Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → POLITIK


INNEN/544: Trotz türkischer Militäroffensive - EU setzt weiter auf Deal mit der Türkei (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 8. Oktober 2019

Trotz drohenden türkischen Einmarschs in Nord-Syrien: EU setzt weiter auf Deal mit der Türkei

PRO ASYL wirft den EU-Innenministern angesichts der Eskalation der Türkei-Syrienkrise Totalversagen vor


PRO ASYL-Geschäftsführer Günter Burkhardt wirft angesichts des drohenden Einmarschs der Türkei in Nordsyrien den EU-Innenministern »Totalversagen« vor. Trotz der desaströsen Menschenrechtslage in der Türkei und der türkischen Militäroffensive in Nord-Syrien hofieren die europäischen Staaten weiter Erdogan. PRO ASYL wirft den Staaten Europas vor, die Entwicklungen in der Türkei nur unter dem Gesichtspunkt der Flüchtlingsabwehr zu betrachten. Burkhardt: »Innertürkische Repressionen gegen Oppositionelle, Verfolgungsdruck auf syrische und andere Flüchtlinge und nicht zuletzt die drohende Militäroffensive in Nord-Syrien, die viele Menschen neu in die Flucht schlagen wird, machen Erdogan zu einem Fluchtverursacher. Die EU verschließt konsequent die Augen.« Beim EU-Innenminister-Treffen in Luxemburg wurde einmal mehr die Partnerschaft mit der Türkei betont.

Zeitgleich ist für die in Griechenland ankommenden Schutzsuchenden weder Aufnahme noch Zugang zum Asyl geplant. Stattdessen baut der deutsche Innenminister ein neues Bedrohungsszenario von einer neuen »Flüchtlingswelle« wie 2015 auf und will die türkische Küstenwache stärken. Dass das Regime in der Türkei massiv Oppositionelle verfolgt und zur Flucht zwingt, wird unterschlagen. Vor Erdogans militärischer Offensive in Nord-Syrien verschließen die EU-Innenminister komplett die Augen. Dabei bahnt sich in Nord-Syrien die nächste Flüchtlingstragödie an - auf Betreiben Erdogans.

Der Einmarsch der Türkei in Nord-Syrien wird zu einer weiteren Eskalation des Konflikts in Syrien führen und dürfte noch mehr Flucht und Verfolgung vor allem innerhalb der kurdischen Bevölkerung verursachen. Nicht zuletzt plant Erdogan, Millionen syrischer Flüchtlinge nach Nord-Syrien zu verfrachten, nachdem er die kurdische Bevölkerung von dort vertrieben hat. Dies wird längst vorbereitet: Die Situation für syrische Flüchtlinge in der Türkei verschlechtert sich zusehends. Die türkischen Behörden sind längst dazu übergegangen, Syrer*innen zu Hunderten aus der Türkei nach Syrien abzuschieben.

Der Vertreibungsdruck auf syrische Flüchtlinge nimmt zu, sodass mittlerweile viele gezwungen sind, auf die griechischen Inseln in der Ägäis überzusetzen - wo sie in vollkommen überfüllten Elendslagern landen. Das zeigen die Ankunftszahlen der vergangenen Wochen und Monate. Aber auch Afghan*innen, Iraner*innen und andere Schutzsuchende haben in der Türkei keinerlei Zugang zu einem Schutzsystem. Dies wurde nun auch öffentlich vom türkischen Parlamentsabgeordneten Yeneroglu (AKP) in deutschen Medien bestätigt.

Erdogans Politik ist nicht nur menschenrechtsverletzend, sondern fluchtverursachend - sowohl in Bezug auf Menschen aus Syrien, Afghanistan und Iran, aber auch für türkische Staatsbürger. Der repressive Staatsapparat führt zu massiven Fluchtbewegungen aus der Türkei: Das Land gehört mittlerweile zu den Top 3 Hauptherkunftsländern bei Asylerstanträgen in Deutschland: Von Januar bis September 2019 stellten 8.329 türkische Staatsangehörige erstmals einen Asylantrag. Die bereinigte Schutzquote für die Türkei beträgt im selben Zeitraum rund 59 Prozent: Von den 6.856 inhaltlich getroffenen Entscheidungen wurden 4.039 positiv beschieden. Bei den Anerkennungen wurde größtenteils (ca. 98,4 Prozent) Asyl nach 16a (564) und Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention (3.412) gewährt. Eine solche Anerkennungsquote spricht Bände über die Verfolgungssituation der Betroffenen in der Türkei.

*

Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 8. Oktober 2019
Postfach 160 624, 60069 Frankfurt/M.
Telefon: +49 069 - 23 06 88, Fax: +49 069 - 23 06 50
E-Mail: proasyl@proasyl.de
Internet: www.proasyl.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2019

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang