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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/300: Iran-Report Nr. 10 - Oktober 2013


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 10 - Oktober 2013
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand



Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, die Wahlfälschung vom Juni 2009, die Verfolgung der Opposition und die Verletzung der Menschenrechte sind einige der wiederkehrenden Themen des Iran-Reports. Er wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus, auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter. Der Iran-Report wird einem breiten Interessentenkreis aus Politik, Wissenschaft und Medien zur Verfügung gestellt.

INNENPOLITIK

• Politische Gefangene freigelassen
• Chamenei: Bei der Begegnung mit dem Westen Stärke zeigen
• Wirbel um Rafsandschani
• Schlagabtausch in der Expertenversammlung
• Außenministerium übernimmt Verhandlungsführung im Atomkonflikt
• Ebtekar neue Vizepräsidentin
• Schamchani neuer Sekretär im Nationalen Sicherheitsrat
• Keine Exmatrikulationen mehr an den Universitäten
• Kritik an Umgang mit Bahais
• Akten zu Mussavi, Rahnaward und Karrubi an Sicherheitsrat übergeben
• Bürgermeister Ghalibaf im Amt bestätigt
• Hackerangriff auf Sarifs Facebook-Seite
• Facebook und Twitter für 24 Stunden frei
• Dschannati: Zensur wird doch nicht aufgehoben
• Haus des Kinos wieder offen


POLITISCHE GEFANGENE FREIGELASSEN

Iranische Medien berichteten am 18. September, dass vierzehn politische Gefangene freigelassen wurden. Es handelt sich zumeist um Politiker, Rechtsanwälte und Menschrechtsaktivisten, die im Zusammenhang mit den Unruhen von 2009 in Haft genommen worden waren.

Unter den Freigelassenen befindet sich auch die Anwältin Nassrin Sotudeh, die die Verteidigung einiger Gefangener, auch Frauen übernommen hatte. Sie war Anfang 2011 zu elf Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot (später sechs Jahren Gefängnis und zehn Jahren Berufsverbot) verurteilt worden. Sotudeh ist Trägerin mehrerer internationaler Preise. 2008 erhielt sie den von einer italienischen Menschenrechtsgruppe vergebenen Human-Rights-International (HRI)-Award, 2011 zeichnete sie der florentinische Stadtrat mit dem Menschenrechtspreis von Florenz aus und 2012 wurde sie vom Europäischen Parlament gemeinsam mit dem iranischen Filmemacher Jafar Panahi mit dem Sacharow-Preis geehrt.

Neben Sotudeh wurden unter anderem die Journalistin Mahsa Amrabadi, der Politiker und Vorstandsmitglied der Modschahedin der Islamischen Revolution, Feizolla Arabsorchi, Mohssen Aminsadeh, Mitglied der Reformpartei Moschrekat und Mirtaher Mussavi, ehemaliger Parlamentsabgeordneter der Reformfraktion, freigelassen.

Die Freilassung wurde international begrüßt. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bezeichnete die Freilassung Sotudehs als "positives Signal" und äußerte die Hoffnung, dass sie bald nach Straßburg kommen werde, um ihren Preis in Empfang zu nehmen. Die USA forderten Präsident Rohani auf, "weiter sein Versprechen an das iranische Volk einzuhalten". "Heute erneuern wir unsere Appelle an Iran, alle politischen Häftlinge aus den Kerkern freizulassen", sagte eine Sprecherin des US-Außenministeriums. Auch William Hague, britischer Außenminister, forderte weitere Verbesserungen im Bereich der Menschenrechte.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International begrüßte die "positive Entwicklung" und fordert diesen "ersten Schritt" fortzusetzen und alle politischen Gefangenen freizulassen. Andernfalls wäre die Freilassung von vierzehn Gefangenen nur ein guter Trick, der im Vorfeld von Rohanis Reise nach New York für gute Stimmung sorgen solle.

Der Koordinationsrat der Grünen Bewegung Iran äußerte die Hoffnung, dass diese begrüßungswerte Geste ein Auftakt sei zur Freilassung aller Gefangenen, insbesondere der beiden Politiker Mir Hossein Mussavi und Mehdi Karrubi, die seit mehr als zwei Jahren unter Hausarrest stehen.

