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MELDUNG/298: Literaturhinweis - Neues ZF-Heft "Apartheid und Anti-Apartheid - Südafrika und Westeuropa" (idw)


Zentrum für Zeithistorische Forschung - 20.06.2016

Neues ZF-Heft thematisiert "Apartheid und Anti-Apartheid - Südafrika und Westeuropa"


"Apartheid" war mehr als 40 Jahre lang die Politik Südafrikas, mit der Menschenrechtsverletzungen Gesetz waren. Die Auseinandersetzungen über die Apartheid und den Umgang mit dem Regime in Südafrika trugen seit den 1960er-Jahren in einem erheblichen Maße dazu bei, Menschenrechte als international verbindliche Normen zu etablieren. So ist die Apartheid nicht nur eine südafrikanische Geschichte: In verschiedenen Phasen und Formen beeinflusste sie auch Politik und Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft in Westeuropa. Diesen Verflechtungen geht das aktuell erschienene Themenheft (Heft 2/2016) der Zeitschrift "Zeithistorischen Forschungen" mit Fallstudien nach.

Wie entwickelte sich der Umgang zum Beispiel von Unternehmen, Kirchen und Künstlern mit der Apartheid? Sollte Südafrika, politisch ein Paria der Staatengemeinschaft, auch kulturell und ökonomisch isoliert werden, oder waren Verbindungen nun gerade wichtig, um Reformen voranzutreiben? Anhand des südafrikanischen Falles werden zugleich allgemeinere, für das Selbstverständnis westlicher Gesellschaften zentrale Aspekte deutlich: die Entstehung einer "Moral Economy", die Herausbildung eines politischen Bewusstseins der "Konsumbürger", die ambivalenten Effekte von Handels- und Kulturboykotten sowie die Erweiterung nationaler Öffentlichkeiten zu einer globalen Mediengesellschaft.

Christoph Marx fragt zunächst, warum die weiße Minderheit in Südafrika so lange an der Apartheid festhielt. Neben geostrategischen Konstellationen des Kalten Krieges zeigt er vor allem an der Ideologie und Politik des Ministerpräsidenten Hendrik Verwoerd (Amtszeit 1958-1966), des "Architekten der Apartheid", warum die burische Führung Apartheid als zukunftsträchtiges Projekt sah und der internationalen Kritik unverständig begegnete.

Knud Andresen untersucht an bundesdeutschen Automobilunternehmen wie Volkswagen und BMW die Bestrebungen von Firmen, ihre ökonomischen Aktivitäten in Südafrika zu legitimieren. Nach einer anfänglichen Ignoranz wurde es seit den 1970er Jahren ein erklärtes Ziel, die Arbeitsbedingungen für die schwarzen Beschäftigten zu verbessern. Die Unternehmen verhandelten nun auch mit den schwarzen Gewerkschaften und strebten eine evolutionäre Überwindung der Apartheid an. Der südafrikanische Fall zählt zu den Ausgangspunkten für die heutige "Corporate Social Responsibility" multinationaler Konzerne.

Detlef Siegfried diskutiert anhand des Albums "Graceland" von Paul Simon (1986) die Chancen und Grenzen des Kulturboykotts. Die britische Anti-Apartheid-Bewegung warf Simon Kollaboration mit Südafrika vor. Allerdings hatte Simon mit schwarzen Musikern zusammengearbeitet. Der African National Congress (ANC) in Südafrika selbst wollte die Boykott-Politik modifizieren - so zeigten sich hier auch Divergenzen innerhalb der Bewegung. Noch wichtiger: Die Versuche, einen Kulturaustausch politisch zu steuern, waren in Zeiten globaler Medienkulturen nicht mehr erfolgreich.

Sebastian Justke und Sebastian Tripp betrachten die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und deren Verhältnis zum Apartheid-System. Traditionell gab es vielfältige Verbindungen der EKD nach Südafrika, etwa durch die Auslandspfarrer. Besonders durch die Evangelische Frauenarbeit in Deutschland und deren Kampagne "Kauft keine Früchte aus Südafrika!" geriet die Amtskirche aber unter Druck, sich stärker gegen die Apartheid zu engagieren. Der westdeutsche Protestantismus begann sich sowohl auf theologischer Ebene wie in seinen Aktionsformen zu wandeln.

Diese und weitere Themen des Hefts haben stets mediengeschichtliche Komponenten. Deshalb liegt ein übergreifender Schwerpunkt auf Fotografie, Musik, Filmen und Plakaten der Anti-Apartheid-Bewegung.

Herausgegeben haben das aktuelle Heft - Jahrgang 13 (2016), H.2 - Knud Andresen von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg und Detlef Siegfried von der Universität Kopenhagen.

Zur Online-Ausgabe der Zeitschrift "Zeithistorische Forschungen":
www.zeithistorische-forschungen.de

Die "Zeithistorischen Forschungen" werden am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam herausgegeben von Frank Bösch, Konrad H. Jarausch und Martin Sabrow. Die Zeitschrift erscheint dreimal jährlich gedruckt im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht und zugleich im Open Access.


Weitere Informationen unter:
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- Zeithistorische Forschungen im Open Access
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- Website des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam
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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1252

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Zentrum für Zeithistorische Forschung, Marion Schlöttke, 20.06.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2016

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