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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/297: Iran-Report Nr. 8 - August 2013


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 8 - August 2013
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand



Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, die Wahlfälschung vom Juni 2009, die Verfolgung der Opposition und die Verletzung der Menschenrechte sind einige der wiederkehrenden Themen des Iran-Reports. Er wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus, auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter. Der Iran-Report wird einem breiten Interessentenkreis aus Politik, Wissenschaft und Medien zur Verfügung gestellt.


INNENPOLITIK

• Stellungnahmen des neuen Präsidenten
• Irans künftige First Lady
• Justizchef warnt vor Wiederauferstehung der "Verschwörer"
• Nationales E-Mail-Netz in Betrieb genommen
• Mutterschaftsurlaub für Mütter und Väter
• Mortasawi verurteilt: Staatsdienstverbot und Geldstrafe
• Mussavi wurde Krankenhausaufenthalt untersagt
• Rafsandschani: Frauen als Kandidaten für das Amt des Präsidenten akzeptieren
• Ahmadinedschads Bericht über seine Regierungszeit
• Chamenei lobt Regierung Ahmadinedschad
• Harte Strafen für Gonabadi-Derwische
• Inhaftierter Diplomat freigelassen
• Gefängnisgarde stürmt Trakt der politischen Gefangenen


STELLUNGNAHMEN DES NEUEN PRÄSIDENTEN

Der neu gewählte Staatspräsident der Islamischen Republik, Hassan Rohani, wird am 4. August im Parlament vereidigt. In den Wochen zuvor hat er zu verschiedenen Themen Stellung genommen. Wir fassen im Folgenden seine wichtigsten Äußerungen zusammen:

Am 29. Juni sagte Rohani in seiner ersten Rede nach seinem Wahlsieg im Auditorium des iranischen Rundfunks und Fernsehens, er habe keiner Partei oder Fraktion Versprechungen gegeben und fühle sich daher niemandem gegenüber gebunden. Die künftige Regierung werde parteiübergreifend sein und sich aus qualifizierten Mitgliedern zusammensetzen. Er werde seine Mitarbeiter aus allen Parteien und Fraktionen auswählen, vorausgesetzt, sie akzeptierten eine gemäßigte Gangart. Er sei noch in der Beratungsphase und habe bislang noch keine Auswahl getroffen.

Außenpolitisch werde seine Regierung eine Entspannung der Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft anstreben. "Mäßigung bedeutet in der Außenpolitik weder Kapitulation noch Konfrontation, sondern eine konstruktive und effiziente Verständigung mit der Welt." Es müsse ein Dialog mit anderen Ländern auf der Grundlage der Gleichheit, des gegenseitigen Respekts und des Vertrauens geführt werden. Die Außenpolitik werde "unter Berücksichtigung aller Rechte der Nation" und gemäß den Anweisungen des Revolutionsführers Ali Chamenei geführt, sagte der 64-jährige Präsident. Er werde einen Politikstil pflegen, in dem ein Gleichgewicht zwischen Realismus und Idealismus angestrebt werde.

Rohani wird am 3. August zuerst vom Revolutionsführer und danach am 4. August vom Parlament vereidigt. Danach wird er sein Kabinett vorstellen. Das Parlament, das seine Zustimmung zu jedem Minister erteilen muss, wird zwei Wochen dazu Zeit haben.

Rohani bedankte sich bei den Wählern und sagte, das Volk habe sich für eine gemäßigte Politik entschieden. Die Wahl habe alle Zweifel und das "Gerede über die Legitimität der Islamischen Republik beseitigt und wie frisches, sauberes Wasser den Spiegel der Islamischen Republik von dem Staub, der sich in letzter Zeit darauf gesetzt hatte, gesäubert."

Über die Jubelfeiern auf den Straßen nach der Wahl und nach dem Fußballspiel gegen Südkorea und den Umgang mit Jugendlichen sagte Rohani: "Die jungen Menschen müssen wir als unsere Angehörigen betrachten und wenn wir mit ihnen reden, sie wie unsere Söhne und Töchter behandeln. Zwar seien Anweisungen nötig, aber gleichzeitig dürfe die Würde der Menschen nicht verletzt werden. Jegliche Erniedrigung ist unakzeptabel."

Vor einer Versammlung von Geistlichen sagte Rohani am 3. Juli, die Menschen erwarten Veränderungen. In dieser Lage dürfe es zwischen der Geistlichkeit und dem Volk keine "trennende Spaltung" geben. "Ob wir wollen oder nicht wird alles, was die Staatsverantwortlichen tun, auf die Rechnung der Geistlichkeit geschrieben."

Die Arbeitslosigkeit habe nicht nur die unteren Schichten heimgesucht, sondern auch die Mittelschicht. Dieses Problem, das über Jahre entstanden sei, lasse sich nicht in ein paar Monaten lösen. "Die Bürger müssen dem Staat vertrauen und sicher sein, dass ihr materielles und geistiges Kapital nicht vergeudet wird", sagte Rohani und bat die Geistlichkeit um Unterstützung. Seine Regierung werde, wie im Wahlkampf versprochen, Radikalität vermeiden und die ökonomischen, geistigen und kulturellen Probleme zu lösen versuchen.

In einer Fernsehansprache am 3. Juli plädierte Rohani für größere Freiheiten der Bevölkerung und mahnte zu mehr Zurückhaltung der mächtigen Verantwortlichen. Zugleich forderte er einen freien Zugang zum Internet sowie eine Berichterstattung der staatlichen Medien, die sich an den Problemen in Iran orientiere. Das Filtern von Internetinhalten habe nichts gebracht.

Am 14. Juli zog Rohani auf Einladung des Parlaments eine erschreckende Bilanz der Wirtschaftspolitik der Regierung Ahmadinedschads. Zum ersten Mal seit dem Iran-Irak-Krieg (1980 - 1988) sei in den letzten zwei Jahren das iranische Wirtschaftswachstum negativ gewesen, sagte Rohani. Er hoffe, in den ersten hundert Tagen seiner Regierung eine klare Bilanz der iranischen Wirtschaft vorlegen zu können, um auch zu zeigen, welches Erbe seine Mannschaft übernimmt.

Der diesjährige Haushaltsplan sei weit von der Realität entfernt, fuhr Rohani vor den Parlamentsabgeordneten fort. Das gelte auch für den Haushaltsplan des letzten Jahres. Er forderte die Abgeordneten zur Mitarbeit mit der Regierung auf.

Die Inflationsrate liege inzwischen bei 42 Prozent, sagte Rohani und warnte vor der katastrophalen Arbeitslosigkeit. "Wir haben allein vier Millionen Studierende und wenn der gegenwärtige Trend sich fortsetzt, werden wir in vier Jahren 4 bis 5 Millionen junge arbeitslose Akademiker haben." Die Zahl der Neubeschäftigten sei in den letzten acht Jahren sehr gering gewesen. Nach offiziellen Daten liege sie bei 14-tausend im Jahresdurchschnitt und nicht wie Ahmadinedschad behauptet bei Hunderttausenden. "Den Feinden gegenüber großmäulig zu reden, bringt keine Lösung. Wir müssen zu ihren Strategien unsere entwickeln. Reden kann schön sein, aber nicht unbedingt ausreichend hilfreich."

Dem syrischen Präsidenten Assad, der ihm zu seiner Wahl gratuliert hatte, schrieb Rohani am 16. Juli laut der Agentur Fars, seine Regierung werde weiterhin das Regime in Damaskus unterstützen. "Iran verbleibt an der Seite Syriens im Widerstand gegen die Feinde der Region, insbesondere gegen das zionistische Regime (Israel)". Der designierte Präsident äußerte seine Zuversicht, Assad werde die zurzeit schwierige Lage in seinem Land unter Kontrolle bringen und die Souveränität seines Landes gegen äußere und innere Feinde verteidigen und der Gewalt sowie der ausländischen Einmischung in Syrien ein Ende setzen. Rohani hatte kurz nach seinem Wahlsieg die bewaffnete Gewalt sowie die ausländische Einmischung in Syrien verurteilt und sich dafür ausgesprochen, dass der Regierung Assad bis zu den Wahlen 2014 an der Macht bleibe.

Rohani bekräftigte zudem seine Unterstützung für die libanesische Hisbollah, die an der Seite Assads im syrischen Bürgerkrieg kämpft. Iran stehe hinter dem Libanon und den Palästinensern, hieß es in einem Schreiben Rohanis an Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah.

Am 17. Juli sagte Rohani vor einer Versammlung der ehemaligen Kommandanten der Streitkräfte im Iran-Irak-Krieg: "Wieso ziehen manche Leute Fehltritte von einer Person, von fünf Personen, einer Gruppe oder einer Partei so gern in die Länge? Wir alle machen möglicherweise Fehler. Doch wenn einer sagt, ich stehe zu der Islamischen Republik, sagen wir nein, das tust du nicht. Das ist wirklich lächerlich. Wenn einer sagt, ich glaube an die Herrschaft der Geistlichkeit, sagen wir nein, das tust du nicht. Warum verhalten wir uns so, anstatt unsere Einheit zu wahren und zu pflegen?"

Rohani rief dazu auf, die politischen Streitigkeiten zu beenden, alle sollten mithelfen, die Probleme zu bewältigen. "Erleichtern wir denen den Rückweg, die auf Abwege geraten sind."

"Die Botschaft dieser Wahl war Verständigung, sowohl im Inneren als auch mit der Außenwelt. Wir müssen auf der Basis unserer Grundsätze mit der Welt Konsens herstellen. Wir brauchen eine fortschrittliche Politik, Konsens und friedliche Zusammenarbeit, selbstverständlich unter gegenseitiger Akzeptanz und Wahrung unserer Rechte und Interessen. Daran besteht kein Zweifel. Welcher Iraner wäre bereit, auf seine nationalen Interessen, nationalen Rechte und nationale Sicherheit zu verzichten, darüber braucht man nicht zu diskutieren. Aber wir können gegenseitiges Verständnis mit anderen Ländern erzielen. Es ist unsere nationale Stärke, die uns gegenüber alle jenen, die unseren Erfolg nicht wünschen, zum Sieg führt."


IRANS KÜNFTIGE FIRST LADY

Wer ist die künftige First Lady Irans? Nicht einmal iranische Medien können diese Frage beantworten, denn die Frau des künftigen Präsidenten Hassan Rohani hat kaum jemand zu Gesicht bekommen. In der Liste der Nachrichtenagentur ISNA mit den Frauen der bisherigen Präsidenten blieb der Platz für Angaben zu Rohanis Frau leer. Die Nachrichtenagentur Fars schreibt, Rohanis Frau sei der Öffentlichkeit nicht bekannt.

