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DILJA/007: Kein Ermittlungsinteresse an Mord und Organraub im Kosovo - Teil 7 und Ende (SB)


Erdrückende Hinweise im Marty-Bericht zu Mord und Organhandel im Kosovo bzw. in Albanien

Das Fehlen jeglichen Ermittlungsinteresses westlicher Institutionen wirft Fragen nach Mitwisserschaft und direkter Beteiligung auf

Teil 7 (letzter Teil): Ein abschließendes Wort zur besonderen Verantwortung Deutschlands


Dem Marty-Bericht ist zugute zu halten, daß er nicht nur den fundierten Versuch unternimmt, der nachhaltigen und systematisch erzeugten und mit brutalster Gewalt, wenn man die Ermordung aussagewilliger Zeugen bedenkt, durchgesetzten Tabuisierung der erwähnten und in ihrem vollen Umfang noch gar nicht erfaßten Verbrechen entgegenzuarbeiten, sondern auch öffentlich gemacht hat, daß es die Praxis des illegalen Organraubs in dieser Balkanregion noch immer gibt. In dem Resolutionsentwurfstext an den Europarat wird deutlich gemacht, daß diese kriminellen Aktivitäten, die auf Betreiben bestimmter militärischer Führer der UÇK stattfanden, bis heute fortgesetzt werden. Dies hatten EULEX-Untersuchungen im Zusammenhang mit der Medicus-Klinik in Pristina zu Tage gefördert [26].

Da, wie im Marty-Bericht dargelegt, nicht nur von seiten des Den Haager Tribunals, sondern auch der Troika des Westens - EU, USA und UN - Hinweisen auf die von der inoffiziellen Hilfs- und Bodentruppe der NATO, der kosovo-albanischen UÇK, mutmaßlich unter Führung des heutigen "Ministerpräsidenten" Thaci begangenen Verbrechen kaum nachgegangen wurde und wird, wäre nicht nur allgemein nach der Beteiligung des Westens zu fragen, sondern speziell auch nach der Deutschlands, der deutschen Bundeswehr sowie aller übrigen, an der Protektoratsverwaltung beteiligten deutschen Kräfte. Immerhin stellte die Bundeswehr mit rund 3000 Soldaten schon vor Jahren das größte Kontingent der rund 16000 KFOR-Soldaten im Kosovo. Das inzwischen als eigenständiges Staatsgebilde ausgewiesene Protektorat trägt eine "deutsche" Handschrift ungeachtet der Informationen, die deutschen Dienststellen über ehemalige UÇK-Kommandeure und heutige Kosovo-Politiker schon vor Jahren vorlagen.

So ist einer Anfang 2007 für das deutsche Verteidigungsministerium angefertigten und zur "Verschlußsache" erklärten Studie des Instituts für Europäische Politik zu entnehmen, daß der Kosovo "fest in der Hand der Organisierten Kriminalität" sei und daß diese "weitgehende Kontrolle über den Regierungsapparat" [27] habe. Dieser Studie zufolge soll der amtierende "Ministerpräsident" und frühere UÇK-Chef Thaci nach Einschätzung westlicher Sicherheitsexperten "noch wesentlich gefährlicher als Haradinaj" sein, da er auf internationaler Ebene "über weiter reichende kriminelle Netzwerke" verfüge [27]. Zwei Jahre später, im Frühjahr 2009 und damit kurz nach dem zehnten Jahrestag des NATO-Überfalls auf Jugoslawien, begann das deutsche Auswärtige Amt mit der Schulung des künftigen "Regierungs"-Apparates des Kosovo und damit eines vermeintlichen Staates, den zu diesem Zeitpunkt erst eine Minderheit der UN-Mitgliedstaaten, nämlich 56, überhaupt anerkannt hatte.

Die deutsche Regierung unterstützte aktiv die Sezession des Kosovo ungeachtet der Tatsache, daß die Zugehörigkeit der Provinz zu Serbien bzw. Jugoslawien in einer Resolution des Weltsicherheitsrates (1244), durch die im Sommer 1999 der NATO-Luftkrieg gegen Jugoslawien beendet wurde durch eben diese, inzwischen allerdings gebrochene Bestätigung der Zugehörigkeit des Kosovo zu Serbien, völkerrechtlich garantiert wurde. Dies sieht auch der Europarat bzw. dessen Parlamentarische Versammlung so, fügt er doch seinen Presseerklärungen zum Kosovo, so auch dem jüngst veröffentlichten Marty-Bericht, die Anmerkung hinzu, daß der Europarat in jeder Beziehung, sei es in Hinsicht auf das Territorium, die Institutionen oder die Bevölkerung des Kosovo, dies in voller Übereinstimmung mit UN-Resolution 1244 verstanden wissen will. Mit anderen Worten: Der Europarat vollzieht den politischen Schwenk von EU, USA und den dominierenden Kräften bei den Vereinten Nationen, die durch die Anerkennung der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo den faktischen Bruch dieser Resolution vollzogen, nicht mit und erkennt den auf diese Weise hergestellten faktischen Zustand nicht an.

