Schattenblick → INFOPOOL → GEISTESWISSENSCHAFTEN → GESCHICHTE


MEMORIAL/182: Vor 40 Jahren wurde in Italien der christdemokratische Parteiführer Aldo Moro ermordet (Gerhard Feldbauer)


Vor 40 Jahren wurde in Italien der christdemokratische Parteiführer Aldo Moro ermordet

Mit dem von der CIA und ihrer NATO-Truppe Gladio inszenierten Komplott wurde eine Regierungsbeteiligung der Kommunisten verhindert

von Gerhard Feldbauer, 8. Mai 2018


Der 16. März 1978 war an sich schon kein gewöhnlicher Arbeitstag für uns. [1] Im Montecitorio, dem Sitz der Abgeordnetenkammer, war die Debatte über die Amtseinführung der von IKP-Generalsekretär Enrico Berlinguer und dem Vorsitzenden der Democrazia Cristiana (DC), Aldo Moro, gebildeten Regierung angesetzt. Die IKP wollte das Kabinett zunächst nur parlamentarisch unterstützen, hatte aber bereits volles Mitspracherecht in allen Fragen der Regierungspolitik. Der direkte Eintritt war für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen. Die USA sollten sich, wie mir auch Sergio Segre, der Leiter der Abteilung Internationale Beziehungen im Zentralkomitee, gesagt hatte, davon überzeugen, dass es seitens der IKP keine Absichten einer "kommunistischen" Machtübernahme gebe.

Etwa gegen 9.30 Uhr brachte die Nachrichtenagentur ANSA die ersten Meldungen über die Entführung Moros. Der Konvoi des DC-Führers war auf der Fahrt zum Montecitorio an der im Norden der Stadt liegenden Kreuzung Via Fani-Stresa gestoppt und von einem Kommando der Brigate Rosse überfallen worden. Das fünfköpfige Begleitkommando Moros war niedergeschossen worden. Vier der Polizisten waren sofort tot. Der fünfte verstarb im Krankenhaus. Der DC-Vorsitzende war in einen PKW FIAT 130 gestoßen worden. Wie ANSA weiter berichtete, hatten um 10.05 Uhr mehrere Zeitungen eine mit "Brigate Rosse" unterzeichnete Mitteilung erhalten: "Heute Morgen haben wir den Vorsitzenden der Democrazia Cristiana entführt und seine Eskorte, die 'Ledernacken' Cossigas, [2] eliminiert. Ein Kommunique folgt."


MSI-Faschisten wollten "chilenische Lösung" für Italien

Seit Beginn unserer Arbeit waren wir Zeugen der erbitterten Auseinandersetzung zwischen Faschismus und Antifaschismus in Italien, die nun in der größten Tragödie der Nachkriegsgeschichte Italiens gipfelte. Im Januar 1977 hatte ich in Rom im luxuriösen Midas-Hotel den Parteitag des Movimento Sociale Italiana (MSI) verfolgt, der eine "chilenische Lösung" für Italien forderte. Das MSI war mit Hilfe der USA bereits im Dezember 1946 als Nachfolgepartei Mussolinis wieder gegründet worden. An die gespenstischen Szenen erinnere ich mich noch heute. In dem düsteren Kongresssaal hatten sich rund 1.200 Faschisten versammelt. Vor dem MSI-Symbol, einem Sarg, aus dem eine Flamme in den Farben der italienischen Trikolore aufstieg, hatten die Führer des MSI mit Giorgio Almirante und Pino Rauti an der Spitze an einem mit schwarzem Tuch überzogenen langen Tisch Platz genommen. Die Flamme sollte Mussolinis emporsteigende Seele symbolisieren, die seine Nachfolger ermutige. Almirante hatte als Staatssekretär des "Duce" noch kurz vor Kriegsschluss einen Genickschusserlass gegen Partisanen verhängt. Als er sich in wüsten antikommunistischen Ausfällen erging und Aldo Moro als Philokommunisten diffamierte, der das Land den Roten ausliefere, schien in der Tat der Geist Mussolinis über dem Saal zu schweben. Während Almirante Pinochet feierte, brachen die Teilnehmer in frenetischen Beifall aus, sprangen von den Plätzen, rissen den rechten Arm zum Führergruß empor und skandierten "Pinochet, Pinochet". Der Chef der faschistischen Terrorbanden Pino Rauti, der in der Salò-Republik [3] den Schwarzhemden, der "SS" Mussolinis, angehört hatte, verlangte, die politische und wirtschaftliche Krise "zur Erhebung gegen das Regime" zu nutzen.