Rohani selbst, der in den Medien präsent ist, selbst Twitter und Facebook für die Verbreitung seiner Ideen und Gedanken benutzt, hat bislang kein Wort zu seiner Frau geäußert. Die einzige Quelle, etwas von der Frau zu erfahren, ist bislang Rohanis Mutter Sakineh Peiwandi. Sie erzählte, ihre Schwiegertochter sei eine Kusine ihres Sohns. Bei der Heirat sei er zwanzig Jahre alt gewesen, sie vierzehn. Aus der Ehe gingen drei Söhne und zwei Töchter hervor. Ein Sohn sei inzwischen aus ungenannten Gründen gestorben.

Zu seiner Ehe gefragt, sagte Rohani der Nachrichtenagentur ISNA: "Die Wahl meiner Frau erfolgte durch meine Eltern. Sie wollten, dass ich heirate. Auch ich selbst war nicht abgeneigt." Bekannt ist auch, dass Frau Rohani aus einer strenggläubigen Familie stammt.

Anders als in der Ära Pahlawi spielt die Frau des Staatsoberhaupts in der Islamischen Republik kaum eine Rolle. Während manche dies für richtig halten, meinen andere, die Präsenz der First Lady würde allgemein die Rolle der Frau in der Gesellschaft begünstigen.

Die frühere Abgeordnete Fatemeh Haghighattschu meint, in der Islamischen Republik gäbe es keine "First-Lady-Kultur". "Mich interessiert weniger, wer Frau Rohani ist und welche Rolle sie spielen wird. Vielmehr möchte ich wissen, wie viele Frauen Rohani in sein Kabinett aufnehmen wird." Er habe versprochen, ein Frauenministerium zu bilden, aber davon sei bislang nichts zu merken. "Wir wollen wissen, was Rohani für Frauen tun wird. Man muss abwarten und sehen, wieweit Rohani seine Versprechen einlösen wird." Zum Beispiel erwarteten Frauen, dass Rohani ernsthaft gegen häusliche Gewalt einschreitet und entsprechende Gesetze vom Parlament verabschieden lässt.


JUSTIZCHEF WARNT VOR WIEDERAUFERSTEHUNG DER "VERSCHWÖRER"

Irans Justizchef Sadegh Laridschani warnte vor einer "Wiederauferstehung der Verschwörer von 2009". Solche Leute "irren sich, denn das gläubige Volk lehnt diese Gruppe entschieden ab", sagte der Justizchef am 24. Juli. Gerichtet an "jene, die im Zuge der Reformen eine Säkularisierung der Landes und der Politik anstrebten" erklärte Laridschani: "Taarrob nach dem Exil hat keinen Platz in unserem islamischen Staat." (Taarrob nach dem Exil ist in der islamischen Gesetzgebung eine Sünde und betrifft Menschen, die mit Absicht in eine Gegend reisen, wo sie ihre religiösen Pflichten nicht erfüllen können). Die Äußerungen des Justizchefs sind eine Reaktion auf einige Zeitungen, die von einer möglichen Rückkehr von Oppositionellen aus dem Ausland berichtet hatten. Nach den Unruhen von 2009 waren zahlreiche Reformer, darunter auch ehemals hochrangige Politiker und Geistliche, ins Ausland geflüchtet.

Einen Tag zuvor hatte bereits Oberstaatsanwalt Ghlamhossein Mohseni Ejehi erklärt: "Für Iraner, die eine Straftat begangen haben, haben wir kein Einreiseverbot verhängt. Doch wir werden sie sogleich nach der Einreise gerichtlich verfolgen."

Justizchef Laridschani lehnte die Möglichkeit einer Übernahme von Regierungsämtern durch Personen ab, die an die "westliche Demokratie" glauben und vom "säkularen Denken überzeugt" seien. Er betonte: "Die Lage des Landes erlaubt nicht, dass solche Leute hohe Ämter übernehmen." Ohne es genauer auszuführen, warnte der Justizchef "alle Verantwortlichen" davor, bei ihren politischen Stellungnahmen "vom Weg der Revolution und von den Idealen des islamischen Staates abzuweichen". Er fügte hinzu: "Gegen Abweichungen wird sich das iranische Volk zu Wehr setzen".

Wenige Stunden vor der Stellungnahme des Justizchefs veröffentlichte die Fraktion der "Prinzipientreuen" im islamischen Parlament eine Stellungnahme, die sich direkt an Rohani richtete. Darin heißt es: "Die Fraktion hat für die Stimmabgabe bei den von Ihnen vorzuschlagenden Ministern Grundsätze festgelegt, zu denen die Ablehnung der an Verschwörungen direkt Beteiligten sowie jener, die positiv zu der Verschwörung Stellung genommen haben, gehört:" (Verschwörer werden jene genannt, die die Proteste von 2009 organisiert, an den Aktionen der Grünen Bewegung teilgenommen oder sie auch nur als berechtigt verteidigt haben.)

Konservative und Radikale befürchten, dass Rohani auch namhafte Reformer in sein Kabinett aufnimmt. Alle rechten Medien in Iran sind zurzeit einstimmig dabei, mit unbegrenzter Schärfe die Reformer zu denunzieren. Sie beanspruchen Rohani für sich und wollen unter keinen Umständen zulassen, dass er, wie sie meinen, von den Reformern "kassiert" wird.


NATIONALES E-MAIL-NETZ IN BETRIEB GENOMMEN

Mohammad Hassan Nami, Minister für Kommunikation und Informationstechnologie, erklärte am 8. Juli, der wichtigste Grund für die Gründung eines nationalen E-Mail-Netzes sei die "Sicherheit für Informationen". Künftig werde die Regierung mit den Staatsbürgern über dieses Netz kommunizieren. "Jeder Iraner muss bereits mit dem Beginn der Grundschule eine E-Mail-Adresse in diesem Netz haben."

Die Regierung in Teheran versucht seit langem, seine Bürger von der Nutzung der populären E-Mail-Dienste wie gmail oder yahoo abzubringen, mit der Begründung, diese seien nicht sicher und würden die Spionage ausländischer Geheimdienste erleichtern. Doch mit dieser Argumentation hatte die Regierung bislang wenig Erfolg. Die meisten Iraner haben kein Vertrauen, dass ihre Informationen im nationalen Internetdienst gesichert seien. Im Gegenteil. Sie befürchten, dass sie durch die Nutzung noch mehr ins Visier des iranischen Geheimdienstes geraten würden.

Die Sprache des neu gegründeten Netzes ist Persisch, es ist aber auch für Englisch, Französisch und Deutsch verwendbar. Alle, die den Dienst in Anspruch nehmen, müssen sich offiziell, unter Vorlage der Personalien, registrieren lassen. Die Nutzer müssen auch eine Gebühr bezahlen.


MUTTERSCHAFTSURLAUB FÜR MÜTTER UND VÄTER

Laut Beschluss der Regierung des scheidenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad haben künftig Mütter neun Monate und Väter 15 Tage Anspruch auf Schwangerschaftsurlaub. Das Gesetz war im vergangen Jahr vom Parlament verabschiedet, doch vom Wächterrat nicht akzeptiert worden. Nach Inkrafttreten werden alle Paragraphen des Familiengesetzes, die diesem neuen Gesetz widersprechen, ungültig.

Iran hatte 1993 die Geburtenkontrolle, die unter dem Schah eingeführt und nach der Revolution eingestellt wurde, wieder aufgenommen. In den Jahren hatte die Geburtenrate jährlich 3,5 Prozent betragen, was zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Versorgung führte. Daher wurde bereits zu Lebzeiten Ayatollah Chomeinis die Geburtenkontrolle wieder geplant und 1993 vom Parlament verabschiedet.

Das neue Gesetz führte dazu, dass staatliche Unterstützungen, die zur Förderung der Geburt den Eltern gewährt wurden, wie Versicherung während der Schwangerschaft, Schwangerschaftsurlaub und finanzielle Unterstützung für die Versorgung ab dem vierten Kind, eingestellt wurden. "Weniger Kinder, besseres Leben", lautete der Slogan, der von der Regierung propagiert wurde.

2005 übte der damals neu gewählte Präsident Ahmadinedschad scharfe Kritik an der Geburtenkontrolle. Durch eine Regierungsvorlage beim Parlament machte er das Gesetz rückgängig. "Diese Politik der Geburtenkontrolle führt dazu, dass in vierzig Jahren das iranische Volk verschwindet", sagte Ahmadinedschad. Die Geburtenkontrolle bezeichnete er als "eine Politik des Westens". "Niemand kann die Leute zu etwas zwingen. Sie wollen Kinder haben und Gott wird ihnen die Nahrung geben." Mit einem Förderprogramm sollten die Ehepartner sogar zu mehr Kinder ermuntert werden. Er gab die Parole aus: "eine Million Kinder". Für jedes neugeborene Kind sollten die Eltern eine Million Tuman (rund 1000 Euro) für die Geburt und in den folgenden Jahren je 10.000 Tuman erhalten. Dieses Projekt wurde allerdings nach kurzer Zeit wieder eingestellt. Die Kampagne forderte viel Kritik heraus. Parlamentsabgeordnete wiesen die Kampagne mit dem Hinweis auf die Probleme der Arbeitslosigkeit, auf den Mangel an entsprechender Infrastruktur, Mangel an hygienischen und medizinischen Voraussetzungen als unlogisch und undurchführbar zurück. Schließlich schloss sich auch der Revolutionsführer Ali Chamenei der Kritik an. Er sagte, der Verzicht auf die Geburtenkontrolle sei ein Fehler gewesen, an dem "wir alle, auch ich, beteiligt waren. Möge Gott uns verzeihen". Daraufhin beschloss das Parlament im April 2013, das neue Gesetz zu verabschieden.


MORTASAWI VERURTEILT: STAATSDIENSTVERBOT UND GELDSTRAFE

Der für seine Härte berühmt-berüchtigte Richter und Staatsanwalt Said Mortasawi wurde am 2. Juli dauerhaft vom Dienst in der Justiz und für die nächsten fünf Jahre vom Staatsdienst suspendiert. Zudem muss er eine geringe Geldstrafe zahlen. Vor zwei Jahren war Mortasawi bereits verboten worden, Ämter in der Justiz zu übernehmen.

