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DILJA/055: OSZE, scharfes Schwert kalter Krieger - Jugoslawien-Krieg (SB)


OSZE - scharfes Schwert kalter Krieger (Teil 2)


Wie die OSZE der NATO den Weg in den Jugoslawien-Krieg ebnete

Schein und Sein, Anspruch und Wirklichkeit könnten wohl kaum krasser auseinanderfallen als bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Dies ist nicht zufällig so, denn das Image dieser von westlichen Frontstaaten dominierten internationalen Organisation, in der auch die USA und Kanada Mitglieder sind ganz so, als würden sich ihre Territorien in Europa befinden, steht ganz im Zeichen einer vorgegebenen Friedfertigkeit. So hat sich die 1995 aus der am 1. August 1975 in Helsinki erstmals abgehaltenen "Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit" (KSZE) hervorgegangene OSZE einige Jahre später in einer Weise für die NATO als Türöffner in den Jugoslawienkrieg betätigt, die die in der KSZE-Schlußakte von 1975 in Anspruch genommenen und auch für die OSZE angeblich verbindlichen Werte eklatant verletzt.

Gewiß ist die Schlußakte - auch im Sinne des Völkerrechts - keine rechtsverbindliche Erklärung, was der Schlagkräftigkeit des politischen Schwertes KSZE allerdings keinen Abbruch tat. Die relative Unverbindlichkeit des Beitritts war zu Zeiten des Kalten Krieges unverzichtbare Voraussetzung, um mit Hilfe eines politisch-moralischen Instrumentes eine vermeintliche Annäherung zwischen den einander zutiefst feindselig gegenüberstehenden Blöcken in einer Zeit einzuleiten, in der die gegenseitige militärische Bedrohung bereits im mehrfachen Overkill gemessen werden konnte. In der `alten' westlichen Welt, deren Chefideologen es bis zur russischen Oktoberrevolution von 1917 noch weitestgehend gelungen war, die Mär vom größtmöglichen Segen für alle oder zumindest doch recht viele alternativlos an die Existenz einer kapitalistischen Gesellschaftsstruktur zu binden, stellte bereits der in der jungen Sowjetunion unternommene Versuch, die Idee einer sozialistischen Gesellschaft zu realisieren, einen der größten anzunehmenden historischen Fehler dar.

Sollten diese Bemühungen nämlich zu auch nur irgendwie brauchbaren Ergebnissen führen, gefährdet dies - so die Ratio kapitalistischer Vordenker - die Herrschaftsverhältnisse in der alten Welt in ihrem Kern selbst dann, wenn ihre Gegner mit den Problemen, eine neue Gesellschaft zu erstreiten, so sehr beschäftigt sind, daß sie gar nicht daran denken, sich über ihren Einflußbereich hinaus noch weiter auszudehnen. Das Beispiel einer sich sozialistisch nennenden Staats- und Gesellschaftsform, die im Vergleich zur kapitalistischen Ausbeutungsordnung punkten kann, stellt für den Westen eine auf Dauer nicht zu akzeptierende Herausforderung allein deshalb dar, weil jeder auch für die Bevölkerungen anderer Staaten überprüfbare und glaubwürdige Entwicklungsversuch das Versprechen, durch die Freiheit des Kapitals würde es eines Tages auch den Menschen gut gehen, zu demaskieren imstande ist.

Dies erklärt, warum nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten zu Beginn der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts in den westlichen Führungsgremien das Augenmerk auf die Bundesrepublik Jugoslawien gelegt wurde. Sie war, da nicht ins Sowjetsystem involviert, von dessen Zusammenbruch nicht betroffen, bot sich jedoch den vielen nun "unabhängig" gewordenen ehemaligen Sowjetrepubliken und den früheren Warschauer-Pakt- Staaten Osteuropas als womöglich nachahmenswertes Beispiel an. Jugoslawien lieferte den Beweis einer eigenständigen sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsform, mit der es zudem gelungen war, verschiedene Völker unter ein staatliches Dach zu fassen, ohne daß die unterschiedlichen nationalen Zugehörigkeiten zu Haß, Abgrenzung oder gar Bürgerkriegen geführt hätten.

