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DILJA/058: OSZE, scharfes Schwert kalter Krieger - "Bunte" Putschisten (SB)


OSZE - scharfes Schwert kalter Krieger (Teil 5)


Die OSZE an "bunten" Putschen und Putschversuchen aktiv beteiligt

Eine Wahl in einem ehemaligen Warschauer-Pakt-Staat ist dann "demokratisch", wenn ein Kandidat gewinnt, der eine pro-westliche Politik vertritt und namentlich dem gemeinsamen Vormarsch der NATO sowie der EU nicht nur nicht im Wege steht, sondern ihn zu befördern gewillt ist. Dies mag eine provokante Feststellung sein, läßt sich jedoch bei näherem Nachfassen mit den Ergebnissen der OSZE-Wahlbeobachtungen durchaus in Übereinstimmung bringen.

Die OSZE ist ein keineswegs unwesentliches Standbein in der Troika NATO - EU - OSZE. Dieses Dreigespann westlich- kapitalistischer Vereinnahmungs- und Insbesitznahmestrategien stellt in ihrem Kern das Instrumentarium einer von den Kern-EU- Staaten sowie den USA dominierten westlichen Phalanx dar, die zwar nicht ausschließlich, so doch aber ganz wesentlich darauf ausgerichtet ist, die gesamte eurasische Landmasse unter ihre Kontrolle zu bringen. Daß Rußland dabei auch nach dem Ende der Sowjet-Ära aus Sicht des Westens der größte Störfaktor ist, versteht sich von selbst. Moskau könnte sich noch so sehr dem Westen "öffnen", so darunter eine (Re-) Kapitalisierung des einst zumindest mit einem sozialistischen Anspruch behafteten Riesenreiches verstanden wird, doch solange die russische Führung nicht bereit ist, dem westlichen Freund-Feind die vollständige Kontrolle über die eigenen militärischen Potentiale zu überlassen, kann von einem Status Quo einer dauerhaft irgendwie friedlichen Koexistenz nicht die Rede sein.

Die OSZE, wie sich die 1975 mit der Schlußakte von Helsinki ins Leben gerufene "Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (KSZE) seit 1995 nennt, hält sich zugute, maßgeblich zum Niedergang der einst unter Moskauer Führung stehenden realsozialistischen Staatenwelt beigetragen zu haben. Daß auch die europäischen Warschauer-Pakt-Staaten als KSZE-Mitglieder 1975 in den Genuß des Versprechens demokratischer Freiheiten wie Meinungs-, Presse- und Reisefreiheit gebracht worden waren, wird in der westlichen Geschichtsschreibung als ein wesentlicher ursächlicher Faktor dargestellt. Der westlichen Ideologie zufolge wurden die Menschen im Osten damit auf den Geschmack der ihnen zwar in Aussicht gestellten, dann jedoch verweigerten - wie könnte es in sozialistischen Ländern auch anders sein? - Freiheiten gebracht, was sie, wenn auch Jahrzehnte später, schließlich dazu bewog, den zivilen Aufstand zu wagen.

Mit den tatsächlichen Ereignissen läßt sich diese Lesart nur höchst bedingt in Übereinstimmung bringen. In kaum einem ehemals sich sozialistisch nennenden Land wurden die angeblich so verhaßten Regierungen von Volksaufständen verjagt. Nicht einmal in der DDR, deren vom Westen durchaus hofierten und unterstützten Oppositionsbewegungen ein regierungsfeindliches Klima auf der Basis realexistierender Unzufriedenheiten zu erzeugen verstanden hatten, ist der kampflose Abgang der SED-Führung tatsächlich von der Bevölkerung erkämpft und erstritten worden. Wäre nicht in der damaligen sowjetischen Führung zu diesem Zeitpunkt längst eine Weichenstellung vollzogen worden, die auf eine weitgehende Öffnung zur westlichen Welt inklusive einer Aufhebung der Teilung Deutschlands abgezielt hätte, wäre es 1989 sicherlich nicht zu den dramatischen Entwicklungen in der DDR gekommen.