Als Richter wurde Mortasawi landesweit bekannt, weil er Anfang 2000 innerhalb von zwei Jahren mehr als einhundert Zeitungen und Zeitschriften aus dem Reformlager verbot. Auch harte Urteile gegen Schriftsteller und Journalisten gehörten zu seinem Markenzeichen. Als Staatsanwalt war er für zahlreiche Folterungen politischer Gefangener verantwortlich. Ihm wird unter anderem der Mord an der iranisch-kanadischen Reporterin Zahra Kasemi, die am 11. Juli 2003 im Teheraner Evin-Gefängni unter Folter starb, zur Last gelegt. Kasemi hatte während der damaligen Studentenunruhen Fotos von den Gefängnissen und Gefangenen gemacht.

Der Grund für die jüngste Anklage gegen ihn sind Morde, die während der Unruhen 2009 in dem Gefängnis Kahrisak bei Teheran an Oppositionellen begangen wurden. Nachweislich starben damals mindestens drei Gefangene durch Folter, für die Mortasawi verantwortlich war.


MUSSAVI WURDE KRANKENHAUSAUFENTHALT UNTERSAGT

Mir Hossein Mussavi, der zu den führenden Politikern der Grünen Bewegung gehört, die 2009 im Zuge der Proteste gegen die Wahlfälschung bei den Präsidentschaftswahlen gebildet wurde, befindet sich seit mehr als zwei Jahren gemeinsam mit seiner Frau Sahra Rahnaward im Hausarrest. Das Ehepaar hat keinerlei Verbindung zur Außenwelt. Ganz selten wird den Kindern ein kurzer Besuch gestattet.

Wie die Webseite Kalameh, die Mussavi nahe steht, berichtete, wurde der Oppositionspolitiker am Morgen des 2. Juli wegen Herzbeschwerden ins Krankenhaus gebracht. Die zuständigen Fachärzte erklärten, dass er wegen ständiger Schwindelgefühle und dauerhaften dramatisch niedrigen Blutdrucks stationär behandelt werden müsse. Doch Sicherheitsbeamte weigerten sich, den Aufenthalt zu erlauben.

Bei der Einlieferung wurde Mussavi von seiner Frau begleitet. Kalameh schreibt, die Untersuchung und Behandlung im Krankenhaus sei bereits vor zwei Monaten notwendig gewesen. Doch dem Kranken wurde die Erlaubnis dazu nicht erteilt.

Sahra Rahnaward und die Familie Mussavis forderten kontinuierliche Untersuchungen und Behandlungen. Sie protestierten gegen das ungebührliche Verhalten der Sicherheitsbeamten und dagegen, dass die Tochter ihren Vater nicht sehen durfte.

Nach dem Sieg des neuen Präsidenten Hassan Rohani wurde bei den Jubelfeiern auf den Straßen am lautesten die Freilassung Mussavis, Rahnawards und Mehdi Karrubis gefordert, der ebenfalls und genauso lange wie Mussavi wegen seiner führenden Rolle bei den Protesten 2009 unter Hausarrest steht. Rohani hat bei seiner ersten Pressekonferenz nach seinem Wahlsieg erklärt, man müsse in dieser Angelegenheit Geduld haben, denn über das Schicksal der Gefangenen entscheide nicht die Regierung allein.


RAFSANDSCHANI: FRAUEN ALS KANDIDATEN FÜR DAS AMT DES PRÄSIDENTEN AKZEPTIEREN

Bei einer Rede vor einer Versammlung politisch aktiver Frauen sagte Ex-Präsident Haschemi Rafsandschani, auch Frauen sollten das Recht erhalten, für das Amt des Staatspräsidenten zu kandidieren und das Amt zu übernehmen. "Frauen dürfen nach der Verfassung der Islamischen Republik überall präsent sein und jedes Amt übernehmen."

Obwohl religiöse Instanzen keinerlei Hürden akzeptieren, "gibt es in unserem Land fanatische Gruppen und Personen, die die Rolle der Frau einschränken wollen. Dies steht aber in keinem Verhältnis zur islamischen Staatsordnung", sagte Rafsandschani.

Unter den Bewerbern für das Amt des Präsidenten gab es bei den letzen Wahlen im Juni 30 Frauen, von denen aber keine vom Wächterrat zugelassen wurde. Dazu erklärte das Ratsmitglied Mohammad Yasdi, die Verfassung erlaube Frauen nicht, als Präsidentin der Islamischen Republik tätig zu sein. Es war aber nicht klar, ob der gesamte Wächterrat diese Meinung teilt. "Es ist pure Dogmatismus, Frauen aus politischen Ämtern, die natürlich im Rahmen religiöser Werte geführt werden, auszuschließen", sagte Rafsandschani.

Demgegenüber sagte neulich Revolutionsführer Ali Chamenei. "Auf die Präsens von Frauen in hohen Ämtern stolz zu sein, ist eine falsche Sichtweise, die von Kapitulation vor westlicher Denkweise zeugt".


AHMADINEDSCHADS BERICHT ÜBER SEINE REGIERUNGSZEIT

Am 3. Juli gab Ahmadinedschad einen ersten Bericht über seine achtjährige Regierungszeit im staatlichen Fernsehen. Drei weitere Berichte sollten laut seinen Angaben folgen. Auf der Frage des Moderators, aus welchem Grund er sich damals dazu entschlossen habe, sich um das Amt zu bewerben, sagte Ahmadinedschad, während seiner Amtszeit als Teheraner Bürgermeister habe er festgestellt, dass das iranische Volk dazu in der Lage sei, "das würdevollste, wohlhabendste und fortschrittlichste Leben" zu führen. Er hätte einen Plan gehabt, das Land so weit zu entwickeln, dass es "keine Armut, keine Ungerechtigkeiten und Entbehrungen" mehr gäbe. "Alle sollten glücklich sein, sich weiterentwickeln und ihr Menschsein genießen können."

Er habe sich zur Übernahme des Präsidentenamts "verpflichtet gefühlt", sagte der scheidende Präsident. "Ich hatte kein gutes Verhältnis zu den Fraktionen, Gruppen und Parteien." Fast alle seien gegen ihn gewesen und keine Gruppe habe ihn unterstützt. Sämtliche Umfragen hätten seine Chancen gering eingeschätzt. "Doch ich war hundertprozentig sicher und das bereits Monate vor der Wahl", sagte Ahmadinedschad.

Über sein Wahlprogramm, das er vor acht bzw. vier Jahren angekündigt hatte, sagte Ahmadinedschad, dieses Programm basierte auf "Gerechtigkeit, Dienstleistungen, Solidarität, Fortschritt und Kompromissbereitschaft" und darauf, dass "die Regierung sich wieder in den Dienst des Volkes stellt und die geschlossenen Kreise öffnet". Er betonte, dass er niemals versprochen habe, der Bevölkerung mehr Geld zugeben, er habe lediglich versichert, dass er seinen Grundsätzen treu bleiben würde. Deshalb habe sich die Mehrheit für ihn entschieden.

Er habe die Regierung in einer ausgesprochen schweren Zeit übernommen, sagte Ahmadinedschad. "Als ich mein Amt übernahm, waren Afghanistan und Irak bereits besetzt und die Drohungen aus Washington hörten nicht auf." Auch die Weltwirtschaftskrise hätte in Iran Spuren hinterlassen. "Auch im Innern war der Druck auf die Regierung groß". In seiner zweiten Amtsperiode sei der Druck vor allem von außen immer stärker geworden, sagte der Präsident und machte indirekt die Atompolitik dafür schuldig. "Ich möchte nicht über die Atompolitik und darüber, ob wir Gelegenheiten verpasst haben oder nicht, diskutieren. Ich habe ohnehin seit langem damit nichts zu tun. Dennoch möchte ich betonen, dass die Sanktionen die Atmosphäre beeinflusst und uns schwer belastet haben", erklärte Ahmadinedschad.

Zum Schluss lobte Ahmadinedschad seine Wirtschaftspolitik. "Sie zeigt, dass wir der Gerechtigkeit näher gekommen sind. Es liegt noch einiges im Argen, bis zur vollständigen Gerechtigkeit haben wir noch einem weiten Weg." Immerhin habe Iran nun Goldreserven im Werte von 100 Milliarden Dollar und der nationale Entwicklungsfonds verfüge über mehr als 50 Milliarden Dollar Kapital. "Das ist das Geschenk meiner Regierung an nachfolgende Regierungen."

Bei seinem zweiten Auftritt am 7. Juli rühmte sich Ahmadinedschad in seinem bilanzierenden Bericht, mutig wie ein Basidchi (Angehöriger der Milizorganisation) ein "Tabuthema" offen gelegt und den Holocaust geleugnet zu haben. Das habe "das Rückgrat des kapitalistischen Regimes zum Zittern gebracht".

Rohani hatte bei einer Fernsehdebatte im Wahlkampf die Attacken Ahmadinedschads gegen Israel als "Hetzrhetorik" bezeichnet, die das Land beinahe in einen Krieg geführt hätten.

Die jüdische Gemeinde in Iran verurteilte die Äußerungen des bald nicht mehr amtierenden Präsidenten. Der Präsident habe fernab aller bekannten Fakten, wie den Massenmord der Nationalsozialisten an Millionen jüdischer Bürger in Europa, das Thema politisch instrumentalisiert, kritisierte ein hoher jüdischer Geistlicher. Dies sei beleidigend und zeuge von Ignoranz, schrieb Harun Jaschai in einem Leserbrief an die Zeitung Schargh, der am 10. Juli veröffentlicht wurde. Es sei erstaunlich, dass Ahmadinedschad all die Attacken sich selbst lobend am Ende seiner Präsidentschaft wiederhole. Er sollte registrieren, dass die Juden nicht zum Spaziergang in die Konzentrationslager gegangen seien. "Die Frage ist, warum gerade wir Iraner die Verbrechen ignorieren und damit die Nazis in Schutz nehmen sollen."

Dass die Zeitung Schargh diesen Leserbrief zu veröffentlichen gewagt hat, hat vermutlich mit der neuen politischen Atmosphäre zu tun, die durch die Wahl Rohanis entstanden ist. Es bleibt offen, wie lange diese Atmosphäre noch anhalten wird und ob die Medien in Zukunft mehr wagen und sich auch zu anderen sensiblen Themen kritisch äußern dürfen.


CHAMENEI LOBT REGIERUNG AHMADINEDSCHAD

Revolutionsführer Ali Chamenei lobte Ahmadinedschad und seine Kabinettsmitglieder beim letzten Empfang der scheidenden Regierung am 14. Juli. Er pries ihren Eifer und bezeichnete die radikalen Parolen Ahmadinedschads als eine "große Leistung".

Alle hätten gemerkt, dass der Staatspräsident und seine Mitarbeiter trotz schwerer Lasten, die sie tragen mussten, weit mehr als die Vorgängerregierungen geleistet und sehr rasch gearbeitet hätten. "Verzicht auf Privilegien, unermüdliche rastlose Arbeit ohne Ruhepause gehören zu den Vorzügen dieser Regierung", sagte Chamenei. Alle diese Werte sollten alle jene im Auge behalten, die diese Regierung beurteilen wollten.

