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NEUZEIT/183: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit? (epoc)


epoc 2/09
Geschichte · Archäologie · Kultur

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit?

Von Gottfried Derka


Aufbruch in die Moderne oder reiner Staatsterror? Bis heute streiten Historiker über die Bedeutung der Französischen Revolution. Fest steht: Ohne den Umsturz vor 220 Jahren wäre Europa nicht geworden, was es heute ist.


Für den feinsinnigen Minister im fernen Weimar war die Sache völlig klar: Diese Revolution hatte kommen müssen. Die alte Herrschaft war einfach nicht länger aufrechtzuerhalten gewesen. Die Verantwortung für den Umbruch trüge der entmachtete Herrscher selbst. Weil nämlich eine "große Revolution nie Schuld des Volkes ist, sondern der Regierung". Und weiter: "Revolutionen sind ganz unmöglich, sobald die Regierung fortwährend gerecht und fortwährend wach sind, so dass sie ihnen durch zeitgemäße Verbesserungen entgegenkommen und sich nicht so lange sträuben, bis das Notwendige von unten erzwungen wird."

Der Autor dieser Analyse ist niemand Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe. War der Weimarer Legationsrat und Publizist etwa zum Freund der Massen geworden? Sympathisierte er mit jenen Revolutionären, die ihrem Ludwig XVI. per Guillotine den Kopf abschlagen ließen? Wahrscheinlicher ist, dass er bloß die gängige Interpretation seiner Zeitgenossen übernommen hat. Die besagte, dass die Französischen Revolution eine historische Notwendigkeit war.

Die von Goethe überlieferte Sicht hat lange Zeit die Lesart der umwälzenden Ereignisse im Paris der Jahre 1789 bis 1804 bestimmt. Und tatsächlich erscheint im Rückblick der Verlauf der Geschichte unausweichlich: Ein schwacher, wankelmütiger Monarch und ein unzufriedenes, wegen Missernten und Viehseuchen hungriges Volk ergeben für sich genommen schon eine brisante Mischung. Hinzu kam, dass sich nicht nur die Wirtschaft, sondern auch der Staat in einer tiefen Krise befanden: Das Königtum war bankrott. Verschwenderischen Hofhaltung und teure, aber größtenteils erfolglose Kriege führten dazu, dass am Vorabend der Revolution allein die Tilgung der Staatsschulden über die Hälfte des gesamten Etats verschlang. Die Preise stiegen um mehr als 60 Prozent, die Löhne nur um gut 20 Prozent, dennoch wurden die Steuern weiter erhöht. Vor diesem Hintergrund, so die klassische Sichtweise, reiche schon ein kleiner Anlass, um einen Klassenkampf auszulösen.


Bildungsbürger an die Macht

Doch mit wachsendem zeitlichem Abstand mehren sich die Zweifel an dieser Interpretation der Ereignisse. War die Französiche Revolution der erste Volksaufstand einer werktätigen Masse? Ging es doch um die Durchsetzung des Kapitalismus gegen die alte Feudalwirtschaft? Oder war das Ganze vielleicht bloß eine Hungerrevolte?

Bis heute suchen Historiker und Soziologen nach Antworten auf die 220 Jahre alte Frage. Historische Quellen werden wieder und wieder nach bislang unbeachteten Aspekten durchforstet, die Chronologie der Ereignisse unter neuen Gesichtspunkten untersucht. Schließlich hatte kaum ein historisches Ereignis derart weit reichende Folgen wie die Französische Revolution. Die größte Nebenwirkung war vermutlich die indirekte Zerstörung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Noch wichtiger jedoch: Der Umsturz beförderte die soziale Schicht des Besitz- und Bildungsbürgertums an die Macht; die erste demokratisch legitimierte Nationalstaat mit Repräsentativverfassung entstand, die allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte wurden festgeschrieben. Und schließlich brachte die Revolution erst jene Kultur öffentlicher Politik hervor, die heute selbstverständlich für alle Demokratien ist: Meinungen prallen aufeinander, Akteure stellen sich ins Rampenlicht sämtlicher verfügbarer Medien, die wiederum beeinflussen, welche Standpunkte sich durchsetzen.

Doch es gab während der Revolutionsjahre auch Phasen von Staatsterror und mörderischer Diktatur, die nichts mit den Zielen der Anfänge zu tun hatten. Der emeritierte französische Kulturhistoriker Pierre Chaunu nennt die Revolution gar »reinen Völkermord«. Der 1997 verstorbene, von kommunistischen Ideen geprägte Historiker François Furet machte sie und die romantisierende Erinnerung daran sogar zur Wurzel sämtlicher totalitärer Herrschaftssysteme der Moderne. Konkret: Weil die Revolution als Ganzes - also inklusive der Schreckensherrschaft der radikal-republikanischen Jakobiner - ein gutes Image bei der bürgerlichen Mehrheit hatte, konnten auch spätere Revolutionäre auf Akzeptanz für ihre Gräueltaten zählen.

Spätestens seit Ende des Zweiten Weltkriegs versuchen Historiker mit der so genannten wissenschaftlichen Strukturanalyse weniger ideologisch gefärbte Antworten auf die alten Fragen zu finden. Dabei untersuchen sie lange vernachlässigte sozial-, wirtschafts- oder rechtsgeschichtliche Aspekte. So zeigt sich etwa aus den erhalten gebliebenen Eingaben der unzufriedenen Bevölkerung an die ersten Abgeordneten, dass die Beseitigung der Monarchie zu Beginn der Revolution überhaupt kein Thema war. Einige Forscher argumentieren, eine »Französische Revolution« als solche hätte es gar nicht gegeben, sie sei ein Mythos. Stattdessen seien während der turbulenten Jahre gleich drei Revolutionen mit jeweils unterschiedlichen Akteuren und Zielen ausgebrochen. In einem Punkt sind sich jedoch alle einig: Was passiert ist, war keineswegs unausweichlich.

Die Bürger drängten auf mehr Einfluss im Staat. Bauern kämpften gegen die von ihren Grundherren aufgebürdeten Lasten. Bürgertum und Handwerker wiederum kämpften gegen die Folgen der zunehmenden Industrialisierung.

Aktuelle Quellenanalysen zeigen, dass auch Zufälle und sogar Einzelschicksale der Revolution entscheidende Impulse gaben. So zum Beispiel Ludwig XV.: Der Monarch überstand heftige Machtproben mit Klerus und Adel, dem reformunwilligen Ersten und Zweiten Stand, von denen Vertreter wichtige Positionen in seinem Verwaltungsapparat einnahmen. Er überlebte ein Attentat und setzte schließlich doch noch Steuern für diese beiden Stände durch. Damit gelang ihm eine kleine Revolution von oben: Der drohende Staatsbankrott war abgewendet, das Königtum wieder unumstritten.

Doch dann passiert völlig Unerwartetes: Der König erkrankt - auf dem Höhepunkt seiner Macht - an Pocken und stirbt wenig später, am 10. Mai 1774. Nun betritt sein Enkel die Weltbühne. Doch dieser Ludwig XVI. agiert von Anfang an glücklos und inkonsequent. Hilflos ist er den Einflüsterungen seiner Hofschranzen, seines Bruders und seiner intriganten Gattin Marie Antoinette, einer Tochter der österreichischen Kaiserin Maria Theresia, ausgeliefert. Innerhalb weniger Wochen macht er das mühsam erkämpfte Spätwerk seines Großvaters zunichte: Er befreit Klerus und Adel von den Steuern und setzt die alten Verwaltungszentren wieder ein. Womit er sich dazu verdammt, das Schicksal seines Vorgängers bis in Details noch einmal zu durchleben. Wieder droht ein Staatsbankrott, wieder weigern sich die adligen Verwalter, neue Steuern zu verordnen. Vehement fordern sie die Einberufung einer Generalversammlung aller Stände - also auch der Vertreter des übrigen Volks -, denn nur diese sei überhaupt berechtigt, neue Steuern zu beschließen. Damit beginnt, so die Deutung einiger Historiker, die erste Revolution: Ausgerechnet die relativ gut gestellten adligen Juristen und Beamten des Parlaments richten sich gegen die Monarchie. Es ist paradox - jene konservativen Kräfte, die jahrelang jede Reform verhindert haben, gelten nun als Volkshelden.

Am 5. Mai 1789 ist es schließlich so weit. Delegierte aus dem ganzen Land treffen in Versailles zusammen: 291 Kirchenmänner, vom Dorfpfarrer bis hin zum Bischof, sollen den Klerus vertreten. 270 Adlige repräsentieren den Zweiten Stand, 600 Delegierte aus Bürgertum und niedrigem Beamtenstand sollen den Dritten Stand vertreten. Drei Stunden lang lässt Ludwig die Delegierten warten. Dann referiert sein Finanzminister weitere drei Stunden lang über die ökonomische Misere. Danach beendet der König die Versammlung. Eine weitere Tagesordnung gibt es nicht. Selbst die Frage, wie abgestimmt werden soll, bleibt offen.


Verwirrung unter den Ständen

Unter den Delegierten herrscht Verwirrung. Was sollen sie tun? Schließlich marschieren Erster und Zweiter Stand ab, um getrennt zu beraten. Der Dritte bleibt zurück. Dessen Delegierte schicken Boten zu ihren Kollegen aus Adel und Klerus, bitten um gemeinsame Beratungen, halten ihnen im Versammlungsraum sogar demonstrativ die gepolsterten Plätze frei und bleiben auf den hinteren Holzbänken sitzen.

Just in dieser Situation ereignet sich ein weiterer Zufall mit historischer Konsequenz: Der älteste Sohn des Königs, der siebenjährige Louis Joseph Xavier François, stirbt an Tuberkulose. Die trauernden Eltern ziehen sich noch weiter zurück, empfangen nur hie und da Delegationen des Ersten oder Zweiten Stands. Verärgert erklären sich die Abgeordneten des Dritten Stands kurzerhand zur »Nationalversammlung «, der sich sogar einige Geistliche anschließen, später stoßen auch Adlige dazu. Da lässt der König eines Morgens ganz einfach den Verhandlungssaal schließen. Der Vorwand: notwendige Renovierungsarbeiten. Die Delegierten stehen im strömenden Regen vor dem Tor. Sie weichen in einen nahe gelegenen Saal aus. Dort angekommen, legen sie wenig später den »Ballhausschwur« ab. Man werde erst wieder auseinandergehen, wenn eine Verfassung beschlossen sei. Mittlerweile gehören 80 Adlige und die Mehrheit der klerikalen Delegierten zur Nationalversammlung.