Die westlichen Staaten - und unter ihnen tat sich in dieser Hinsicht die Bundesrepublik Deutschland besonders hervor - versuchten infolgedessen, etwaige innere Widersprüche Jugoslawiens zu verstärken und Konflikte unter den verschiedenen Volksgruppen zu schüren, wenn nicht überhaupt erst anzuheizen. Die engen Verbindungen Nazideutschlands zur faschistischen Ustascha in Kroatien beispielsweise konnten unter wenn auch veränderten Vorzeichen in Anspruch genommen werden, und nicht von ungefähr hatten die Zersetzung und spätere Zerschlagung Jugoslawiens mit der 1991 einseitig von der damaligen deutschen Regierung Kohl vollzogenen Anerkennung der sich für unabhängig erklärenden jugoslawischen Teilrepubliken Kroatien und Slowenien ihren Anfang genommen.

Die Lunte zu den späteren Bürgerkriegen Jugoslawiens war damit gelegt. Die Bosnien-Kriege waren die absehbare und vom Westen beabsichtigte Folge einer Sezessionspolitik, durch die, unterstützt oder sogar maßgeblich initiiert durch von außen auf das Land einwirkende Kräfte, Jugoslawen Jugoslawen anderer Nationalität hassen und bekämpfen lernten. Die Gewalteskalationen ihrerseits - in den Bosnienkriegen kam es zu massiven Grausamkeiten zwischen den sich bekämpfenden Volksgruppen - boten dem Westen hochwillkommene Angriffsflächen, um im Namen der Menschlichkeit gezielt gegen diejenigen Teilrepubliken, die sich wie Serbien der Idee eines sozialistischen Vielvölkerstaates verbunden fühlten und diesen zu verteidigen gewillt waren, sowie den Bundesstaat Jugoslawien vorzugehen.

Durch den Vertrag von Dayton konnten die Kriegshandlungen beigelegt und in Bosnien-Herzegowina ein wenn auch fragiler Frieden zwischen den verfeindeten Volksgruppen geschaffen werden. Das eigentliche Ziel der westlichen Aggressoren, nämlich Jugoslawien vollständig in seine Einzelrepubliken zu zerlegen, um diese dann umso leichter unter die eigene Fuchtel zu nehmen und in vom Westen kontrollierte Protektorate verwandeln zu können, war damit allerdings noch nicht erreicht worden, und so mußte abermals gezündelt werden. Da sich Serbien und namentlich der serbische bzw. spätere jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic als hartnäckigster Gegner westlicher Distributionsbestrebungen erwiesen hatte, sollte die letzten Endes militärische Konfrontation mit Serbien gesucht bzw. hergestellt werden.

In der serbischen Provinz Kosovo boten sich die Aktivitäten separatistischer Albanerorganisationen an, um über den politischen Hebel eines behaupteten Schutzes einer in ihren Menschenrechten bedrohten Minderheit westliche Soldatenstiefel im Zielgebiet implantieren zu können. Die Spannungen zwischen jugoslawischen Sicherheitskräften und Kämpfern der kosovoalbanischen UCK, die in höchst aufschlußreicher Weise vom US State Departement im Sommer 1998 von zuvor "Terroristen" kurzerhand in "Freiheitskämpfer" umdefiniert worden waren, da Washington offenkundig sie zu instrumentalisieren beschlossen hatte, waren am 13. Oktober 1998 mit dem Holbrooke-Plan scheinbar beigelegt worden. Die Auseinandersetzungen rissen jedoch nicht ab, wobei selbst Politiker aus NATO-Staaten anschließend nicht umhinkamen festzustellen, daß die Feindseligkeiten maßgeblich von der UCK ausgingen.

Die westlichen Unterhändler hatten Milosevic zunächst die Zustimmung zur Stationierung von NATO-Truppen abringen wollen, um - so das damalige Begründungs- und Rechtfertigungskonstrukt - im Kosovo für Sicherheit zu sorgen. Kein westlicher Staat hätte zur Beilegung innerer Unruhen ausländisches und noch dazu potentiell feindseliges Militär ins Land gelassen, und so konnte auch Milosevic nichts anderes tun, als diesen Vorschlag abzulehnen. International bereits in die Defensive gedrängt, ließ er sich - und so kam schließlich das Holbrooke-Abkommen zustande - schließlich darauf ein, anstelle der selbstverständlich bewaffneten NATO-Truppen unbewaffnete Beobachter der OSZE ins Land zu lassen. Dies sollte sich als äußerst verhängnisvoll erweisen. Mit diesem Abkommen hatten die NATO-Staaten eine wichtige Hürde auf ihrem Weg in den beabsichtigten Krieg gegen Jugoslawien genommen.