Das uneingeschränkte Lob Chameneis ist im Hinblick auf die allseitige Kritik gegen die scheidende Regierung erstaunlich. Der Grund liegt wohl darin, dass Chamenei selbst dann Ahmadinedschad sein volles Vertrauen und seine Unterstützung gewährte, als längst sogar im Lager der Konservativen und Ultrarechten die Kritik an ihm lauter wurde.

Manche gingen sogar soweit, dass sie selbst erzielte Erfolge der Regierung leugneten, sagte Chamenei. Dazu zählten die von der Regierung propagierten radikalen Parolen, die notwendig gewesen seien. Die Regierung habe sich nicht gescheut, auch bei ihrem Auftritt im Ausland vor internationale Gremien, diese Parolen zu verkünden, sagte Chamenei.


HARTE STRAFEN FÜR GONABADI-DERWISCHE

Einem Bericht der Internetseite "Nur" zufolge wurde Hamid Resa Sarwestani, ein aktives Mitglied der Derwische und Herausgeber der "Nur", von einem Gericht unter der Leitung des Richters Salawati zu zehn Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Sein Kollege, ein ebenfalls aktiver Derwisch, der Fotoreporter Reza Entesari, erhielt eine Strafe von acht Jahren und sechs Monaten Gefängnis. Weitere fünf Derwische wurden zu jeweils siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Alle sieben Personen wurden zudem für die nächsten fünf Jahre aus jeglicher Tätigkeit in den Medien ausgeschlossen und dürfen in keiner Partei, Gruppe oder Sekte Mitglied werden.

Mostafa Asmajesch, Sprecher der Gonabadi-Derwische, bestätigte gegenüber der BBC die Urteile, die er als "unakzeptabel" bezeichnete. Die Verurteilten seien beschuldigt worden, gegen die nationale Sicherheit Aufruhr gestiftet, gegen die Islamische Republik Propaganda betrieben und den Revolutionsführer beleidigt zu haben. Diese Vorwürfe seien "unhaltbar", sagte Asmajesch. Die Angeklagten seien zu den Verhandlungen nicht erschienen, weil sie den Prozess grundsätzlich für "unbegründet" hielten.

Der Iran-Menschenrechtsbeauftragte der UNO erwähnte in seinem jüngsten Bericht, dass die Menschenrechte im Umgang mit den Derwischen missachtet würden. Vor etwa anderthalb Jahren wurden zahlreiche Derwische und deren Anwälte in Haft genommen. Auch ihre Gebetshäuser wurden zum Teil zerstört und in Brand gesteckt.


INHAFTIERTER DIPLOMAT FREIGELASSEN

Medienberichten zufolge wurde ein ranghoher iranischer UN-Diplomat nach einer viermonatigen Haft wieder frei gelassen. Am 14. Juli berichtete die Nachrichtenagentur ISNA, dass Bagher Asadi gegen eine Kaution, deren Höhe in dem Bericht nicht erwähnt wird, freigelassen wurde. Die Verhaftung des Diplomaten im März war erst im Mai bekannt gegeben worden und hatte Rätsel aufgegeben. Justizbehörden unterließen jegliche Auskunft über die Hintergründe der Haft.

Selbst Außenminister Ali Akbar Salehi als oberster Dienstherr des Diplomaten wusste über die Gründe der Haft nicht Bescheid. Nach seiner Verhaftung lobte der Minister den Beamten und sagte, Asadi sei ein kluger, zuverlässiger und tüchtiger Diplomat gewesen, der mit großem Einsatz die Interessen seines Landes durchzusetzen versucht habe. Auch sein Verhalten sei makellos gewesen. Die Mitarbeiter der Vereinten Nationen hätten ihm stets Lob und Anerkennung gezollt. Er gehe davon aus, dass bei dieser Angelegenheit ein Missverständnis vorliege.


GEFÄNGNISGARDE STÜRMT TRAKT DER POLITISCHEN GEFANGENEN

Wie die oppositionelle Webseite "Kalameh" am 19. Juli berichtete, haben 150 Mitglieder der Gefängnisgarde den Trakt 350 des Eviner Gefängnisses in Teheran, in dem politische Gefangene festgehalten werden, gestürmt. Sie durchsuchten die Zellen und führten bei den Gefangenen Leibesvisitation durch. Anlass war vermutlich der Protest der Gefangenen gegen die Verbannung des 62-jährigen Zahnarztes Ali Naseri, der mitten in der Nacht durch die Beamten aus der Zelle geholt und nach Zabol verbannt worden war, wo nahezu unerträgliche klimatische Verhältnisse herrschen. Als Protest hätten die Gefangenen Kampflieder gesungen, berichtete Kalameh. Dem Bericht zufolge führte der Einsatz der Gefängnisgarde zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Garde und den Gefangenen. Einige Gefangene seien zur Strafe in Einzelzellen verlegt worden.

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WIRTSCHAFT

• Atomkonflikt
• Sicherheitsrat über iranische Raketenstarts nicht einig
• Freitagsprediger: Unsere Wirtschaft ist nicht ruiniert
• USA erleichtern Ausfuhr von medizinischem Gerät nach Iran
• London verkauft Militärmaterial an Iran und Syrien
• 82.000 Stahlarbeiter seit drei Monaten ohne Lohn


ATOMKONFLIKT

In einer ersten Stellungnahme zum Atomkonflikt nach der Wahl Rohanis sagte Revolutionsführer Ali Chamenei Medienberichten vom 27. Juni zufolge, sollten es die westlichen Verhandlungspartner im Atomkonflikt ernst meinen, wäre eine Lösung leicht zu finden. Die Stellungnahme lässt vermuten, dass Chamenei entgegen seiner bisherigen radikalen Haltung mit Rohanis Position einverstanden sein könnte. Rohani hatte im Wahlkampf für eine gemäßigte Behandlung der Atomfrage und auch indirekt für Verhandlungen mit den USA plädiert. Welche Lösung sich Chamenei vorstellte, erläuterte der Revolutionsführer nicht.

Am 2. Juli sagte der ehemalige Leiter der iranischen Atombehörde, Ghlamresa Aghasadeh, der Atomkonflikt habe nun "die neunzigste Minute erreicht". Man dürfe jedoch den neuen Präsidenten nicht unter Druck setzen und eine rasche Lösung verlangen. Das Wichtigste in diesem Konflikt sei "Vertrauensbildung", sagte Aghasadeh. Darum müssten sich beide Seiten bemühen. Dass westliche Staaten zu der Erkenntnis gelangt seien, eine Lösung des Konflikts setze die Anerkennung des Rechts Irans zur Urananreicherung im eigenen Land voraus, müsse als eine positive Wende angesehen werden.

Mit Blick auf die Fernsehdebatten und die Kritik einiger Kandidaten an der Atompolitik der letzten Jahre sagte Aghasadeh, es sei unfair zu glauben, der Revolutionsführer habe keine Lösung des Konflikts gewollt. 2008 habe man gewisse positive Signale aus dem Westen vernehmen können. "Da hat der Revolutionsführer eine Sitzung einberufen, auch ich war dabei und habe gemeint, man könne die Signale ernst nehmen. Daraufhin beschloss der Revolutionsführer der Sache nachzugehen und wir sollten uns an die Arbeit machen", sagte Aghasadeh. Doch Ahmadinedschad habe sich nicht umstimmen lassen und habe an seiner Meinung festgehalten. Genau aus diesem Grund sei er (Aghasadeh) zurückgetreten.

Am 12. Juli dementierte Außenamtssprecher Abbas Araghtschi die Meldung in ausländischen Medien, Iran habe eine neue unterirdische Atomanlage in der Nähe der Stadt Damawand in Betrieb genommen. Das Projekt trage den Titel "Kossar". "Solche Märchen sind es nicht wert, darauf zu reagieren", sagte er laut der Agentur Fars.

Die Nachricht war offenbar von der iranischen oppositionellen Volksmodschahedin am 11. Juli in Paris verbreitet worden. Die Organisation, die lange Jahre von den USA ebenso wie von der EU als "terroristisch" eingestuft wurde, will nach eigenen Angaben herausgefunden haben, dass Iran mit dem Bau einer neuen Anlage in Damawand begonnen habe. Demzufolge bestehe die Anlage aus 30 vier bis 550 Meter langen Tunneln sowie ebenso vielen Lagerhäusern in den Bergen in der Nähe von Damawand östlich der Hauptstadt Teheran. Das Projekt gehe auf das Jahr 2006 zurück. Die Internationale Atombehörde in Wien erklärte, sie werde die Angaben überprüfen. Die Organisation der Volksmodschahedin erklärte, der neue Präsident Rohani habe eine entscheidende Rolle bei der Weiterführung des Projekts Kossar gespielt. Von ihm einen Wandel in der Atomfrage zu erhoffen, sei ein "fürchterlicher Fehler".

Am 16. Juli forderte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton Iran zur raschen Wiederaufnahme der Atomverhandlungen auf. Sie erwarte von der neuen iranischen Regierung die Aufstellung eines Verhandlungsteams, erklärte Ashton in Brüssel nach einem Treffen der Vertreter der Verhandlungsgruppe 5+1 (Vetomächte im UN-Sicherheitsrat plus Deutschland).

Vertreter der Gruppe 5+1, die die Verhandlungen im Atomkonflikt mit Iran führt, waren erstmals seit der Wahl Rohanis am 16. Juli zusammengetroffen. "Wir haben uns getroffen, um unsere Position zu bewerten und zu überlegen, wie wir am besten mit dem Versuch fortfahren können, eine diplomatische Lösung für das iranische Atomproblem zu finden", zitierte AFP Ashton.

Ein westlicher Diplomat, der über das Treffen in Brüssel informiert war, sagte der Associated Press, bei dem Treffen sei kein neuer Plan erörtert, aber es sei über positive Schritte gesprochen worden. Die Schritte könnten eine Milderung der Sanktionen bedeuten, für den Fall, dass Iran zum Einlenken bereit sei.

Der bisherige Chefunterhändler Irans, Said Dschalili, der für das Amt des Präsidenten kandidiert hatte, bekam überraschend ein schlechtes Wahlergebnis, obwohl er als Favorit des Revolutionsführers galt. Er hatte eine ultraradikale Position vertreten. Daher konnten bei den vier letzten Verhandlungen seit dem vergangenen Jahr keine Erfolge erzielt werden. Folglich verstärkten die USA und die EU in den letzten zwei Jahren die Sanktionen gegen Iran.