Ludwig XVI. ist gezwungen, auf die rasante Entwicklung zu reagieren. Er bietet halbherzige Reformen an und erklärt die Versammlung für aufgelöst. Doch ein gewisser Comte de Mirabeau, deren amtierender Präsident, weist den königlichen Boten barsch ab: »Was berechtigt Sie, uns hier Befehle anzudeuten? Wir sind die Repräsentanten der Nation. Die Nation gibt Befehle und empfängt keine. Sagen Sie Ihrem König, dass wir unsere Plätze anders nicht als auf die Gewalt der Bajonette verlassen werden.«

Was tut der König? Er agiert unentschlossen: Vier Tage lang unternimmt er gar nichts. Dann fordert er die Vertreter von Adel und Klerus auf, sich der Nationalversammlung anzuschließen und weiter zu verhandeln. Damit erkennt er die Nationalversammlung an.

Während die Standesvertreter in Versailles nach erfolgreicher Revolte endlich über eine neue Verfassung debattieren, braut sich in Paris ein weiterer Aufstand zusammen. In den engen Straßen der Hauptstadt steigt der Preis für Brot innerhalb kurzer Zeit um rund 50 Prozent. Schuld daran ist das Wetter: Schwere Hagelschauer hatten die Ernte des Vorjahrs größtenteils vernichtet, nun gehen die Vorräte zur Neige, Mehl und Brot werden Mangelware. Die Steuern erhöhen den Einkaufspreis um weitere 30 Prozent. Ende Juni steigt die Spannung in der Stadt, weil zur Jahresmitte Mieten und andere Abgaben fällig werden. Viele aus den ärmsten Schichten werden nicht zahlen können und befürchten, auf der Straße zu landen.

Um Stärke zu zeigen, lässt der König Soldaten in Versailles und Paris aufmarschieren und entlässt auch noch den beim Volk beliebten Finanzminister. Als diese Nachricht Paris erreicht, ziehen Tausende durch die Straßen. Viele fürchten, dass die Preise noch weiter steigen werden. Heißsporne fordern die Bürger auf, sich zu bewaffnen. Es kommt zu ersten Scharmützeln, und noch am Abend wechselt die Garde geschlossen auf die Seite der Demonstranten über. Die regulären Streitkräfte ziehen sich am nächsten Tag zurück.


Sturm auf die Bastille

Damit wird die Wachmannschaft der Bastille zur stärksten königstreuen Truppe in der Stadt. Das massiv gebaute Gefängnis beherbergt nur sieben Gefangene: vier Fälscher, zwei Wahnsinnige und einen Adligen, der auf Wunsch seiner Familie einsitzt - wegen seiner sexuellen Ausschweifungen. Ein anderer Insasse ist erst vor Kurzem von hier verlegt worden: Bis vor wenigen Tagen krakeelte der Marquis de Sade, ebenfalls wegen extremer Vorlieben inhaftiert, ständig aus dem Fenster und wiegelte die Bürger zur Erstürmung seines Kerkers auf.

Am 14. Juli 1789 wogt ein Meer von bewaffneten Bürgern um das symbolträchtige Gebäude. Unterhändler werden eingelassen und nach ergebnislosen Gesprächen wieder vor die Tür gesetzt. Gegen Mittag klettern einige über die Außenmauern der Anlage in den ersten Hof und lassen die Zugbrücke herunter. Sofort strömen hunderte Angreifer nach. Da erteilt der Kommandant der Bastille den Schießbefehl. Insgesamt 98 Eindringlinge sterben bei diesem ersten Zusammenprall. Bald rücken zwei Gardekompanien mit einer Kanone zur Bastille vor. Als sie auf das Tor der Festung zielen, ergeben sich die Verteidiger. Die Angreifer stürmen die Burg, werfen Akten aus den Fenstern, zerstören das Inventar, verprügeln und misshandeln die Verbliebenen. Den Kommandanten führen sie ab und lynchen ihn wenig später. Auch der oberste königliche Statthalter wird in den Tumulten erschossen - Paris ist in der Hand der Revolutionäre.

Der König im fernen Versailles hat davon nichts mitbekommen. Er bedauert, dass er an diesem Tag wetterbedingt nicht jagen kann. In sein Journal schreibt er über die Ereignisse des 14. Juli 1789: »Rien« - nichts.

Am nächsten Tag zieht der Monarch seine Truppen aus dem Umland von Paris zurück. Wenige Tage später reist er in die Hauptstadt und wird dort von einer johlenden, gut bewaffneten Menge empfangen. Der frisch ernannte Bürgermeister überreicht ihm den Schlüssel zur Stadt. »Nun hat das Volk seinen König zurückgewonnen! « Doch dieser verkennt die neuen Machtverhältnisse noch immer und meint treuherzig: »Mein Volk kann immer auf meine Zuneigung zählen.« Sein Wohlwollen ist aber gar nicht mehr gefragt. Jetzt liegt die Macht im Staat bei der 10 000 Mann zählenden, gut organisierten Pariser Bürgerwehr, die sich bereits stolz »Nationalgarde« nennt.

Berauscht von diesem Erfolg, kommt auch die Nationalversammlung in Versailles so richtig auf Trab: Am 14. August verzichten die Delegierten von Klerus und Adel auf ihre Privilegien - und ermöglichen so eine gerechte Steuerreform. Zwölf Tage später verabschieden sie die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Damit erringt die Revolution, angeführt von bürgerlichen Beamten und unterstützt von hungrigen Parisern, ihren bisher größten Erfolg. Doch bis die hehren Ideale umgesetzt werden, vergehen noch viele Jahre.