An dieser Entwicklung hatte die deutsche Bundesregierung einen maßgeblichen Anteil. Sie schult(e) nicht nur das politische Personal, sondern beteiligt(e) sich (im Rahmen von EULEX) auch aktiv am Aufbau von Polizei und Justiz im "Staat" Kosovo. Die offiziell im Januar 2010 gegründeten offiziellen Streitkräfte des Kosovo (KSF) erhielten Beihilfen von der deutschen Bundeswehr. Das heutige Gebilde "Kosovo" kann ungeachtet seiner formalen Unabhängigkeit, die in erster Linie der Loslösung von Serbien geschuldet war, nicht nur als De-facto-Protektorat des Westens, sondern im Grunde als bundesdeutsches Spezialprojekt angesehen werden. Unter Bezugnahme auf serbische Angaben berichtete das Internetportal german-foreign-policy [28] bereits vor fünf Jahren, daß deutsche Geheimdienste mit der Ausbildung von Spionage- und Staatsschutz-Organisationen im Kosovo begonnen hätten. Demnach soll der "deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) die Schulung kosovarischer Agenten für einen eigenständigen Geheimdienstapparat in Pristina übernommen haben, während das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) künftige Inlandsspione instruiert" [28]. Dem BND und seinen Vorläuferorganisationen werden ohnehin "hervorragende Verbindungen, die sie 1999 in den Dienst des NATO-Überfalls auf die Bundesrepublik Jugoslawien stellten" [28], nachgesagt.

Die engen Verknüpfungen zwischen deutschen Stellen und der UÇK sind vielfach dokumentiert worden. Als der als moderat geltende frühere Präsident der serbischen Provinz Kosovo, Ibrahim Rugova, im Januar 2006 in Pristina beigesetzt wurde, war der frühere deutsche Geheimdienstkoordinator und damalige Bundesaußenminister, Frank-Walter Steinmeier, zugegen und sah zu, wie Bewaffnete in Uniformen der illegalen UÇK Salutschüsse abfeuerten. Es ist dies dieselbe UÇK, deren Führer, und sei es in einem neuen politischen Gewand, damals wie heute im Verdacht schwerster Verbrechen stehen, die begleitet, um nicht zu sagen in ihrer Nichtermittlung und Straflosigkeit bzw. Fortdauer erst ermöglicht werden durch eine Mauer des Schweigens im Kosovo bzw. nördlichen Albanien, wo Menschen um ihres Lebens willen schweigen müssen. Diese Mauer des Schweigens wiederum, so steht zu vermuten, korrespondiert mit einer aufs Effizienteste organisierten Kooperation der führenden westlichen Staaten, allen voran auch der Bundesrepublik Deutschland, die sich den Kosovo wie einen eigenen Stützpunkt halten und nicht das geringste Interesse an der tatsächlichen Aufdeckung und Beendigung von Verbrechen hegen, an deren unmittelbarer Nutznießung Angehörige der europäischen Eliten in Gestalt menschlicher Organe sogar beteiligt sein könnten.

Auf die vielfältigen Gründe einzugehen, die zur Zerschlagung der Bundesrepublik Jugoslawien durch vom Westen angestachelte Sezessionskriege sowie den NATO-Krieg von 1999 einzugehen, würde an dieser Stelle zu weit führen [29]. Angesichts dieser Verflechtungen an die Institutionen der westlichen Interessengemeinschaft, die keineswegs, wie gern behauptet, eine Weltgemeinschaft ist, zu appellieren, macht nur "Sinn", um ihre Positionierung und mögliche Beteiligung noch deutlicher als bisher herauszustreichen. Der Europarat unterdessen, sollte er wie geplant im Januar 2011 den Resolutionsentwurf zu unmenschlicher Behandlung und illegalem Organhandel im Kosovo annehmen, würde damit seiner Funktion als "demokratischem Gewissen" Europas gerecht werden und den ihm zugedachten Part in dieser unheiligen Allianz wahrnehmen.


Anmerkungen

[1] Inhuman treatment of people and illicit trafficking in human organs in Kosovo, Berichtsentwurf an den Rechtsausschuß der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, von Dick Marty, 12. Dezember 2010,
http://assembly.coe.int/ASP/APFeaturesManager/defaultArtSiteView.asp?ID=964

[26] Marty-Bericht siehe [1], hier: "Preliminary draft resolution", Punkt 5.

[27] Thaci-Partei droht Sonderermittler Dick Marty, von Peter Mühlbauer, Telepolis, 17.12.2010

[28] Imperiale Vollendung, german foreign policy, 31.01.2006

[29] Siehe dazu im Schattenblick in -> INFOPOOL -> GEISTESWISSENSCHAFTEN -> MEINUNGEN die fortlaufende Serie zum Thema "Srebrenica oder die Zerschlagung Jugoslawiens", bislang erschienen:
DILJA/084: Srebrenica oder die Zerschlagung Jugoslawiens - Teil 1 (SB)
http://schattenblick.de/infopool/geist/meinung/gmeid-84.html bis
DILJA/106: Srebrenica oder die Zerschlagung Jugoslawiens - Teil 23 (SB)
http://schattenblick.de/infopool/geist/meinung/gmeid106.html


6. Januar 2011