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HINTERGRUND/006: Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt und Entwicklung - Rundbrief 2/2009

Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements
Die Novelle hat das Stiftungswesen beflügelt

Von Prof. Dr. Hans Fleisch


Nicht immer wird Stiftern die Anerkennung zuteil, die ihnen für ihr Engagement gebührt. Das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements hat einiges zum Positiven verändert, denn es zeigt: Stiftungen sind ein wichtiger gesellschaftlicher Stützpfeiler.


Nachdem das Stiftungswesen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - und in der DDR-Diktatur auch danach - schwer geschädigt wurde, gewinnt der Stiftungsgedanke in Deutschland seit Jahren wieder an Attraktivität. Die Errichtungszahlen für Stiftungen sprechen eine deutliche Sprache: Im Jahr 1990 wurden 181 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts gegründet, 2008 waren es 1.020. Zum zweiten Mal in Folge wurden mehr als 1.000 Stiftungen binnen eines Jahres errichtet; 2007 lag die Anzahl der Stiftungsneugründungen sogar bei 1.134. Dem im Jahr 2007 vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements kommt dabei eine wichtige Signalwirkung zu. Die Entwicklung der Stiftungsneuerrichtungszahlen in den Jahren davor zeigt ebenfalls, dass rechtliche Verbesserungen jeweils das kontinuierliche Wachstum des stifterischen Engagements beflügeln.

Nach Reformen in der Zeit zwischen 1999 und 2002 hat das Gesetz des Jahres 2007 die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten für Zuwendungen an gemeinnützige Organisationen nochmals deutlich verbessert. Der allgemeine Spendenabzug wurde vereinheitlicht und die Abzugsbeträge wurden von 5 bzw. 10 Prozent auf 20 Prozent des jährlichen Einkommens erhöht. Wer noch mehr an gemeinnützige Institutionen spendet, kann dies in Folgejahren berücksichtigen (verbesserter Spendenvortrag). Ferner wurden die steuerlichen Möglichkeiten für Spenden von Unternehmen verbessert: Nach dem neuen Recht können Unternehmen Spenden in einer Höhe von bis zu vier (statt vorher zwei) Promille der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Sonderausgaben steuerlich geltend machen. Vor allem aber hat das Gesetz die Abzugsfähigkeit von Zuwendungen in das Grundstockvermögen von gemeinnützigen Stiftungen (sog. Dotation) erheblich verbessert, und dies gilt sowohl für rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts wie auch für nicht rechtsfähige so genannte Treuhandstiftungen.

Zusätzlich zu dem oben genannten allgemeinen Spendenabzug kann eine Privatperson eine Million Euro alle zehn Jahre steuerwirksam dotieren, und dieser Abzugsbetrag kann innerhalb des Zehnjahreszeitraums flexibel auf verschiedene Steuerjahre verteilt werden. Die gilt nicht nur, wie bisher, für Dotationen anlässlich von Neuerrichtungen von Stiftungen, sondern auch für Zustiftungen an bestehende Stiftungen. Und den Betrag kann im Falle eines gemeinsam veranlagten Ehepaars jeder Ehepartner geltend machen, sodass Ehepaare zwei Millionen Euro alle zehn Jahre steuerwirksam ins Kapital einer gemeinnützigen Stiftungen geben können.


Wichtiges Signal der Anerkennung

Von (potenziellen) Stiftern ist dieses Signal der Wertschätzung des Stiftens verstanden und positiv aufgenommen worden. Dem Bundesverband Deutscher Stiftungen sind zahlreiche Stifterinnen und Stifter bekannt, die sich nach der Gesetzesänderung zusätzlich motiviert sahen, eine Stiftung zu gründen. Beispielsweise errichteten der Verleger und Buchautor Dr. Florian Langenscheidt und seine Frau oder der ostdeutsche Unternehmer Ronald Klausing jeweils noch im Herbst 2007 Stiftungen, die sich um das Wohl von Kindern kümmern und führten dies explizit auf besagtes Gesetz zurück.

