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DILJA/080: Südafrika - Statthalterstaat des Imperiums - Teil 19 (SB)


Statthalter westlicher Hegemonialmächte auf dem schwarzen Kontinent - Südafrika vor, während und nach der Apartheid


Teil 19: Das Nachapartheid-Südafrika als inoffizieller Militärstützpunkt des Westens - Die Regierung Mbeki rüstet zu Lasten der eigenen Bevölkerung auf

Anfang der 1990er Jahre, nachdem die Sowjetunion als Fundament der realsozialistischen Staatenwelt zu existieren aufgehört hatte und die Systemkonfrontation allem Anschein nach vom kapitalistischen Block gewonnen worden war, gingen westliche Strategen zu der nächsthöheren Stufe der Verwirklichung ihrer Endvision einer vollkommen unter ihrer Kontrolle stehenden Welt über. Während hoffnungsfrohe Pazifisten noch glaubten, nun könnte, da die Gefahr einer wechselseitigen militärischen Auslöschung der beiden Supermächte und damit auch ihrer jeweiligen Einflußsphären gebannt war, eine Epoche der Abrüstung, wenn nicht gar vollkommenen Abschaffung jeglichen Militärs eingeläutet werden, wurden längst neue Weltherrschaftspläne geschmiedet. So ist beispielsweise in den 1992 verfaßten "Verteidigungspolitischen Richtlinien" der Bundesrepublik Deutschland der Anspruch auf eine globale militärische Kontrolle und Präsenz nachzulesen, der nun nicht nur von den USA und der NATO, sondern auch von der damaligen deutschen Regierung erhoben wurde.

In diesem nur wenige Jahre nach der Vereinnahmung der DDR in den bundesdeutschen NATO-Mitgliedsstaat erstellten Grundsatzpapier wurde festgelegt, daß die "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt" vitales Sicherheitsinteresse Deutschlands sei. Aus Sicht der Bundesregierung, so ist auch späteren Papieren zu entnehmen, gilt der "freie und ungehinderte Welthandel als Grundlage unseres Wohlstandes", weshalb der Bundesmarine die Aufgabe zufiele, die angeblich im Lebensinteresse Deutschlands liegenden Handelswege zu sichern. Damit beansprucht Deutschland keineswegs eine Sonderrolle, sondern dokumentiert lediglich seinen Anspruch, auch militärisch wieder in der ersten Riege der weltdominierenden Staaten mitzumischen und die von der NATO wie auch der EU beanspruchte Position einer nachkolonialen Vormachtstellung über alle übrigen Kontinente ebenso offensiv zu verfolgen.

Vor diesem Hintergrund ist leicht nachzuvollziehen, inwiefern die Republik Südafrika bei den Bestrebungen der westlichen Ordnungsmächte, die globalen Handelswege unter ihre militärische Kontrolle zu bringen, eine unverzichtbare Rolle spielt. Im südlichen Afrika befindet sich weit und breit kein zweiter Staat, der politisch, wirtschaftlich und militärisch stabil genug wäre, um als Statthalterstaat westlicher Hegemonialinteressen längerfristig in Erscheinung treten zu können und der den dafür erforderlichen industriell-technologischen Entwicklungsstand aufweist. Dies liegt einzig und allein daran, daß Südafrika schon früh zum Bollwerk der westlichen imperialistischen Welt aufgebaut wurde, weshalb der Burenstaat bei der in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts vollzogenen Entkolonialisierung der afrikanischen Staaten scheinbar "vergessen" wurde. Die in ihm zu dieser Zeit bereits fest verankerte "Apartheid" bot die beste und in der Region einzige Gewähr, die Kontrolle über diesen Teil der Welt nicht aus den (westlichen) Händen zu verlieren.

