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WISSENSCHAFT/081: Aus Historischem kann Identität geschöpft werden (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 2 vom 2. Februar 2010

Aus Historischem kann Identität geschöpft werden

Von Steffi Eckold, Dr. Klaus Mauersberger


Ein Symposium widmet sich im Februar 2010 den zu oft wenig beachteten Universitätsmuseen und Sammlungen im Hochschulalltag. Auch die TUD besitzt eine Vielzahl an Sammlungen. Wie ist ihre derzeitige Situation einzuschätzen? Ein Bestandsbericht.


Grundsätzlich gibt es vielschichtige Gründe für die Nichtbeachtung universitärer Sammlungen. Einer der wichtigsten ist dabei sicherlich die fortschreitende Änderung der Lehrinhalte und -methoden, die zu einer schnelleren Musealisierung der Lehr- und Forschungsmittel führt. Eine Universität ist jedoch kein Museum.

Besonders nach der 3. Hochschulreform im Jahr 1968 waren einige Sammlungen auch der TU Dresden akut gefährdet. Erst mit der Gründung der Kustodien ab ca. 1979 wurden in der DDR die Bestände unter Schutz gestellt und entsprechende Ordnungen erlassen. Heute gibt es durchaus ein breites Verständnis für die Sammlungen als gegenständliche Quellen und Sachzeugen der Wissenschaftsgeschichte. Sie dienen nicht zuletzt der historischen Identität und der als "Corporate Identity" bezeichneten "Unternehmensidentität" der Hochschule. Eine größere wissenschaftliche Bedeutung haben dabei auch an der TU Dresden die Sammlungen, die noch immer - neben dem rein musealen Anteil - für Lehre und sammlungsbezogene Forschung eingesetzt werden. Natürlich sind die Mittel beschränkt, dennoch kann man selbst mit wenigen Mitteln Sammlungen erhalten, pflegen, erschließen und öffentlich präsentieren. Es kommt stets auch auf die betreuenden Personen, die Interessen und das Engagement an. "Hierfür gibt es überwiegend gute Beispiele an unserer Universität. Besonders würde ich den Einsatz der Sammlungsbeauftragten an den bewahrenden Institutionen hervorheben, die dies oft im Nebenamt oder Ehrenamt leisten", so Dr. Klaus Mauersberger, Direktor der Kustodie der TU Dresden.


Zahl der Sammlungen schwankt um die 40

Die TU Dresden besitzt gegenwärtig 40 Sammlungen. Die Anzahl der Sammlungen schwankte über die Jahre, beispielsweise weil Einzelsammlungen zusammengelegt wurden. Nur wenige Teilbestände gab die TU Dresden über die Jahre als Dauerleihgabe an staatliche Museen. Ein Beispiel dafür ist das "Nabeshima-Geschenk". Es wurde der TU Dresden im Jahr 1983 von der Witwe des japanischen Ministers Nabeshima Naotsugu übergeben und besteht unter anderem aus 20 wertvollen japanischen Lackarbeiten, teils aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Es wird heute im staatlichen Völkerkunde-Museum aufbewahrt. "Auch wenn historisch aussagekräftige Einzelstücke ausgesondert werden sollen, die nicht in die Sammlungsbestände der TU Dresden passen, versuchen wir, die Objekte an entsprechende Museen zu vermitteln", so Dr. Mauersberger. Es gibt auch Zugänge in einigen Sammlungen, so konnte die akustische Sammlung der Fakultät Elektrotechnik und Informatik um wertvolle Bestände des aufgelösten phonetischen Instituts der Universität Hamburg zu einer akustischphonetischen Sammlung von europäischem Rang aufgewertet werden. Zu den Beständen der Kustodie zählen zudem die regelmäßig eingehenden Gastgeschenke an die TU Dresden. Dem Interesse staatlicher Museen an den Beständen der Universität kann auch durch eine bessere Vernetzung und enge Kooperation entgegengekommen werden. Das "DRESDEN-concept" fördert im Rahmen der Exzellenzinitiative derlei Partnerschaften.


Geologische Sammlung zählt zu den ältesten

Zu den ältesten Sammlungen unserer Bildungseinrichtung zählt die Geologische Sammlung, die noch heute ein wichtiges Arbeitsmittel für die Ausbildung der Studenten des Bauingenieurwesens, der Geodäsie, Geographie, Chemie und Physik in den Lehrveranstaltungen der Angewandten Geologie darstellt. Da die verfügbaren Ressourcen an der Professur begrenzt sind, gibt es seit 2002/2003 eine Vernetzung mit einer außeruniversitären Einrichtung zu einem Verbund in Lehre und Forschung. Dieser Verbund wird über einen Kooperationsvertrag zwischen der TU Dresden und den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden (ehem. Museum für Mineralogie und Geologie) geregelt. Hierzu gehört auch die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sammlungstätigkeit, so zum Beispiel gemeinsame Bearbeitung von Sammlungsmaterial im Rahmen von Dissertationen, Nutzung von Dauerleihgaben und Durchführung von Lehrveranstaltungen. Hierfür wurden zwei Honorarprofessuren eingerichtet.