Bereits Ende 1973 und nochmals 1974 hatten wir erlebt, wie Armee- und Geheimdienstkreise zusammen mit der CIA, der NATO und den MSI-Faschisten ein Regime nach "chilenischem Vorbild" an die Macht putschen wollten. Antifaschistische und demokratische Kräfte hatten die Pläne enthüllt, bevor sie in Gang gesetzt werden konnten.


Berlinguer wollte "demokratische Wende"

Gegen die faschistische Gefahr schlug Enrico Berlinguer, seit März 1972 Generalsekretär, Moro einen "Compromesso storico" vor, die Bildung "einer Regierung der demokratischen Wende". Nach dem Sturz von Salvador Allende im September 1973 schlussfolgerte er: "Selbst wenn die Linksparteien und Linkskräfte 51 Prozent der Stimmen im Parlament erringen könnten", wäre es "völlig illusorisch anzunehmen, dass allein diese Tatsache den Fortbestand einer Regierung der Linksparteien und Linkskräfte garantieren würde". Eine "demokratische Erneuerung" müsse sich auf eine breite Mehrheit stützen, um das Land vor einem reaktionären Abenteuer, wie es in Chile stattfand, zu schützen.


Der Einfluss der sozialdemokratischen Fraktion

Die IKP hatte bei den Parlamentswahlen im Juni 1976 34,4 Prozent erreicht und war hinter der DC (38 Prozent) zweitstärkste Partei geworden. In der Abgeordnetenkammer stellte sie den Präsidenten, im Senat den Stellvertreter. In der Hälfte der 21 Regionen (Länder) war sie an den Regierungen beteiligt. In der Partei hatte sich seit Ende der 60er Jahre jedoch auf der politich-ideologischen Basis des sogenannten Eurokommunismus eine sozialdemokratische Fraktion herausgebildet. Durch den Wahlerfolg gewann sie zunehmenden Einfluss auf den "historischen Kompromiss". So wurde der Integration der IKP in das bürgerliche Parteiensystem zugestimmt, ein eigener "Weg zum Sozialismus" verkündet und die kapitalistische Marktwirtschaft anerkannt. Berlinguer erklärte, nicht nur die Bündnisverpflichtungen Italiens zu respektieren, sondern bekundete obendrein, die NATO eigne sich unter bestimmten Voraussetzungen als "Schutzschild" eines italienischen Weges zum Sozialismus. [4]


Der "Allende Italiens"

Der DC-Vorsitzende Moro war ein Antifaschist und progressiver bürgerlicher Reformer, der mit einer Zusammenarbeit mit Sozialisten und Kommunisten den Antikommunismus zurückwies. In den USA war er erbitterten Angriffen, ja einer regelrechten Mordhetze, ausgesetzt. Als er 1974 als Außenminister Staatspräsident Giovanni Leone nach Washington begleitete, wurde ihm offen gedroht, "Italien in ein zweites Chile" zu verwandeln. Ein hoher Beamter sagte, er werde es "teuer bezahlen", wenn er seine Zusammenarbeit mit den Kommunisten nicht aufgebe. In Anspielung auf den ermordeten John F. Kennedy und dessen Witwe drohte er, dann werde es auch in Italien "eine Jaqueline" geben. [5] Außenminister Henry Kissinger nannte Moro den "Allende Italiens", der das Land "in kommunistische Abhängigkeit" steuere, und äußerte, die CIA müsse "Realitäten schaffen".


Brigate Rosse Werkzeuge der CIA

Als Moro und Berlinguer ihren "historischen Kompromiss" verwirklichen wollten, wurden die angedrohten "Realitäten" mit dem von der CIA und ihrer geheimen NATO-Truppe Gladio geplanten Komplott gegen den DC-Vorsitzenden in die Tat umgesetzt. Als Werkzeug wurden die von Geheimdienstagenten unterwanderten und manipulierten linksradikalen Brigate Rosse benutzt. Ihr Gründer und ursprünglicher Chef, Renato Curcio, der den "Tötungsterror" ablehnte, wurde 1976 durch CIA-Agenten ausgeschaltet. An die Spitze trat ein Mario Moretti, den Curcio später als Spion entlarvte. [6] Sergio Flamigni enthüllte in dem Buch "La tela del ragno. Il delitto Moro" (Mailand 1993), dass der im Hintergrund agierende CIA-Agent Corrado Simioni der eigentliche Chef der BR war. [7]


