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AGRAR/1287: Gesetzes-Vorschläge für Änderungen der EU-Agrarpolitik (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 312 - Juni 2008
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Health-Check: Gesetzes-Vorschläge der EU-Kommission für Änderungen der EU-Agrarpolitik vorgelegt

Von Ulrich Jasper


Die EU-Kommission will den Druck auf die Milchbauern noch erhöhen. Zu der gerade erst erfolgten Erhöhung der Milchquoten um EU-weit 2 % im aktuellen Wirtschaftsjahr 2008/09 sollen schon im kommenden Jahr 2009/10 weitere Mengen im Umfang von 1 % hinzukommen, gefolgt von vier weiteren Schritten um jeweils plus 1 % in den Jahren bis 2013/14. Dass die im März im Schnelldurchgang beschlossene Quotenerhöhung schon jetzt dazu beigetragen hat, dass die Molkereien von zu viel Milch auf dem Markt sprechen und mit dieser Begründung dem Handel die Milch billiger verkaufen, bestärkt die Bauern in ihrer Ablehnung der Mengenausdehnung. Für die Kommission dagegen ist das eine gewünschte Wirkung sie hat diesen Vorschlag, wie auch die endgültige Abschaffung der Flächenstilllegung, als Teil eines Maßnahmen-Pakets gegen "weltweit steigende Lebensmittelpreise" vorgestellt.

Die EU-Kommission geht selbst davon aus, dass die Quotenausdehnung zu Übermengen bei Butter führen wird und kündigt "begrenzte zusätzliche Ausgaben für Butterausfuhren" an. Das bedeutet ein Wiedereinsetzen der Exportsubventionen für Milchprodukte.


Geld für Wachstum

Während der BDM, die AbL und das European Milk Board die Quotenerhöhung ablehnen, stellen sich Bundesminister Seehofer und der Deutsche Bauernverband (DBV) nicht gegen die Quotenerhöhung an sich, sondern fordern als "Ausgleich" die Einrichtung und Bezahlung von "Begleitmaßnahmen". Dazu zählen sie insbesondere Investitionsfördermittel für neue Kuhställe und Melkanlagen. Die EU-Kommission schlägt vor, dass die Mitgliedstaaten jeweils selbst entscheiden dürfen, Begleitmaßnahmen für Milcherzeuger "in wirtschaftlich schwachen oder umweltgefährdeten Gebieten" einzuführen. Das Geld dafür soll der Mitgliedstaat durch lineare Kürzung um bis zu 10 % der Direktzahlungen aller Landwirte des Landes einnehmen (erweiterter Artikel 69 der alten Verordnung, neu: Artikel 68). Das lehnen Seehofer und DBV bisher ab sie fordern die Einrichtung eines neuen "Milchfonds" mit Geldern, die im EU-Agrarhaushalt nicht ausgegeben werden. Das stößt wiederum bei der EU-Kommission bisher auf taube Ohren.


Kampf um kleine Staffel

Wie schon im März durchgesickert war, hat die Kommission ihren Vorschlag vom November aufgegeben, bei den Direktzahlungen eine Staffelung der Direktzahlungen um bis zu 45 % für Zahlungen von über 300.000 Euro je Betrieb und Jahr einzuführen. Geblieben ist davon nun eine kleine Staffelung von bis zu maximal 9 %, die mit der Erhöhung der Modulation verbunden werden soll.

Die heutige Modulation, also die Umverteilung von 5 % der Direktzahlungen, die 5.000 Euro je Betrieb übersteigen, hin zu Fördermaßnahmen der Ländlichen Entwicklung, soll ab dem Jahr 2009 angehoben werden, und zwar um jährlich 2 %, bis die Modulation im Jahr 2013 bei 13 % (5 % + 8 %) liegt. Oberhalb von 100.000 Euro soll die Erhöhung stärker ausfallen: zu der jährlichen Erhöhung um 2 % kommen einmalig (2009) zusätzliche 3 % Umverteilung für Beträge zwischen 100.000 und 200.000 Euro hinzu, 6 % zwischen 200.000 und 300.000 Euro um 9 % über 300.000 Euro. Im Maximum steigt die Modulation damit bis zum Jahr 2013 auf 22 % für Beträge über 300.000 Euro (13 % + 9 %).

Die Kommission geht davon aus, dass somit im Jahr 2013 EU-weit insgesamt zusätzliche 2 Mrd. Euro bewegt werden, für Deutschland geht das Bundesministerium von rund 420 Mio. Euro aus. Das zusätzlich bewegte Geld soll zu 100 % im jeweiligen Mitgliedstaat verbleiben und die Programme der Länder zur Ländlichen Entwicklung aufstocken, allerdings mit inhaltlichen Vorgaben.



