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WÄHRUNG/155: Warum der Euro die Griechenland-Krise überstehen wird (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum 1/2010 - Universität Bayreuth

WEGE AUS DER KRISE
Warum der Euro die Griechenland-Krise überstehen wird
... und was jetzt politisch notwendig ist

Von Professor Dr. Bernhard Herz


Die Griechenland-Krise bestimmt in diesen Tagen die Schlagzeilen, eine Frage wird dabei nicht nur in den Medien immer wieder gestellt: Kann und wird der Euro-Raum auseinander brechen? Die Antwort ist eindeutig: Nein. Griechenland will aus der gemeinsamen Währung nicht aussteigen - und die übrigen Euro-Länder können Griechenland auch nicht aus dem Währungsverbund herausdrängen.

Die öffentliche Debatte ist auch deshalb so verwirrend, weil immer wieder zwei Dinge vermischt werden, die nicht direkt zusammengehören - einerseits die Stabilität des Euro, die von der Inflationsrate abhängt und der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank bestimmt wird, andererseits die Stabilität der Staatsfinanzen, die von den nationalen Regierungen und Parlamente mit ihrer Fiskalpolitik, also den Steuereinnahmen und Staatsausgaben, determiniert wird.

Im Grund ist der Konkurs eines Landes, wie er in Griechenland de facto eingetreten ist, nichts anders als der Konkurs eines Großunternehmens oder eines anderen großen Schuldners. Mit dem Euro hat eine solche Entwicklung ursächlich nichts zu tun. Anders gesagt: Die (In-)Stabilität der Staatsfinanzen und die (In-)Stabilität der Währung, in welcher ein Staat sich verschuldet, sind unabhängig voneinander zu sehen.

Unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Länder im sogenannten "Club Med" wird der Euro letztlich eine stabile Währung bleiben. Denn es ist die Europäische Zentralbank, die auf das Ziel der Preisniveaustabilität verpflichtet ist und damit die Stabilität des Euro zu sichern hat.

Gleichwohl gibt es Handlungsbedarf: Der Fiskalpolitik in den Industrieländern fehlen - im Gegensatz zur Geldpolitik - systematische Pläne für den Ausstieg aus dem nach wie vor anhaltenden Finanzkrisen-Modus. Einfache Rezepte für eine Rückkehr zur Normalität wird es dabei nicht geben können. Aber dass stabile Staatsfinanzen machbar sind, hat die Wirtschaftsgeschichte bereits mehrfach gezeigt. Schuldenabbau ist dabei vor allem ein politischer Prozess: Politik muss ehrlich sein und verlässliche Zahlen liefern. Nur dann ist die eine Debatte über vernünftige und angemessene politische Maßnahmen möglich. Und zur Ehrlichkeit gehört auch die klare Ansage, dass schwierige Entscheidungen anstehen. Viele werden die Verteilung zwischen den Generationen betreffen.

Wie können Länder ihre Schulden konkret verringern? Natürlich indem sie sie zurückzahlen und den Gürtel enger schnallen. Die Mittel dafür können aus Privatisierungen öffentlichen Eigentums, Erhöhung der Steuern und/oder geringeren Staatsausgaben fließen. Dieser Weg ist der einzig nachhaltige, aber auch der politisch schwierigste, müssen doch die Bürger des jeweiligen Landes die Anpassungslast selbst tragen.

In der Inflation steckt eine große Versuchung für Länder, vor denen sich die Schulden auftürmen - und das sind gar nicht so wenige. Weltweit steigt die Staatsverschuldung weiter an. Inflation macht zwar kurzfristig eine Verringerung der Verschuldung möglich - allerdings nur kurzfristig. Bei der Refinanzierung der Kredite verlangen die Gläubiger dann aufgrund der erhöhten Inflationserwartungen auch höhere Zinsen. Es ist also nichts gewonnen. Zusätzlich verursacht Inflation zahlreiche Kosten. Ist die Notenbank politisch unabhängig und auf Geldwertstabilität verpflichtet, wie die EZB, ist dieser Weg verschlossen.

Wie man ausufernde Staatsdefizite wieder in den Griff bekommen kann, zeigt unter anderem unser kleines Nachbarland Belgien. Mitte der 1990er Jahre lag die Schuldenquote Belgiens deutlich höher als die der Griechen heute. Die Einführung des Euro und des Stabilitäts- und Wachstumspakts haben die Belgier zum Anlass genommen, mehrere Weichen richtig zu stellen. Als institutionelle Absicherung wurde ein High Finance Council eingerichtet, das Fiskalpolitiken auf föderaler und regionaler Ebene überwacht. Belgien verfügt über föderale Strukturen, die Steuereinnahmen liegen auf einem stabilen Niveau. Dagegen wurden die Staatsausgaben und Sozialausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt schrittweise gesenkt. Mit den stabiler werdenden Staatsfinanzen sanken die Zinsen, was wiederum den Staatsfinanzen und der wirtschaftlichen Entwicklung half.

Griechenland steht bei der Sanierung seiner Staatsfinanzen vor einer gewaltigen Aufgabe. Mit den Krediten der übrigen Euro-Länder und des Internationalen Währungsfonds sollte ausreichend Zeit zur Verfügung stehen, um die notwendigen Korrekturen umzusetzen. Der Erfolg ist nicht garantiert - um so wichtiger ist die strenge Kontrolle durch EU und IWF bei der Sanierung. Dagegen wird die Stabilität des Euro nicht vom Schicksal Griechenlands abhängen. Sie wird auch weiterhin in Frankfurt von der EZB und ihrer Geldpolitik bestimmt.


Professor Dr. Bernhard Herz ist Inhaber des Lehrstuhls Volkswirtschaftslehre I/Wirtschaftspolitik


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Quelle:
spektrum 1/2010, S. 3
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"spektrum" erscheint dreimal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juli 2010