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FUNDSTÄTTEN/131: Aufsehenerregende Zeugnisse aus dem Alten Ägypten entdeckt (idw)


Universität Leipzig - 20.05.2019

Aufsehenerregende Zeugnisse aus dem Alten Ägypten entdeckt


Eine internationale Gruppe von Forschern hat auf dem Areal des einstigen Sonnentempels von Heliopolis in Kairo erneut zahlreiche aufsehenerregende Zeugnisse eines der größten Tempel des Alten Ägyptens entdeckt. Das Team, dem auch Experten der Universität Leipzig angehörten, stieß bei einer Grabung im südwestlichen Bereich des Tempelbezirks erstmals auf gewaltige Binnenmauern aus Lehmziegeln von fünf bis sieben Metern Stärke.


Bild: © Simon Connor

Blick auf das Grabungsgelände von Heliopolis.
Bild: © Simon Connor

In den Schichten fanden sich Fragmente großer Rosengranitsäulen, die Palmen nachgebildet sind und wahrscheinlich aus dem 3. Jahrtausend vor Christus stammen. Aus denselben Schichten stammen auch Keramikfunde und das Relief-Fragment eines zerstörten Denkmals aus der Zeit des altägyptischen Königs Echnaton. "Die größte Überraschung war für uns die Entdeckung eines ganz ungewöhnlichen Gräberfeldes des späten zweiten Jahrtausends vor Christus. Bislang konnten wir zwölf Individuen aller Altersklassen und beiderlei Geschlechts identifizieren", berichtet Dr. Dietrich Raue von der Universität Leipzig, der Co-Direktor der Unternehmung. Die vor wenigen Tagen abgeschlossene Kampagne sei "äußerst intensiv und sehr erfolgreich" gewesen, betonte der Kustos des Ägyptischen Museums Georg Steindorff der Universität Leipzig. Er ist seit Jahren bei den Grabungen von Heliopolis dabei, wo bereits in der Vergangenheit mehrere spektakuläre Funde gemacht wurden, so unter anderem im Jahr 2017 eine Kolossalstatue Psammetichs I.


Bild: © Dr. Dietrich Raue

Eines der gefundenen Fragmente: Echnaton als Sphinx.
Bild: © Dr. Dietrich Raue

Die Forscher nahmen an mehreren Stellen sogenannte Notgrabungen vor, denn mitten in der Millionenstadt Kairo wartet eine Reihe von Bedürfnissen moderner Stadtplanung und -bebauung. Deshalb müssen die Grabungen auf dem Gelände des Heliopolis-Tempels abschnittsweise zügig zum Abschluss kommen. Die Experten stießen unter anderem auf zahlreiche Gegenstände aus dem ursprünglichen Tempelinventar: Fragmente von Königsstatuen aus Alabaster, Bruchstücke von Altären aus Gneis und immer wieder Fragmente verbrannter Tempelreliefs. Letztere bezeugen eine beabsichtigte Zerstörung des Tempels, an dem die altägyptischen Niltalbewohner die Entstehung der Welt annahmen. Im zentralen Tempelbezirk wurde eine Vielzahl von Fragmenten des letzten großen Neubaus nach einer 2.400-jährigen Geschichte des Sonnentempels entdeckt. Der altägyptische Pharao Nektanebo I. ließ hier in Basalt, Granit und Quarzit in höchster Qualität ein Denkmal für den Sonnengott errichten. Das gesamte Gebiet wurde im frühen 1. Jahrhundert vor Christus neugestaltet und für Wirtschaftsbereiche genutzt. In diesen wurden wiederverwendete Reliefs der Ramessidenzeit (1292 vor Christus bis etwa 1070 vor Christus) gefunden, unter ihnen die Darstellung einer Morgenbarke mit dem Sonnengott in seiner morgendlichen Skarabäengestalt, begleitet und von zwei Pavianen.

Dr. Aiman Ashmawy vom Ägyptischen Antikenministerium, der andere Co-Direktor der Grabungskampagne, rechnet mit weiteren Entdeckungen im zentralen Tempelgebiet: "Offensichtlich sind wir in den Bereich eines neuen Tempels vorgestoßen, der Merenptah, dem Sohn Ramses II., zugeschrieben werden kann", sagt er. An den Grabungen der vergangenen Monate waren neben Wissenschaftlern der Universität Leipzig auch Experten des ägyptischen Antikenministeriums, des Museo Egizio in Turin sowie der Universität Pisa beteiligt. Unterstützt wurden sie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Gerda Henkel Stiftung, der Selz-Foundation, durch ein Preisgeld der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres Paris sowie einer Vielzahl privater Unterstützer.


Am 29. Mai findet für die interessierte Öffentlichkeit um 18.15 Uhr im Hörsaal 8 der Universität (Hörsaalgebäude am Campus Augustusplatz; Universitätsstraße, 04109 Leipzig) der Vortrag zu den Ausgrabungen des vergangenen Jahres statt.



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution232

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Leipzig, 20.05.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2019

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