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ENTWICKLUNGSHILFE/039: Afrika - EU-Entwicklungspolitik erreicht arme Bauern nicht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. November 2011

Afrika: EU-Entwicklungspolitik erreicht arme Bauern nicht - Eigene Interessen gehen vor

von Miriam Gathigah


Nairobi, 28. November (IPS) - Nicht nur die Klagen kenianischer Tee- und Kaffeefarmer, bei denen die zugesagte Entwicklungshilfe nicht ankommt, dürften den 2.500 Teilnehmern des 4. Hochrangigen Forums über die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe (HLF4) in den Ohren klingen. Auch das europäischen zivile Netzwerk CONCORD übt in einem aktuellen Bericht ('Spotlight on EU Policy Coherence for Development') scharfe Kritik an einer Entwicklungspolitik, die eher die Interessen der Geber als die der Empfänger berücksichtigt.

So erhält Kenias Regierung Millionen Dollar an ausländischer Hilfe für die finanzielle Unterstützung des Agrarsektors und die Ausbildung der Farmer im Umgang mit moderner Technik. Doch die Erzeuger von Tee und Kaffee, den wichtigsten Devisenbringern des ostafrikanischen Landes, kritisieren die fehlende Kontrolle der Mittelvergabe und deren Evaluierung. Nach Angaben der 'Kenya Tea Development Agency' erzielten die diesjährigen Tee- und Kaffee-Ernten 850 Millionen bzw. 133 Millionen Dollar.

Bei den Farmern bleiben die erhofften Profite aus. "Wir leben immer noch von der Hand in den Mund", klagte Manasseh Mugo, der vom Kaffeeanbau lebt. Stacy Njui aus dem Bezirk Nyeri in Zentralkenia berichtete IPS: "Ich investiere und arbeite auf eigene Kosten und verkaufe meine Ernte an unsere regionale Kaffeefabrik. Für ein Kilo bekommen wir hier nicht einmal einen Dollar. In anderen Regionen wird den Farmern etwas mehr bezahlt."

Kenias revidiertes Kaffeegesetz verbietet den Farmern inzwischen, ihre Produkte außerhalb ihres Bezirks zu verkaufen. "Seitdem drohen frustrierte Farmer der Regierung, ihre Kaffeeernte auf die Straße zu kippen" berichtete Mugo. "Sie wollen eine bessere Marktregulierung erzwingen, die ihnen zu einem fairen Anteil am Gewinn verhilft."


Ausstieg aus der Kaffeeproduktion

Immer mehr kenianische Bauern gehen dazu über, einheimische Nahrungsmittel anzubauen. Den Kaffee verkaufen sie zu Schleuderpreisen an multinationale Kooperationen, die ihn zu weit höheren Preisen auf den Markt bringen. Doch die Regierung ermuntert die Bauern, weiterhin Kaffee für den für sie profitablen Export anzubauen.

Nach Ansicht des europäischen zivilen Netzwerks CONCORD, dem 26 nationale und 18 internationale Netzwerke mit 1.800 Entwicklungsorganisationen angehören, zeigt sich am Beispiel der kenianischen Tee- und Kaffeefarmer die fehlende Kohärenz in der europäischen Entwicklungspolitik.

Die Europäische Union (EU), die als weltgrößter Geber jährlich rund 71 Milliarden Dollar an Entwicklungshilfe vergibt, müsse in den Entwicklungsländern für eine bessere Umsetzung der Menschenrechte und für mehr Fortschritte bei der Armutsbekämpfung sorgen, heißt es in dem CONCORD-Bericht, der rechtzeitig zum HLF4 vom 29. November bis 1. Dezember im südkoreanischen Busan erschienen ist. "Die armen Menschen in den Entwicklungsländern dürfen nicht auch noch unter den negativen Folgen von EU-Maßnahmen leiden", wird darin gefordert.

Es bestehe ein krasses Missverhältnis zwischen der von der EU finanzierten Entwicklungspolitik und den in Entwicklungsländern angestrebten Zielen. Der EU gehe es eher um die Sicherung ihrer eigenen Prosperität.

"Selbst wenn wir die europäischen Behörden darauf hinweisen, ändert sich nichts. Es fehlt am politischen Willen. Ihnen ist nicht klar, dass der Kampf gegen die Armut in der Welt auch im Interesse der EU liegt", sagte die Aktivistin Blandine Bouniol IPS. Sie ist Mit-Koordinatorin der CONCORD-Initiative für aufeinander abgestimmte Maßnahmen der Entwicklungspolitik.

So schwächten agrarpolitische Maßnahmen der EU wie subventionierte, billige Agrarexporte nach Afrika die Wettbewerbsfähigkeit einheimischer Bauern, von denen viele ganz aus dem Geschäft gedrängt würden, betonte Bouniol.

Auch Laura Sullivan von der Nichtregierungsorganisation 'ActionAid' kritisierte die Entwicklungspolitik der EU. "Wir stellen schwere Menschenrechtsverletzungen fest, wenn sich europäische Konzerne in Entwicklungsländern große Agrarflächen für den Anbau von Pflanzen sichern, aus denen der umstrittene Agrotreibstoff produziert wird", erklärte sie.


Kritik an EU-Biotreibstoffpolitik

"Weil die EU-Länder verpflichtet sind, den Verbrauch von Agrosprit bis 2020 zu verdreifachen, nimmt in Afrika das so genannte Landgrabbing zu, der Kauf oder das langjährige Pachten großer Agrarflächen", monierte Sullivan. "Dadurch werden die Nahrungsmittelpreise weltweit in die Höhe getrieben und für Arme zunehmend unerschwinglich."

Der CONCORD-Bericht dürfte nicht nur auf dem Entwicklungshilfeforum in Busan, sondern auch auf der bereits angelaufenen Klimakonferenz im südafrikanischen Durban vom 28. November bis 9. Dezember für Diskussionsstoff sorgen, meinte Peter Muga, entwicklungspolitischer Berater in Kenias Hauptstadt Nairobi.

"Auf beiden Konferenzen wird die künftige Entwicklungspolitik der Geber eine wichtige Rolle spielen", sagte er. "Auch wenn die Geber die Entwicklungsländer derzeit trotz der globalen Krise großzügig unterstützen, leiden die Menschen in den meisten Empfängerländern weiterhin unter extremer Armut", betonte der Experte. (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.concordeurope.org/Page.php?ID=4&language=eng
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105947

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2011