Die damalige sowjetische Führung um Partei- und Staatschef Michail Gorbatschow schien - wie auch immer dies zu bewerten sein mag - irgendwann zu der Schlußfolgerung gekommen zu sein, das zerstörerische Wettrüsten mit dem Westen nicht ewig überstehen zu können, selbst wenn es nie zu dem atomaren Inferno käme, dem die Welt im sogenannten Kalten Krieg schon mehrfach gefährlich nahe gerückt war. Das Heil in der Flucht nach vorn zu suchen beinhaltete, der einstigen Überzeugung, daß es eine friedliche Koexistenz zwischen der Herrschaft des Kapitals über den Menschen und ihren Herausforderern niemals würde geben können, endgültig abzuschwören.

Dazu waren Gorbatschow und Co offensichtlich bereit. Sie mögen geglaubt haben, durch "Glasnost" und "Perestroika" retten zu können, was immer - nicht zuletzt in der Sphäre ihrer persönlichen Privilegien - zu retten sein könnte. Die Rechnung ging selbstverständlich nicht bzw. nur in Hinsicht auf ihre privilegierten Positionen auf. So ließ sich Gorbatschow Anfang der 90er Jahre dazu überreden, die russischen Truppen aus Ostdeutschland abzuziehen, nur weil der damalige US-Präsident, Georg Bush Senior, ihm versprochen hatte, die NATO würde sich nicht nach Osten ausdehnen. Selbstverständlich hat sie eben dies getan, wobei ein Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist. In Polen beispielweise stationierte die NATO als "Luftabwehrraketen" ausgewiesene Waffensysteme, die sich problemlos zu Angriffswaffen umprogrammieren lassen und insofern eine unmittelbare militärische Bedrohung Rußlands darstellen.

Gleichwohl bevorzugt der Westen aus naheliegenden Gründen eine zivile, wenn auch nicht minder feindliche Übernahme Rußlands und womöglich auch Chinas. In den osteuropäischen und asiatischen Staaten, die ehemals mit der Sowjetunion liiert waren, nehmen die westlichen Kernstaaten jede sich bietende Gelegenheit, das heißt jede Wahl, so es sich um einen OSZE-Mitgliedsstaat handelt, wahr, um ihren politischen Einfluß geltend zu machen oder zu verfestigen. Dabei ist das Vorgehen der OSZE und namentlich der OSZE-Wahlbeobachtungen nicht zu trennen von westlichen Bemühungen, in den Zielländern vorhandene oder erst ins Leben gerufene "Oppositionsbewegungen" für ihre Belange zu instrumentalisieren. Das klassische Muster "kalter" Putsch- Bestrebungen beinhaltet eine großzügige Finanzierung solcher Gruppierungen durch westliche Zivilorganisationen und findet ihre Fortsetzung in einer aggressiven Wahl-"Beobachtung", die sich unter der Maßgabe, eine Demokratisierung des betreffenden Landes unterstützen oder herbeiführen zu wollen, massiv in dessen inneren Angelegenheiten einmischt.

Solche Bestrebungen sind in einigen Ländern - aus Sicht der Westens - bereits von Erfolgen gekrönt gewesen. Wie ein roter Faden ziehen sich dabei die Aktivitäten der OSZE durch die vom Westen unterstützten und in erheblichem Maße finanzierten und als "bunte Revolutionen" fehlbezeichneten Putsche bzw. Putschversuche. Wenngleich sie bislang nicht in jedem Fall zu den von ihren westlichen Initiatoren beabsichtigten Ergebnissen geführt haben, ist ihnen allen doch die Zielsetzung gemein, durch eine Ausweitung der westlichen Einflußsphäre Rußland immer enger einzukreisen und von den Rändern her zu schwächen, bis das eines Tages die Übernahme auch der russischen Zentralgewalt ohne unkalkulierbare eigene Risiken durchsetzbar wird.

