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HINTERGRUND/005: Wandel durch Stiftungen - mit Geld die Welt verändern (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt und Entwicklung - Rundbrief 2/2009

Wandel durch Stiftungen
Mit Geld die Welt verändern

Von Martina Schaub


In Zeiten von Wirtschafts- und Finanzkrise, kontinuierlichem Rückzug des Staates aus vielen öffentlichen Aufgaben und der wachsenden Bedeutung bürgerschaftlichen Engagements steht das Stiftungswesen hoch im Kurs. In Deutschland gibt es mittlerweile mehr als 16.000 Stiftungen. Sie setzen sich für die unterschiedlichsten Aufgaben des Gemeinwohls ein. Ob sie dabei Aufgaben übernehmen, die der Staat nicht leisten kann, Akteure für innovative Lösungen zu aktuellen gesellschaftlichen und globalen Problemen sind oder als Privatpersonen oder Unternehmen Einfluss erhalten in Bereichen, die der demokratischen Kontrolle entzogen sind, hängt von verschiedensten Faktoren ab. Wichtig ist eine gesellschaftliche breit angelegte Diskussion über die Rolle des Stiftungswesens.


Die Stiftung ist das älteste Instrument privaten Engagements für das Gemeinwohl. Keineswegs erst seit den 90er Jahren, als hierzulande ein regelrechter Stiftungsboom einsetzte, engagierten sich Wohlhabende für die Gesellschaft. Das deutsche Stiftungswesen hat eine bald tausendjährige Geschichte. Im Mittelalter waren Stiftungen meist als Träger sozialer Einrichtungen von den Kirchen gegründet worden. Im 19. Jahrhundert übernahm dann das aufstrebende Bürgertum mit der beginnenden Industrialisierung bei mangelnden staatlichen Sozialsystemen immer mehr Verantwortung. Vor dem Faschismus gab es viele bekannte Bürgerstiftungen, in denen sich besonders jüdische Familien für das Gemeinwohl engagierten. Schätzungen zufolge existierten im Jahr 1900 über 100.000 Stiftungen.

Nach der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit allen Belastungen durch zwei Weltkriege, NS-Diktatur, Inflation, Währungsreformen und sozialistisches Gesellschaftssystem in Ostdeutschland war die Anzahl der Stiftungen stark gesunken, die Stiftungsvermögen aufgezehrt, aufgelöst oder verstaatlicht worden.


Rolle in Politik und Gesellschaft

Seit Mitte der 90er Jahre haben verschiedene gesellschaftliche, politische und volkswirtschaftliche Faktoren dazu geführt, dass die Anzahl der Stiftungsneugründungen rasant wächst.

1. Die wachsende Bedeutung von Zivilgesellschaft und veränderte Rolle von Unternehmen als Akteure im globalen Wirtschaftssystem.

2. Die sozialen und ökologischen Probleme, die aus dem neoliberale Wirtschaftsmodell und der Globalisierung entstehen.

3. Die damit einher gehende stetige staatliche Konsolidierungspolitik und der Rückzug des Staates aus vielen öffentlichen und sozialen Aufgaben.

4. Die Erbschaftswelle und Konzentration von Reichtum und Wohlstand.

5. Die gesetzlichen Neuregelungen zur Errichtung von Stiftungen und das verbesserte Stiftungssteuerrecht in den Jahren 2000/02 und 2007.

Stiftungen werden heute nicht mehr als Orte des Konservativismus, der Reichen oder Steuersparmodell wahr genommen. Die Öffentlichkeit sieht sie als wichtigen Faktor und Element unserer demokratischen pluralistischen Gesellschaft an. Sie haben inzwischen ihren festen Platz in der Zivilgesellschaft, und auch die Politik misst ihnen eine wachsende Bedeutung zu. Dies hat sicher nicht nur rein finanzielle Gründe, und auch der Kausalzusammenhang, dass sie zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben unverzichtbar sind, reicht hier nicht aus. Eine aktive strategische Rolle von Zivilgesellschaft ist die Voraussetzung für die Lösung komplexer gesellschaftlicher Aufgaben, das Funktionieren von Demokratie und die Lösung von Problemen. Somit sind Stiftungen in diesem Fall sowohl als Dienstleister im Rahmen staatlicher Politikimplementation tätig, als auch der Ausdruck von unzufriedenen Bürgerinnen und Bürgern mit der gegenwärtigen Politik oder einer bestimmten gesellschaftlichen Entwicklung.

