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PARTEIEN/263: "Terrorismus" in Irland - Aufklärung unerwünscht (SB)


"Terrorismus" in Irland - Aufklärung unerwünscht

Die britischen Geheimdienste agieren am liebsten im Dunkeln


Nach dem viertägigen Besuch von Königin Elizabeth II. in der Republik Irland, dem ersten eines britischen Monarchen im Süden der grünen Insel seit dem irischen Unabhängigkeitskrieg 1920-1921, könnte man meinen, es herrsche in den bilateralen Beziehungen nur noch eitel Sonnenschein. Dem ist aber nicht so. Zwar ist der Staatsbesuch diplomatisch und medial ein Riesenerfolg gewesen und hat sicherlich zum Abbau des Mißtrauens der pro-britischen Protestanten Nordirlands gegenüber den katholischen Nationalisten dort sowie gegenüber der Republik im Süden beigetragen. Doch ein fader Nachgeschmack bleibt angesichts der kategorischen Weigerung der britischen Regierung, an der Aufklärung der Bombenanschläge von Dublin und Monaghan, die am 17. Mai 1974 33 Menschen, darunter eine schwangere Frau, das Leben kosteten, mitzuwirken. In den Wochen und Monaten danach war eine offiziell unbekannte Anzahl von Menschen ihren Verletzungen erlegen.

Wie der Zufall es so wollte, fiel der Auftakt des königlichen Besuchs mit dem 34. Jahrestag des blutigsten Tages des ganzen nordirischen Bürgerkrieges zusammen. Damals haben unbekannte Täter an einem späten Freitagnachmittag im Herzen der irischen Hauptstadt, als sich die Betriebe und Büros leerten und die Menschen sich auf den Heimweg machten, praktisch zeitgleich drei schwere Autobomben gezündet. Rund eineinhalb Stunden später haben Teilnehmer des gleichen Komplotts eine weitere Autobombe in der grenznahen Stadt Monaghan zur Explosion gebracht, um die irischen Sicherheitskräfte dorthin zu locken und die Rückkehr ihrer Kompagnons, die zu jenem Zeitpunkt nach verrichteter Dinge in Dublin auf der Straße nach Belfast unterwegs waren, zu erleichtern. Bei den Tätern soll es sich um Mitglieder der protestantischen Ulster Volunteer Force (UVF) gehandelt haben. Es gibt aber auch zahlreiche Hinweise, wonach diese Hilfe von Angehörigen der britischen Armee in Nordirland erhalten haben.

Deswegen hatte der Interessensverband der Verletzten und der Angehörigen der Getöteten, die Gruppe Justice for the Forgotten, einen Brief an Elizabeth II. geschrieben und sie darin gebeten, sich bei der konservativ-liberalen Regierung David Camerons dafür einzusetzen, daß diese endlich die relevanten Staatsakten aus der fraglichen Zeit freigibt. Darüber hinaus hat die IRA-nahe Sinn Féin, die den Besuch der britischen Königin für verfrüht hielt und deren Vertreter die verschiedenen Staatsakte boykottierten, am 17. Mai demonstrativ eine Debatte im Dáil, dem Unterhaus des irischen Parlaments, zum Thema des Stands der Aufklärung der Anschläge von Dublin und Monaghan abhalten lassen.

Vor diesem Hintergrund sah sich Taoiseach Enda Kenny gezwungen, am 18. Mai das heikle Thema bei der Stippvisite seines britischen Amtskollegen Cameron in Dublin, der an jenem Abend beim großen Bankett in Dublin Castle zu Ehren der Königin eingeladen war, anzuschneiden. Bei einer Dáil-Debatte am 25. Mai präsentierte der Chef der konservativen Fine-Gael-Partei das peinliche Ergebnis seines Gesprächs mit dem Obertory. Unter Verweis auf die vor einigen Jahren abgeschlossene Untersuchung des ehemaligen irischen Richters Barron gab Kenny den Standpunkt Camerons wie folgt wieder: "Die britische Regierung ist der Meinung, daß die Informationen, die sie zur Verfügung gestellt hat, all die relevanten Informationen enthalten, die sie zur Verfügung zu stellen beabsichtigt." Mit Empörung wurde die Haltung Londons vor allem von den oppositionellen Sinn-Féin- Abgeordneten aufgenommen. Partei- und Fraktionschef Gerry Adams bezeichnete sie als "völlig inakzeptabel" und warf folgende naheliegende Frage auf: "Die britische Regierung gibt zu, im Besitz von Akten zu sein, die sie nicht ausgehändigt hat. Welchen möglichen Grund kann sie haben, die Akten nicht auszuhändigen, wenn es, wie der Taoiseach behauptet, eine komplette Transformation der Beziehungen zwischen Irland und Britannien gegeben hat?"

Die Antwort liegt auf der Hand. Nach der herrschenden Lehre kommen die "Terroristen" immer nur aus nicht-staatlichen Organisationen wie der IRA, der UVF, der Hamas und dem Al-Kaida-"Netzwerk" Osama Bin Ladens, sind niemals aber im Auftrag staatlicher Organe wie der British Army, des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5, des israelischen Mossads oder der CIA unterwegs. Und das obwohl es viele Beispiele aus der Geschichte gibt, die genau das Gegenteil beweisen, etwa als in den siebziger und achtziger Jahren in Italien Militärgeheimdienstler, Mafiosi und Neofaschisten zusammen im Rahmen der sogenannten "Strategie der Spannung" zahlreiche mörderische Anschläge durchführten und sie als das Werk der Roten Brigade auslegten, um das Volk in Angst und Schrecken vor einer Machtübernahme durch die Kommunistische Partei zu versetzen.

Interessanterweise gab es am selben Tag, als Kenny den Dáil über den Inhalt seiner Gespräche mit Cameron unterrichtete, Einblicke in die Aktivitäten jener IRA-Splittergruppen, die den Friedenskurs von Sinn Féin ablehnen, den Kampf gegen die Briten in Nordirland fortsetzen und zuletzt durch den tödlichen Bombenanschlag auf den nordirischen Polizisten Ronan Kerr auf sich aufmerksam gemacht haben. Vor einem Gericht in Vilnius äußerte sich Michael Campbell, der vor drei Jahren beim Versuch, in Litauen Waffen für die Real IRA zu kaufen, verhaftet worden war, erstmals zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Der 38jährige Angeklagte, dessen Bruder Liam zur Führung der Real IRA gehören soll, war bei einer gemeinsamen Operation der irischen, britischen und litauischen Behörden ins Netz gegangen. Wie die irische Zeitung Examiner am 25. Mai in ihrer Online-Ausgabe berichtete, hat Campbell unter Eid ausgesagt, von Mitarbeitern des MI5 zur Reise nach Litauen und zum Versuch des illegalen Waffenkaufs "provoziert" worden zu sein. Wer weiß, vielleicht ist sogar etwas daran.

28. Mai 2011