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INNEN/491: EU-Gipfel nach den Katastrophen vor Lampedusa - Tödliche Abschottungspolitik beenden (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 23. Oktober 2013

EU-Gipfel nach den Katastrophen vor Lampedusa:
Betroffenheitserklärungen sind angesichts geplanter Maßnahmen unglaubwürdig

PRO ASYL appelliert: Tödliche Abschottungspolitik beenden



Vor dem morgen beginnenden EU-Gipfel in Brüssel zeichnet sich ab, dass Regierungen der EU-Staaten auch nach den Katastrophen vor Lampedusa die bisherige Abschottungspolitik weiter perfektionieren wollen. "Vor diesem Hintergrund sind die zu erwartenden Betroffenheitserklärungen absolut unglaubwürdig", so Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL.

PRO ASYL appelliert an die Staats- und Regierungschefs der EU, die falsche Weichenstellung der EU-Innenminister zu korrigieren. Diese wollen Frontex weiter ausbauen, die Grenzüberwachung perfektionieren und Transitstaaten wie sogar Herkunftsstaaten in die Abwehr von Flüchtlingen einbinden. Im Entwurf der Abschlusserklärung heißt es, existierende Maßnahmen sollten effektiver genutzt werden, "insbesondere in Hinblick auf Kooperationen mit den Herkunfts- und Transitstaaten, Aktivitäten von Frontex und den Kampf gegen Schleusung und Menschenhandel".

Die geplanten Maßnahmen werden das Sterben von Flüchtlingen an Europas Grenzen nicht beenden und die schweren Menschenrechtsverletzungen, die Menschen auf der Flucht Richtung Europa erleiden, nicht aufhalten, sondern weiter befördern:

• Durch die Perfektionierung von Abschottungsmaßnahmen werden Fluchtrouten immer länger und gefährlicher. So hat etwa bereits die im letzten Jahr erfolgte Abriegelung der türkisch-griechischen Landgrenze durch Frontex und den griechischen Grenzschutz zu einer deutlichen Verlagerung von Fluchtrouten auf das Mittelmeer geführt.

• "Kooperation mit Transitstaaten" heißt in der Praxis, dass nordafrikanische Staaten wie Libyen und Ägypten trotz ihrer politisch instabilen Lage, der äußerst problematischen Menschenrechtssituation und der fortgesetzten Missachtung von Flüchtlingsrechten dazu angehalten werden, Schutzsuchende von der Flucht nach Europa abzuhalten. Der Untergang eines Flüchlingsschiffs vor Lampedusa am 11. Oktober wurde Berichten nach dadurch verursacht, dass libysche Sicherheitskräfte das Schiff beschossen, um es aufzuhalten. (Quelle [1])

• Die geplante "Kooperation mit Herkunftsstaaten" müsste in der Praxis bedeuten, dass die Europäische Union unter anderen mit dem syrischen Assad-Regime, mit dem eritreischen Diktator Isayas Afewerki und somalischen Warlords in Verhandlungen tritt. Nach Angaben des italienischen Innenministeriums machten unter den rund 25.000 Schutzsuchenden, die Italien in 2013 mit dem Boot erreichten, syrische Flüchtlinge die größte Gruppe aus, (9.805) gefolgt von eritreischen (8.843) und somalischen Schutzsuchenden (3.140). (Quelle [2])

PRO ASYL fordert die Staats und Regierungschefs der EU sowie insbesondere Bundeskanzlerin Merkel auf, sich für ein Ende der tödlichen Abschottungspolitik einzusetzen und endlich effektive Maßnahmen zur Rettung von Menschenleben und zur Wahrung der Menschenrechte von Schutzsuchenden zu ergreifen:

• Nur legale Fluchtwege können das Massensterben beenden. Europa muss gefahrenfreie Wege für Flüchtlinge eröffnen. Es müssen umfassende Programme zur Flüchtlingsaufnahme geschaffen werden. Menschen, die zum Beispiel vor dem syrischen Bürgerkrieg fliehen, müssen Visa zur legalen Einreise erhalten. Schutzsuchende haben das Recht auf menschenwürdige Aufnahme und faire Asylverfahren. Es darf keine Zurückweisungen von Flüchtlingen an den Grenzen geben.

• Die EU braucht dringend ein funktionierendes Seenotrettungssystem. Sie muss all ihre Möglichkeiten nutzen, um Menschenleben zu retten. Gerettete Schutzsuchende müssen in einen sicheren europäischen Hafen gebracht werden. Frontex und Eurosur, die das Ziel haben, so genannte "illegale Einreisen" zu verhindern, sind dazu nicht geeignet.

• Das EU-Asylsystem muss grundlegend geändert werden. Die bisherige Dublin-Regelung schiebt die Verantwortung für Flüchtlinge auf EU-Randstaaten ab, die dieser nicht nachkommen. Verweigerte Seenotrettung, illegale Push-Back-Operationen, die Inhaftierung von Asylsuchenden, unfaire Asylverfahren und das bedrückende Flüchtlingselend in vielen EU-Staaten zeigen, dass das bisherige System die Menschenrechte verletzt und versagt hat. Europa braucht eine solidarische Aufnahmeregelung, die die Bedürfnisse der Schutzsuchenden in den Mittelpunkt stellt.

PRO ASYL richtet diese Forderungen mit einer E-Mail-Aktion [3] an die Bundeskanzlerin und bittet sie, alles zu tun, was in ihrer Macht steht, um das Sterben an den europäischen Außengrenzen zu beenden.


Anmerkungen:

[1] http://www.bbc.co.uk/news/world-europe-24514340

[2] http://www.ansamed.info/ansamed/en/news/sections/generalnews/2013/10/15/Immigration-25-000-rescued-sea-2013-gov_9463902.html

[3] http://www.proasyl.de/de/home/aktion-lampedusa-stoppt-das-sterben/

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 23. Oktober 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2013