Den Anfang einer erfolgreichen "bunten Revolution" konnte im November 2003 in der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien gemacht werden. Dort war der ehemalige sowjetische Außenminister und georgische Präsident, Eduard Schewardnadse, bei den westlichen Förderern der "Selbstauflösung" der Sowjetunion in Ungnade gefallen, weil er die Politik Georgiens nicht vollständig den Maßgaben des Westens unterzuordnen bereit war und einen in Maßen pro-russischen Kurs beibehielt. Die USA finanzierten über private Gesellschaften eine "Opposition", die sich bei den Wahlen vom 22. November 2003 eigentlich auch nach westlichem Verständnis höchst undemokratisch und staatsgefährdend verhielt. Kein EU- Staat und die US-Regierung schon gar nicht hätten es toleriert, wenn eine bei einer Wahl unterlegene Partei oder ein Wahlbündnis das Parlament stürmt, weil es dem gegen die Regierung erhobenen Vorwurf, die Wahlen manipuliert zu haben, Nachdruck verleihen will.

In Georgien zeigte sich die Regierung Schewardnadse weitgehend paralysiert. Vom Westen war sie schon vor den Wahlen so weitgehend diskreditiert und vorab unter den Vorwurf des Wahlbetrugs gestellt worden, daß sie den Machenschaften hilflos gegenüberstand. Schewardnadse floh nach Moskau auf Anraten des russischen Außenministers Iwanow (!), der nach den ersten Straßenkämpfen nach Tiflis geflogen war, um Schewardnadse zum Einlenken zu bewegen - um, wie es schon 1989 in der DDR hieß, "ein Blutvergießen zu verhindern". Niemandem im Westen und in der OSZE fiel es ein, die demokratische Legitimation der im Vergleich zur Bevölkerung des gesamten Landes kleinen Aktivistenschar der "Rosen-Revolutionäre" in Frage zu stellen, die doch ganz offensichtlich durch die Androhung von Gewalt zum Erfolg gekommen waren.

In Moskau schient man gewillt gewesen zu sein, eine Konfrontation mit den NATO- und EU-Staaten durch ein weitgehendes Entgegenkommen zu vermeiden, ohne allerdings eine "rote Linie" zu überschreiten. Diese bestand in der Weigerung Rußlands, die eigenen Truppen sofort aus Georgien abzuziehen. An dieser Streitfrage kam es am 2. Dezember 2003 auf der damaligen Ministerratstagung der OSZE zu einem Eklat. Die frisch ins Amt einer "Übergangspräsidentin" Georgiens geputschte Nino Burdschanadse machte das OSZE-Treffen zur Kampfarena, indem sie Rußland schwerste Vorwürfe machte, weil es angeblich die Autorität Georgiens untergrabe.

Die Glaubwürdigkeit der Forderung, Rußland solle seine Truppen aus Georgien wie auch aus Moldawien abziehen, löste sich allerdings in Nullzeit in Luft auf, da die USA nach dem 11. September 2001, so als gäbe es zwischen den damaligen Anschlägen in den USA und den politischen Entwicklungen im Kaukasus tatsächlich einen Zusammenhang, längst damit begonnen hatten, in den an die russische Südgrenze angrenzenden Staaten eigenes Militär zu stationieren. So auch in Georgien, so auch in Moldawien, wo die OSZE der Stationierung russischer Truppen zunächst ihre Zustimmung gegeben hatte, bevor sie Anfang Dezember 2003 eine Kehrtwende vollzog. Rußland hatte im November 2003 zur Beilegung eines Konfliktes mit Moldawien um die mehrheitlich von Russen bewohnte Dnjestr-Republik dem moldawischen Präsidenten Wladimir Woronin einen Vorschlag unterbreitet, dem dieser zustimmte.