Stärker als die im Zuge der Verabschiedung des Gesetzes greifenden materiellen Vorteile, die im Ergebnis den Stiftungen zugute kommen, wirkte sich die psychologische Komponente aus. In der Tat werden die neuen steuerlichen Möglichkeiten von vielen neuen Stiftern gar nicht ausgeschöpft. Viele Stifterinnen und Stifter verbinden mit der Gesetzesnovelle vor allem eine neue Form des Respekts und der Anerkennung für ihr Engagement. Dieses Signal ist vor allem vor dem Hintergrund wichtig, dass Stiften, auch wenn es an Popularität gewinnt, nach wie vor kaum die gebührende Anerkennung erfährt. Natürlich ist bei jedem Akt des Gebens immer auch Eigennutz im Spiel: sei es die Hoffnung auf Gotteslohn für gute Taten, sei es die Hoffnung auf ein Gefühl der Befriedigung durch sinnvolles Tun, auf gesellschaftliche Anerkennung oder bei Stiftungen die Attraktivität der Möglichkeit, langfristig wirksame Spuren zu hinterlassen. Solche Aspekte überlagern in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal den Gemeinnutz, der mit dem Spenden und Stiften verbunden ist. So werden Stifter schnell in eine primär eigennützige Ecke gedrängt, so als ginge es ausschließlich darum, das eigene Image zu verbessern oder als wollten sie der Gesellschaft finanzielle Mittel vorenthalten. Wie Befragungen ergaben, haftete Stiftern oft der Hautgout an, ihre Hauptmotivation sei das Einsparen von Steuern. Obwohl der Steuervorteil im Effekt immer deutlich geringer ist als das, was dotiert wird, und eben dazu führt, dass mehr bei der Stiftung ankommen kann. Stifter gewinnen nicht materiell beim steuerlich begünstigen Stiften. Genau das Gegenteil ist der Fall: Sie trennen sich - in aller Regel für einen gemeinnützigen Zweck - dauerhaft und unwiderruflich von Vermögen.


Wer stiftet, will etwas anstoßen

Der sogenannten Stifterstudie zufolge, die die Bertelsmann Stiftung im Kooperation mit dem Bundesverband Deutscher Stiftungen vor einigen Jahren durchgeführt hat, ist die Motivation der meisten Stifterinnen und Stifter ein Mix von Überlegungen, bei denen der Eigennutz keineswegs im Vordergrund steht. Mehr als zwei Drittel der Stifter und Stifterinnen wollen etwas anstoßen und durch das Stiften Veränderungen herbeiführen. Gleichermaßen wichtig ist ihnen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Jeder zweite Stiftende will ein konkretes Problem bekämpfen. Bei ebenso vielen Stiftern schwingt Dankbarkeit dafür mit, unter den gegebenen gesellschaftlichen Umständen die Chance gehabt zu haben, etwas zu erreichen. Sie wollen etwas zurückgeben. Daher kann man sagen: Wer eine Stiftung gründet, verbindet damit stets auch eine ideelle Motivation.

Sinn, Zweck und das Handeln von Stiftungen haben in den letzten Jahren einen höheren Bekanntheitsgrad erreicht, und die Stiftungsfreundlichkeit in Deutschland ist insgesamt gewachsen. Damit einhergehend ist neben den klassischen Stiftern, die als Unternehmer zu Vermögen gekommen sind, ein zusätzlicher neuer Kreis von Stifterinnen und Stiftern entstanden. Darunter sind viele Prominente, z.B. Sportler wie Phillip Lahm oder Künstler wie Katja Epstein, deren Prominenz die Kommunikation und damit die Vorbildwirkung erleichtert. Ein Blick in das Fotoarchiv des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen genügt, um den Wandel zu begreifen. Waren auf den Zusammenkünften von Stiftungen vor 30 Jahren noch vornehmlich ältere Männer zu sehen, hat sich das Stiftungswesen in der Zwischenzeit deutlich ausdifferenziert. Der Anteil von stiftenden Frauen ist gestiegen, die Mehrzahl der Stiftungen wird heute gemeinsam von Männern und Frauen oder von Frauen allein errichtet, auch viele jüngere Semester sind darunter.