Zunächst bremst Ludwig XVI. Er will die Beschlüsse der Nationalversammlung schlicht nicht anerkennen. Dann bricht im Oktober ein neuer Aufstand in Paris aus: Diesmal sind es Frauen, die gegen Hunger, hohe Brotpreise und Arbeitslosigkeit demonstrieren. Rund 7000 Pariserinnen brechen schließlich in Richtung Versailles auf, um den König in die Stadt zu holen. Mit einiger Verspätung folgt ihnen die Nationalgarde. Ludwig will zunächst beschwichtigen, dann fliehen, doch daran hindern ihn die Frauen. Noch am selben Tag unterschreibt er notgedrungen die Augustbeschlüsse. Am nächsten Tag wird er mit seiner Familie von der johlenden Menge nach Paris geführt. Im dortigen Palast lebt er, ausgestattet mit einer Leibgarde und zusätzlich bewacht von der misstrauischen Nationalgarde. Vordergründig kooperiert er mit den Revolutionären, in Geheimdepechen bittet er aber Österreich um Hilfe gegen die Aufständischen. Doch obwohl einiges von der konspirativen Diplomatie bekannt wird, bleibt der König unbehelligt. Denn ein einflussreicher Delegierter in der Nationalversammlung, der Comte de Mirabeau, macht erfolgreich Stimmung für eine konstitutionelle Monarchie - jener Mirabeau, der noch wenige Monate zuvor den Boten des Königs so selbstbewusst aus der Nationalversammlung geschickt hatte. Grund für den Sinneswandel: Mirabeau war hoch verschuldet und bekommt für seine Lobbyarbeit nun viel Geld aus königlichen Kassen.

So kommt es, dass am zweiten Jahrestag der Erstürmung der Bastille 50 000 Bewaffnete und 300 000 Zuschauer auf das Marsfeld (ursprünglich ein Exerzierplatz) in Paris kommen, um sich gemeinsam auf das Vaterland, das Gesetz - und den König - einzuschwören. Heute spekulieren Historiker, dass Mirabeau tatsächlich die Monarchie hätte retten können, wäre der bezahlte Propagandist am 2. April nicht völlig unerwartet verstorben.

Spätestens jetzt ahnt der König, dass seine Zeit vorbei ist. Ein halbherziger Fluchtversuch scheitert an den aufmerksamen Nationalgardisten. Der zweite Anlauf ist bis ins Detail von Ludwigs Frau Marie Antoinette geplant und scheint auch zu klappen. In wechselnden Verkleidungen und Kutschen gelangt die ganze Familie bis in die Ortschaft Varennes, nahe der belgischen Grenze. Doch dort wird Ludwig erkannt, gestoppt und abermals mit Triumphgeheul nach Paris gebracht.

Wie mit dem widerspenstigen König umgehen? An dieser Frage zerbricht der Nationalversammlung. Die Königstreuen sind in der Mehrheit, doch die Republikaner verbünden sich mit dem Volk auf den Straßen. Sie strömen zum Marsfeld und sammeln Unterschriften für eine Neuwahl zur Nationalversammlung. Die Garde marschiert auf, es wird geschossen. Um Schlimmeres zu verhindern, beschließt die Versammlung eilig eine neue Konstitution, die der König im September unterzeichnet. Sie gilt als Vorbild für viele demokratische Verfassungen, hat allerdings einen schweren Konstruktionsfehler: Wahlberechtigt sind nur Männer, und zwar solche, die pro Jahr mindestens zwei Livres an direkten Steuern abführen. Damit sind etwa zwei Drittel der Bevölkerung von den Abstimmungen ausgeschlossen.

Kurz darauf wird gewählt, und 345 Delegierte treten als neue gesetzgebende Versammlung zusammen. Die Republikaner sind in der Minderheit. Der König gibt den Grüßaugust, der die Gesetze formal absegnet.


Die Phase des »Grande Terreur«

Um seine Lage zu verbessern, holt Ludwig die Erlaubnis ein, Frankreich in den Krieg zu führen. Erste Kämpfe in den Niederlanden enden jedoch mit verheerenden Niederlagen. Ganze Regimenter desertieren, der König hat seinen letzten Kredit verspielt. In den Straßen sammeln sich zornige Massen und ziehen protestierend am Schloss vorbei. Maximilien de Robespierre, Anführer der radikal-republikanischen Fraktion der Jakobiner, glaubt, dass nun der Zeitpunkt für einen Umsturz und für eine wirklich demokratische Verfassung gekommen sei. Im letzten Moment retten sich Ludwig und seine Familie in die Räume der Nationalversammlung. Er wird suspendiert und in Schutzhaft genommen. Die Monarchie ist damit praktisch gescheitert.

Unter dem Druck der Straße setzen die Delegierten Neuwahlen an, diesmal nach allgemeinem Wahlrecht. Niemand wagt mehr, für den König Partei zu ergreifen. Die Royalisten verlieren, und kurz darauf ruft der Konvent am 22. September 1792 die Republik aus. Einen Monat später tauchen Geheimdokumente auf, die belegen, dass Ludwig XVI. Österreich um Hilfe gegen die Revolutionäre gebeten hat. Er wird als Verräter angeklagt. Im Konvent stimmen 387 Abgeordnete für, 334 gegen seine Hinrichtung. So wird Ludwig XVI. am 21. Januar 1793 auf dem Place de la Révolution (heute Place de la Concorde) mit einer Guillotine enthauptet, seine Frau wird neun Monate später auf die gleiche Weise sterben. Sofort treten England, Spanien, Portugal sowie die meisten deutschen und italienischen Staaten einer Koalition mit Österreich gegen Frankreich bei.

