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AGRAR/093: Schädliche Pestizide - Aktivistin gewinnt vor Gericht (SB)


Schädigungen durch Pestizide unzureichend erfaßt

Britisches Gericht gibt Klage der Aktivistin Georgina Down statt


Die britische Regierung hat eine Richtlinie der EU-Kommission aus dem Jahre 1991 zum Schutz ländlicher Gemeinden vor giftigen Pestiziden mißachtet. Das ist einer der Gründe, warum das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Defra, seine bisherige Politik überarbeiten und ermitteln muß, welchen Risiken die Bevölkerung durch die Verbreitung von Pestiziden ausgesetzt sind. Zu diesem Urteil gelangte der Oberste Gerichtshof Großbritanniens und gab damit einer Klage von Georgina Downs, Leiterin der von ihr im Jahr 2001 gegründeten UK Pesticides Campaign, statt.

Downs hatte "stichhaltige Beweise" dafür vorgelegt, daß Personen, die regelmäßig Pestiziden aus der Landwirtschaft ausgesetzt sind, auf Dauer geschädigt werden. Die 1984 geborene Aktivistin lebt am Rande eines Anbaugebiets in der Nähe von Chichester, West Sussex. Im Alter von elf Jahren begann sie zu erkranken, litt unter grippeähnlichen Symptomen, Pusteln, saurem Aufstoßen und weiteren Beeinträchtigungen. Downs forderte die Regierung auf, die Sorgen der Landbevölkerung, die das ganze Jahr über wiederholt Pflanzenschutzmitteln und anderen Chemikalien ausgesetzt werden und, wie in ihrem Fall, dies über Jahrzehnte hinweg, ernst zu nehmen. Die betroffenen Personen müßten rechtzeitig davon in Kenntnis gesetzt werden, was in der Nähe ihrer Häuser und Gärten versprüht werde, erklärte Downs laut einem Bericht der britischen Zeitung "The Guardian" (15. November 2008).

Der Richter Justice Collins sah das genauso. In seiner Urteilsbegründung bezog er sich auf die Bestimmungen der "1986 Control of Pesticides Regulations", denen zufolge Imker 48 Stunden, bevor in der Nähe ihrer Bienenstöcke Pestizide versprüht werden, gewarnt werden müssen. Es sei schwer nachzuvollziehen, warum sich Anwohner in einer schlechteren Position befinden sollten, erklärte er.

Auch folgte Collins der Argumentation Downs, daß die gegenwärtige Bemessungsmethode des Ministeriums unzureichend ist. Dabei wird lediglich einmalig gemessen, welcher Menge an Pestiziden eine Person, die sich am Rande einer besprühten Fläche aufhält, ausgesetzt ist. Down und mit ihr viele andere bekommen jedoch nicht nur einmal, sondern regelmäßig Pestizide ab, und das teils über Jahrzehnte. Zur Bekräftigung ihrer Klage hatte Downs die Krankenberichte von anderen Betroffenen, die unter anderem an Krebs, Parkinson oder Asthma litten, vorgelegt.

Nach der Urteilsverkündung appellierte die erleichterte Aktivistin, die sieben Jahren für ihr Ziel gekämpft hatte, an den britischen Premierminister Gordon Brown, er möge verhindern, daß die Defra in Berufung gegen das Urteil geht. Die Regierung solle einfach nur zugeben, daß sie falsch lag, sich entschuldigen und fortfahren, die Gesundheit und die Einwohner dieses Landes zu schützen, wünschte sich Down, deren Kampagne in Großbritannien weithin bekannt ist und die eine Reihe von Auszeichnungen erhalten hat.

Der Umweltausschuß des Europaparlaments hat Anfang dieses Monats der Einführung neuer Methoden zur Risikobestimmung von potentiell gesundheitsgefährdenden Pflanzenschutzmitteln zugestimmt. Eine endgültige Entscheidung darüber wird für Dezember oder Januar erwartet. Die Europäische Union will die Menge an Giften in der Landwirtschaft bis 2013 halbieren. Fälle wie der von Georgina Downs dürften mit dazu beigetragen haben, das Bewußtsein für die Problematik zu schärfen und die Entscheidungsträger dazu zu bewegen, Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu ergreifen.

18. November 2008