Da dieser Anspruch nur gewaltsam gegen die Bevölkerung und zu Lasten ihrer Lebensinteressen durchgesetzt werden konnte, war "die Apartheid" die logische und aus diesen Gründen nicht per se rassistisch begründete Antwort. Das vordergründig "weiße" Herrschaftssystem sicherte die Zugehörigkeit Südafrikas zur westlich-kapitalistischen Welt. Nicht von ungefähr bestand der Apartheidwiderstand zu einem wesentlichen Teil aus linken Kräften, die nach einem Sieg über das Kolonialreich für Südafrika mit Sicherheit eine sozialistische Entwicklung favorisiert hätten. Nach der Implosion des Sowjetsystems, dem sich ein "sozialistisches" Südafrika vor 1989/90 womöglich hätte anschließen wollen, glaubten westliche Vordenker und Strategen, die Zügeln lockern und einen kontrollierten Übergang zur "Demokratie" zulassen zu können. Das Ende der Apartheid wurde nicht unbedingt vom ANC erkämpft, sondern zwischen ihm und der de-Klerk-Regierung ausgehandelt, vermutlich unter Federführung westlicher Politiker wie des damaligen US-Außenministers James Baker, der im März 1990 eigens nach Südafrika reiste, um mit dem kurz zuvor nach 27 Haftjahren entlassenen ANC-Vorsitzenden Nelson Mandela zu sprechen.

Der politische Wandel von der Apartheid zur Demokratie könnte eine ganz wesentliche militärstrategische Komponente gehabt haben, die nur im internationalen Kontext zu verstehen ist. Die exzessive Gewaltanwendung der Apartheidregierung hatte zu einer internationalen Ächtung Südafrikas geführt und auch führen müssen, wollte sich die angeblich so demokratische westliche Welt nicht offen als Drahtzieher und Nutznießer des brutalen Kapstaates zu erkennen geben. Dies hätte ihr einen Ansehensverlust mit unabsehbaren Folgen einbringen können, zumal mehr und mehr der nun formal unabhängigen Staaten Afrikas, aber auch der übrigen ehemaligen Kolonialgebiete, die sozialistische Idee als eine dem Westen vorzuziehende Alternative hätten begreifen können. Gleichwohl wurde das von den Vereinten Nationen gegen Pretoria verhängte Handels- und Waffenembargo keineswegs eingehalten; so haben die illegalen Waffenlieferungen auch Deutschlands zum Überleben des Folterregimes beigetragen. An eine vollständige Runderneuerung des südafrikanischen Militärs, einer Ausrüstung seiner Luftwaffe und Marine auf höchstem technologischen Niveau war unter diesen Bedingungen allerdings nicht zu denken.

Und so sollte ein Ende der Apartheid und damit eine Aufhebung der lästigen Embargo-Bestimmungen herbeigeführt werden, selbstverständlich ohne das Land und seine leidgeprüfte Bevölkerung vor eine echte Wahl über die eigene Zukunft und politische Zugehörigkeit zu stellen. Die militärische Hochrüstung Südafrikas ließ nach dem Ende der Apartheid nicht lange auf sich warten. Noch im Jahr 1994 billigte der Bundessicherheitsrat die von der damaligen Regierung Kohl und ihrem Außenminister Kinkel anvisierte Lieferung von vier Fregatten an Südafrika. In Südafrika jedoch war in den ersten Jahren nach der Apartheid der Widerstand gegen militärische Großprojekte noch zu groß. So scheiterte der 1995 gefaßte Plan der Mandela-Regierung, vier spanische Korvetten zum Preis von 1,7 Milliarden Rand zu kaufen an den Protesten der Bevölkerung, die nach Wohnungen, Arbeitsplätzen, sanitären Anlagen und Elektrizität verlangte.

Vorstellbar wäre auch, daß der in Südafrika so hochverehrte und mit dem jahrzehntelangen Befreiungskampf des ANC identifizierte Nelson Mandela nicht mit allerletzter Konsequenz bereit war, den "Sieg" über die Apartheid vollkommen in den Dienst ausländischer Mächte zu stellen und sein Renommee als Vater der Regenbogennation in die Waagschale zu werfen, nur um die militärischen Forderungen der befreundeten NATO-Staaten zu erfüllen mit dem absehbaren Risiko, seiner Wertschätzung vollkommen verlustig zu gehen. Da die eigene Bevölkerung dafür die Zeche zu zahlen hat, könnte Mandela befürchtet haben, daß sie früher oder später ernüchtert genug sein würde um zu begreifen, wieso das Ende der Apartheid nicht das Ende ihres Elends bedeutet.