Sotudeh sagte in einem ersten Interview nach ihrer Freilassung der Kampagne für Menschenrechte in Iran: "Zunächst sagte man mir, man habe meinem Urlaubsgesuch zugestimmt, als ich aber aus dem Gefängnis herauskam, sagte man: du bist frei". Weiter sagte sie: "Wir wollen, dass alle freikommen". Vor allem forderte sie die Freilassung ihres Anwalts Abdolfatah Soltani, der zu dreizehn Jahren Gefängnis verurteilt worden war.

Am 23. September kamen weitere achtzig Gefangene frei. Mohssen Ejehii, Sprecher der Justiz, sagte der Agentur "Mehr" zufolge, achtzig Gefangene seien vom Revolutionsführer begnadigt worden. Einige Häftlinge seien bereits frei, andere würden bald freigelassen. Auf die Frage, ob demnächst weitere Freilassungen zu erwarten seien, sagte Ejehii, es gäbe zwei weitere Termine, aus deren Anlass man Begnadigungsgesuche einreichen könnte. Gemeint sind Festtage, die in diesem Jahr noch bevorstehen.

Auch für die gerade Begnadigten habe die Justiz eine Liste beim Revolutionsführer eingereicht, sagte Ejehii. Die meisten von ihnen seien Häftlinge, die bei den Unruhen von 2009 festgenommen worden seien.


CHAMENEI: BEI DER BEGEGNUNG MIT DEM WESTEN STÄRKE ZEIGEN

Kurz vor der Abreise des Präsidenten Hassan Rohani zur UN-Vollversammlung in New York gab Chamenei grünes Licht für Verhandlungen und Kompromisse. Am 17. September sagte Chamenei in einer Versammlung von Revolutionsgarden: "Ich bin nicht gegen diplomatische Verhandlungen, aber ich bin überzeugt von dem, was ich vor Jahren als ,heldenhafte Flexibilität' bezeichnet habe." Gemeint ist wohl die Bereitschaft zu Kompromissen, der Zusatz ,heldenhaft' scheint ein Versuch zu sein, das Ganze als einen revolutionären Akt darzustellen, vor allem für jene Massen, die Jahre lang für radikale Positionen mobilisiert wurden. Diplomaten seien wie Ringer, die aus taktischen Gründen gelegentlich heroische Flexibilität zeigen müssten, sagte der Revolutionsführer.

Eine Woche zuvor hatte Chamenei vor den Intrigen des Westens gewarnt. In einer Rede vor Freitagspredigern am 9. September sagte er, die Regierung, Politiker und Diplomaten sollten dem "komplizierten Verhalten des Westens und der scheinbaren Verteidigung der Menschenrechte mit einer realistischen Sicht" und im Rahmen der allgemeinen Auseinandersetzung zwischen dem Westen und dem Islam begegnen. Andernfalls würden sie die Taktiken und Machenschaften der Gegenseite falsch einschätzen. Diese Auseinandersetzung zwischen dem Westen und dem Islam bestehe seit Jahrhunderten, sagte Chamenei. In der Zeit des Kolonialismus habe der Westen seine politische, ökonomische und kulturelle Herrschaft den islamischen Ländern aufgezwungen. Gestützt auf seine technische und wissenschaftliche Dominanz habe er sich als Mittelpunkt der Welt dargestellt, ja sogar die Staaten nach eigenem Gutdünken geografisch eingeteilt. Begriffe wie Naher Mittlerer und Ferner Osten seien Erfindungen des Westens, sagte Chamenei.

Erst die Islamische Republik, die auf der Basis des Islam und unabhängig vom Westen entstand, habe der historisch aufgebauten Herrschaft des Westens einen harten Schlag versetzt, erklärte der Revolutionsführer. Die iranische Revolution habe in allen islamischen Ländern die Gläubigen aufgerüttelt und zu einer Vertiefung des Glaubens geführt. Dieser unaufhaltsame Prozess habe dem Westen große Sorgen bereitet und ihn dazu gezwungen, neue und kompliziertere Strategien und Pläne zur Unterwerfung der Länder auszuarbeiten.