Unterdessen werden dort immer neue Freiwillige ausgehoben, zuletzt ruft die Nationalversammlung die allgemeine Wehrpflicht für Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren aus; zeitweise stehen bis zu 750 000 Männer unter Waffen. Im königstreuen, katholischen Westen des Landes - im Departement Vendée - weigern sich jedoch viele, dem Einberufungsbefehl zu folgen. Es kommt zu einem erbitterten Bürgerkrieg, der zehntausende Opfer fordert.

Um die Lage unter Kontrolle zu bekommen, richtet der Konvent ein Tribunal ein; dieses Sondergericht soll Gegner der Revolution aburteilen. Schnell emporgekommene Intellektuelle wie die radikalen Journalisten Jean-Paul Marat (siehe "Der Tod des Marat" epoc 2/09, S. 56) und Jacques-René Hébert oder auch der Jakobinerführer Maximilien de Robespierre profilieren sich als Scharfmacher. Unter ihren Anfeuerungsrufen verwandelt sich die Republik in eine Herrschaft des Grauens.

Fast täglich finden in Paris jetzt gut besuchte Hinrichtungen statt.

Auch Abgeordnete des Konvents, Parteigänger der besser gestellten und gemäßigten Girondisten, landen gruppenweise vor dem Scharfrichter. Auf der Straße wächst der Druck unzufriedener und hungriger Menschen. Sie fordern Preiskontrollen, mehr Mitspracherechte und - mehr Futter für die Guillotine. Die grausamen Spektakel werden zum Ventil für den aufgestauten Frust über die alltägliche Not. Georges Jacques Danton, Jakobiner und Mitglied des Konvents, nutzt die Stimmung und erlässt Gesetze, die es noch leichter machen, Menschen enthaupten zu lassen.

Doch der Furor richtet sich schließlich gegen die Revolutionäre selbst. Zuerst landet der ultraradikale Hetzer Hébert mit seinen Gefolgsleuten auf der Guillotine. Der vergleichsweise gemäßigte Danton will das Machtvakuum nutzen, doch nur 17 Tage nach den Hébertisten wird auch er mit seinen Anhängern verhaftet und später hingerichtet.

Übrig bleibt: Robespierre, der als Mitglied im so genannten Wohlfahrtsausschuss, dem Exekutivorgan des Nationalkonvents, für die Hinrichtung seiner Genossen gestimmt hatte. Nun stattet er den Ausschuss mit diktatorischen Vollmachten aus und macht ihn zum Organ der jakobinischen Schreckensherrschaft. Robespierre entfesselt einen bizarren Tugendterror, den »Grande Terreur«: Jeder, der »den Patriotismus kritisiert« oder versucht, die »Energie und Reinheit der revolutionären Prinzipien zu schwächen«, wird hingerichtet - ohne Anhörung. Die Henker haben Mühe, die vielen Leichen zu beseitigen, weil die Friedhöfe bereits überfüllt sind. Sogar im Konvent herrscht ein Klima der Angst, schließlich könnte jeder der Nächste sein. Dennoch versucht Robespierre die Gangart noch einmal zu verschärfen. Leidenschaftlich wettert er gegen gemäßigte Mitglieder, kündigt »Maßnahmen« an, freilich ohne Namen zu nennen.

Doch er überspannt den Bogen. Am 28. Juli 1794 attackiert ein Abgeordneter den bislang Unantastbaren direkt: Er habe Patrioten verfolgt und Kriminelle gedeckt, so der Vorwurf. Die Bezichtigung allein reicht bereits: Robespierre kommt nicht mehr zu Wort, Abgeordnete fordern seine Verurteilung. Nach kurzen Kämpfen zwischen Teilen der Nationalgarde werden der »tugendhafte« Diktator und seine Vertrauten verhaftet und noch am selben Tag zur Guillotine gekarrt. Tags darauf folgen weitere 83 Anhänger.

Nach diesem letzten Blutrausch ist der »Terreur« fast vorbei. Im folgenden August werden nur noch sechs Personen öffentlich hingerichtet, und das nach vergleichsweise ordentlichen Verfahren. Gleichzeitig entlassen die Machthaber 3500 politische Gefangene aus ihren Kerkern. Die Zeit der staatlich sanktionierten Willkürmorde ist vorbei, die allgemeine Angst verflüchtigt sich, und Paris verfällt in einen monatelang andauernden Freudentaumel.

Die Menschen kommen in Mitten eines Machtvakuums wieder zu Sinnen. Wer regiert denn nun eigentlich im Konvent? Die Erben der radikalen Jakobiner? Gemäßigte Revolutionäre? Oder gar Royalisten?

Im Winter 1794/95 sorgen hohe Lebensmittelpreise und Hunger erneut für Unzufriedenheit in Paris. Die entlädt sich schließlich in einer dritten Revolte. Not leidende Städter ziehen mehrmals zum Konvent, verlangen nach Brot und staatlicher Kontrolle der Wucherpreise. Doch sie werden jedes Mal aus dem Gebäude gedrängt - schließlich sogar entwaffnet.

Ein Jahr nach dem Ende der Terrorherrschaft, am 22. August 1795, ist eine neue Verfassung fertig. Sie sieht zwei einander kontrollierende gesetzgebende Kammern vor. Hinzu kommt ein fünfköpfiges Direktorium. Außerdem garantiert sie jedem Bürger die Gleichheit vor dem Gesetz. Die Royalisten sind gegen die neue Verfassung und formieren sich zu einem Aufstand, der aber schon im Ansatz blutig niedergeschlagen wird. Auf Seiten der Sieger profiliert sich ein junger Offizier aus Korsika: Napoleon Bonaparte. Für seinen Einsatz wird er zum General der Armee des Inneren ernannt.