Nach der Abspaltung Moldawiens von der Sowjetunion 1990 hatte sich die Djnestr-Republik ihrerseits von Moldawien losgesagt. Die Bewohner dieses international allerdings nicht anerkannten Mini- Staates befürchteten keineswegs unbegründet, daß Moldawien und Rumänien sich zusammenschließen könnten. Der russische Vorschlag sah nun vor, daß die Djnestr-Republik in den moldawischen Staat zurückkehrt im Gegenzug zu gewissen Autonomierechten für die russischstämmige Bevölkerung. Der moldawische Präsident Woronin zog seine Zustimmung am 25. November 2003 zu diesem Versuch einer friedlichen Konfliktlösung zurück, nachdem, wie der US- amerikanische Propagandasender Radio Free Europe/Radio Liberty verlautbarte, die "Vertretern mehrerer OSZE-Staaten einschließlich der USA" interveniert hatten.

In der moldawischen Hauptstadt Kischinjow fanden zudem just in jenen Tagen antirussische Demonstrationen statt, auf denen - nach westlichen Angaben - 25.000 bis 50.000 Aktivisten Parolen skandierten wie "Nieder mit den Kommunisten!" und "Wir wollen der NATO beitreten". Über eine Mehrheit oder gar eine demokratisch legitimierte Basis verfügen diese Parteigänger der NATO allerdings bis heute nicht. Bei den Wahlen im Februar 2001 hatte die regierende Kommunistische Partei (PCRM) von Präsident Woronin die absolute Mehrheit erringen können, und auch aus den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vom 6. März 2005 war die PCRM trotz erheblicher Stimmenverluste mit einer absoluten Mehrheit der Parlamentssitze als Siegerin hervorgegangen - was das wiedergewählte Staatsoberhaupt Woronin nicht davon abhielt, den zuvor prorussischen Kurs zu relativieren und eine Politik der Annäherung an die USA sowie für einen EU-Beitritt zu betreiben.

Bei dem an der Forderung nach einem Rückzug russischer Truppen aus Georgien und Moldawien im Dezember 2003 gescheiterten OSZE- Ministerratstreffen war es den westlichen Protagonisten gleichwohl gelungen, das Mitgliedsland Rußland weitestgehend zu isolieren. Zählt man den von westlichen Werbetextern als "Rosenrevolution" titulierten gelungenen Umsturz in Georgien als ersten Erfolg einer unter anderem auch durch die OSZE unterstützten westlichen Einkreisungskampagne gegen Rußland, stellt die "orangene Revolution" in der Ukraine das nächste, aus Sicht des Westens erledigte Etappenziel dar. Den sogenannten Wahlbeobachtern der OSZE wird hierbei wie auch der EU ganz ungeniert eine maßgebliche Rolle zugeschrieben, so als wäre es tatsächlich eine Selbstverständlichkeit, wenn internationale Organisationen ihre Betätigungsmöglichkeiten in anderen Ländern nutzen, um die dortigen innenpolitischen Verhältnisse ihren Interessen gemäß zu gestalten.

In der Ukraine trat bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober und November 2004 der vom Westen protegierte Kandidat Viktor Juschtschenko gegen den als prorussisch geltenden regierenden Ministerpräsidenten Viktor Janukowitsch an. Am 9. September 2004 wurde auf Juschtschenko ein Dioxin-Anschlag verübt, woraufhin dieser die Regierung beschuldigte. Die Ermittlungen blieben allerdings ergebnislos. Vage Verdächtigungen, daß die Regierung die Wahlen manipulieren würde, wurden schon vor dem ersten Wahlgang erhoben. Dieser ergab dann am 31. Oktober 2001 eine Patt- Situation (39,87 Prozent der Stimmen für Juschtschenko und 39,32 Prozent für Janukowitsch). Die OSZE monierte sofort massive Verletzungen "demokratischer Standards", konnte jedoch nicht so recht nachweisen, worin denn die von ihr angeblich festgestellten Manipulationsmaßnahmen bestanden haben sollen.

Drei Tage später, dies nur am Rande, fanden in den USA Kongreß- und Präsidentschaftswahlen statt, bei denen massive Bedenken auch von der OSZE geäußert und konkrete Anhaltspunkte für systematische Manipulationen per Wahlcomputer vorlagen, was die OSZE nicht daran hinderte, dem vermeintlichen Wahlsieger Bush ein demokratisches Gütesiegel zu verleihen durch die Behauptung, es seien "faire und freie" Wahlen gewesen. In der Ukraine hingegen wurde mit Wahlbetrugsvorwürfen von seiten der OSZE konkret gearbeitet, um einen Regierungswechsel herbeizuführen. Als erste Teilergebnisse veröffentlicht wurden, die Janukowitsch in Führung sahen, wurden Demonstrationen abgehalten, wobei nicht außer acht gelassen werden darf, daß die sogenannten Oppositionsorganisationen von US-amerikanischen Instituten finanziert worden waren.

Die "Stimmung" im Lande konnte gegen die Regierung gekehrt werden, und so erklärte das Oberste Gericht die Ergebnisse der ersten Stichwahl am 21. November 2004 für ungültig. Die zentrale Wahlkommission gab drei Tage später als Ergebnis bekannt, daß Janukowitsch 49,46 Prozent und Juschtschenko 46,61 Prozent der Stimmen erhalten hätten. Da nach westlichem Dafürhalten ein Wahlergebnis nur "richtig" und "demokratisch" sein kann, wenn der prowestliche Kandidat gewinnt, muß somit auch die zentrale Wahlkommission Bestandteil des behaupteten Betrugkomplotts sein.

Im Parlament wurde am 27. November die Wahl für ungültig erklärt. Eine neue Wahlkommission wurde ins Leben gerufen. Am 26. Dezember 2004 wurde die Stichwahl wiederholt, und diesmal "stimmte" das Ergebnis: Juschtschenko soll 52 Prozent und Janukowitsch nur 44 Prozent erhalten haben. Der demnach unterlegene Janukowitsch richtete nun seinerseits mehrere Eingaben an das Oberste Gericht. Da diese durchweg abgelehnt wurden, trat er am 31. Dezember 2004 von seinem Amt als Ministerpräsident zurück. Am 23. Januar 2005 wurde Viktor Juschtschenko als neuer Staatspräsident vereidigt. Drei Monate später gab die Ukraine bekannt, die Mitgliedschaft in der NATO für 2008 anzustreben.

Nicht in jedem Fall allerdings führten die Machenschaften der OSZE zu dem von ihr gewünschten Erfolg. So fand in Weißrußland am 17. Oktober 2004 eine Parlamentswahl statt, bei der die Oppositionsparteien kein einziges der 110 Mandate erringen konnten. Staatspräsident Alexander Lukaschenko wurde problemlos wiedergewählt, und auch das gleichzeitig abgehaltene Verfassungsreferendum, durch das die mehrfache Wiederwahl des Präsidenten ermöglicht werden sollte, ergab eine hohe Zustimmung (79,42 Prozent) für Lukaschenko. Drei Tage nach der Wahl sprach die EU von einer "groben Mißachtung grundlegender demokratischer Standards", was frei übersetzt nichts anderes bedeutet, als daß sie mit dem Ergebnis überhaupt nicht einverstanden war.

Auch bei den Wahl-"Beobachtern" der OSZE galt diese Wahl als Rückschlag. Sie beklagten, von der Regierung in Minsk "kaltgestellt" worden zu sein. Damit wird unterstellt, daß Wahlmanipulationen sehr wohl stattgefunden, von den ausländischen Beobachtern jedoch nicht hätten feststellt werden können, weil diese an einer wirksamen Wahlbeobachtung gehindert worden seien - was auf die Präsidentschaftswahlen von 2004 in den USA erwiesenermaßen zutraf, ohne daß dies die OSZE zu einer nennenswerten Kritik veranlaßt hätte.