Am 18. Juli sagte der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi, Teheran sei bereit die Verhandlungen mit der 5+1-Gruppe fortzusetzen, sobald der designierte Präsident Rohani sein Verhandlungsteam ernannt habe. Über neue Verhandlungen sei keine Korrespondenz geführt worden, "aber die Verhandlungen werden ganz sicher fortgesetzt werden", sagte der Minister bei einem Treffen mit der 5+1-Gruppe in Brüssel.


SICHERHEITSRAT ÜBER IRANISCHE RAKETENSTARTS NICHT EINIG

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat über einen Bericht einer Expertengruppe über die Bewertung des Starts ballistischer Raketen im vergangenen Jahr, die als Verstoß gegen UN-Sanktionen eingestuft wurden, keine Einigkeit erzielen können. Die Gruppe bestand aus 15 Sachverständigen aus 15 Mitgliedsländern, die Generalsekretär Ban Ki Moon ausgewählt hatte. Gary Quinlan, australischer Botschafter bei der UNO, gab der Presse bekannt, dass die Gruppe übereinstimmend einen Verstoß festgestellt hatte. Als Beispiel erwähnte er die Tests der Raketen Schahab 1 und Schahab 3, die im vergangenen Sommer durchgeführt worden waren. Er sagte nicht, welche Länder im Sicherheitsrat gegen die im Bericht vorgenommene Bewertung votiert hätten, er sagte nur, dass es wenige waren. Einige Diplomaten erklärten gegenüber der Presse, der Hauptgegner sei Russland gewesen. China habe dann Russland unterstützt.


FREITAGSPREDIGER: UNSERE WIRTSCHAFT IST NICHT RUINIERT

Der ultrakonservative Freitagsprediger Ahmad Chatami übte scharfe Kritik an den Bewerbern um das Amt des Staatspräsidenten. Es zeuge von tiefster Undankbarkeit, die Regierung als repressiv und die Wirtschaft als ruiniert zu bezeichnen, sagte er am 5. Juli bei seiner Predigt in Teheran. Manche Kandidaten hätten die Lage so dargestellt, als sei die Wirtschaft des Landes ruiniert, als herrsche im Lande eine polizeistaatliche Atmosphäre und auch die Außenpolitik sei katastrophal, sagte Chatami.

Tatsächlich hatten einige Kandidaten im Wahlkampf den Zustand der Wirtschaft als katastrophal bezeichnet und polizeistaatliche Maßnahmen und das Fehlen bürgerlicher Freiheiten scharf kritisiert. Sie versprachen im Falle ihres Sieges, mit drastischen Maßnahmen gegen diese Zustände vorzugehen.

"Ist dieses Urteil wirklich fair?", sagte Chatami. "Wenn unsere Wirtschaft ruiniert wäre, hätten die US Sanktionen, die vor einem Jahr nochmals verstärkt worden sind, uns, wie sie gehofft haben, zur Kapitulation gezwungen. Nein, unsere Wirtschaft war und ist nicht ruiniert." Der Prediger verwies auf die Zunahme des Tourismus von Einheimischen im eigenen Land. Dieser habe im diesem Jahr in den zweiwöchigen Neujahrsfeiertagen um 30 Prozent zugenommen. "Mit leeren Taschen kann man nicht reisen", sagte er. Trotzdem forderte er den neuen Präsidenten Rohani auf, alles daran zusetzen, die Versorgungsprobleme der Bevölkerung zu lösen.

Zu den Repressionen im Inland sagte Chatami: "Man sollte fair sein. Haben wir wirklich nicht das Recht, unsere Meinung zu äußern? Jeden Morgen erscheinen hier rund vierzig Zeitungen, wen kritisieren diese Zeitungen? Wurde irgendjemand deshalb verfolgt? Es ist wirklich unfair, wenn wir von Repressionen in der Islamischen Republik sprechen."

"Ist die iranische Außenpolitik tatsächlich miserabel", fragte Chatami. "Haben wir uns um Deeskalation bemüht oder die Gegenseite? Wir haben mit keinem Land Streit gehabt. Die anderen Staaten haben uns provoziert", behauptete Chatami.

Der konservative Freitagsprediger empfahl dem Parlament, ein Gesetz zu verabschieden, das Leuten, die von Kandidaten kritisiert und angegriffen werden, das Recht gibt, dazu Stellung zu nehmen.

Zum Schluss sagte der ultrakonservative Prediger Chatami, die von Rohani propagierte Parole, "Milde, Weisheit, Klugheit und Kompromissbereitschaft" sei richtig. "Diese Parole hat ihre Wurzeln in unserem Glauben. Dennoch erwarten wir vom neu gewählten Präsidenten, dass er diese Parole genau erläutert, damit sie nicht von anderen missbraucht wird."


USA ERLEICHTERN AUSFUHR VON MEDIZINISCHEM GERÄT NACH IRAN

Am 25. Juli beschloss das US-Finanzministerium die Ausfuhr von hunderten medizinischen Geräten wie EKG- und Dialysegeräten sowie Medikamenten freizugeben. Trotz harter Sanktionen gegen Iran sähen sich die Vereinigten Staaten zum "humanitären Handel" verpflichtet, hieß es in einer Erklärung des Finanzministeriums. Dem Beschluss entsprechend seien Produzenten medizinischer Geräte sowie Pharmaunternehmen über die neue Verordnung in Kenntnis gesetzt worden.

Zahlreiche Produkte, die nun auf die Liste der erlaubten Exportgüter gesetzt wurden, durften auch zuvor ausgeführt werden, allerdings jeweils mit Sondergenehmigung.

Der neuen Verordnung zufolge ist der Handel für diese sowie für bestimmte Agrarprodukte über die iranische Zentralbank oder über Banken, die nicht auf der Liste der Sanktionen stehen, erlaubt. Nach Einschätzung des Finanzministeriums verfügt die iranische Zentralbank über ausreichend Devisen für den Handel.

Die neue Maßnahme wird als ein erstes Entgegenkommen der USA Iran gegenüber nach der Wahl Rohanis gedeutet.


LONDON VERKAUFT MILITÄRMATERIAL AN IRAN UND SYRIEN

Nach Aussagen britischer Abgeordneter hat die Regierung in London in mehr als dreitausend Fällen den Export von Waffen und Militärmaterial an Staaten erlaubt, die in Großbritannien als repressive Staaten eingestuft werden. Der Ausschuss für Waffenexportkontrolle im britischen Parlament erklärte am 17. Juli, Waffen und Rüstungsgüter im Werte von 12,3 Milliarden Pfund seien an 27 Länder verkauft worden.

In dem von dem genannten Ausschuss veröffentlichten Bericht forderten die Abgeordneten die Regierung in London auf, 134 Lizenzen für Waffenexporte nach Ägypten zu überprüfen, um sicher zu sein, dass diese Lieferungen nicht im Widerspruch zu der Politik Großbritanniens stehen. Es dürften keine Waffen an Staaten geliefert werden, die möglicherweise die Konflikte und Unruhen in Ägypten sowie in der Region verschärfen könnten, hieß es in dem Bericht.

Ein Großteil der Lizenzen seien für Staaten wie Iran, China, Israel und Saudi-Arabien vergeben worden, hieß es in dem Bericht, der in Zusammenarbeit mit den Ausschüssen für Handel, Verteidigung, Außenbeziehungen und internationale Entwicklung erstellt wurde.

Sir John Stanley, Mitglied der Fraktion der Konservativen, sagte, die Menge und der Wert der vergebenen Lizenzen seien "gigantisch".

Unter den Ausfuhrzulassungen sind 62 Ausrüstungsgüter, darunter elektronische Geräte, die für Iran vergeben wurden. Darunter sind aber auch Kommunikations- und Abhörgeräte, die nach Meinung britischer Abgeordneter sowohl militärisch als auch zivil verwendet werden können.

Auch Syrien zählt zu den Empfängern, die aus Großbritannien Teile ihres militärischen Bedarfs decken können. China bezieht militärisches Gerät im Werte von 1,4 Milliarden Pfund, obwohl die Europäische Union Waffenlieferungen an China verboten hat. Israel hat mehr als 400 verschiedene Lizenzen bekommen und führt Waffen und Rüstungsgüter aus Großbritannien im Werte von 8 Milliarden Pfund ein.


82.000 STAHLARBEITER SEIT DREI MONATEN OHNE LOHN

Der Parlamentsabgeordnete Kamal Alipur Chonakdari sagte am 14. Juli: "Es ist schlimm, dass mehr als 82.000 Stahlarbeiter seit drei Monaten keinen Lohn erhalten haben, während wir heute über die Erweiterung der Rechte der Gewerkschaften diskutieren." An wen müssten sich die Arbeiter wenden, um das zu erhalten, was ihnen zusteht, fragte er und appellierte an die Abgeordneten, sich um die brennenden Problem zu kümmern, anstatt über alltägliche Begebenheiten zu debattieren.

Er habe diesbezüglich auch mit Präsident Ahmadinedschad und dem Minister für Wirtschaft und Handel korrespondiert, doch auch dieser Versuch habe keine Lösung gebracht, sagte Chonakdari.

Die iranische Wirtschaft befindet sich zurzeit in einer tiefen Krisen, die unter anderem auf die Sanktionen der USA und der EU zurückzuführen sind. Hinzu kommen die Streichung der staatlichen Subventionen für Nahrungsmittel und Energie, die die Produktionskosten erheblich gesteigert haben. Die Möglichkeiten unabhängiger Gewerkschaft, für die Rechte der Arbeiter zu kämpfen, sind in Iran stark eingeschränkt.

Laut der Nachrichtenagentur ILNA wurden am 8. Juli 235 Arbeiter der Sagros-Stahlwerke entlassen. Begründet wurde diese Maßnahme mit dem Anstieg der Produktionskosten und dem Mangel an Kapital. Nach Protesten in Gharaweh in der Provinz Kurdistan haben sich diese Arbeiter auf einen Marsch nach Teheran begeben. Am 15. Juli versammelten sie sich zu einer Kundgebung vor dem Amt des Staatspräsidenten. Sie klagten über einen dreimonatigen Lohnrückstand sowie über die fristlose Entlassung.

Zurzeit haben iranische Arbeiter mit Lohnminderung, Lohnausfall, Kurzzeitverträgen und Mangel an Berufssicherheit zu kämpfen.

Der Geschäftsführer des Sagros-Stahlwerks, Ebrahim Mokkabeygi, erklärte gegenüber der ILNA-Agentur, die Fabrik habe seit einigen Jahren Milliarden Tuman Defizit, aber weil sie sich an dem Geburtsort des ersten Vizepräsidenten, Mohammad Resa Rahimi, befindet, musste sie auf dessen Anordnung ihre Arbeit fortsetzen.

