Organisationen aktuell versuchen, tausende in Griechenland Gestrandete aus Zelten oder der Obdachlosigkeit in winterfeste Behausungen zu bringen, kündigt die EU-Kommission den Einstieg in die Wiederaufnahme von Dublin-Überstellungen an. Abschiebungen ins Elend sind jedoch mit Europarecht und der Menschenrechtskonvention nicht vereinbar. Da die "Hüterin der Verträge", die EU-Kommission, ihren Kernauftrag nicht mehr erfüllt, müssen die Gerichte Einhalt gebieten. PRO ASYL wird den betroffenen Schutzsuchenden beistehen und mit ihnen den Weg durch alle gerichtlichen Instanzen bis zum Menschenrechtsgerichtshof gehen.

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 9. Dezember 2016
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2016

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