Wahlbeobachtungen wurden in Weißrußland allerdings auch von anderer Seite durchgeführt. So beobachtete eine Delegation der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM) den Urnengang in Weißrußland. Professor Dr. Wolfgang Richter, Vorsitzender der GBM, widersprach gegenüber der jungen Welt am 21. Oktober 2004 der Einschätzung der US-Regierung, das Referendum in Weißrußland sei "mangelhaft und jenseits aller Standards" gewesen und erklärte:

Inklusive der 300 OSZE-Vertreter gab es 689 internationale und 24 000 nationale Wahlbeobachter. Vielleicht war es die bestbeobachtete Wahl der Weltgeschichte. Vier Beobachter pro Wahllokal. Die müßten wohl alle blind oder taub oder beides zusammen gewesen sein, um Wahlfälschungen zu übersehen. Sie haben aber keine gefunden. Selbst die OSZE hat nicht einen einzigen konkreten Fall nennen können.

Gleichwohl wurde von dpa die Behauptung der OSZE, bei den Wahlen in Weißrußland sei massiv gegen demokratische Grundregeln verstoßen worden, prompt verbreitet. Prof. Richter ließ in dem unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Minsk mit der jungen Welt geführten Gespräch nicht unerwähnt, daß die GBM, die über gute Kontakte nach Ost- und Mitteleuropa verfügt, der OSZE vergeblich ihre Mithilfe bei der Wahlbeobachtung in Weißrußland angeboten hatte. Der GBM-Vorsitzende machte deutlich, daß nicht wenige Wahlbeobachter nicht diese Wahl, sondern die "Beobachtung" der OSZE für eine Farce gehalten hatten und führte zur Begründung aus:

Weder in der UN-Charta noch in Menschenrechtsdokumenten gibt es Vorschriften, wie Staaten ihre Wahlordnung konkret gestalten sollen. Die bürgerlichen Medien verschweigen, daß Belarus eher das Wahlsystem einer Bürgergesellschaft hat - und das hat mit dem uns bescherten System wenig gemein. Im 110 Abgeordnete zählenden Parlament sind nur zwölf Mitglieder einer Partei. Die anderen sind prominente Persönlichkeiten aus Vereinen, Arbeitskollektiven oder jene, die sich selbst durch mindestens je 1 000 Unterstützerunterschriften legitimierten. Jeder, der sich zur Wahl stellt, muß öffentlich angeben, wie viel er im Monat verdient, ob er ein Auto hat oder eine Datsche. Wer schwindelt, wird gestrichen.

Bei den Parlamentswahlen am 26. Dezember 2004 und 9. Januar 2005 in Usbekistan kam die OSZE-Wahl-"Beobachtung" ebenfalls nicht so recht zum Zuge. Auch diese Wahl wurde im Westen als Rückschlag bezeichnet. Die OSZE sprach von "gravierenden Verstößen", weil keine oppositionelle Alternative zur Wahl gestanden hätte. "Oppositionell" muß nach Maßgabe westlicher Demokratie-Definierer "pro-westlich" heißen, weshalb Parteien, die den eher prorussischen Kurs von Präsident Islam Karimow mitzutragen bereit sind - was zudem nicht ungewöhnlich wäre, zumal in den westlichen Demokratien nicht einmal die sogenannten Oppositionsparteien die Pro-USA-Grundpositionierung ernsthaft in Frage stellen -, nach westlichem Dafürhalten per se nicht oppositionell sein können. Ergo können die Wahlen in einem Land, das für den Westen in erster Linie als Stützpunkt des US-amerikanischen Militärs von großem Interesse ist, auch nicht demokratisch gewesen sein. Seit 2001 unterhalten die USA bei Karschi den für den Krieg in Afghanistan wichtigen Luftwaffenstützpunkt Chanabad. Überflüssig zu erwähnen, daß die OSZE die Stationierung von immerhin 1500 US- Soldaten in Usbekistan nicht monierte.