Thabo Mbeki, der Mandela 1997 als ANC-Vorsitzender und im Juni 1999 im Amt des Staatspräsidenten beerbt hatte, war ganz offensichtlich der richtige Mann am richtigen Ort. Im Dezember 1999, ein halbes Jahr, nachdem Mbeki, dem der Ruf eines kühlen Technokraten anhaftet, Mandela als Staatspräsident abgelöst hatte, tätigte Südafrika den größten Waffenkauf seiner Geschichte und orderte in den Ländern der Europäischen Union militärische Gerätschaften in einem Gesamtwert von 44 Milliarden Rand oder 14 Milliarden DM. Dieses Geschäft umfaßte vier Fregatten und drei U-Boote, die aus Deutschland gekauft wurden; 30 Agusta-Helikopter wurden in Italien, 24 Kampfflugzeuge in Britannien und 28 in Schweden geordert. Die Streitkräfte Südafrikas wurden, was zu Zeiten des Apartheid-Embargos in dem Umfang nicht möglich gewesen wäre, auf das modernste technologische Niveau gebracht und mit Waffen (U-Booten, Überwasserschiffen und Kampfflugzeugen) ausgerüstet, von denen sich im Land niemand vorstellen konnte, wozu sie jemals nützlich sein könnten.

Selbst wenn man - was schon abwegig genug wäre, da die Nachbarstaaten Südafrikas den Apartheidwiderstand unterstützt haben und sich deshalb der ANC-Regierung verbunden fühlen - unterstellen wollte, Südafrika müßte sich eines von wem auch immer erfolgten Angriffs erwehren, hätte dazu das lediglich aus NATO-Sicht "museumsreife" Militär, dessen Luftwaffe zur Zeit der Apartheid noch mit DC-3-Dakotas auf dem technischen Niveau des Zweiten Weltkrieges geflogen ist, ausgereicht. Ein Einsatz der neuen High-Tech-Waffen der südafrikanischen Streitkräfte im Innern hätte erst recht militärisch "keinen Sinn" gemacht - ganz abgesehen davon, daß sich zu Beginn der Nach-Apartheid-Ära wohl nicht einmal die Kritiker Mandelas und Mbekis innerhalb des ANC hätten vorstellen können, daß eine ANC-Regierung das Militär gegen die eigene Bevölkerung würde auffahren lassen. Wozu also, so fragten damals wie in den darauffolgenden Jahren nicht wenige, braucht Südafrika U-Boote und Langstreckenbomber?

Zu dieser Frage wurde recht schnell ein Erklärungsmodell gefunden und bis heute am Leben erhalten, das über eine fundierte und inzwischen durch polizeiliche Ermittlungsergebnisse wie auch Feststellungen der Justiz erhärtete Basis verfügt und unter Begriffe wie "Korruption" und "Bestechung" subsumiert werden kann. Auf einen kurzen Nenner gebracht beruht dieser Erklärungs- oder vielmehr Verschleierungsversuch auf der Annahme, daß ANC-Politiker von westlichen Rüstungskonzernen bestochen wurden (was sich mit Leichtigkeit nachweisen läßt) und daraufhin diesen Unternehmen Aufträge erteilten. Wird "Bestechung" auf diese Weise in den Vordergrund gestellt, gerät die Frage nach dem militärischen Nutzen dieser High-Tech-Waffen unweigerlich in den Hintergrund, weil angenommen wird, daß nur um der wechselseitigen Profite und Vorteile willen im Grunde nutzlose Waffenkäufe getätigt wurden. Angesichts der heutigen Praxis der Streitkräfte Südafrikas, in engster Verzahnung mit den NATO-Staaten militärische Aufsichtsfunktionen auch weit außerhalb des eigenen Territoriums wahrzunehmen, muß diese These als widerlegt angesehen werden.

In Südafrika jedoch erhitzte der Korruptionsskandal von 1999 noch lange Zeit die Gemüter. Patricia de Lille, seinerzeit Abgeordnete des oppositionellen PAC und später Mitglied der Independant Party, hatte schon 1999 im südafrikanischen Parlament Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung Mbeki erhoben. Sie hatte ein neunseitiges Dokument vorgelegt, um zu belegen, daß ANC-Politiker hohe Geldbeträge und Mercedes-Luxuskarossen erhalten hatten und daß ihnen hohe Investitionsbeteiligungen an Firmen zugesagt worden waren. Namentlich genannt wurden in diesem Zusammenhang der später verstorbene Verteidigungsminister Joe Modise sowie der damalige ANC-Vizepräsident und heutige ANC-Präsident Jacob Zuma. Die Tatsache, daß ein Jahr später, Ende 2000, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß eingesetzt wurde, der keinerlei Ergebnisse erbrachte, widerlegt keineswegs die von de Lille erhobenen Vorwürfe, sondern belegt, wie sich später zeigen sollte, wie weit der lange Arm der Korruption tatsächlich reichte.