Inzwischen sei der Westen im Wettbewerb mit dem Islam zurückgeblieben. In dieser Lage habe sich "das Erwachen des Islam" ereignet. (Gemeint sind die jüngsten Vorgänge in den arabischen Staaten). Man müsse die heutigen Ereignisse aus dieser Perspektive betrachten. Bei jeder Begegnung mit dem Westen müsse man Stärke zeigen. Nur so könne man die Lage richtig analysieren und entsprechend handeln.

Chamenei empfahl der Regierung, Politikern und Diplomaten, sich diese Sichtweise zu eigen zu machen, andernfalls begehe man Fehler und würde schwere Niederlagen hinnehmen müssen. Der Westen kenne kein Erbarmen, "ungeachtet des Geredes von Menschenrechten" bekämen sie (die westlichen Staaten) kein schlechtes Gewissen, wenn sie Millionen Menschen töten. Lügen und Scheinheiligkeit zählten zu den Eigenschaften westlicher Politiker. "Sie fühlen sich in Wahrheit ungestört, wenn sie in Hiroshima, im ersten und zweiten Weltkrieg, in Pakistan, in Afghanistan und im Irak Millionen Menschen umbringen. Daher müssen wir uns innerlich stärken und kraftvoll dem Westen gegenüber auftreten", sagte Chamenei.

Offensichtlich wollte Chamenei mit seinen wiederholten Äußerungen und Warnungen die neue Regierung, die einen neuen, versöhnlichen Kurs gegenüber dem Westen einschlagen möchte, bremsen. Er befürchtete, dass eine Annäherung an den Westen und damit eine stärkere Einflussnahme des Westens auf die Ereignisse in Iran den Bestand der Islamischen Republik gefährden würde.

In seiner Rede am 17. September bestritt Chamenei jegliche Absichten der Islamischen Republik, Atombomben zu bauen. Der Atomkonflikt sei nur ein Vorwand, um Iran anzugreifen, sagte der Revolutionsführer. "Wir lehnen Nuklearwaffen ab, nicht wegen der USA oder sonst jemandem, sondern weil es unsere Überzeugung ist. Niemand soll Nuklearwaffen besitzen." Mit diesen Äußerungen Chameneis konnte Rohani frei entscheiden, wen er in New York trifft und welche Positionen er einnimmt.


WIRBEL UM RAFSANDSCHANI

Am 1. September veröffentlichten iranische Medien eine Stellungnahme vom Ex-Präsident Haschemi Rafsandschani, die für viel Wirbel sorgte. Demnach soll Rafsandschani gesagt haben: "Die Syrer sind von ihrer eigenen Regierung mit chemischen Waffen angegriffen worden und nun müssen sie auch noch mit einem Angriff von außen rechnen." Diese Äußerung wurde von der Presseabteilung des Schlichtungsrats, dem Rafsandschani vorsitzt, dementiert.

Danach nahm die Sprecherin des Außenministeriums Stellung. Die Äußerungen Rafsandschanis seien entstellt worden, sagte Marzieh Afkham. Rafsandschani habe Syrien als "Bollwerk gegen den Zionismus" bezeichnet, "das nun unter dem Vorwand, chemische Waffen eingesetzt zu haben, militärisch angegriffen werden soll".

Dennoch veröffentlichten einige Webseiten den zitierten Satz im O-Ton. Demgegenüber veröffentlichte Rafsanschanis Internet-Portal Teile der Rede, in denen der Einsatz von chemischen Waffen überhaupt nicht erwähnt wird. Es steht nur: "In Syrien sind jetzt die Ohren auf das Geräusch der Bomben gespitzt, Hunderttausende sind bereits tot und acht Millionen auf der Flucht im In- und ins Ausland, viele befinden sich im Gefängnis und die Sportstadien werden als Gefängnisse verwendet."