Als die Royalisten zwei Jahre später die Wahlen gewinnen, kommt es zum Staatsstreich: Drei demokratische Direktoren lassen den Tagungsort der beiden Kammern umstellen und verbannen die royalistischen Abgeordneten. Dieses Direktorium agiert autoritär, lässt Gegner verhaften und bedroht Monarchisten mit der standrechtlichen Erschießung. 1799 erfolgt mit Hilfe des Militärs ein erneuter Umsturz von oben: Am 10. November lässt Napoleon die Versammlungen der Räte von seinen Soldaten auflösen, setzt die Verfassung außer Kraft und benennt sich selbst zum ersten von drei Konsuln - das Datum gilt als Ende der Revolution und als Beginn des französischen Konsulats. Bereits fünf Jahre später, am 2. Dezember 1804, wird es jedoch vom Empire abgelöst: Napoleon kann sich dank seiner enormen militärischen Erfolge selbst zum Kaiser der Franzosen krönen.

Sein wirksamstes Mittel zur Sanierung des Staatshaushalts sind Kriege. Auf dem Höhepunkt seiner Macht hat Napoleon halb Europa erobert. Spanien und Portugal sind besetzt, er wird König von Italien. Angesichts der französischen Expansion treten 16 deutsche Staaten aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation aus und gründen mit Napoleons Billigung den Rheinbund. Daraufhin erklärt der römisch- deutsche Kaiser Franz II. das Reich für erloschen. Erst 1812 - als Napoleon mit 600 000 Soldaten Russland angreift und scheitert - wendet sich das Blatt: Nach verlorenem Feldzug geschwächt, verliert er auch gegen die Allianz von Preußen, Russland und Österreich. Zudem vertreiben die Engländer die Franzosen aus Spanien, der Rheinbund zerfällt. Die Allianz rückt bis Paris vor, Napoleon muss abdanken und geht 1814 ins Exil nach Elba.


Der letzte König Frankreichs

Die Royalisten nutzen die Gelegenheit und holen den Bruder Ludwigs XVI. aus der Verbannung nach Paris, wo sie ihn als Ludwig XVIII. auf den Thron setzen. Doch Napoleon kehrt noch einmal aufs Festland zurück, wo ihn das Militär begeistert empfängt, anstatt ihn aufzuhalten. Er regiert für weitere 100 Tage, wird jedoch im Juni 1815 bei Waterloo in der Nähe von Brüssel endgültig geschlagen und auf die Atlantikinsel Sankt Helena verbannt.

Um ein neues Gleichgewicht der Kräfte in Europa herzustellen, tagen die Außenminister aller Mächte bereits seit 1814 in Wien. Ein halbes Dutzend Provinzen werden hin und her getauscht. Die Deutschen finden sich im »Deutschen Bund« wieder, einem Verband von 35 souveränen Fürstentümern und vier Freistädten - ein bewusst gewählter Gegenentwurf zum zentral verwalteten Nationalstaat Frankreich. Die auf dem »Wiener Kongress« beschlossene neue Weltordnung bewährt sich: Sie sorgt immerhin 40 Jahre lang für Frieden.

Frankreich wird konstitutionelle Monarchie, erlebt erneut eine Phase des Terrors, mit dem diesmal ein Ausgleich erzwungen werden soll zwischen alten Ansprüchen von Aristokratie und Klerus und neuen Rechten des Bürgertums. Das geht 15 Jahre lang gut, dann erheben sich die Massen in Paris aufs Neue: Die Revolution von 1830 beendet 41 Jahre nach Absetzung von Ludwig XVI. endgültig die Zeit der Monarchie in Frankreich.


Gottfried Derka ist freier Wissenschaftsjournalist in Wien.


LITERATURTIPP
Hans-Ulrich Thamer
Die Französische Revolution
[C.H.Beck, 2. Auflage, München 2004, 123 S., EUR 7,90]
www.science-shop.de/epoc


ZUSATZINFORMATIONEN:


Von Juni 1793 bis Juli 1794 wurden mindestens 16 594 Todesurteile durch die Guillotine vollstreckt, nur 2500 davon in Paris. Ohne Prozess oder in Gefangenschaft starben weitere 25 000 bis 40 000 Menschen
Rund 85 Prozent der Hingerichteten gehörten dem früheren Dritten Stand an (darunter 28 Prozent Bauern, 31 Prozent Arbeiter). 8,5 Prozent entstammten dem Adel, 6,5 Prozent waren Kleriker
Rund 80 Prozent der Todesurteile ergingen wegen Verrats an der Rebellion, 9 Prozent wegen Oppositionsdelikten und nur wenige wegen ökonomischer Delikte wie etwa Wucher


Die Jahre der Revolution

1787
16. Juli Das Parlament von Paris fordert die Einberufung von Generalständen

1788
8. August Einberufung der Generalstände

1789
5. Mai Zusammentreten der Generalstände in Versailles
17. Juni Die Vertreter des Dritten Standes erklären sich zur Nationalversammlung und damit zur alleinigen Vertretung der Nation
20. Juni Ballhausschwur, Delegierte geloben, »sich niemals zu trennen, bis der Staat eine Verfassung hat«
9. Juli Erklärung zur »Verfassunggebenden Nationalversammlung»
12. Juli Einrichtung einer revolutionären Stadtverwaltung in Paris
14. Juli Sturm auf die Bastille, dem Symbol der Zwangsherrschaft
26. August Verkündung der Menschen- und Bürgerrechte
6. Oktober Stürmung des Schlosses in Versailles, König und Nationalversammlung ziehen nach Paris um