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AUSSENPOLITIK

• Chamenei: Über Verhandlungen mit der USA nicht optimistisch
• Mögliche Reise Jack Straws nach Iran
• Putins Reise nach Iran ungewiss
• Obama zu einem Treffen mit Rohani aufgefordert
• Netanjahu: Rohani ist ein Wolf im Schafspelz
• Iran kritisiert Putsch in Ägypten
• Iran und Türkei für Waffenruhe in Syrien
• EU-Maßnahme gegen Hisbollah kritisiert
• Snowdens Enthüllungen
• Inhaftierung slowakischer Staatsbürger bestätigt
• Georgien kündigt einseitig Visa-Abkommen
• Saudi-arabische Raketen auf Iran und Israel gerichtet
• Botschaftsmitarbeiter in Jemen entführt


CHAMENEI: ÜBER VERHANDLUNGEN MIT DER USA NICHT OPTIMISTISCH

Irans Revolutionsführer Ali Chamenei sagte am 21. Juli vor einer Versammlung hochrangiger Politiker und Militärs im Hinblick auf die jüngsten Offerten aus den USA zu direkten Verhandlungen mit Iran: "Ich habe bereits Anfang des Jahres gesagt, dass ich über Verhandlungen mit den USA nicht optimistisch bin, obwohl ich Verhandlungen in besonderen Fällen in der Vergangenheit, wie zum Beispiel über den Irak, nicht abgelehnt habe. "Die Amerikaner sind nicht vertrauenswürdig und nicht vernünftig und in ihrem Verhalten nicht ehrlich." Allein in den vergangenen Monaten hätten die Stellungnahmen der USA seine Skepsis bestätigt, sagte Chamenei.

Gerichtet an die anwesenden Verantwortlichen sagte der Revolutionsführer: "Bei dem Umgang mit anderen Ländern besteht die Kunst darin, dass sie ihren eigenen Weg gehen und eigene Strategien fortsetzen können, ohne vom Gegenüber daran gehindert zu werden. Sollten aber Verhandlungen zu Rückzügen und Verzicht führen, sind sie schädlich."

Für Iran stehen Probleme der Wirtschaft und der technisch-wissenschaftlichen Entwicklung an erster Stelle, sagte der Revolutionsführer. Das sollten alle Verantwortlichen sehr ernst nehmen.

An der Versammlung hatten neben dem amtierenden Präsidenten Ahmadinedschad auch der neue Präsident Rohani sowie Ahmad Dschannatti, Vorsitzender des Wächterrats, Parlamentspräsident Ali Laridschani, Justizchef Sadegh Laridschani teilgenommen. Haschemi Rafsandschani, Vorsitzender des Schlichtungsrats, war nicht anwesend, was zu Spekulationen Anlass gab.


MÖGLICHE REISE JACK STRAWS NACH IRAN

Der Sprecher des Teheraner Außenministeriums, Abbas Araghtschi, begrüßte die angekündigte Reise des ehemaligen britischen Außenministers, Jack Straw, nach Iran. "Wenn er die Reise unternimmt, würden wir uns freuen", sagte Araghtschi am 16. Juli auf seiner wöchentlichen Pressekonferenz. "Wir sind gastfreundlich und unsere Beziehungen zur Europäischen Union, zu der auch Großbritannien gehört, basiert auf Deeskalation und Vertrauensbildung." Bislang habe Iran jedoch keine offizielle Ankündigung des Besuchs erhalten, sagte der Sprecher.

Straw hatte sich nach der Wahl Rohanis über die Entwicklung in Iran sowie über den neuen Präsidenten optimistisch geäußert und erklärt, er plane zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Iran und Großbritannien, das Land zu besuchen. Straw ist Abgeordneter im britischen Parlament und Leiter der parlamentarischen Iran-Gruppe.

Da zurzeit die Botschaften beider Staaten nicht in Betrieb seien, habe er seine Gratulation an Rohani über die Botschaft in Oman geschickt, sagte Straw der BBC. Er äußerte die Hoffnung, dass nun nach dem Sieg Rohanis die Botschaften wieder ihre Arbeit aufnehmen werden und die Beziehung zu Iran sich normalisiert. Im vergangenen Herbst hat London nach einem Angriff von Demonstranten auf die britische Botschaft in Teheran die Botschaftsangehörigen aus dem Land zurückberufen und iranische Botschaftsangehörige in London aufgefordert, das Land zu verlassen. Wenig später reduzierte Teheran, nach einem Boykott der iranischen Zentralbank durch Großbritannien, die diplomatischen Beziehung zu London auf ein Minimum. Dieser Zustand dauert noch an.

Araghtschi gab am 21. Juli laut ISNA bekannt, dass Iran westliche Staats- und Regierungschefs zur Amtseinführung Rohanis am 4. August eingeladen habe. Die Einladungsschreiben seien an Regierungsvertreter in den USA und Europa geschickt worden. Zwei Tage später stellte er aber klar, dass von der allgemeinen Einladung die USA sowie Israel ausgeschlossen seien. "Gewöhnlich werden zu solchen Anlässen nur Irans Nachbarstaaten, die eine besonders freundschaftliche Beziehung zu uns haben, eingeladen", sagte Araghtschi. "Nun haben wir alle Staaten eingeladen, selbstverständlich ohne die USA und das zionistische Regime, das wir ohnehin nicht anerkennen."

Am 24. Juli erklärte das britische Außenministerium, London werde keinen Regierungsvertreter zur der Vereidigungsfeier Rohanis nach Teheran schicken. Der Sprecher fügte hinzu, der designierte Präsident habe positive Stellungnahmen zu den Außenbeziehungen Irans, darunter auch zu Großbritannien, abgegeben. "Wir sind zum Ausbau unserer bilateralen Beziehungen bereit und werden versuchen, dies schrittweise umzusetzen." Der Sprecher äußerte die Hoffnung, Iran werde in Zukunft seinen Umgang mit der Weltgemeinschaft ändern. Ein Urteil darüber erfolge auf der Basis der Taten Irans und nicht auf der Basis verbaler Beteuerungen.


PUTINS REISE NACH IRAN UNGEWISS

Die Nachrichtenagentur "Mehr" berichtete am 22. Juli, Präsident Ahmadinedschad habe kürzlich bei einem Besuch in Moskau Putin zu einem Besuch nach Iran eingeladen und die Agentur ISNA meldete am 23. Juli unter Berufung auf russische Quellen, der russische Präsident werde am 12. August Iran besuchen. Doch am 24. Juli zitierte wieder ISNA den iranischen Außenamtssprecher Abbas Araghtschi, ihm sei ein Besuch Putins nicht bekannt.

Auch die Moskauer Zeitung "Kommersant" hatte am 24. Juli gemeldet, Putin werde am 12. und 13. August Iran besuchen. Bei dem Treffen soll laut der Zeitung über die Lieferung moderner S-300- Raketenabwehrsysteme an Iran gesprochen werden.

Wenig später ließ der Sprecher Putins, Dmitri Peskow, verlauten, er könne die Meldung nicht bestätigen. Es seien mehrere Reisen in Planung. Ein konkretes Datum für eine mögliche Reise Putins nach Iran sei ihm bislang nicht bekannt.

Der iranische Abgeordnete Mehdi Sanai, Leiter der Parlamentariergruppe für iranisch-russische Beziehungen, sagte der Agentur "Mehr", der Besuch Putins zu Beginn der Regierung Rohani sei "von großer Bedeutung". Er könne als eine Freundschaftserklärung des russischen Präsidenten aufgefasst werden. Der Handel zwischen Russland und Iran sei im vergangenen Jahr aufgrund internationaler Sanktionen um 30 Prozent zurückgegangen. Das bereite beiden Ländern Sorge.

Iranische Agenturen berichteten, dass zu den wichtigsten bilateralen Themen bei einem möglichen Besuch Putins das Schicksal des Vertrags zwischen Teheran und Moskau über die Lieferung von S-300-Abwehrraketen, der Atommeiler in Bushehr und die künftige Zusammenarbeit beider Länder hören werden. Russland hatte auf Druck des Westens sowie Israels die Lieferung der S-300-Raketen unterlassen. Iran wirft seitdem Moskau Vertragsbruch vor und verlangt eine Entschädigung in Höhe von vier Milliarden US-Dollar.


OBAMA ZU EINEM TREFFEN MIT ROHANI AUFGEFORDERT

Neunundzwanzig politische und militärische Persönlichkeiten in den USA haben Präsident Barack Obama aufgefordert, die Gelegenheit zu einem direkten Gespräch mit Rohani nicht zu verpassen. In dem Schreiben vom 15. Juli heißt es, die Regierungsübernahme durch Rohani sei "potentiell eine große Gelegenheit", "die in die Sackgasse geratenen diplomatischen Bemühungen im iranischen Atomkonflikt neu zu beleben". "Wir empfehlen Ihrer Regierung dringend, nach der Regierungsübernahme Rohanis, die Gelegenheit wahrzunehmen, damit Iran vom angekündigten gemäßigten Kurs nicht abweicht."

Die Unterzeichner empfehlen, die Obama-Regierung solle im Rahmen der 5+1-Gruppe sowie durch direkte Gespräche die Verhandlungen mit Teheran nicht nur über den Atomkonflikt, sondern auch über Sicherheitsfragen der Region sowie über Menschenrechte, fortführen. "Diplomatische Verhandlungen führen dann zum Erfolg, wenn wir bereit wären, für ein Nachgeben Irans die Sanktionen zu mildern und dem Land auch Anreize anzubieten", hieß es. "Daher sollten alle Seiten Provokationen, die dazu führen, dass wir diese diplomatische Gelegenheit verpassen, vermieden werden." Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem der frühere Präsidentenberater unter Gerald Ford, Jimmy Carter und Ronald Reagan, Gary Sick und John Limbert, der ehemalige Vizeminister des US-Außenministeriums.

Gary Sick, der vor allem im Rahmen der Befreiung amerikanischer Botschaftsangehöriger aus iranischer Geiselhaft berühmt wurde, sagte in einem Interview mit der BBC, "solange Ahmadinedschad an der Spitze der Regierung war, hatte niemand Vertrauen zu Iran. Aber jetzt haben wir eine neue Situation. Wir haben einen Präsidenten, der sowohl das iranische Atomprogramm bestens kennt als auch dem Revolutionsführer nahe steht, obwohl dieser sich anders äußert als er." Sick äußerte die Hoffnung, dass der Revolutionsführer mit der Regierungsübernahme Rohanis direkten Verhandlungen mit Washington zustimmt. Denn er gehe davon aus, dass die US-Regierung trotz Vertrauensmangels wahrscheinlich ihr Verhalten Iran gegenüber ändern werde.