Wie ein Damoklesschwert schwebte dieser seit dem 13. Oktober 1998 über Jugoslawien, weshalb die jugoslawischen Sicherheitskräfte, wohlwissend, daß die NATO-Staaten nur auf einen Vorwand zum Einmarsch warteten, verhalten auf die Vorstöße der UCK reagierten. Im Kosovo rückten diese ungeniert in die von den jugoslawischen Truppen gemäß des Holbrooke-Abkommens geräumten Stellungen ein. Doch als noch schwerwiegender sollte sich die in diesem Abkommen ausgehandelte OSZE-Mission im Kosovo erweisen. Zunächst 600, dann bis Kriegsbeginn 1200 "Beobachter" der OSZE rückten in die Provinz ein, um Dinge zu tun, die der schlecht informierten westlichen Öffentlichkeit als "zivile Deeskalation" verkauft wurden.

Tatsächlich taten diese "Beobachter" nichts anderes, als zum einen konkrete Kriegsvorbereitungsdienste zu leisten und zum anderen zur moralischen Rechtfertigung des Krieges beizutragen, indem sie erklärten, ihre Mission sei gescheitert (dies selbstverständlich verursacht durch die jugoslawische/serbische Seite, während die kosovoalbanische UCK ungeachtet der von ihr begangenen Tötungen und Entführungen von jedweder Kritik ausgenommen wurde).

Daß die OSZE-Mission als subversive Kraft im Kosovo eingesetzt werden würde, hätte sich eigentlich schon vorab an der Person ihres leitenden Funktionärs ablesen lassen. Zum Chef der Kosovo Verification Mission (KVM), wie die OSZE-Mission im Kosovo genannt wurde, trat ausgerechnet William Walker in Erscheinung. Der US-Diplomat wies schon damals eine Karriere auf, die Böses erahnen ließ, hatte er sich doch in Lateinamerika einen Namen gemacht just zu der Zeit, in der die USA sich intensiv und mit schmutzigen wie illegalen Methoden in die Belange lateinamerikanischer Länder eingemischt hatten, um einen Linksrutsch zu verhindern. William Walker stand in enger Verbindung zu dem berüchtigten US-"Sonderbeauftragten" Oliver North. Lawrence Walsh, Sonderermittler des US-Kongresses zur Iran- Contra-Affäre, hatte sogar nachweisen können, daß Walker für eine als "humanitäre" Operation getarnte Waffenlieferung an Contra- Söldner über einen Flughafen in El Salvador direkt verantwortlich gewesen war.

Und eben dieser William Walker befehligte die OSZE-Mission im Kosovo, zu der er praktischerweise gleich 150 Söldner der in den Lateinamerika-Operationen bewährten privaten US-Söldnerfirma DynCorp mitbrachte. Da kann es nicht überraschen, daß OSZE- Mitarbeiter nach der Kosovo-Mission Erstaunliches zu berichten wußten. Walker selbst, der im Kosovo stets mit einem mit einer US- Fahne beflaggten Geländewagen unterwegs war, erklärte bei einer Anhörung im US-Kongreß ganz ungeniert, daß er auch in seiner Funktion als Chef der KVM weiterhin im Dienste des US- Außenministeriums gestanden habe, wodurch sich nicht wenige der europäischen OSZE-Mitglieder brüskiert fühlten. Diana Johnstone zitierte in einem am 6. Januar 2000 veröffentlichten Artikel den Schweizer OSZE-Beobachter Pascal Neuffer mit folgenden Worten:

Wir sind von Anfang an davon ausgegangen, daß die Informationen, die während unserer Mission von den OSZE- Patrouillen gesammelt wurden, dazu bestimmt waren, die Informationen der NATO zu vervollständigen, die die Satellitenbeobachtung erbracht hatte. Wir hatten den sehr konkreten Eindruck, für die Atlantische Allianz Spionagearbeit zu verrichten.

OSZE-Beobachter aus europäischen Ländern brachten ihre Kritik gegen Walker sowie den britischen Vizechef der KVM, Karol Drewenkiewicz, vor. Diesen wurde vorgeworfen, die von der jugoslawischen Seite vorgebrachten Kooperationsangebote ignoriert und diplomatische Anstrengungen zum Schutz der Menschenrechte blockiert sowie den Informationsfluß innerhalb der OSZE manipuliert zu haben. Der schwerwiegendste Vorwurf aus den eigenen Reihen bestand allerdings darin, daß von der OSZE-Mission Kontakte mit UCK-Kämpfern aufgenommen worden waren, um diese für die Zielmarkierung für die Bombenangriffe der NATO auszubilden. Auf einer internen Anhörung der OSZE mußte der britische Vizemissionschef Drewenkiewicz schließlich zugeben, im Kosovo 250 GPS-Ortungsgeräte zurückgelassen zu haben.