Einige Tage zuvor hatte Naimeh Eschraghi, eine Enkelin Ayatollah Chomeinis, auf ihrer Facebook-Seite Rafsandschani mit den Worten zitiert: "Eine Regierung, die das eigene Volk mit chemischen Waffen bombardiert, wird schlimme Folgen zu spüren bekommen, so wie Saddam Hussein, der mit dem Einsatz von chemischen Waffen in Halabtscheh ein schändliches und schreckliches Ende fand." Diese Äußerung en Rafsandschanis seien ihr von Zuhörern einer Rede von ihm überbracht worden, sagte Eschraghi.

Nach tagelangem Schweigen meldete sich Rafsandschani persönlich zu Wort. "Einige iranische Blätter, die aus Eigennutz mit unseren Feinden kooperieren, haben kürzlich ein angebliches Zitat von mir verbreitet", sagte Rafsandschani. Dies sei ein Missbrauch u nd diene zum Vorwand, um neue Konflikte zu erzeugen.


SCHLAGABTAUSCH IN DER EXPERTENVERSAMMLUNG

Die Expertenversammlung, die mehrheitlich von Konservativen und Ultras besetzt ist, tagte zum ersten Mal mit Rohani als Präsidenten. Rohani selbst ist Mitglied des Expertenrats. Doch nun stand er als Präsident dem Gremium gegenüber und musste seine Politik erläutern.

Zu Beginn der Sitzung beglückwünschte der Ratsvorsitzende Mahdawi Kani Rohani zur Wahl. Er fügte hinzu: "Möglicherweise haben wir ihn nicht gewählt, aber er ist nun der Präsident aller Iraner." Dann sagte er weiter: "Genauso wie der Revolutionsführer akzeptieren auch wir ihn nicht absolut, unsere Unterstützung ist an gewisse Bedingungen geknüpft." Das Land sei mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Wer in dieser Situation Verantwortung übernehme, müsse mit diesen Problemen klarkommen, das heißt, er müsse sie bekämpfen.

Rohani trat sehr selbstbewusst auf und erteilte den Ultras eine klare Absage. "Die absolute Mehrheit des Volkes hat mich gewählt, weil ich mich entschieden gegen Extremismus, Gewalt, Instrumentalisierung der Religion und Slogans, deren Kosten dann das Volk bezahlen musste, ausgesprochen habe", sagte Rohani. Er sei für klare Worte, die Menschen müssten richtig informiert werden, es dürfe nichts vertuscht werden. Es sei zum Beispiel ein Fehler gewesen, die Sanktionen zu verharmlosen. Iran sei von Öleinnahmen abhängig. Diese seien drastisch zurückgegangen, was für die Bevölkerung eine hohe Belastung darstelle.

Im Bezug auf die Kritik an seiner Haltung zur Pressefreiheit erklärte Rohani: "Die Menschen haben nun mal Fragen und Zweifel, und man sollte ihnen die Möglichkeit geben, sie auch frei zu äußern." Dank Internet oder Satellitenfernsehen seien die Menschen weltweit miteinander verbunden. Man solle nicht so engstirnig sein und die Augen vor Realitäten verschließen.


AUßENMINISTERIUM ÜBERNIMMT VERHANDLUNGSFÜHRUNG IM ATOMKONFLIKT

Am 5. September gab die Presseabteilung des Staatspräsidenten eine Anordnung Rohanis bekannt, wonach ab sofort das Außenministerium für Verhandlungen mit der Staatengemeinschaft über den Atomkonflikt zuständig sein werde.

Sowohl in der Regierungszeit Mohammad Chatamis als auch in der Mahmud Ahmadinedschads lag die Verhandlungsführung beim Obersten Nationalen Sicherheitsrat, dessen Sekretär die Verhandlungen führte. Mitglieder des Rates sind der Staatspräsident, der auch dem Rat vorsitzt, der Parlamentspräsident, der Justizchef, der Oberkommandierende der Streitkräfte, der Verantwortliche für Planung und Staatshaushalt, zwei Beauftragte des Revolutionsführers sowie die Minister des Auswärtiges, des Innern und der Informationsminister. Alle Beschlüsse des Rats können erst nach der Zustimmung des Revolutionsführers in Kraft treten.

Rohani selbst war eine Zeit lang Sekretär im Nationalen Sicherheitsrat und damit Verhandlungsführer bei Atomverhandlungen.

Dass nun die Verhandlungsführung auf das Außenministerium übertragen wird, bedeutet nicht zuletzt, dass Rohani nicht dem Rat die Verhandlungen überlassen und damit seiner Regierung mehr Spielraum verschaffen will. Damit entzieht er, zumindest ein Stück, die Atomfrage dem Machtbereich des Revolutionsführers. Die nächsten Monate werden zeigen, ob dieser Schritt zu einem Machtzuwachs für die Regierung führen wird.

Mit der Übernahme der Verhandlungsführung durch das Außenministerium ist die Dienstzeit des bisherigen Verhandlungsführers Said Dschalili beendet. Michael Mann, Sprecher der außenpolitischen EU-Beauftragten Catherine Ashton, sagte der BBC, Ashton sei über den Wechsel informiert worden. Sie sei bereit, so bald wie möglich mit den Verhandlungen zu beginnen. Ashton führt im Auftrag der Gruppe 5+1 die Atomverhandlungen mit Iran.


EBTEKAR NEUE VIZEPRÄSIDENTIN

Am 10. September ernannte Präsident Rohani Masumeh Ebtekar zu seiner neuen Vizepräsidentin und Leiterin des Umweltamtes. Die 53-jährige Ebtekar, die dem Reformlager angehört, hatte acht Jahre lang unter Präsident Chatami denselben Posten innegehabt. Sie ist neben Elham Aminsadeh die zweite Frau, die Rohani in sein Team aufgenommen hat.

Ebtekar wurde 1979 als Sprecherin der Gruppe von Studenten, die amerikanische Botschaftsangehörige in Geiselhaft genommen hatten, öffentlich bekannt. Nach der Ära Chatami ließ sich Ebtekar in den Teheraner Stadtrat wählen.

Ihre Schulzeit verbrachte Ebtekar mit ihren Eltern in Philadelphia und Massachusetts. Ihr Studium im Fach Ökologie absolvierte sie bis zur Promotion in Teheran, danach nahm sie dort ihre Lehrtätigkeit auf. Sie spricht fließend Englisch. Eine Zeit lang war sie Chefredakteurin der englischen Ausgabe der Tageszeitung Kayhan. Für ihren Einsatz zur Verbesserung der Umwelt ehrte die UNO Ebtekar als "Heldin der Erde".

In einer Rede in der im Nordosten gelegenen Stadt Maschad übte Ebtekar scharfe Kritik an ihrem Vorgänger, der in den vergangenen acht Jahren der Umwelt in Iran großen Schaden zugefügt habe, sagte sie. Nach Einschätzung internationaler Umweltorganisationen gehöre Iran zu jenen Ländern, die in den kommenden drei Jahrzehnten die meisten Dürreperioden haben werden. Es seien keinerlei Präventivmaßnahmen getroffen worden. "Wir brauchen nachhaltiges Wachstum in der Industrie und Beschäftigung. Aber daneben dürfen wir nicht auf Maßnahmen verzichten, die zum Schutz der Umwelt nötig sind. Denn das Wachstum unserer Wirtschaft hängt stark vom Zustand der Natur ab. Unsere Wirtschaft ist hauptsächlich klassisch und wird gespeist von Erde und Wasser."


SCHAMCHANI NEUER SEKRETÄR IM NATIONALEN SICHERHEITSRAT

Am 10. September ernannte Präsident Rohani den früheren Verteidigungsminister zum Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats. Schamchani, der dem Reformlager angehört, war acht Jahre lang unter Präsident Chatami Verteidigungsminister. Er gehört zu den Gründern der Revolutionsgarden. Im iranisch-irakischen Krieg war er Oberkommandierender der Streitkräfte und der Revolutionsgarden, nach dem Krieg Oberkommandierender der Marine. Er löst nun Said Dschalili ab, den Chamenei zum neuen Mitglied des Schlichtungsrats ernannt hat.