Führungszentrale "P 2"

Als Zentrale des Mordkomplotts fungierte die von der CIA Ende der 60er Jahre in Italien geschaffene Geheimloge "Propaganda Due" ("P 2"). An ihrer Spitze stand offiziell der Altfaschist Licio Gelli, der an der Seite Francos gegen die Spanische Republik gekämpft und für den Geheimdienst Mussolinis in der Salò-Republik gearbeitet hatte. [8] Der "P 2" gehörten 2500 eingeschriebene Mitglieder aus allen Bereichen der Gesellschaft an. Darunter waren 47 Großindustrielle und 119 Bankiers, 43 Generäle der Geheimdienste, der komplette Generalstab des Heeres und sechs Mitglieder der Regierung. Von der Mafia waren zahlreiche Chefs vertreten, darunter die ganze Führungsspitze der Cosa Nostra.

Die "P 2" bremste mit 57 Mitgliedern in den Sicherheitsstäben die Fahndung nach dem "Gefängnis" der Geiselnehmer. Wie die Experten Antonio und Gianni Cipriano in ihrem Buch "Sovranità limitata. Storia dell'eversione atlantica in Italia" (Rom 1991) aufdeckten, beobachtete der Geheimdienstoberst Camillo Guglielmi in der Via Fani die Entführung. Er war auf dem NATO-Stützpunkt Capo Marrargiu auf Sardinien Leiter der Ausbildung verdeckter Agenten in den BR. Im Polizeipräsidium verzögerte der diensthabende Kommissar die Fahndung. Der Direktor des römischen Fernsprechamtes unterbrach für eine Stunde die Telefonverbindungen, was das unentdeckte Entkommen der Entführer ermöglichte.

Verfassungstreue Offiziere spielten La Repubblica eine Nachricht zu, dass die Entführung Moros "eine militärische Aktion" war, ein "Glanzstück an Perfektion", die nur "von Militärs mit ausgetüftelter Spezialausbildung oder von Zivilisten, die in für Kommandounternehmen spezialisierten Militärstützpunkten einem langen Training unterzogen wurden, durchgeführt werden konnte". Der Kommandeur der "Gladio"-Division, General Gerardo Serravalle, bestätigte nach der Aufdeckung der NATO-Truppe 1991 in seinem Buch "Gladio" (Rom 1991) die Angaben. Am Tatort gefundene 39 Patronenhülsen waren mit Speziallack überzogen, mit dem die Munition für "Gladio"-Einheiten präpariert wurde. Sie verschwanden aus dem Innenministerium.

Am 9. Mai wurde Moro umgebracht. Die Leiche wurde im Kofferraum eines roten Renault 4 gefunden. Die Farbe sollte den Standpunkt der BR von Moros "Verrat" symbolisieren. Der Wagen wurde in der Via Caetani im Zentrum von Rom abgestellt, fast in gleicher Entfernung vom Sitz des Zentralkomitees des IKP und des Parteivorstandes der DC. Auch das sollte verdeutlichen, daß Moro ein Opfer seiner Zusammenarbeit mit den Kommunisten geworden war.

Laut Obduktionsbericht wurde Moro von neun Kugeln aus einer Maschinenpistole Skorpion und zwei aus einer Colt-Pistole 9 m/m getroffen. Die beiden Kugeln aus der Pistole waren laut Autopsie ein Gnadenschuß.


Unwiderlegbare Beweise für Komplott der CIA und Gladio

Nach dem Mord verdichteten sich die Beweise, dass die Geheimdienste mit Gladio das Komplott inszeniert hatten. In der Via Caetani hatte ein Motorradfahrer seit dem frühen Morgen einen Platz freigehalten, in den der Renault einparken konnte. Von der Strasse waren die Abgeordnetenkammer, der Senat und der Quirinale, der Amtssitz des Staatspräsidenten, etwa einen Kilometer entfernt. Dieses Viertel wurde also schon für gewöhnlich gut bewacht und war seit dem 16. März von einem dichten Polizeikordon umgeben. Hier sollte der Motorradfahrer sich unbemerkt zwei oder auch drei Stunden in der Nähe seiner Maschine aufgehalten und auf den R 4 gewartet haben? Unbehelligt sollte der als gestohlen gemeldete Renault sein Ziel erreicht und dort noch drei Stunden gestanden haben, ohne Aufsehen zu erregen? Das war unglaubhaft. In Moros Hosenaufschlägen wurde Sand gefunden, der von den Tolfa-Hügeln nördlich von Rom stammte. Dort befand sich ein "Gladio"-Stützpunkt, in dem er sich zumindest zeitweise befand.