Zum Erfolg kamen die westlichen Umsturz-Strategen erst wieder im Frühjahr 2005 in Kirgisien. Hier konnten sie nach Georgien und der Ukraine den dritten gelungenen kalten Putsch - genannt "Tulpenrevolution" - feiern. Mit Präsident Askar Akajew floh im März 2005 der dritte Präsident einer ehemaligen Sowjetrepublik nach Moskau. Suleiman Imanbajew, Chef der offiziellen Wahlkommission Kirgisiens, hatte betont, die Wahlen seien "frei und fair" verlaufen. Doch gegen das Verdikt des Westens kam er nicht an. Die OSZE behauptete, weder in Kirgisien noch in Tadschikistan, wo Parlamentswahlen am 27. Februar und 13. März 2005 stattgefunden hatten, seien die "internationalen Standards für demokratische Wahlen" eingehalten worden. Schon den vorläufigen Wahlergebnissen zufolge lagen in beiden Staaten die regierungstreuen Parteien vorn.

Am 28. Februar 2005 behauptete Kimmo Kiljunen, Vertreter der OSZE, in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek, die Wahl in Kirgisien sei durch Stimmenkäufe, Beschränkungen der Pressefreiheit und eine Disqualifikation von Kandidaten beeinflußt worden. Er warf Präsident Akajew vor, die "Stimmung" vor der Wahl "negativ beeinflußt" zu haben, weil dieser vor einem möglichen Bürgerkrieg gewarnt und auf extremistische Bestrebungen in der Opposition hingewiesen habe. Nimmt man zum Maßstab, ob ein Präsident, der wiedergewählt werden möchte, vor der Wahl "Stimmung" für die Opposition macht, würde wohl weltweit keine einzige Wahl mehr als demokratisch gelten können.

Einen Tag später forderten in Bischkek gerade einmal 50 - in Worten: fünfzig - Demonstranten "die Wahrheit" über die Wahl. Gleichwohl konnten die Proteste in Kirgisien im März 2005 bis hin zu schweren Unruhen geschürt werden. Die sogenannte Opposition brachte zehntausende Demonstranten auf die Straße. Gesprächsangebote von Präsident Akajew an die Opposition sowie die Bereitschaft, das Wahlergebnis überprüfen zu lassen, führten zu keiner Entschärfung der Lage. Am 24. März 2005 erstürmten die Protestler, was in keiner westlichen Demokratie geduldet worden wäre, den Regierungssitz in Bischkek und schlugen Präsident Akajew in die Flucht. Die sogenannte "Opposition" bildete eine Übergangsregierung, die, wie der gestürzte Präsident, der den Einsatz des Militärs gegen die Umstürzler stets abgelehnt hatte, mit gutem Grund erklärte, durch einen Putsch an die Macht gekommen war.

Ein politischer Umsturz, der von tausenden Randalierern, die in der Hauptstadt zudem Geschäfte geplündert und Gebäude und Autos in Brand gesetzt hatten, durchgeführt wurde, ist im Grunde nicht nur ein "kalter", sondern schon ein gewaltsamer Putsch. Eine demokratische Legitimation haben die neuen Machthaber ohnehin nicht in einem Land mit einer Bevölkerung von fast fünf Millionen Menschen. Doch danach fragt im Westen und auch in der OSZE niemand. Dort war man offensichtlich einzig und allein gewillt, die neuen Regenten durch wenige Monate später anberaumte Neuwahlen zu legitimieren und damit den Umsturz - und sei es nachträglich - zumindest dem Anschein nach zu rechtfertigen.

Die Berichte über Wahlen und Wahlbeobachtungen in den osteuropäischen und zentralasiatischen OSZE-Ländern ließen sich noch weiter fortsetzen. Das Kernthema, nämlich die vom Westen mittels der OSZE und insbesondere der OSZE-Wahl-"Beobachtung" angestrebte Installation prowestlicher Regierungen in den ehemals zur Einflußsphäre der Sowjetunion gehörenden Staaten, konnte mit den hier angeführten Beispielen jedoch bereits deutlich gemacht werden. Inzwischen holen, so hat es den Anschein, die bislang mehr oder minder erfolgreichen Putsch-Strategen zum letzten großen Schlag aus, denn Rußland selbst scheint nach Ansicht seiner westlichen "Freunde" nun reif für eine "bunte Revolution" zu sein.

Erstveröffentlichung am 10. Januar 2007

22. Januar 2007