KEINE EXMATRIKULATIONEN MEHR AN DEN UNIVERSITÄTEN

Dschafar Tofighi, kommissarischer Leiter des Wissenschaftsministeriums, sagte der in Teheran erscheinenden Tageszeitung Sargh am 31. August, es werde künftig keine Exmatrikulationen an den Universitäten geben, auch kein Zulassungsverbot für die Aufnahmeprüfungen.

In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Studenten aus politischen Gründen exmatrikuliert. Viele wurden zu den Aufnahmeprüfungen nicht zugelassen. Diese wurden durch einen Stern in ihrem Zeugnis kenntlich gemacht. Man nennt sie daher "Sternstudenten". Die "Sternstudenten" wurden zunächst Verhören ausgesetzt und danach mit Einschränkungen oder dem Verbot des Studiums bestraft.

Bereits im Wahlkampf hatte Rohani versprochen, im Falle seines Sieges dieses Problem aus der Welt zu schaffen. Nun sagte Tofighi, sollte einigen Studenten in vergangenen Jahren Unrecht widerfahren sein, hätten sie die Möglichkeit jetzt dagegen Beschwerde einzulegen. Sein Ministerium werde jeden Fall genau prüfen. Bereits jetzt hätten sich 60 Studenten gemeldet. Außerdem werden 70 Fälle, die dem Ministerium bekannt seien, überprüft. Auch einigen Professoren hätten wegen ihrer unrechtmäßigen Entlassung Beschwerde eingelegt, sagte Tofighi. Tatsächlich wurden in der Ära Ahmadinedschad, vor allem nach den Unruhen von 2009, zahlreiche Professoren und Lehrbeauftragte entlassen. Es handelte sich teilweise um Lehrkräfte, die sich mit der Grünen Bewegung (Protestbewegung gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads) solidarisiert hatten.

"Wir müssen an den Universitäten die ruhige Atmosphäre, die für Lehre und Forschung notwendig ist, wieder herstellen", sagte Tofighi. Gleichzeitig brauche die Universität eine "offene politische Atmosphäre", um einen gesunden Meinungsaustausch gewährleisten zu können. Die Universität müsse "frei und unabhängig sein, fähig, selbstständig Entscheidungen zu treffen" und unter den Lehrkräften und Studierenden Spaß, Freude und Zufriedenheit herstellen. Damit meine er nicht Chaos und Unordnung. Die bestehenden Gesetze und Regelungen reichten aus und gewährten genug Räume für studentische Aktivitäten, sagte Tofighi.


KRITIK AN UMGANG MIT BAHAIS

Der schiitische Geistliche Abdolhamid Masumi kritisierte den Umgang mit Anhängern der Bahai-Religion und forderte die Verantwortlichen auf, die Mörder an einem Bahai-Mitglied zu verfolgen und zu bestrafen. Das Mitglied der Bahai-Gemeinde, Ataollah Reswani, war am 24. August in der Stadt Bandar Abbas im Süden Irans von Unbekannten erschossen worden.

Wie die Webseite Masumis berichtete, hatte er am 5. September eine Gruppe von Bahais in seinem Büro empfangen. Der Geistliche gehört zu den Kritikern des Regimes und wurde mehrmals in Haft genommen. Er sagte, wenn die Mörder ungestraft davon kämen, werde es Nachahmer geben. "Wir müssen anerkennen, dass Iran nicht einer bestimmten religiösen oder ethnischen Gruppe gehört. Iran gehört allen Iranern. Es darf nicht sein, dass Bürgern aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Religion oder Ethnie die Grundrechte verweigert oder eingeschränkt" würden.

Masumi sagte, er hoffe, dass "eines Tages in unserem Land Frauen, Männer, Sunniten, Schiiten, Christen, Juden, Zoroastrier, ja sogar Atheisten gleiche Rechte haben und gleich behandelt werden."

Zurzeit befinden sich dutzende Bahais aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit in Haft.