Insbesondere im letzten Jahrzehnt sind neue Teilsammlungen entstanden, die stärker auf die Forschungsarbeiten am Lehrstuhl für Angewandte Geologie ausgerichtet sind. Eine davon ist die Baugesteinssammlung mit einem Bestand von derzeit nahezu 1000 Einzelstücken. Wegen des großen praktischen Interesses an dieser Sammlung soll der Bestand ausgebaut und für die Praxis wirksam gemacht werden. Dies betrifft nicht nur entsprechende Anfragen seitens des Landesamtes für Denkmalpflege oder der Bauverwaltungen, sondern auch von Fachplanern aus der Privatwirtschaft im Denkmalpflegebereich. Wirksam wird diese Sammlung aber auch in der Öffentlichkeitsarbeit, so zum Beispiel für die Erarbeitung eines Stadtführers zu Bau und Dekorationsgesteinen in Dresden oder für das Netzwerk Steine in deutschen Städten.

Die TU Dresden verfügt über eine gut funktionierende Ordnung über den Umgang mit musealem Gut, die 1995 vom damaligen Kanzler Alfred Post erlassen wurde und der sorgfältigen Bewahrung und Bestandspflege dienen sollte. Darin sind die Verantwortlichkeiten der bewahrenden Einrichtung wie Professuren und Institute sowie der Kustodie genau geregelt. Die Festschreibung des institutionellen Bewahrerprinzips und der Beratungsfunktion der Kustodie gilt unter den Kustoden universitärer Sammlungen deutschlandweit als vorbildlich. Wichtige Grundlage der Ordnung ist das sächsische Denkmalschutzgesetz, das universitäre Sammlungen in die Normen der Denkmalpflege einschließt.

Reserven gibt es noch in der räumlichen Unterbringung der Sammlungen unter geeigneten konservatorischen Bedingungen, in der sachgerechten Konservierung und Restaurierung der Objekte sowie in der Tiefenerschließung der Bestände. Positiv hervorzuheben ist hingegen, dass bereits heute Teile der Sammlungen in Sammlungsräumen oder im öffentlichen Raum der Universität präsentiert werden. Im Rahmen einer erweiterten Einbeziehung von Sammlungen in Ausstellungsprojekte wird gegenwärtig die Vernetzung der Sammlungen innerhalb der Hochschule sowie über Hochschulgrenzen hinaus betrieben. Hierzu zählen neuerdings vor allem Ausstellungen in der Altana-Galerie im Görges-Bau. Ziel der aktuellen Ausstellung "Color Continuo" ist es so auch, die farbenbezogenen Sammlungen wie die Farbstoffsammlung und die Sammlung Farbenlehre räumlich zusammenzulegen und zu einem Kompetenzzentrum Farbe auszubauen. Diese Vernetzung schafft gewünschte Synergieeffekte.

"Die personelle Situation in den Sammlungen ist bescheiden", konstatiert Dr. Mauersberger. Nur die in ihrer Bedeutung weit über Hochschulgrenzen hinaus reichende Hermann-Krone-Sammlung verfügt über eine halbe Stelle zur Betreuung. Da die Haushaltsmittel der Kustodie sowie der bewahrenden Einrichtungen nicht ausreichen, um den Sammlungserhalt zu sichern, musste auf den Einsatz von Drittmitteln, Sponsoring, Spenden, Stiftungsgeldern und Sonderzuweisungen zurückgegriffen werden. Auch für sammlungsbezogene Forschung muss künftig noch stärker auf diese Quellen zurückgegriffen werden und auch die ehrenamtliche Sammlungstätigkeit dürfte noch auszuweiten sein. Immerhin konnten mit zentralen Mitteln wertvolle Objekte einer dringenden Restaurierung unterzogen werden. Der Einsatz von Restaurierungsstudenten der FH Berlin oder der Kunsthochschule Dresden ist in finanzieller Hinsicht genauso unentbehrlich wie die Amtshilfe durch befreundete Museen wie die Technischen Sammlungen und das Stadtmuseum Dresden.

Trotz der angespannten Personalsituation sind die Sammlungen der TU Dresden in zahlreiche Projekte der Öffentlichkeitsarbeit eingebunden. Hervorzuheben sind die Aktivitäten der akustisch-phonetischen Sammlung im Rahmen von Vorlesungen und wissenschaftlichen Konferenzen. Im vergangenen Jahr mündete das in einen Traditionstag, der von einer Ausstellung in den Technischen Sammlungen begleitet wurde.