Der französische General Gabriel Keller, ebenfalls ehemaliges KVM- Mitglied, wurde hinterher mit den Worten zitiert, die OSZE habe "alles" getan, um "sich den Serben als Gegner zu präsentieren". Wolfgang Petritsch, seinerzeit EU-Vermittler, hatte nach Angaben des Neuen Deutschland vom 6. Juni 1999 die gesamte OSZE-Mission im Kosovo als "Feigenblatt" und "reine NATO-Aktion" bezeichnet. Wohlbemerkt, diese Einschätzungen und Äußerungen stammen sämtlichst aus dem Kreis der spätestens seit dieser Zeit, wenn nicht schon länger, intern gespaltenen OSZE oder anderer europäischer Institutionen. In Deutschland machte der CDU- Bundestagsabgeordnete und damalige Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Willi Wimmer, von sich reden, als er am 29. Dezember 1998 im Deutschlandfunk das Vorgehen der USA und Großbritanniens im Kosovo mit klaren Worten kritisierte:

Nach einigen Monaten der Beobachtung einer nicht ganz voll aufgefüllten OSZE muß man sagen, möglicherweise ist der OSZE hier eine Aufgabe übertragen worden, die sie von Anfang an nicht lösen konnte, vielleicht auch überhaupt nicht lösen darf. Das Konzept, was im Zusammenhang mit dem Kosovo ausgearbeitet worden ist, trägt letztlich nicht dazu bei, hier eine friedliche Streitschlichtung, Beilegung eines Konflikts herbeizuführen, weil man in diesem Jahr zuviel gesehen hat. Hier ist die Kontaktgruppe inzwischen auf null gebracht worden. Die ganzen europäischen Ansätze zur Streitbeilegung sind an die Wand geschmissen worden. Hier ist die UCK ostentativ nach vorne geschoben worden. Sie kennen alle die Bilder, als Holbrooke sich mit einer Gruppe fotografieren ließ, die keiner von uns kannte. Und hier spielen einige Staaten auf ihre eigene Rolle raus, vor allen Dingen die Vereinigten Staaten und Großbritannien.

Der Rest ist in brutaler Kürze schnell berichtet. Die OSZE- Mission erklärte ihr "Scheitern", der NATO-Krieg begann. Dem Bombenkrieg hatten die jugoslawischen Streitkräfte so gut wie nichts entgegenzusetzen, so daß Präsident Milosevic, um den im Juni 1999 drohenden Bodenkrieg von seinem Land abzuwenden, schließlich einer "Friedens"-Regelung zustimmte, die einer De- facto-Kapitulation gleichkam. Die Zusicherung, durch eine UN- Resolution den Verbleib der serbischen Provinz Kosovo in Serbien völkerrechtlich zu garantieren und damit sicherzustellen, stellte sich binnen weniger Jahre als taktisches Manöver heraus, um die wenig später gestürzte Regierung Milosevic zum Einlenken zu bewegen.

Die Bereitschaft Belgrads, im Herbst 1998 dem Holbrooke-Abkommen und damit einer OSZE-Mission im Kosovo zuzustimmen, hat sich als verhängnisvoll erwiesen, da durch sie der spätere Bombenkrieg vorbereitet und scheinlegitimiert wurde. Eine echte Alternative wird die jugoslawische Führung allerdings nicht gehabt haben, denn bei einer Weigerung, das Abkommen zu unterzeichnen, hätten die NATO-Staaten sicherlich einen wie auch immer gearteten, mit dieser Weigerung pseudo-begründeten Weg in den Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien beschritten. Diesen hätte Belgrad nur durch eine kampflose faktische Übergabe des Landes an die NATO, wie vor Kriegsbeginn im zunächst geheimgehaltenen Annex B des Rambouillet-Abkommens vorgesehen, abwenden können. Die OSZE allerdings hat sich spätestens mit ihrer "Mission" im Kosovo vollständig als ziviles Anhängsel der NATO zu erkennen gegeben und damit in politischer und moralischer Hinsicht vollkommen diskreditiert.

Erstveröffentlichung am 20. Dezember 2006

21. Januar 2007