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BERICHT/179: Collegium Bohemicum arbeitet deutsch-tschechische Geschichte auf (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 18 vom 11. November 2008

Collegium Bohemicum arbeitet deutsch-tschechische Geschichte auf
Deutsch-tschechisches Kulturerbe in Böhmen soll koordiniert erforscht werden

Von Steffi Eckold


"Angesichts der bedeutenden Rolle der deutschsprachigen Bevölkerung für die Geschichte der böhmischen Länder brauchen wir eine zentrale Einrichtung für die Koordinierung der Forschungs- und Ausstellungsprojekte im Bereich der Pflege dieses Kulturerbes", so stellte der tschechische Kulturminister Václav Jehlièka im Jahr 2007 fest. In der gemeinnützigen Gesellschaft Collegium Bohemicum hofft man nun, diese Einrichtung geschaffen zu haben.

Die Gründungsväter der Gesellschaft sind die Stadt Ustí nad Labem, ihre Universität Jan Evangelista Purkyne, die Gesellschaft für die Geschichte der Deutschen in Böhmen und seit 2007 auch die tschechische Regierung in Form ihres Kulturministeriums.

Das Collegium Bohemicum widmet sich der Aufarbeitung der Geschichte des Zusammenlebens von Deutschen und Tschechen in den böhmischen Ländern. Allein in Ustí waren bis 1945 ein Großteil der 50.000 Einwohner Deutsche, die Mehrzahl wurde nach Kriegsende ausgesiedelt. Erst seit Ende des Kalten Krieges beschäftigen sich Einzelinitiativen der Stadt mit dem Zusammenleben von Deutschen und Tschechen in Böhmen. An der Universität kann man sich für den Studiengang "Germanisch-Slawische Studien" entscheiden, das Stadtarchiv sammelt Tonaufnahmen mit sudetendeutschem Bezug und das Stadtmuseum plante bereits 2004 eine ständige wissenschaftliche Arbeitsstelle mit dem Forschungsschwerpunkt des Kulturerbes der Deutschen in den böhmischen Ländern. Aus ihr entstand schließlich 2006 die Gesellschaft Collegium Bohemicum. Auch kleinere Projekte befassten sich seit 1989 in Form von Ausstellungen und Konferenzen immer wieder mit der deutschen Vergangenheit des Landes, so dass eine zentrale Aufgabe des Collegium Bohemicum die Koordination aller Einzelaktivitäten um die Verbindung von tschechischer und deutscher Geschichte ist. Die Gesellschaft stellt so die zentrale Institution in Bezug auf die deutsch-tschechische Vergangenheit Böhmens dar und hat in dieser Funktion auch internationale Bedeutung.

Das Collegium Bohemicum widmet sich zusätzlich der Erforschung der tschechisch-deutschen Beziehungen in der Gegenwart. Forschungsergebnisse werden unter anderem in Form von Ausstellungen oder Einzelveranstaltungen der Öffentlichkeit präsentiert. Seit Herbst 2008 vergibt die Gesellschaft Stipendien an Historiker, die sich im Rahmen ihrer Doktorarbeit mit dem deutsch-tschechischen Verhältnis seit Ende des 18. Jahrhunderts beschäftigen. "Wir freuen uns auch immer über Praktikanten. Sie können hier eigene Projekte betreuen, lernen Tschechich und die Stadt Ustí kennen und werden in Abläufe von Kultur- und Bildungsveranstaltungen einbezogen", so Frauke Wetzel, Kulturmanagerin des Collegium Bohemicum. Die Gesellschaft organisiert auch aktive Austauschprogramme, die Begegnungen zwischen Deutschen und Tschechen ermöglichen. Mit der TU Dresden steht die Gesellschaft so in Kontakt. Im Sommer 2008 veranstaltete das Collegium Bohemicum in der Nähe von Ustí das Seminar "Gedächtnis der Kunst". Unter der fachlichen Leitung von Marie-Luise Lange, Professorin für Theorie künstlerischer Gestaltung und Kunstpsychologie an der TU Dresden, nahmen daran Studenten der Kunstpädagogik der TU Dresden und der Universität Jan Evangelista Purkyne in Ustí teil. Gemeinsam besuchten sie unter anderem Theresienstadt und trafen auf Zeitzeugen des Holocaust. Sie sahen aber auch die verlassenen Dörfer zwischen Ustí und Decín, die noch bis 1945 von Deutschen besiedelt waren. Im Kulturzentrum in Rehlovice bei Ustí setzten die Studenten ihre Eindrücke der Begegnungen künstlerisch um. Einer Ausstellung der Werke in Rehlovice im Juli dieses Jahres folgte die Präsentation der Installationen im Ostrale-Zentrum Dresden, die am 27. Oktober 2008 endete. Vom 5. November bis zum 2. Dezember werden Fotos der Arbeiten in der Galerie Chodba in der Universität Ustí zu sehen sein. Eine Wiederholung des Projektes "Gedächtnis der Kunst" zusammen mit Studenten der TU Dresden ist im Mai 2009 geplant.


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 19. Jg., Nr. 18 vom 11.11.2008, S. 10
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2008