Zu Beginn des Jahres 2001 nahmen, formal unabhängig von Regierung und Parlament, die Generalstaatsanwaltschaft Südafrikas, die Oberste Rechnungsprüfungsbehörde sowie der auf Anzeigen von Bürgern hin tätig werdende Ombudsmann umfangreiche Ermittlungen wegen der 1999 mit namhaften westlichen Rüstungskonzernen getätigten Geschäfte auf. Mitte April 2001 traten die Spitzenfunktionäre dieser drei Institutionen an die Öffentlichkeit und erklärten, daß 30 Ermittlungsbeamte auf diesen Deal angesetzt seien und in 68 Fällen von Korruption ermittelten. Ins Fadenkreuz dieser nun umfangreichen Untersuchungen geriet der ANC-Politiker Tony Yengeni, der 1999 in der ANC-Parlamentsfraktion in der einem Fraktionsvorsitzenden vergleichbaren Funktion des Chief Wip die einhellige Zustimmung zu den Kaufverträgen bewirkt haben soll. Er war als einer der ersten ins Gerede gekommen, nachdem er und seine Frau plötzlich über Luxuslimousinen verfügten. Im Herbst 2001 trat er von seinen parlamentarischen Ämtern zurück.

Im April 2001 hatte die südafrikanische Sunday Times ihm öffentlich vorgeworfen, er habe sich bestechen lassen. Die Zeitung berichtete, Yengeni habe einen nagelneuen Geländewagen von Mercedes Benz erhalten, der noch monatelang als Firmenwagen der Konzerntochter DaimlerChrysler Aerospace gelaufen und von Yengeni erst bezahlt worden wäre, nachdem im Parlament Korruptionsvorwürfe gegen ihn erhoben wurden. Eine solch "korrupte" Beziehung zwischen Yengeni und der deutschen Konzerntochter würde "Sinn" machen, da DaimlerChrysler Aerospace einem Konsortium angehörte, das im Zuge der 1999 getätigten Rüstungsgeschäfte einen Auftrag über 27,5 Millionen Dollar für die Radarausstattung von Korvetten erhalten hatte.

DaimlerChrysler soll nicht nur Yengeni, sondern rund 30 hohe ANC-Regierungsmitglieder, Militärs oder Führungskräfte der Wirtschaft mit Luxuskarossen versorgt haben. Mit ihrer Hilfe sollen dann die an deutsche Unternehmen wie die Hamburger Werft Bloom & Voss ergangenen Aufträge über vier Korvetten sowie drei U-Boote abgewickelt worden sein. Gegen Yengeni erging als einem der ersten Haftbefehl. Er war jedoch einflußreich genug, um auf Kaution wieder auf freien Fuß zu kommen und die Arbeit des ständigen Rechnungsausschusses des Parlaments zu sabotieren. Zu diesem Zweck setzte er im Februar 2001 die Entlassung des ANC-Abgeordneten Andrew Feinstein aus dem Ausschuß durch zugunsten willfähriger Mitglieder, die sich der offiziellen Parteilinie zu beugen bereit waren.

Fünf Jahre später, im Juli 2006, erhielten die Bestechungsvorwürfe neue Nahrung, nachdem die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft Untersuchungen zu dem milliardenschweren Rüstungsgeschäft zwischen Südafrika und dem vom Thyssen-Konzern angeführten deutschen Konsortium angestrengt hatte. Demnach sollen 1999 Bestechungsgelder in Höhe von 30 Millionen DM (300 Millionen Rand) an maßgebliche ANC-Politiker geflossen sein mit dem Ergebnis, daß das zuvor wegen "mangelnder Wettbewerbsfähigkeit" aussortierte Angebot der deutschen Rüstungskonzerne für den Kauf von vier Korvetten und drei U-Booten doch noch angenommen wurde. Präsident Thabo Mbeki gab, während eines Deutschlandbesuchs zur Fußball-WM 2006 nach der Affäre befragt, vor, sich nicht erinnern zu können. Dabei hatte er sich 1999 in seiner Zeit als Vizepräsident Südafrikas in Deutschland aufgehalten, was es ihm zumindest ermöglicht hätte, sich persönlich für den Vertragsabschluß einzusetzen. Daß er in einem solch hohen Amt keine Kenntnisse über die Modalitäten des größten Waffengeschäfts der damaligen Regierung gehabt haben will, klingt nach einer hilflosen Ausrede.

Einen denkbar schlechten Eindruck hatte in Südafrika fünf Jahre zuvor auch die Weigerung Mbekis hinterlassen, die von Richter Willem Heath geleitete Anti-Korruptionseinheit, die eigens beauftragt worden war, um Korruptionsfällen im Staatsapparat nachzugehen, in diesem Fall einzuschalten. Mbeki bezichtigte Heath in einer Fernsehshow sogar, einen persönlichen Rachefeldzug gegen ihn zu führen. Angesichts der in Südafrika nach wie vor anhaltenden Mangelversorgung der Bevölkerung sorgte dieser als Korruptionsaffäre titulierte Skandal für erhebliches Aufsehen und hatte für einige Beteiligte, nicht jedoch für Mbeki selbst, persönliche Konsequenzen. Diese ließen jedoch noch etliche Jahre, in denen weitere Rüstungsgeschäfte getätigt wurden, auf sich warten. So stiegen die deutschen Rüstungsexporte nach Südafrika in den Jahren 2001 bis 2004 noch weiter an. Nach Angaben der Bundesregierung war der Kapstaat 2003 der zweitwichtigste Abnehmer deutscher Rüstungsgüter, in den Jahren 2004 und 2005 sogar der wichtigste unter den westlichen Industriestaaten.

Die Hochrüstung Südafrikas versetzte den ANC-Staat in die Lage, wie kein anderes Land des afrikanischen Kontinents eine Führungsposition innerhalb der Afrikanischen Union (AU) zu beanspruchen. Und so liegt die Vermutung nahe, daß die EU-Staaten und insbesondere auch Deutschland die seit dem Ende der Apartheid vermeintlich über jede Kritik erhabene Regierung Südafrikas als ihren verlängerten (Waffen-) Arm in Hinsicht auf die militärische Kontrolle des gesamten Kontinents sowie der umliegenden Seegebiete betrachten. Im Jahr 2005 war vermutlich bereits genügend Kriegsmaterial in den Kapstaat geliefert worden, um durch einige Personalentscheidungen die nicht enden wollenden Korruptionsvorwürfe zum Verstummen zu bringen. Präsident Mbeki entließ in diesem Jahr seinen eigenen Vizepräsidenten Jakob Zuma, dem wegen Korruption auch der Prozeß gemacht werden sollte.

Schabir Shaik, einer der drei Shaik-Brüder, die sich als Freiheitskämpfer der bewaffneten ANC-Organisation "Umkhonto we Sizwe" einen Namen gemacht hatten, wurde 2005 wegen Korruption zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Aus dem Freiheitskämpfer war ein Miteigentümer der südafrikanischen Firma African Defence Systems (ADS) geworden, tief verstrickt in eine Korruptionsaffäre, von der im Jahre 2005 vermutet wurde, daß mit Schabir Shaik und Jacob Zuma zwei Beteiligte abgestraft wurden, um Präsident Mbeki und sein engstes Umfeld zu entlasten. Im Fall Zumas, der im Dezember 2007 zum ANC-Präsidenten gewählt wurde und beste Aussichten hat, Mbeki auch im Amt des Staatspräsidenten zu beerben, kann in Hinsicht auf seine Entlassung von 2005 nicht einmal von einem Karriereknick gesprochen werden. Aus Sicht derer, die an der Hochrüstung Südafrikas ein bedingungsloses Interesse haben, weil der Kapstaat als militärischer Stützpfeiler eines seiner Tendenz nach weltumspannenden Systems unter Federführung der NATO als unverzichtbar eingeschätzt wird, bietet ein zukünftiger Präsident Zuma die beste Gewähr für die Fortsetzung gedeihlicher Geschäfte.

Seit 2006, damals beim Manöver "Good Hope II", zeigt die deutsche Bundesmarine "Präsenz" in Südafrika. Im Jahr 2007 führte ein Flottenverband der NATO unter Beteiligung deutscher Schiffe vor den Küsten Südafrikas ein weiteres Manöver durch. In diesem Frühjahr beteiligte sich die Bundesmarine mit 1.200 Soldaten an "Good Hope III", einem Mitte März begonnenen und einen Monat andauernden Manöver, mit dem die Zusammenarbeit mit den südafrikanischen Streitkräften abgeschlossen werden sollte. Dabei gilt die Bundesmarine als "Parent Navy" der Seestreitkräfte Südafrikas.

Diese Kooperation betrifft jedoch nicht nur die Marine, sondern ebenso die Luftwaffe. Auch hier nimmt Deutschland, dem die Regierung Südafrikas eine Schüsselrolle für die Wirtschaft des Landes bescheinigt, einen Sonderstatus ein, entwickelt sich doch eine immer intensivere Zusammenarbeit zwischen der deutschen und der südafrikanischen Luftwaffe. Beim deutsch-französischen Airbus-Konzern bestellte Südafrika acht Transportflugzeuge des Typs A400M, wie sie für Lufttransporte im Rahmen militärischer Ordnungseinsätze auf dem gesamten Kontinent erforderlich wären - mit "Landesverteidigung" im klassischen Sinne hat dies nichts zu tun.

Im August vergangenen Jahres umrundete ein Flottenverband der NATO in einer historisch einmaligen Operation den afrikanischen Kontinent, selbstverständlich unter Beteiligung der Bundesmarine. Die NATO teilte anläßlich dessen mit, sie habe ihren Einsatzradius "weit über die traditionellen Operationsgebiete" hinaus ausgeweitet. Die zweimonatige "Übungsfahrt" sollte der Erkundung der afrikanischen Gewässer ebenso dienen wie der Durchführung gemeinsamer Manöver mit afrikanischen Armeen. Man bereite sich darauf vor, Warentransporte sowie die Erdölförderung auf den Weltmeeren zu sichern, so die NATO. Es versteht sich nahezu von selbst, daß während dieser NATO-Operation auch Manöver mit der südafrikanischen Marine abgehalten wurden; schließlich liegt Südafrika militärstrategisch in günstiger Position in Hinsicht auf die Kontrolle des Indischen Ozeans.

All dies hat mit der überwiegenden Mehrheit der in Südafrika lebenden Menschen nicht das Geringste zu tun. All dies verschärft ihre Misere, da sie in einem Staat leben, dessen Regierung ihr aus der Zeit des Apartheidwiderstandes stammendes Renommee sowie das Image einer liebenswerten Regenbogennation ebenso geschickt wie gezielt einzusetzen versteht. Immer wieder setzt sie ihre Kritiker ins Unrecht - sei es, daß Korruptionsvorwürfe als gegen den ANC gerichtete Schmähkampagnen bezeichnet werden. Der Zorn vieler noch immer in größter Armut und angesichts des weltweiten Nahrungsmangels in zugespitzter Überlebensnot lebender Menschen richtet sich keineswegs auf Präsident Mbeki und den ANC, wie die jüngsten, gegen in Südafrika lebende Ausländer gerichteten pogromartigen Gewalttaten belegen.

Das könnte sich jedoch ändern. Die eigentlich naheliegende Schlußfolgerung, daß die "Regenbogennation" Südafrika sozusagen gewährt wurde, damit der Kapstaat weitaus effizienter als unter den Bedingungen der Apartheid zu dem militärischen Stützpfeiler westlicher Vorherrschaft ausgebaut werden konnte, der er heute bereits ist, scheint gleichwohl bei vielen Menschen in Südafrika auf eine gewisse Scheu zu stoßen. Nach der generationenlangen Erfahrung von Unterdrückung und Gewaltherrschaft in Kolonial- wie Apartheidzeit ist die hohe Identifizierung mit dem ANC, der für ein "schwarzes" Bewußtsein und den Apartheidwiderstand steht, nur zu verständlich - umso perfider das Kalkül derjenigen, die darauf gesetzt haben, daß das Erbe des kolonialen Raubes auf Dauer viel besser von einer Regierung verwaltet werden kann, der Menschen schwarzer Hautfarbe angehören.

(Fortsetzung folgt)

28. Mai 2008