1791
21. Juni Misslungener Fluchtversuch der Königsfamilie
3. September Verfassung der konstitutionellen Monarchie
14. September Ludwig XVI. schwört auf die Verfassung

1792
20. April Kriegserklärung an Österreich
1. August Die Drohung des Herzogs von Braunschweig, Rache zu nehmen, falls der königlichen Familie etwas geschehe, wird in Paris bekannt
10. August Suspendierung des Königs
2. - 6. September Septembermassaker in Paris
21. September Zusammentritt des neu gewählten Nationalkonvents und Ausrufung der Republik
6. November Erster bedeutender Sieg der Revolutionstruppen über die Österreicher bei Jemappes in Belgien

1793
21. Januar Hinrichtung Ludwigs XVI.
6. April Gründung des Wohlfahrtsausschusses
2. Juni Aufstand der Jakobiner und Ausschluss der Girondisten aus dem Konvent, Beginn der Jakobinerherrschaft
23. August Einführung der allgemeinen Wehrpflicht (levée en masse)
17. September Erweiterung der Befugnisse des Revolutionstribunals, »Großer Terror« (»Gesetz über die Verdächtigen»)

1794
März/April Hinrichtung der Gegner Robespierres
Juni/Juli Der »große Terror« überzieht Frankreich
27./28. Juli Verhaftung und Hinrichtung Robespierres
24. August Aufhebung der Revolutionskomitees und der revolutionären Stadtverwaltung von Paris

1795
April/Mai Hungerunruhen der Pariser Arbeiter werden im Keim erstickt
22. August Verkündung der Direktorialverfassung
5. Oktober Napoleon Bonaparte schlägt in Paris eine royalistische Erhebung nieder

1799
9./10. November Durch einen Staatsstreich wird Bonaparte erster Konsul
13. Dezember Verfassung des Konsulats
15. Dezember Die drei Konsuln erklären die Revolution für beendet

1802
16. August Napoleon wird in einer Volksabstimmung zum Konsul auf Lebenszeit gewählt

1804
18. Mai Verfassung des erblichen Kaisertums für Napoleon
2. Dezember Napoleon krönt sich zum Kaiser


Maximilien de Robespierre und seine Zeit

1760 > 1765 > 1770 > 1775 > 1780 > 1785 > 1790 >

1758 - Am 6. Mai kommt Maximilien Marie Isidore de Robespierre als Erstgeborener
         eines Advokaten in Arras zur Welt
1769 - Aufnahme am berühmten »Collège Louis le Grand« in Paris. Bei einem späteren
         Besuch des Königs hält Robespierre als bester Schüler eine Rede
1764 - Als er fünf Jahre alt ist, stirbt seine Mutter, ein Jahr später verschwindet
         sein Vater auf Nimmerwiedersehen. Die Erziehung übernehmen Verwandte
1778 - Eine Begegnung mit dem Philosophen Jean-Jaques Rousseau prägt den
         Jurastudenten nachhaltig
1781 - Robespierre lässt sich als Strafverteidiger in Arras nieder
1789 - Als Abgeordneter des Dritten Standes vertritt Robespierre entschieden
         demokratische Ideen - er ist sehr populär
1793 - Beginn der jakobinischen Terrorherrschaft unter Robespierre
28. Juli 1794 - Hinrichtung Robespierres in Paris


Politik und Gesellschaft

1755 - Englisch-französischer Kolonialkrieg (bis 1763)
1760 - Gründung von Abu Dhabi, heute Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate
1762 - Die russischen Garden rufen Katharina die Große zur alleinigen Zarin
         von Russland aus
1763 - Ende des Siebenjährigen Krieges
1765 - Joseph II. wird römisch-deutscher Kaiser
1773 - Boston Tea Party: Aus Protest gegen die britische Kolonialpolitik werfen
         als Indianer verkleidete Bostoner englische Tee-Ladungen ins Wasser
1774 - Ludwig XVI. wird König von Frankreich
1775 - Bei Memmingen wird die letzte deutsche "Hexe" zu Tode verurteilt
1776 - Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika
1779 - Der preußische König Friedrich II. hält eine Rede über die Gleichheit
         aller Untertanen
1783 - Ausbruch des Laki-Vulkans in Island - saurer Regen führt in Europa und
         Amerika zu Hungersnöten
1789 - Beginn der Französischen Revolution George Washington wird erster
         Präsident der USA
1790 - Leopold II. wird römisch-deutscher Kaiser
1792 - Dänemark verbietet den Sklavenhandel
1793 - Ludwig XVI. wird enthauptet