Ein weiterer relativ neuer Trend ist die Gemeinschaftsstiftung. Diese Stiftungsform ermöglicht es Menschen, ohne größeres eigenes Vermögen stifterisch tätig zu werden. Mit der Gemeinschaftsstiftung kann eine größere Zahl von Stiftern mit eher geringen Einzeldotationen eine Stiftung gründen. Beispiele sind vor allem die Bürgerstiftungen moderner Form, deren Zahl innerhalb der letzten zehn Jahre auf über 200 angewachsen ist mit heute rund 13.000 Stiftenden.


Stiftungen haben einen langen Atem

Von der Möglichkeit, in den Kapitalstock einer anderen Stiftung zuzustiften, machen noch relativ wenige Stiftende Gebrauch. Für Stifterinnen und Stifter, denen nur verhältnismäßig kleine Summen zur Verfügung stehen, scheint die Gründung einer Treuhandstiftung die attraktivere Alternative zu sein. Auf diese Weise kann die Kapazität und Kompetenz des Treuhänders, etwa einer anderen Stiftung, für die kleinere (Treuhand)Stiftung mit genutzt werden.

Dass die Sensibilität für die Bedeutung von Stiftungen wie für den gemeinnützigen Sektor und freiwilliges Engagement ganz allgemein in den letzten Jahren gestiegen ist, hat verschiedene Gründe. Dazu gehört, dass Befragungen zufolge die Meinung auf dem Vormarsch ist, dass die zunehmende gesellschaftliche Komplexität Lösungen erfordert, welche nicht von der staatlichen Politik allein bewerkstelligt werden können. Zudem bieten klassische politische Engagementformen, etwa im Gemeinderat, für viele Bürger nicht das partizipative Format, das ihnen attraktiv erscheint. Demgegenüber ermöglicht freiwilliges bürgerschaftliches Engagement in der Zivilgesellschaft direktes Anpacken ohne Rücksicht auf die oft sachfremden parteipolitischen Überlegungen, die in der Politik eine Rolle spielen. Und es erlaubt die Fokussierung auf ein einzelnes wichtiges Vorhaben. Für ein Engagement in Stiftungen spricht zudem die Nachhaltigkeit. Zugleich haben Stiftungen den Vorteil, schneller auf bestimmte Erfordernisse reagieren zu können, aber auch mit längerem Atem an Projekte herangehen zu können, denn sie hängen weder von Wahlen noch von Aspekten der Gewinnmaximierung ab.

Dass aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen das Stiftungshandeln prägen, zeigt die Geschichte: Die ersten Stiftungen kümmerten sich mit Hospitälern um Lücken im Sozialsystem. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist der Umweltschutz. Der Anteil der Umweltstiftungen an der wachsenden Zahl der Stiftungen stieg sukzessive von einem Prozent in den ersten beiden Jahrzehnten der Bundesrepublik auf drei Prozent in den Siebzigern und sechs Prozent im Zeitraum von 2001 bis 2007. In den Jahren 2007 und 2008 wurden laut der Datenbank des Bundesverbandes über 230 Stiftungen gegründet, die auch den Schutz der Umwelt als Stiftungszweck haben. Ein Anteil von über zehn Prozent der neu errichteten Stiftungen. Kurz gesagt: Stiftende und Stiftungen haben oft einen sehr guten "Riecher" dafür, wo gesellschaftlicher Handlungsbedarf besteht. Ergänzend zu staatlichen und wirtschaftlichen Akteuren bieten sie eine hervorragende Option, sich nachhaltig für eine bestimmte gute Sache zu engagieren.


Der Autor ist Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2009, S. 5-6
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2009