Nach der Entführung hatten die BR wiederholt erklärt, das angekündigte "Verhör" Moros werde auf Tonband aufgenommen und mit dessen Originalstimme veröffentlicht. Schon im ersten Kommuniuque hatten sie angekündigt, die Ergebnisse des "Prozesses" und des "Verhörs" Moros mit dessen Originalstimme auf einem Tonband "der revolutionären Bewegung bekanntzugeben". In Nr. 3 hatten sie behauptet, "das Verhör" gehe "unter bester Mitarbeit des Gefangenen weiter", und in Nr. 5 vom 11. April versichert, "nichts darf dem Volk verborgen bleiben". In Nr. 6 vom 16. April war mitgeteilt worden, daß Moro "zum Tode verurteilt" wird und "wir werden alles dem Volk bekannt geben". Noch im letzten Kommuniqué, der Nr. 9 vom 6. Mai, hatte es geheißen: "Die Ergebnisse des Verhörs von Aldo Moro, die in unserem Besitz befindlichen Informationen und eine umfassende politisch-militärische Bilanz des Kampfes, den wir hier beenden, werden der Revolutionären Bewegung und den K.K.O. (kämpfenden kommunistischen Organisationen) über die Wege der klandestinen Propaganda zugänglich gemacht werden." Dass das nie geschah, wurde in den Mitteilungen der Medien über die Fahndungsergebnisse einfach übergangen. Ein halbes Jahr nach Moros Ermordung wurde bei einer Razzia in Mailand lediglich die angebliche Abschrift des "Verhörs" in Maschinenschrift gefunden. Das Tonband blieb verschwunden. Dafür gab es eine einleuchtende These. Den "Verhörern" musste eine "Panne" unterlaufen sein. Auf dem Band mussten sich bei der Aufnahme zunächst nicht wahrgenommene Töne, Vibrationen, typische Nebengeräusche befunden haben, die sich nicht aus dem Band entfernen ließen, aber das - für die Fahndungskräfte so unauffindbare - Gefängnis identifiziert hätten. Obendrein musste sich wohl ein Experte das Band angehört und die "Panne" festgestellt haben. Sechs Jahre später kam der Journalist der TAZ, Werner Raith, in seinem Buch "In höherem Auftrag. Der kalkulierte Mord an Aldo Moro" (Westberlin 1984) jedenfalls zu denselben Ergebnissen. Er schlussfolgerte, daß sich Moros "Volksgefängnis" an einem Ort befunden habe, nach dem gar nicht gefahndet wurde, etwa in einer ausländischen Botschaft. Die amerikanische und die israelische Vertretung wurden beispielsweise überhaupt nicht überwacht. Die Fahndung war knapp zehn Minuten nach der Entführung ausgelöst worden, und Moro mußte sich nach aller Logik in Rom befunden haben. Dafür sprach auch, daß der Tacho des in der Via Caetani abgestellten gestohlenen Neuwagens nur 15 km anzeigte.


Der mysteriöse Tod des Prinzen Schwarzenberg und seiner Frau

In der Via Caetani befand sich der Palazzo Orsini des Adelssprosses Onorato Caetani, in dem sich wiederum die Residenz des Botschafters des Ordens der Cavalieri di Malta, Prinz Johannes Schwarzenberg, befand. Die Caetanis gehörten dem Orden der Cavalieri di Malta an, von dem wiederum 27 Ordensbrüder P2-Mitglieder waren. Prinz Schwarzenberg und seine Frau kamen nach dem Mord an Moro bei einem Autounfall ums Leben. Der Diplomat hatte vorgehabt, sich zu den Ereignissen zu äußern. Bei den späteren Untersuchungen der Parlamentskommission zum Mord an Moro kam auch ans Licht, dass der Palazzo Orsini in BR-Dokumenten eingezeichnet war. [9]

Einige Tage nach dem Mord legte Innenminister Cossiga einen umfangreichen Bericht seines Krisenstabes vor, der die Aktivitäten der Polizeikräfte zwischen dem 16. März und dem 10. Mai auflistete. Danach wurden:

  • Landesweit 510.724 Polizisten, davon 172.270 in Rom, 104.417 Fahrzeuge, davon 21.399 in Rom, 70 Flugzeuge und Hubschrauber, 570 Schiffe eingesetzt;
  • 72.460 Straßensperren errichtet, davon 6.296 in Rom;
  • 75.251 Streifen, davon 17.756 in Rom eingesetzt und 1.986 Razzien landesweit durchgeführt;
  • 37.702 Hausdurchsuchungen vorgenommen, davon 6.933 in Rom; 106 Luftbewegungen und 852 Bewegungen zu Wasser kontrolliert;
  • insgesamt 6.413.713 Personen, davon 167.109 in Rom, landesweit 3.303.123 Kraftfahrzeuge, davon 96.572 in Rom überprüft.

Der großaufgemachte Bericht sollte offensichtlich über den völligen Mißerfolg der Fahndung nach den Entführern hinwegtäuschen und den Eindruck erwecken, es sei alles getan worden, um den DC-Vorsitzenden zu retten.

Die parlamentarische Moro-Kommission kam zwei Jahre später bei der Einschätzung der Effektivität der Fahndung zu einem völlig anderen Ergebnis. Sie hielt nach Anhörung der Verantwortlichen der Polizeikräfte in ihrem Bericht fest, daß es "für die Stadt Rom keine wirkliche Blockade im Sinne eines dauerhaften und undurchdringlichen Sicherheitsgürtels gegeben hat", daß "viele Personen in die Stadt hinein- und herauskonnten, ohne kontrolliert zu werden" und es generell "keinerlei Pläne für Vorsichtsmaßnahmen gegeben hat."

Innenminister Cossiga trat angesichts der massiven Kritik in der Öffentlichkeit am "Versagen des Staatsapparates" im Fall Moro im Mai 1978 zurück. Das erwies sich vordergründig als ein geschicktes Manöver, denn dadurch wurden weitere Ablösungen von Verantwortlichen, besonders der Geheimdienstchefs, vermieden. Das katastrophale Versagen im Fall Moro hatte für den DC-Politiker indessen keine weiteren Folgen, im Gegenteil: 1979 wurde er in den Senat gewählt, stieg zu dessen Präsidenten auf und wurde im selben Jahr Ministerpräsident und 1985 Staatspräsident.

Am 22. Oktober 2007 erklärte Giovanni Galloni, zur Zeit der Entführung Moros Vizesekretär der DC, dass "die Vereinigten Staaten wussten, wo Aldo Moro gefangen gehalten wurde". Er bestätigte, dass fünf in die BR eingeschleuste Agenten "den Hintergrund der Geheimdienstoperation" gebildet hatten. [10]

Die staatliche italienische Nachrichtenagentur ANSA hielt am 8. Mai 2018 fest: "Seit jenem Tag im Mai ist der Verdacht, dass hinter der Ermordung des Präsidenten der DC eine unkontrollierbare Mittäterschaft, intern oder international, steckt, mehr und mehr gewachsen."


Anmerkungen:

[1] Meine Frau Irene, die als Redakteurin und Fotoreporterin arbeitete, und ich waren vom Mai 1973 bis April 1979 für ADN und Neues Deutschland in Italien.

[2] Des Innenministers.

[3] Von Mussolini unter der im Herbst 1943 errichteten Besatzung der Hitlerwehrmacht gebildetes Marionettenregime Repubblica Sociale Italiano (RSI) mit Sitz in Salò am Gardasee.

[4] Corriere della Sera, 15. Juni 1976.

[5] Osservatore politico, Rom, 13. September 1975.

[6] Renato Curcio: Mit offenem Blick. Ein Gespräch zur Geschichte der Roten Brigaden. Berlin 1997.

[7] Der Autor war als Vertreter der IKP Mitglied der Moro-Kommission des Parlaments und hat über die Ergebnisse insgesamt sechs Bücher verfasst.

[8] Der römische Europeo enthüllte am 15. Oktober 1983, dass der eigentliche Chef der "P 2" der mehrmalige Premier Giulio Andreotti war. Als dieser 1993 der Komplizenschaft mit der Mafia angeklagt wurde, bestätigten das Aussagen führender Mafiachefs.

[9] Sergio Flamigni: Convergenze parallele. Le Brigate rosse, i Servici segreti e Il Delitto Moro. Mailand 1998.

[10] Liberazione, 23. Oktober 2007.

*

Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang