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MELDUNG/342: Geheimer Bildertausch - eine deutsch-amerikanische Kooperation im Zweiten Weltkrieg (idw)


Zentrum für Zeithistorische Forschung - 09.10.2017

Geheimer Bildertausch - eine deutsch-amerikanische Kooperation im Zweiten Weltkrieg

Neue Ausgabe der "Zeithistorischen Forschungen" (ZF) online und gedruckt erschienen (Heft 2/2017)


Bis zum Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 konnten Fotografen der amerikanischen Bildagentur Associated Press (AP) sowohl die NS-Presse als auch nordamerikanische Medien mit Bildmaterial aus dem deutschen Machtbereich versorgen; sie waren mit dem Propaganda-Apparat eng verbunden. Ein neuer Aufsatz im aktuellen ZF-Heft liefert jetzt weitere Erkenntnisse: Sogar nachdem das Deutsche Reich den USA den Krieg erklärt hatte, gab es einen täglichen transatlantischen Bildertausch.

Norman Domeier stieß im Nachlass eines AP-Korrespondenten in Madison/Wisconsin auf einen Bericht mit detaillierten Hinweisen zur geheimen deutsch-amerikanischen Kooperation. Das "Büro Laux", eine Agentur von SS und Auswärtigem Amt in Berlin, organisierte in den Jahren 1942-1945 den Austausch von Fotos über Diplomatenpost. Die oberste NS-Führung erhielt täglich AP-Bilder vorgelegt, und ein Teil davon wurde in der deutschen Presse veröffentlicht. Umgekehrt gelangten Tausende von Fotos deutscher Herkunft in die amerikanische und internationale Presse. So belegte ein Foto, das Hitler und Mussolini zeigte, kurz nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 auch für Zeitungsleser in den USA das Überleben des deutschen Diktators. Nicht alle Fragen zu dieser verwickelten Geschichte lassen sich bisher beantworten; deutlich wird jedenfalls, dass die Praktiken des Auslandsjournalismus während der 1930er- und 1940er-Jahre weiter erforscht werden müssen.

Einen anderen thematischen Akzent in diesem Heft setzt Rüdiger Bergien, der die Einführung von Computern im westdeutschen Bundeskriminalamt und im Ministerium für Staatssicherheit der DDR vergleicht. Wie veränderten sich ab Mitte der 1960er-Jahre die Arbeitsabläufe, die Wissensproduktion und die Personalprofile in den Sicherheitsbehörden? Eine Gemeinsamkeit war in Ost und West - trotz der sehr verschiedenen politischen Rahmenbedingungen -, dass die Computerisierung keineswegs geradlinig verlief, sondern mit vielen Unsicherheiten und Vorbehalten behaftet war. In beiden deutschen Staaten lautete eine technische wie auch politische Streitfrage, ob Systeme zur Informationsverarbeitung stärker zentral oder dezentral angelegt werden sollten. Während in den 1970er- und 1980er-Jahren teils erhofft, teils befürchtet wurde, dass Computer den Weg zu effizienterer staatlicher Überwachung ebnen könnten, waren die praktischen Ergebnisse damals noch uneindeutig. Eine der wichtigsten Veränderungen ist aber darin zu sehen, dass die EDV neue Zeitrhythmen der polizeilichen Ermittlungsarbeit hervorbrachte. Hatten manche Informationsanfragen zu Beginn der 1970er-Jahre mehrere Wochen gedauert, beschleunigten sich die Abläufe mit elektronischer Datenverarbeitung signifikant.

Zwei Beiträge des Hefts haben direkte Gegenwartsbezüge: Charlotte Joppien sucht in einem Essay nach Hintergründen zu 15 Jahren AKP-Regierung in der Türkei, indem sie bestimmte autoritäre Strukturen im Parteiensystem und in der Gesellschaft weiter zurückverfolgt. Die Kritik an den derzeitigen Herrschaftsverhältnissen in der Türkei dürfe sich nicht zu einseitig nur auf Präsident Erdoğan beziehen - dessen Handeln sei "zwar als extreme Ausprägung, aber als durchaus symptomatisch für das türkische Parteiensystem zu verstehen". In einem Beitrag für die Rubrik "Neu gelesen" über Paul Feyerabends "Against Method" (1975) ordnet Michael Hagner dieses Buch zunächst wissenschaftsgeschichtlich ein, um dann zu verdeutlichen, dass Feyerabends "Aufstand wider den Methodenzwang" kein Dokument angeblicher postmoderner Beliebigkeit ist, sondern sich gerade heute "als Antidot gegen die Zumutungen des Populismus" wiederentdecken lässt.

Weitere Beiträge widmen sich u.a. Fragen von Mode und Schönheit in der deutschen und amerikanischen Geschichte seit den 1970er-Jahren, der Flucht von Osteuropäern ins nationalsozialistische Deutschland während der Jahre 1943 bis 1945 sowie ungarischen Quellen von 1945, mit denen die Verbrechen der Nationalsozialisten und der Pfeilkreuzler dokumentiert werden sollten. So bietet die Zeitschrift wieder ein breites Panorama aktueller Forschungen und Debatten zur Zeitgeschichte.

Die "Zeithistorischen Forschungen" werden am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (http://www.zzf-potsdam.de) herausgegeben von Frank Bösch, Konrad H. Jarausch und Martin Sabrow. Die Zeitschrift erscheint gedruckt im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht (http://www.v-r.de) und zugleich im Open Access (http://www.zeithistorische-forschungen.de).


Weitere Informationen unter:
http://www.zeithistorische-forschungen.de
- Zeithistorische Forschungen im Open Access

http://www.zzf-potsdam.de
- Website des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam

http://www.v-r.de
- Website des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1252

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Zentrum für Zeithistorische Forschung, Marion Schlöttke, 09.10.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2017

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