Modulation in Ost und West




Direktzahlungen 2006    


Nutz-
fläche


Arbeits-
kraft
Ein-
heiten
Euro je
AK-Ein-
heit

Modu-
lation 2006

Erhöhung Modu-
lation um 8 %
für alle

Kleine
zusätzliche
Staffelung
um 3/6/9 %


Mio.   Anteil
Euro
Anteil

Anteil



Mio.
Euro
Mio.    Anteil
Euro
Mio.  Anteil
Euro
Deutschland
5.635        


10.078
220
351          
67         
Neue Länder
3.806    32% 
33% 
18% 
18.180
87
139      40% 
65     96% 
Alte Länder
1.829    68% 
67% 
82% 
8.300
133
213      61% 
3      4% 



"Neue Herausforderungen"

Die EU-Kommission will die Mittel der zusätzlichen Modulation reservieren für Maßnahmen, die auf "neue Herausforderungen" reagieren: Klimaschutz, Erneuerbare Energien, Wassermanagement und Biologische Vielfalt. Dazu schlägt die Kommission eine nicht abschließende Liste von Maßnahmen vor, die zum großen Teil heute schon förderfähig sind. Darunter sind Agrarumweltmaßnahmen ebenso wie die "Modernisierung landwirtschaftlicher Betriebe" (z. B. Steigerung der Energieeffizienz) oder Investitionsförderung für Biogasanlagen. Die Länder können die Ausgaben, die heute schon in entsprechende Maßnahmen fließen, auf die von der EU geforderte Summe anrechnen und dann einen Teil der zusätzlichen Modulation für andere Maßnahmen einsetzen. Bei den Maßnahmen, die auf die neuen Herausforderungen reagieren, soll die bisher mögliche Förderhöhe um 10 % erhöht werden, womit die Kommission diese 2007 erst abgeschaffte "Anreizkomponente" wiederbelebt.


Weitere Entkopplung

Einen großen Teil der bislang - zum Teil aufgrund nationaler Entscheidungen z.B. in Frankreich, Spanien und anderen Mitgliedstaaten - noch an die Produktion gekoppelten Zahlungen will die Kommission nun schrittweise entkoppeln. Das betrifft insbesondere die Kulturpflanzen- und die Rinderprämien außer der Mutterkuhprämie. Ausdrücklich will die Kommission Mutterkuh- und Schaf- und Ziegenprämien auch weiterhin als gekoppelte Zahlungen ermöglichen.


Intervention durch Kommission

Auch im Bereich der Marktordnungen schlägt die Kommission - neben der Ausdehnung der Milchquoten-Änderungen vor. Die Intervention, also Aufkauf und Lagerung durch die EU, soll zum Teil im Jahr 2009 ganz gestrichen (Reis, Schweinefleisch), in anderen Bereichen auf Null gefahren (Futtergetreide, Hartweizen) und für wiederum andere Produkte (Brotgetreide, Butter bis max. 30.000 t, Magermilchpulver mit einer neu eingeführten Höchstgrenze von max. 109.000 t) auf ein Ausschreibungsverfahren umgestellt werden, das die Kommission auch auf einzelne Regionen begrenzen können will.

Die EU-Förderung für die private Lagerhaltung soll für Käse ganz abgeschafft werden. Bei Butter will die Kommission die Gewährung dieser Förderung und deren Höhe in ihr eigenes Ermessen stellen. Dieses Recht fordert sie auch bei der Beihilfe zur Verwendung von Magermilch und -pulver als Futtermittel und für die Verarbeitung von Magermilch zu Kasein.


Cross Compliance

Etwas entschlacken will die Kommission die Anforderungen, die die Bauern einhalten müssen, um die Direktzahlungen zu erhalten. Aus der Liste entfernt worden sind einige Bestimmungen der EU-Vogelschutz- und der FFH-Richtlinien, die nicht den Landwirt direkt betreffen, z.B. Jagd oder Fang geschützter Tiere. Hinzukommen sollen aber u.a. die Verpflichtung zur "Schaffung von Pufferzonen entlang von Wasserläufen", was die Kommission als eine ökologische Ausgleichsmaßnahmen für die Abschaffung der Stilllegungspflicht darstellt.

Erwähnt sei noch, dass die EU-Kommission Mindestgrenzen je Betrieb, ab denen Zahlungsansprüche ausgezahlt werden, einführen bzw. erhöhen will. In Deutschland gelten derzeit 100 Euro Mindestbetrag, die Kommission fordert 250 Euro oder mindestens 1 ha beihilfefähige Fläche. Die Bundesregierung begrüßt diese höheren Untergrenzen.


Begründung der Staffelung

Die EU-Kommission begründet ihren Vorschlag zur Einführung einer Staffelung der Direktzahlungen um bis zu 9 % wie folgt: "Die Aufteilung der direkten Einkommensbeihilfen auf die landwirtschaftlichen Betriebsinhaber ist gekennzeichnet durch die Zuteilung eines großen Anteils der Zahlungen an eine recht begrenzte Anzahl großer Begünstigter. Es ist klar, dass größere Begünstigte nicht dasselbe Niveau an individueller Beihilfe brauchen, damit das Ziel der Einkommensbeihilfe wirksam erreicht wird. Außerdem macht ihr Anpassungspotenzial es den größeren Begünstigten leichter; mit einem geringeren Niveau an individueller Beihilfe zu arbeiten. Deshalb erschien es gerechtfertigt, dass Betriebsinhaber, die einen großen Anteil der Beihilfe erhalten, einen besonderen Beitrag zur Finanzierung von Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums leisten, mit denen neuen Herausforderungen begegnet wird."


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 312 - Juni 2008, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. August 2008