Auch zwei Kongressmitglieder, Charles Dent (Republikanische Partei) und David Price (Demokratische Partei) schrieben in einem Brief an Obama, es wäre ein Fehler, wenn die US-Regierung nicht versuchen würde, mit Rohani zu verhandeln. "Wir müssen darauf achten, dass die Legitimität des neu gewählten Präsidenten nicht in Zweifel gezogen und seine Position gegenüber den Radikalen geschwächt wird", hieß es in dem Schreiben.

Zwei Wochen davor hatte der Ausschuss für internationale Beziehungen im US-Kongress Obama aufgerufen, ohne Rücksicht auf Rohanis Wahl die Sanktionen gegen Iran zu verstärken.


NETANJAHU: ROHANI IST EIN WOLF IM SCHAFSPELZ

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte am 15. Juli dem US-Sender CBS, Iran nähere sich Tag für Tag mehr der "Roten Linie". Sein Land werde möglicherweise früher als die USA darauf reagieren. Die internationale Gemeinschaft dürfe dem gewählten iranischen Präsidenten Hassan Rohani nicht trauen, denn er sei "ein Wolf in Schafspelz".

Die Hoffnung auf Reformen und Veränderungen in der Islamischen Republik habe keine reale Grundlage, sagte Netanjahu. Die Strategie Rohanis sei die eines "Wolfs im Schafspelz", "lächle und baue die Bombe".

Netanjahu forderte die Weltgemeinschaft auf, die Sanktionen gegen Iran zu verstärken, damit Iran am Bau der Atombombe gehindert werde. Auch die Drohung einer militärischen Intervention müsse ernsthaft als Option auf dem Tisch bleiben, betonte der Ministerpräsident.

Es muss den Iranern bewusst sein, sollten die Sanktionen nicht zum Ziel führen, "sind wir zu einer militärischen Lösung bereit", sagte Netanjahu. Das sei der einzige Weg dahin, dass Iran die Forderungen ernst nehme. Er zeigte sich über die Entwicklung des iranischen Atomprogramms besorgt. "Sie haben schnellere Zentrifugen gebaut, umso schneller können sie zum Ziel gelangen".

Gerichtet an die Vereinigten Staaten sagte Netanjahu: "Unsere Uhren gehen unterschiedlich. Wir sind der Gefahr näher als die USA. Daher sind wir gezwungen, auf die Frage, wie man das iranische Atomprogramm stoppen könnte, schneller als Amerika zu antworten", sagte der israelische Regierungschef.

Netanjahu befürchtet, dass mit der Wahl Rohanis westliche Staaten eine mildere Gangart gegenüber Iran einschlagen werden. Daher forderte er Präsident Barack Obama auf, den Iranern klar zu machen, dass die Iran-Politik des Westens sich nicht geändert habe und dem Land unter keinen Umständen erlaubt werde, Nuklearwaffen zu bauen.

In einem Interview mit der Welt am Sonntag sagte Netanjahu am 22. Juli, er erwarte von dem künftigen iranischen Präsidenten Hassan Rohani keine Änderungen an der Atompolitik des Landes. Rohani vertrete in Atomfragen dieselbe Meinung wie der geistliche Führer Ali Chamenei. Der Revolutionsführer habe bei allen wichtigen Entscheidungen sowohl in der Außen- als auch in der Innenpolitik das letzte Wort. Auch über die Atompolitik liege die letzte Entscheidung bei ihm. Der Westen sollte nicht auf Täuschungsmanöver hereinfallen. "Man sollte Iran an seinen Taten messen, nicht an seinem Lächeln", sagte der Regierungschef.

Bereits am 27. Juni hatte Netanjahu bei einer feierlichen Zeremonie für junge Piloten gesagt, Israels Luftwaffe sei "einsatzbereit und zu jeder Aufgabe fähig - nah und fern". Er wies auf die versteckten und offenen Aktivitäten der israelischen Luftwaffe im vergangenen Jahr und sagte: "Wer wissen muss, dass wir nicht nur reden, sondern auch etwas unternehmen, der weiß dies."

Iran sollte die militärischen Drohungen aus Israel nicht ernst nehmen, sagte Rohani in einer ersten Reaktion auf die Äußerungen Netanjahus. "Ein verhasstes Regime droht (Iran) jeden Tag, aber was fällt diesen Zionisten überhaupt ein, uns zu drohen", zitierte ihn dpa aus einer Rede bei einem Treffen mit Kriegsveteranen in einer Meldung vom 17. Juli. Auf Drohungen aus Israel solle man "nur mit einem Schmunzeln reagieren."


IRAN KRITISIERT PUTSCH IN ÄGYPTEN

Iran hat mit scharfer Kritik auf die Absetzung des demokratisch gewählten ägyptischen Präsidenten Mohammad Mursi reagiert. Die Intervention des Militärs sei inakzeptabel, zitierte die Nachrichtenagentur IRNA den Außenamtssprecher Abbas Araghtschi am 7. Juli. Aragtschi forderte die Ägypter auf nicht aufzugeben, bis der demokratisch gewählte Präsident auf seinen legitimen Posten zurückgekehrt ist. In einer Demokratie entscheide nicht die Straße, sondern eine freie Wahl. Es könne nicht sein, dass das Schicksal eines Präsidenten von Demonstranten entschieden werde. Es dürfe sich nun in Ägypten keine Enttäuschung breit machen. Dass auf einen Frühling ein warmer Sommer und ein kalter Winter folgen könnten, sei natürlich.

Seit der Machtübernahme der Muslimbrüder waren die Beziehungen zwischen Teheran und Kairo auf dem Wege der Besserung. Iran war bestrebt diplomatische Beziehungen zu dem arabischen Staat wieder aufzunehmen. Diese waren 1980 auf Wunsch Ayatollah Chomeinis abgebrochen worden. Für Chomeini war das Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel Verrat.

Den arabischen Frühling hatte Chomeinis Nachfolger Ali Chamenei als ein "Erwachen des Islam" gedeutet. Dieses sei durch Mursis Sturz keineswegs gestoppt worden. Es sei völlig abwegig von einem Scheitern des Islam zu sprechen, betonte Araghtschi. "Diese Ideologie hat ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten", sagte der Außenamtssprecher.

Vor wenigen Monaten hatte Teheran einseitig die Visumspflicht für ägyptische Staatsbürger aufgehoben und iranische Touristen zu Reisen nach Ägypten ermuntert, was allerdings in bestimmten Kreisen in Ägypten Proteste hervorrief. Radikale Sunniten befürchteten eine größere Einflussnahme des schiitischen Irans in Ägypten. Die gegenseitigen Bemühungen zwischen Teheran und Kairo erlitten jedoch einen Rückschlag durch die unterschiedlichen Positionen beider Länder im syrischen Bürgerkrieg.

Es scheint, dass mit der Machtübernahme der Militärs in Ägypten auch die zunächst erfolgreichen Versuche zur Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Kairo und Teheran zunichte gemacht worden sind. Ein erstes Zeichen dafür ist die Festnahme des Direktors des iranischen TV-Senders Al Alam. Am 20. Juli stürmten ägyptische Sicherheitskräfte das Büro des arabischsprachigen Senders, durchsuchten die Räume und beschlagnahmten Material und Geräte. Angeblich besitze der Sender, der seit Mursis Amtsübernahme ein Büro in Kairo führt, keine Lizenz, hieß es.

Bereits am 4. Juli hatte das Teheraner Außenministerium das Ausland vor einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten Ägyptens gewarnt. "Wir hoffen, dass der demokratische Prozess in Ägypten fortgesetzt wird", hieß es in einer Mitteilung des iranischen Außenministeriums. "Wir hoffen aber ebenso, dass das ägyptische Volk auch in der derzeit brisanten Lage jegliche Einmischung von Fremden und Feinden des Landes unterbinden wird."


IRAN UND TÜRKEI FÜR WAFFENRUHE IN SYRIEN

Iran und die Türkei haben am 12. Juli in einer gemeinsamen Erklärung dazu aufgerufen, im Fastenmonat Ramadan in Syrien die Waffen niederzulegen. Die Außenminister beider Länder, Ali Akbar Salehi und Ahmet Davutoglu, gaben überraschend eine gemeinsame Stellungnahme ab.

Die Erklärung überraschte, weil beide Länder seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien konträre Standpunkte vertreten. Während Iran das Assad-Regime sowohl politisch als auch militärisch unterstützt, hilft die Türkei ebenso politisch und militärisch den Rebellen. Diese unterschiedlichen Positionen hatten zu ernsten Unstimmigkeiten zwischen Teheran und Ankara geführt. Nun ging die Türkei noch einen Schritt weiter und forderte die Ausländer auf, sich aus den Kämpfen in Syrien herauszuhalten und zurückzuziehen. Es ist nicht klar, ob die gemeinsame Stellungnahme mit Iran auf einen Kurwechsel der türkischen Syrienpolitik hindeutet.


EU-MAßNAHME GEGEN HISBOLLAH KRITISIERT

Irans Außenminister Ali Akbar Salehi verurteilte die Entscheidung der Europäischen Union, den militärischen Arm der libanesischen Hisbollah als "terroristisch" einzustufen. Am 23. Juli veröffentlichte die Presseabteilung des iranischen Außenministeriums die Stellungnahme des Ministers. Die Maßnahme "missachtet die politisch- rechtlichen Grundsätze, sie ist erstaunlich und inakzeptabel", wurde der Minister zitiert. Die EU hatte am Vortag auf Vorschlag Großbritanniens und der Niederlande beschlossen, den militärischen Arm der Hisbollah auf die Listen terroristischer Organisationen zu setzen.

Salehi warf der EU "einseitige Parteinahme" vor. Die Entscheidung sei durch Druck einiger einflussreicher Mitglieder der Union erfolgt, hieß es. Diese Entscheidung sei unlogisch. Eine Widerstandsorganisation, die legal und mit Unterstützung des Volkes gegen Aggressoren kämpft, als terroristisch zu bezeichnen, entbehre jeder Logik.

Offenbar beabsichtigten die EU-Mitglieder auf die Ereignisse in der Region Einfluss zu nehmen, doch aus "Unkenntnis der Lage" hätten sie "eine falsche Entscheidung" getroffen, meinte Salehi. Die Islamische Republik verurteile die Maßnahme, sei aber davon überzeugt, dass sie keinen Zweifel an dem gerechten Kampf der Hisbollah erzeugen werde. Sie sei sicherlich "zugunsten der illegitimen Interessen des zionistischen Staats" gefällt worden, hieß es in der Erklärung des Ministers.