Insgesamt wird heute mehr denn je nicht nur von der Politik, sondern auch der Gesellschaft erwartet, dass sich die Menschen freiwillig engagieren und als Bürgerinnen und Bürger gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahrnehmen. Stiftungen sind dabei eigenständige Akteure und Quelle zur Finanzierung von gemeinnützigem Engagement. Zunehmend spielen sie auch eine Rolle als Fundraisinginstrument.


Stifterinnen und Stifter

In Deutschland sind es in erster Linie vermögende Privatpersonen oder Prominente, die mit einem ideellen Anliegen zu Stifterinnen oder Stiftern werden.

Eine wachsende Bedeutung haben inzwischen auch Unternehmensträgerstiftungen. Von Unternehmen wird im Zuge globalisierter Wirtschaftsprozesse zunehmend die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung erwartet. Durch ihren enormen Einfluss auf das wirtschaftliche Wohlergehen und die Arbeits- und Lebensprozesse der Gesellschaft ist das Konzept der Corporate Social Responsibility inzwischen für viele ein Muss für ihren Unternehmenserfolg und ihre Unternehmenskommunikation geworden. Dabei ist jedoch entscheidend, dass die Maßnahmen glaubwürdig sind. Kein Unternehmen mit noch so sinnvollen Stiftungsaktivitäten sollte es sich leisten können, gleichzeitig im Rahmen seiner Produktionsbedingungen verantwortungslos mit sozialen und menschenrechtlichen Fragen und der Umwelt umzugehen.

Auch Vereine können zu Stiftern werden. Dies eröffnet zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten: Es können Rücklagen in Form von Stiftungskapital gebildet werden, mit denen der finanziellen Unabhängigkeit und Zukunft des Vereins eine Basis gegeben werden soll. Auch können bestimmte Tätigkeiten des Vereins direkt in die Stiftung ausgegliedert werden.


Stiftungstypologie und Begriffe

Stiftungen haben keine gesetzlich definierte Rechtsform. Die Bezeichnung meint verschiedene körperschaftliche oder verbandliche Formen, die im privaten, öffentlichen oder kirchlichen Recht verankert sein können. Die Regelform ist die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts, sie unterliegt der staatlichen Stiftungsaufsicht. Das charakteristische Merkmal ist ihr Vermögen, das dazu bestimmt ist, den von der Stifterin oder dem Stifter festgelegten Willen und Zweck auf Dauer zu erfüllen. Diese Absicht kann jedoch auch durch andere Organisationsformen verwirklicht werden, z.B. eine Stiftungs-GmbH oder einen Stiftungsverein. Eine Stiftung kann sowohl gemeinnützige als auch privatnützige Zwecke verfolgen.


Stiftungsfinanzen: Rendite oder Ethik?

Für die öffentliche Wahrnehmung der Bedeutung und der Größe von Stiftungen ist es naheliegend, ihre Vermögen oder jährlichen Ausgaben für den Stiftungszweck zugrunde zu legen. Hierzulande verfügt eine Minderheit der Stiftungen über den größten Teil des Vermögens: 28% haben zwischen 5 und 500 Mio. EUR Stiftungskapital. 72% der bundesdeutschen Stiftungen verfügen über bis zu 1 Mio. EUR Stiftungskapital, davon liegen die meisten im Feld bis 250.000,00 EUR. Durch die unterschiedlichen Rechtsformen und Vermögensstrukturen ist allerdings ein Vergleich kaum möglich.

In der Öffentlichkeit werden immer wieder Fälle von Stiftungstätigkeit und dazu im Widerspruch stehender Geldanlagepolitik bekannt. 2007 veröffentlichte der Spiegel, dass die Bill Gates Stiftung in umstrittene Chemie- und Ölkonzerne investiert hatte. Die in der Entwicklungszusammenarbeit tätige Stiftung unterstützt weltweit die Bekämpfung von Krankheiten.

Es ist davon auszugehen, dass auch in Deutschland in vielen Fällen eine Anlagepolitik verfolgt wird, die im Widerspruch zu den Stiftungsaktivitäten steht: Um den Zweck zu erfüllen, müssen die bestmöglichen Zinserträge aus dem Kapital erwirtschaftet werden. Noch immer herrscht allgemein die Meinung vor, dass dies nur möglich ist mit einem Portfolio, das Fragen von Nachhaltigkeit, ethischem und ökologischem Nutzen außen vorlässt. Dass dies nicht so ist, beweisen inzwischen angesichts der Finanzkrise veröffentlichte Prognosen über die Ertragsentwicklung bei großen Stiftungen für 2009 und 2010: Die Hertie-Stiftung veröffentlicht schon heute Zahlen über Einbußen und auch der Bundesverband Deutscher Stiftungen prognostiziert erheblich gesunkene Erträge.

