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AGRAR/1600: Baukastensystem europäische Agrarpolitik (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 374 - Februar 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Baukastensystem europäische Agrarpolitik
Die EU-Staaten gehen mit Hilfe eines flexiblen Reformpakets jeweils eigene Wege

von Christine Weißenberg



Bei allen gemeinsamen Plänen legen die EU-Länder in ihrer Agrarpolitik doch vor allem Wert auf ihre eigenständigen Entscheidungen: lange wurde um einen gemeinsamen Rahmen gerungen, der ausreichend flexibel ist, damit alle umsetzen können, was daheim am besten passt und möglichst wenig verändert. Anschaulich lassen sich das Reformpaket der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und seine Finanztöpfe als Baukastensystem darstellen. Es gibt viele Möglichkeiten zur Verteilung und Umschichtung der finanziellen Mittel; die Auswahl und Zusammensetzung erfüllt ganz unterschiedliche Zwecke - so wie auch die Ausgangslage in den Mitgliedsstaaten verschieden ist. Eine wichtige Rolle spielt dabei, ob die Länder innerhalb der 1. Säule noch an Produktion gekoppelte Zahlungen nutzen und wie weit sie ansonsten damit fortgeschritten sind, die Höhe der als entkoppelt bezeichneten Direktzahlungen intern anzugleichen. EU-Ziel ist es, gekoppelte Zahlungen auf Dauer abzubauen und von historischen Berechnungsgrundlagen, je nach Produktionsweise des Betriebs, auf einheitliche Flächenprämien umzustellen. Doch Staaten, die alte Zahlungsmodelle nach wie vor nutzen, allen voran Irland, verteidigen diese und dehnen Umstellungsprozesse aus. Des Weiteren unterscheiden sich die Ansichten zu Schwerpunkten und zum Mitspracherecht von Nichtregierungsorganisationen bei der aktuell laufenden Ausgestaltung der Programme zur ländlichen Entwicklung innerhalb der 2. Säule.


Franzosen fördern Tierhaltung

Aus Frankreich berichtet Samuel Féret, Koordinator des europäischen, zivilgesellschaftlichen Netzwerks ARG, dass die Regierung die maximale Höhe gekoppelter Zahlungen von 13 % der Mittel aus der 1. Säule, plus 2 % extra für Eiweißpflanzenanbau, ausschöpfen und damit die bisherige Politik zur Unterstützung der nicht so flächenstarken Tierhaltungsbetriebe fortsetzen will. Weiterer Fokus der Regierung sind die benachteiligten Regionen, die erste Priorität bei den Ausgaben der 2. Säule genießen. Eine Umschichtung von etwa 3,3 % der Mittel von der 1. in die 2. Säule ist für Stallbauförderung und Risikomanagement vorgesehen. Die Umstellung auf einheitliche Flächenprämien soll angegangen, aber auf 70 % begrenzt werden. Als eine Art umgekehrte Modulation hat Frankreich in den Reformverhandlungen die Möglichkeit eines Aufschlags für die ersten Hektare durchgesetzt. Auf diese Weise reduzieren sich die Zahlungen bei Betrieben mit mehr als 100 Hektar Fläche gegenüber einer rein linearen Flächenprämie. Allerdings wird die Maßnahme nicht gänzlich ausgeschöpft und somit ihr Umverteilungseffekt begrenzt, denn nur 20 % der Mittel sollen jeweils die Prämien für die ersten 52 Hektar, entsprechend der durchschnittlichen nationalen Flächenausstattung, aufstocken.


Zaudern in Österreich

Auch Österreich, aufgrund der nationalen Strukturen oft selbsternannter Verfechter kleinstrukturierter und ökologischer Landwirtschaft, ist noch damit beschäftigt, die entkoppelten Direktzahlungen anzugleichen, und hat sich dafür Schritte von 10 % pro Jahr vorgenommen. Der österreichischen Kleinbauernorganisation ÖBV dauert das zu lange, wie Bäuerin Irmi Salzer betont: "Wir haben hier zwischen Ackerbau- und Grünlandbetrieben Differenzen von 700 zu 30 Euro pro Hektar und es ist schon seit 2008 klar, dass umgestellt werden soll. Nun wird eine gerechtere Aufteilung weiter hinausgeschoben." Besonders verärgert sind die Mitglieder der ÖBV zudem, dass die Prämien für extensives Grünland auf 25 % der möglichen Zahlungen begrenzt werden sollen, weil von einer wenig aufwendigen Bewirtschaftung und geringer Produktionsleistung ausgegangen wird. Die Möglichkeit eines Aufschlags für die ersten Hektare wird zumindest diskutiert, weil der sozialdemokratische Teil der Regierung sich dafür einsetzt. Allerdings ist mit Blick auf die Pläne der deutschen Nachbarn eine Umsetzung mit nur 5 bis 7 % der Mittel aus der 1. Säule im Gespräch. Auf diese Weise beschränkt sich der Effekt hauptsächlich darauf, Auswirkungen anderer Maßnahmen abzupuffern, anstatt wirksam umzuverteilen.


Polen erhöht Direktzahlungen

Im östlichen Nachbarland Deutschlands dringen wenig Informationen zu kritischen Beobachtern wie Marek Kryda, Berichterstatter für ARG, durch. Aber schon vor der europäischen Einigung hat Polens Regierung klar gemacht, dass sie umfassend die Möglichkeit nutzen will, Mittel aus der 2. in die 1. Säule umzuschichten. D.h. durch 25 % der eigentlich für ländliche Entwicklung geplanten Mittel werden die Direktzahlungen auf einen Schlag über durchschnittliche Beträge der westlichen EU-Ländern hinaus aufgestockt. Konsequenzen sind erhebliche Kürzungen für Programme der ländlichen Entwicklung, was sowohl vom Landwirtschaftsministerium und Bauernverbänden als auch von Naturschutzorganisationen bemängelt wird. Am stärksten ist das Budget für Agrarumweltmaßnahmen betroffen, das um die Hälfte gekürzt wird. Die Förderung verschiedener agrar-ökologischer Produktionsweisen wird jeweils nur noch für begrenzte Flächen pro Betrieb gewährt, sodass sie zwar kleinen Betrieben zugutekommt, aber keine Anreize für großflächige Anwendung schaffen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 374 - Februar 2014, S. 6
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2014