Auch Irans Parlamentspräsident Ali Laridschani reagierte auf den EU-Beschluss und sagte: "Mit lauter Stimme rufen wir, dass wir mit unserer ganzen Kraft die heldenhafte Hisbollah ohne Einschränkung weiterhin unterstützen werden." Wie die Presseabteilung des Parlaments am 24. Juli berichtete, bezeichnete Laridschani den Beschluss der EU als "schändlich", "katastrophal" und "lächerlich". Er sei ein "lakaienhafter Gehorsam gegenüber den USA". Damit hätten die Europäer "sich selbst in der islamischen Welt diskreditiert". Dies geschehe zu einem Zeitpunkt, zu dem die USA eine militärische Unterstützung der Terroristen in Syrien planten.


SNOWDENS ENTHÜLLUNGEN

Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden berichtete in einem Spiegel-Interview in der Ausgabe vom 8. Juli, das Virus Stuxnet, mit dem iranische Atomanlagen 2010 zeitweise außer Betrieb gesetzt wurden, sei in Zusammenarbeit zwischen den USA und Israel entwickelt worden. An dem Projekt hätten die Geheimdienste beider Staaten gemeinsam gearbeitet. Auch im vergangenen Jahr hatte ein Internetwurm Teile der iranischen Atomanlagen, vor allem die Urananreicherungsanlage in Natanz, zerstört, was ebenfalls auf die Zusammenarbeit der USA und Israel zurückgeführt wird.

Eine internationale Expertengruppe, die in diesem Zusammenhang im Auftrag der Nato einen Bericht erstellte, bezeichnete die Angriffe als "Anwendung der Gewalt gegen ein souveränes Land", der möglicherweise als Bruch des internationalen Rechts eingestuft werden könne.

Ein pensionierter General der US-Streitkräfte, James Cartwright, steht unter dem Verdacht, Geheimnisse über Cyber-Attacken auf das iranische Atomprogramm an die Presse weitergegeben zu haben. Medien-Berichten zufolge ermittelt das Justizministerium gegen den pensionierten Vier-Sterne-General. Er wird verdächtigt, der New York Times Informationen über die Stuxnet-Attacke in der Atomanlage Natanz, die etwa 1000 Zentrifugen außer Kraft gesetzt hatte, zur Verfügung gestellt zu haben.

Die Informationen des Generals wurden durch Recherchen der New York Times bestätigt. Die Zeitung hatte 2010 in einem längeren Artikel über den Vorgang berichtet und dabei Fakten angeführt, die eine Zusammenarbeit der amerikanischen und israelischen Geheimdienste bei dem Angriff bestätigten. Daraufhin schaltete sich die Justiz ein und leitete Ermittlungen ein. Auch Präsident Barack Obama forderte genaue Recherchen und drohte mit harten Konsequenzen für jene, die die Informationen preisgegeben hätten. Er werde "null Toleranz für diese Informationslecks und Spekulationen" aufbringen, sagte er damals. Obama selbst soll dem Bericht der "Times" zufolge persönlich hinter Cyber-Attacken gegen Iran, die bereits unter seinem Vorgänger George W. Bush begonnen hatten, gestanden haben.

Der 63-jährige General Cartwright gehörte bis zur seiner Pensionierung 2011 zu den einflussreichsten Militärberatern im Weißen Haus.


INHAFTIERUNG SLOWAKISCHER STAATSBÜRGER BESTÄTIGT

Sprecher des Außenministeriums, Hossein Araghtschi, bestätigte am 30. Juni, dass sieben slowakische Staatsbürger in iranischer Haft seien. Die Personen seien als Touristen in Iran eingereist, sie seien aber wegen "ungebührlichen Verhaltens" und Missachtung der Gesetze der Islamischen Republik von Ordnungskräften in Haft genommen worden. Ohne auf die Vorwürfe einzugehen, sagte Araghtschi, den Beschuldigten sei die Kontaktierung der slowakischen Botschaft in Teheran erlaubt worden.

Der Vorsitzende des Ausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik, Alaeddin Borudscherdi, sagte, die Personen seien, während sie mit Hilfe von Gleitschirmen militärische Einrichtungen fotografierten, verhaftet worden.

Zuvor hatte eine slowakische Zeitung berichtet, sechs slowakische Staatsbürger hätten militärische Einrichtungen aus der Luft fotografiert und seien deshalb in Haft genommen worden.

Der Sprecher des slowakischen Außenministeriums Boris Gandel bestätigte ebenfalls am 30. Juni der Nachrichtenagentur Tasr die Verhaftung einer slowakischen Gruppe von Gleitschirmfliegern. Grund der Inhaftierung im Mai sei der Verdacht auf Spionage. Sein Ministerium stehe in Kontakt mit den Landsleuten. Auch sei man bei iranischen Behörden vorstellig geworden. Eine Internetseite sprach zunächst von fünf bis sieben Gleitschirmfliegern, die sich militärischen Anlagen genähert hätten.

Slowakische Medien berichteten, es handele sich bei den Festgenommenen um Extremsportler. Deren Begeisterung für Regionen, die für ihren Sport geeignet sind, führte sie in den Iran, wo sie mit Sportkameras und Funkgeräten unterwegs gewesen waren.

Im vergangenen Jahr wurde ein slowakischer Bürger wegen Spionage für die CIA in Iran verhaftet. Der Slowake, der im Bereich Kommunikation arbeitete, wurde nach vierzig Tagen Einzelhaft aus dem Gefängnis entlassen. Er war beschuldigt worden, durch Kontakte zu iranischen Wissenschaftlern Informationen für die CIA gesammelt zu haben.


GEORGIEN KÜNDIGT EINSEITIG VISA-ABKOMMEN

Georgien hat überraschend das Visa-Abkommen mit Iran gekündigt. Einer Erklärung des georgischen Außenministeriums vom 1. Juli zufolge müssen iranische Staatsbürger vor der Einreise in Georgien ein Visum beantragen.

Das Abkommen über die Aufhebung der Visumspflicht für beide Staaten wurde 2011 geschlossen. Seitdem stiegen sowohl die Zahl iranischer Touristen als auch das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern stark an. Einige iranische Firmen sowie iranische Banken richteten Filialen in Georgien ein. Es wird vermutet, dass die überraschende Maßnahme Georgiens auf den Druck der USA zurückzuführen ist. Washington befürchtet, dass Iran Georgien zur Umgehung der Sanktionen benutzen könnte.

Die georgische Regierung hatte nach Erscheinen eines Artikels im Wall Street Journal über steigende Einflussnahme Irans in Georgien angekündigt, die Angelegenheit zu prüfen. Ferner werde man künftig die Kontoführung der Iraner in Georgien genauer beobachten. Eine Woche zuvor hatte die georgische Regierung Unterlagen nach Washington geschickt, die den Nachweis bringen sollten, dass Georgien die beschlossenen Finanz- und Handelssanktionen gegen Iran beachte und die Position westlicher Staaten im Atomstreit mit Iran voll unterstütze.

Zudem wurde bekannt, dass georgische Banken in letzter Zeit die Konten einiger Iraner gekündigt haben.

Medienberichten zufolge bekamen Iraner, die nach dem neuen Beschluss der georgischen Regierung auf der Reise von Armenien nach Georgien waren, große Schwierigkeiten, ebenso wie Iraner, deren Aufenthaltserlaubnis in Georgien ab sofort ungültig wurde.


SAUDI-ARABISCHE RAKETEN AUF IRAN UND ISRAEL GERICHTET

Laut einer Meldung der AFP vom 11. Juli berichtete die britische Fachzeitschrift "IHS Jane's Intelligence Review", auf einem bisher unbekannten Stützpunkt in der Wüste Saudi-Arabiens seien Raketen stationiert, die auf Iran und Israel zielten. Dies habe man Satellitenbildern entnommen. Darauf seien Startvorrichtungen für Raketen zu sehen, die auf mögliche Ziele in Iran und Israel gerichtet seien. Sollte Saudi-Arabien sich eines Tages für den Bau von Nuklearwaffen entscheiden, könnten die Startrampen dafür verwendet werden.

Weiter berichtet AFP von einem Artikel in der Zeitung "The Daily Telegraph", in dem die Meinung vertreten werde, die Startrampen seien für DF-3-Raketen gedacht, die vor dem Start in Richtung ihrer Ziele ausgerichtet werden müssten.

Saudi-Arabien befürchtet eine größere Einflussnahme Irans in der Region und hegt den Verdacht, Iran könnte die Schiiten in den Ländern am Persischen Golf gegen die ultrakonservativen Herrscherhäuser mobilisieren. Zu Israel hat Saudi-Arabien ohnehin seit seiner Gründung ein feindliches Verhältnis.


BOTSCHAFTSMITARBEITER IN JEMEN ENTFÜHRT

Außenamtssprecher Abbas Araghtschi gab am 21. Juli bekannt, dass ein Mitarbeiter der iranischen Botschaft in Jemen entführt wurde. Es handele sich um einen iranischen Staatsbürger, der von einer unbekannten Gruppe gekidnappt wurde, sagte Araghtschi. Sein Ministerium sei bemüht, den Vorfall zu klären. Irans Außenminister Ali Akbar Salehi forderte von seinem jemenitischen Amtskollegen in einem Telefongespräch ein entschiedenes Vorgehen gegen die Kidnapper, um den Diplomaten zu befreien. Das Staatsfernsehen gab zudem bekannt, dass Salehi aus Protest den Botschafter Jemens einbestellt habe.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete mit Verweis auf Polizeiquellen, dass bewaffnete Männer am 21. Juli einen iranischen Botschaftsmitarbeiter in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa entführt haben. Dem Bericht zufolge war der Mitarbeiter im Diplomaten-Viertel im südlichen Teil der Stadt unterwegs. Die bewaffneten Männer versperrten ihm den Weg und zerrten ihn mit Gewalt aus seinem Wagen. Wohin sie ihn gebracht haben, sei nicht bekannt, auch nicht, welcher Gruppe die Kidnapper angehören. Ermittlungen zu den Hintergründen der Entführung seien angelaufen, sagte ein Sprecher der Sicherheitsbehörden der Nachrichtenagentur AP.

Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi hatte davor gewarnt, dass der jemenitische Ableger der Al Qaida zunehmend auf Ermordungen und Entführungen von Ausländern setzt, um die Zentralregierung unter Druck zu setzen. Im März 2012 war ein saudischer Diplomat von der Gruppe in der Stadt Aden im Süden Jemens entführt worden.

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Autor: Bahman Nirumand
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2013