Zwei Drittel werden teils rege genutzt

Etwa zwei Drittel der Sammlungen werden in Teilbeständen für die Ausbildung von Studenten, für Ringvorlesungen sowie für Weiterbildungsangebote genutzt. Für große Veranstaltungen wie die Lange Nacht der Wissenschaften, den Tag der offenen Tür, das Schnupperstudium, die Kinderuniversität und die Museumssommernacht, aber auch für Jubiläen wie die Johann-Andreas-Schubert-Ehrung und Institutsjubiläen werden Sammlungen geöffnet oder die Ausstellungen der Kustodie genutzt. Von Absolventengruppen, Gästen der Universität, Schülern und Senioren werden Führungen und Sonderveranstaltungen in der Ständigen Ausstellung, in der Altana-Galerie sowie die historischen Campusführungen rege genutzt.

Selbst wenn die Sammlungen oder Teile davon nicht mehr für die Lehre relevant sind, steht doch der historische Aspekt, wie die Sammlungsgeschichte, die Technikund Wissenschaftsgeschichte, Sachquellen und gegenständliche Kultur, oft im Mittelpunkt öffentlichen Interesses. Auch Schüler und Praktikanten werden in die Sammlungsarbeit einbezogen. "Die Originalität und Authentizität der Objekte universitärer Sammlungen könnte als Ergänzung zu den verbreiteten Science-Centers und Experimental-Museen zu einem Ort lebendiger Wissenschaftskommunikation werden und vor allem auf einen umfassenden Kulturund Bildungsauftrag der Universitäten orientieren", so Dr. Mauersberger. "Hierzu müssten sie allerdings in einen repräsentablen und kommunikationsfähigen Zustand versetzt werden."

Die Sammlungen der TU Dresden sind hinsichtlich ihrer Herkunft, historischen Entwicklung, Einbindung in Lehre und Forschung sowie Grad der Musealisierung höchst disparat. Als Lehrsammlungen entstanden, erlebten sie über Jahrzehnte, teils über mehr als ein Jahrhundert ihres Bestehens, einen Funktionswandel. Allein aufgrund der verschiedenen Lehrfelder sind auch die Sammlungsgegenstände höchst verschieden: Sie reichen vom Herbarblatt über die Farbstoffprobe bis hin zum Traktor. Demgemäß sind auch die Probleme der Unterbringung, Erfassung, Konservierung und Präsentation in den einzelnen Sammlungen sehr unterschiedlich. Auch hinsichtlich des Umfangs unterscheiden sich die Sammlungen beträchtlich, so verfügt die kleine, aber feine Sammlung Längenmesstechnik über zirka 60 Stücke, während bei der bereits erwähnten Geologischen Sammlung mehr als 30 000 Objekte registriert sind. Die ältesten Sammlungen der TU Dresden gehen wie die Mechanisch-Technologische Sammlung auf ihre Gründungszeit zurück bzw. bestanden, wie im Falle von Sammlungsteilen der ehemaligen Forstakademie, bereits vorher; die neuesten Sammlungen, darunter die der Farbenlehre, wurden im Zuge der Hochschulerneuerung nach 1989 angelegt und ausgebaut. Erweiterungen erfahren vor allem die noch in der Lehre und Forschung genutzten Sammlungen.

Begonnen mit dem von der Kustodie edierten Bildband "Sammlungen und Kunstbesitz" im Jahr 1996 wurde mit der Erarbeitung spezieller Sammlungskataloge, unter anderem zur Akustischen Sammlung, Grafiksammlung Medizin und Architektursammlung, begonnen. Ferner dienen Katalogbeiträge, Werkverzeichnisse unter anderem zu Hermann Krone, Publikationen in Fachzeitschriften sowie die derzeit durch die Kustodie erarbeiteten Faltblätter zu den einzelnen Sammlungen der Öffentlichkeitsarbeit. Die weit vorangeschrittene Digitalisierung der Sammlungsbestände erlaubt zudem reich visualisierte Internetauftritte, die auch Sammlungskataloge, Projekte der Altana-Galerie und virtuelle Campusrundgänge zugänglich machen. Die Sammlungen der TU Dresden sind so im besten Sinne bereits heute im 21. Jahrhundert angekommen.


Die ständige Ausstellung "Sammlungen und Geschichte der TU Dresden" gibt es seit 2003 im BZW, Zellescher Weg 17, Eingang A, Erdgeschoss. Besuch nach Vereinbarung. Tel.: 0351 463-32180


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 21. Jg., Nr. 2 vom 02.02.2010, S. 3
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
Nöthnitzer Str. 43, 01187 Dresden
Telefon: 0351/463-328 82
Telefax: 0351/463-371 65
E-Mail: uj@tu-dresden.de
Internet: www.tu-dresden.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2010