Kunst und Kultur

1750 - Der Komponist Johann Sebastian Bach stirbt in Leipzig
1757 - Baubeginn der Pariser Kirche St. Geneviève (später Panthéon)
1759 - Das Britische Museum in London wird eröffnet Joseph Haydn komponiert
         seine erste Sinfonie
1764 - Ein Blitzschlag zerstört das Heidelberger Schloss
1767 - Epoche des "Sturm und Drang" in der deutschen Literatur
1768 - Joseph Wright of Derby malt "Das Experiment mit dem Vogel in der Luftpumpe"
1770 - Ludwig van Beethoven kommt in Bonn zur Welt
1774 - Johann Wolfgang Goethe schreibt "Die Leiden des jungen Werther"
1776 - In Moskau wird das Bolschoi-Theater eröffnet
1779 - Gotthold Ephraim Lessing verfasst "Nathan der Weise"
1782 - Uraufführung von Friedrich Schillers Drama "Die Räuber" in Mannheim
1786 - Die Oper "Die Hochzeit des Figaro" von Wolfgang Amadeus Mozart feiert
         in Wien Premiere
1788 - Erste Ausgabe von "The Times"
1791 - Das Brandenburger Tor in Berlin wird vollendet
1793 - Eröffnung des ehemaligen Königsschlosses in Paris als Museum


Philosophie und Religion

1750 - Voltaire besucht Friedrich II. auf Schloss Sanssouci in Potsdam
1751 - Denis Diderot und Jean-Baptiste le Rond, genannt d'Alembert, beginnen mit
         der Edition der "Encyclopédie"
1762 - Rousseaus staatswissenschaftliches Werk "Vom Gesellschaftsvertrag oder
         Prinzipien des Staatsrechtes" erscheint - in Paris und Genf ergehen Haftbefehle
         gegen ihn
1773 - Papst Clemens XIV. verbietet den Jesuitenorden - 1814 lässt ihn Pius VII.
         wieder zu
1776 - David Hume, schottischer Philosoph und Historiker stirbt
1778 - Die Aufklärer Voltaire und Rousseau sterben
1780 - Lessing vollendet "Die Erziehung des Menschengeschlechts"
1781 - Die "Kritik der reinen Vernunft" von Immanuel Kant erscheint
1782 - Joseph II. gewährt Lutheranern, Reformierten, Orthodoxen und Juden größere
         Freiheiten in der Religionsausübung
1787 - Ludwig XVI. erlässt ein Toleranzedikt zu Gunsten der Hugenotten
1791 - Olympe de Gouges fordert die 1789 erkämpften Menschen- und Bürgerrechte
         auch für Frauen
1794 - Robespierre leitet in Paris die offiziellen Veranstaltungen zum Fest
         des höchsten Wesens - der "Göttin der Vernunft" - als Ersatz für die
         christliche Religion


Naturwissenschaft und Technik

1758 - Der von Edmond Halley vorhergesagte Komet erscheint am 25. Dezember
1761 - Giovanni Battista Morgagni begründet die moderne Pathologie
1766 - Henry Cavendish, Chemiker entdeckt den Wasserstoff
1768 - James Cook unternimmt mit der "Endeavour" seine erste Entdeckungsreise
1770 - Nickolas Cugnot erfindet den Dampfkraftwagen (Vorläufer des Automobils)
1771 - Johann Christian Senckenberg, Arzt und Naturforscher, stirbt
1775 - James Watt verbessert die Dampfmaschine, so dass sie wirtschaftlich
         rentabel eingesetzt werden kann
1778 - Im britischen Ironbridge wird die erste Eisenbrücke gebaut
1779 - James Cook wird auf einer hawaiianischen Insel ermordet
1781 - Der Astronom Wilhelm Herschel entdeckt den Planeten Uranus
1792 - Messungen von Horace Bénédict de Saussure offenbaren:
         Der Montblanc ist Europas höchster Berg
1792 - Alessandro Malaspina entdeckt den gröten Gletscher Alaskas
1793 - Der französische Nationalkonvent setzt den Meter als Längenmaß fest


Der ideologische Boden der Französischen Revolution

Die Gedanken der Staatsphilosophen der Aufklärung bereiteten nicht nur den Boden für die Unabhängigkeitserklärung der USA (1776), sondern auch für die Revolution in Frankreich:

John Locke (1632 - 1704) fordert in seinen Schriften unveräußerliche Menschenrechte und schreibt dem Volk die Autorität zu, eine alte Regierungsform durch eine neue zu ersetzen.
Montesquieu (1689 - 1755) entwickelt die Theorie über die Aufteilung der staatlichen Macht in die gesetzgebende Gewalt (Legislative), die richterliche Gewalt (Judikative) und die ausführende Gewalt (Exekutive).
Jean-Jacques Rousseau (1712 - 1778) liefert die gedankliche Grundlage für das allgemeine Wahlrecht und die Souveränität des Volkes.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Der Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 gilt als Geburtsstunde der Französischen Revolution.
Beim »Ballhausschwur« vom 20. Juni 1789 geloben Delegierte, »sich niemals zu trennen, bis der Staat eine Verfassung hat, und nur der Gewalt der Bajonette« zu weichen.
Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789 fordert natürliche und unveräußerliche Rechte auf Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung - allerdings nur für Männer.
»Ludwig ist wegen seiner Verbrechen entthront worden; Ludwig kann also nicht mehr gerichtet werden, er ist schon gerichtet. Er ist verurteilt, oder die Republik ist nicht freigesprochen.«
Robespierre über die Hinrichtung des Königs
Diktatoren des Grauens (von links): Georges Danton (1759 - 1794), Jean-Paul Marat (1743 - 1793) und Maximilien de Robespierre (1758 - 1794)
Zwölf Jahre nachdem der letzte absolutistische Monarch Frankreichs im Kampf für die Demokratie hingerichtet worden war, krönt Napoleon Bonaparte am 2. Dezember 1804 zunächst sich selbst zum Kaiser - und dann seine Frau Joséphine.

© 2009 Gottfried Derka, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
epoc 2/09, Seite 44 - 54
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2009