Das Vermögen einer Stiftung ist ein wichtiges Instrument, ihren Zweck zu erfüllen. Jede Stiftung sollte daher bewusst darüber entscheiden, wie sie das Kapital anlegt, aus dessen Erträgen sie fördert. Widersprüche und Unglaubwürdigkeit entstehen in diesem Bereich ebenso wie bei vielen Corporate Social Responsibility-Maßnahmen.


Mitbestimmung, Transparenz und Publizitätspflicht

In Deutschland existieren bisher keine einheitlichen Bilanzierungsrichtlinien für Stiftungen, keine Publizitätspflicht und kein bundesweites Stiftungsregister. Alle Angaben, die im Verzeichnis Deutscher Stiftungen zusammengetragen und zweijährlich aktualisiert werden, beruhen auf Informationen, die die Stiftungen freiwillig zur Verfügung stellen.

Zu Recht beginnt hierzulande inzwischen eine gesellschaftliche Debatte über die Rolle des Stiftungswesens. Auch wenn der Einfluss und die Finanzmacht von Stiftungen hier noch vergleichsweise gering sind, so müssen sie sich angesichts ihres rasanten Wachstums sowohl der Vermögen als auch ihrer absoluten Zahl einigen Fragen stellen.

Stiftungen sind keinem demokratischen Willensbildungsprozess und gesetzlichen Vorgaben zu ihren Entscheidungsstrukturen unterworfen. Gemeinnützige Stiftungen erhalten Steuervergünstigungen, und für gestiftete Beträge entgehen dem Staat Steuereinnahmen. Im Prinzip können hier Menschen ihren persönlichen Neigungen entsprechend großen Einfluss in den öffentlichen Raum ausüben, und dieser Verantwortung müssen sie selbst und die Gesellschaft sich bewusst sein. Gleichzeitig bieten Stiftungen die Chance, in einer funktionierenden Demokratie flexibel und innovativ Kräfte zu bündeln und private Einflussmöglichkeiten zu nutzen. Ein Beispiel, welche Probleme entstehen können, zeigt der Blick in die USA. 2008 hatte sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) darüber beklagt, dass die Gates- Stiftung als "Charity-Riese" mit der Finanzierung eines umfangreichen Malariaprogramms die wissenschaftliche Meinungsvielfalt gefährden könne. Schlagworte wie "Entwicklungszusammenarbeit nach Gutsherrenart" fielen in der internationalen Zivilgesellschaft.

Vor diesem Hintergrund sollten Stiftungen ihre Rolle begreifen: Sie sollten sich als öffentliche Institutionen verstehen, die Verantwortung übernehmen für das Gemeinwohl. Sie können als Ausgleich und Gegengewicht wirken in einer Gesellschaft, die nicht alles dem Staat überlassen möchte.

Noch sind es wenige Stiftungen, die ihr Anlageportfolio veröffentlichen oder sogar ihr Stiftungskapital nach konkreten Kriterien angelegt haben. Einige davon haben sich im Netzwerk Wandelstiften zusammengeschlossen und für die Grundsätze ihrer Geldanlage, Entscheidungstrukturen und Transparenz gemeinsame Kriterien erarbeitet. Auch die SÜDWIND-Stiftung, die SÜDWIND e.V. vor 2 Jahren gegründet hat, gehört diesem Netzwerk an.


Die Autorin ist Geschäftsführerin von SÜDWIND.


Literatur:

Verzeichnis Deutscher Stiftungen, Band 1 Zahlen, Daten, Fakten, (2008) Berlin
Haibach, Marita, Handbuch Fundraising, (2002) Frankfurt
Verzeichnis Deutscher Stiftungen, Band 1 Zahlen, Daten, Fakten, (2008) Berlin http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518, 459521,00.html
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/karriere/die-krise-erreicht-die-stiftungen;2294174,
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/finanzkrise-trifft- stiftungen;2126096

Infos unter:
www.suedwind-institut.de
www.wandelstiften.de


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2009, S. 3-4
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2009