AKTEN ZU MUSSAVI, RAHNAWARD UND KARRUBI AN SICHERHEITSRAT ÜBERGEBEN

Von nun an soll der Nationale Sicherheitsrat die Angelegenheit der Oppositionspolitiker Mir Hossein Mussavi, dessen Frau Sahra Rahnaward und Mehdi Karrubi behandeln. Wie die Webseite Saham News am 11. September berichtete, gab der Sohn Karrubis, Mohammad Taghi, bekannt, dass Revolutionsführer Ali Chamenei zugestimmt habe, die Akten der beiden Politiker dem Nationalen Sicherheitsrat zu übergeben. Er sagte weiter, vor einigen Wochen habe Haschemi Rafsandschani Chamenei besucht und ihn gebeten, das Problem Mussavi-Karrubi, die sich mit Sahra Rahnaward seit über zweieinhalb Jahren unrechtmäßig im Hausarrest befinden, zu lösen. In diesem Zusammenhang wurde bekannt, dass Chamenei die Übergabe der Akten der Politiker an den Nationalen Sicherheitsrat angeordnet habe. Der Sohn Karrubis begrüßte die Übergabe, nicht zuletzt weil der neue Sekretär des Rats, Ali Schamchani, mit "seiner makellosen" Vergangenheit, dazu geeignet sei, dem unberechtigten Hausarrest ein Ende zu setzen, sagte er.

Saham News schreibt über der Ernennung Schamchanis, der dem Lager der Reformer angehört, er gehörte zu jenen, die in den vier Jahren seit den Unruhen von 2009 trotz allen Drucks seitens radikaler Kräfte den Weg, den Mussavi und Karrubi eingeschlagen hätten, nicht verlassen habe. Tatsächlich hatte sich Schamchani geweigert, die offizielle Bezeichnung für die Grüne Bewegung als "eine Gruppe von Verschwörern" zu akzeptieren.


BÜRGERMEISTER GHALIBAF IM AMT BESTÄTIGT

Der Teheraner Bürgermeister Mohammad Bagher Ghalibaf hat im zweiten Wahlgang mit 16 zu 15 Stimmen seinen Konkurrenten Mohssen Haschemi, Sohn des Ex-Präsidenten Haschemi Rafsandschani, besiegt. Im ersten Wahlgang hatten die 31 Mitglieder des Stadtrats mit jeweils 15 Stimmen bei einer Enthaltung gleichgezogen. Die Wahl am 8. September war eine Wahl zwischen den Reformern und den Konservativen. Dass am Ende der Konservative Ghalibaf siegte, lag daran, dass Elaheh Rastgu, die zum Lager der Reformer gehört und sich im ersten Wahlgang enthalten hatte, im zweiten Wahlgang für Ghalibaf stimmte. Dieses Wahlverhalten löste bei der Fraktion den Reformern große Empörung aus. Am 10. September wurde ihre Mitgliedschaft in der Fraktion bzw. in der Partei aufgehoben.

Ghalibaf, der nun zum dritten Mal zum Bürgermeister gewählt wurde, hatte im Juni dieses Jahres für das Amt des Präsidenten kandidiert. Zwar wurde er unter den Kandidaten zweiter, lag jedoch mit 16 Prozent der Stimmen weit hinter Rohani, der mit absoluter Mehrheit von 51 Prozent als Sieger hervorging.

Haschemi war 13 Jahre lang Chef der Teheraner U-Bahn. Vor drei Jahren gab er seine Position auf, weil er nach eigenen Angaben weder von der Regierung noch von der Stadt Teheran Unterstützung für die Erweiterung des U-Bahn-Netzes erhielt.


HACKERANGRIFF AUF SARIFS FACEBOOK-SEITE

Iranische Medien berichteten am 14. September, dass die Facebook-Seite des Außenministers Mohammad Dschawad Sarif von Hackern angegriffen wurde. Auch andere hochrangige Politiker hatten sich in den letzten Tagen über Angriffe beschwert. Sarif reagierte auf den Angriff mit einer Warnung und schrieb: "Leider wurde meine Facebook-Seite von Hackern angegriffen. Sollten sich diese illegalen Handlungen fortsetzen, werde ich diese Form der Kommunikation mit Bedauern einstellen."

Wie die von den Hackern hinterlassenen Kommentare lauteten, wurde nicht bekannt gegeben. Am 15. September kritisierte Irans Polizeichef Esmail Ahmadi Moghaddam laut Medienberichten Politiker, die soziale Netze benutzen. "Leider benutzen manche Minister diese Netzwerke für Kontakte mit dem Ausland, doch dafür gibt es im Land keine rechtliche Basis", sagte der Polizeichef. Die Sozialnetze würden weiter blockiert bleiben.

Wie es scheint, versuchen nicht nur Hacker die Kommunikation der iranischen Regierungsmitglieder in den sozialen Netzen zu verhindern, sondern auch Israel. Wie die Internetseite Tabnak am 18. September berichtete, hatte die israelische Zeitung Jerusalem Post gemeldet, Shurat HaDin, Israel Law Center, habe Facebook gewarnt, sollte es die Nutzung des Netzwerks durch fünfzehn iranische Minister nicht boykottieren, werde das Center Facebook anklagen. Die Sanktionen der USA gegen Iran verbieten nach Auffassung des Centers auch die Nutzung der sozialen Netwerke durch die iranische Regierung.


FACEBOOK UND TWITTER FÜR 24 STUNDEN FREI

Überraschend konnten Iraner am 16. September ohne Probleme Facebook und Twitter benutzen. Westliche Medien, darunter die Agentur Reuters sowie die New York Times, berichteten unter Berufung auf ihre Mitarbeiter, dass die seit Jahren bestehende Sperrung der Sozialnetze aufgehoben worden sei. Sie äußerten die Vermutung, dass dies ein Zeichen für eine neue Medienpolitik der neuen Regierung sein könnte.

Demgegenüber zitierte die Agentur "Mehr" am 17. September den zuständigen Chef der Behörde für die "Feststellung der strafbaren Inhalte im Internet", Abdolsamad Chorramabadi, "die Aufhebung der Blockierung am Vortag ist vermutlich auf einen technischen Fehler zurückzuführen." Die Angelegenheit werde nun von Technikern untersucht. "Ob es Absicht war, was wir nicht hoffen wollen, oder ein Versehen", in jedem Fall würden Internetnutzer für die Inhalte ihrer Dienste zur Verantwortung gezogen.

Thomas Erdbrink, der zuständige Redakteur für Iran bei der New York Times, schrieb auf seiner Webseite: "Die Gerüchte haben sich bewahrheitet, das ist mein erster Tweet, den ich im staatlich kontrollierten Internet frei senden kann." In einer anderen Notiz schrieb er: "Gegrüßt seien alle Menschen auf der Welt. Wir twittern ganz frei aus Iran. Stürzt die Berliner Internetmauer in Iran?" Und in einem Zeitungsbericht für die New York Times schrieb Erdbrink: "Die Internetnutzer in Iran fühlen sich an diesem Tag wie damals die Berliner als die Mauer fiel und sie frei von Ost nach West fahren konnten. Es war wie der Sturz einer digitalen Mauer."

Doch die Iraner durften nur 24 Stunden den Hauch der Kommunikationsfreiheit im Netz spüren. Zahlreiche Nutzer bestätigten, dass die Netzwerke wieder gesperrt worden seien. Offiziell gab es dazu keine Stellungnahme.


DSCHANNATI: ZENSUR WIRD DOCH NICHT AUFGEHOBEN

Der Minister für Kultur und islamische Führung, Ali Dschannati, erklärte entgegen seiner jüngsten Äußerung, die Zensur vor der Veröffentlichung von Büchern werde doch nicht aufgehoben. Vor drei Wochen hatte er angekündigt, die Zensur vor der Veröffentlichung aufzuheben und sie den Verlegern zu überlassen.

"Wir können die Zensur nicht aufheben, denn sie gehört zu den Grundsätzen des Systems", sagte Dschannati vor Journalisten. "Wir wollten sie aufheben, aber nach Beratung mit Experten und Verlegern wurde klar, dass es nicht möglich ist."

Es müsse dafür gesorgt werden, dass eingereichte Manuskripte so rasch wie möglich von der Zensurbehörde überprüft werden, damit die Verleger und Autoren nicht so lange auf die Freigabe warten müssen, sagte der Minister.


HAUS DES KINOS WIEDER OFFEN

Am 14. September wurde das Haus des Kinos, das von der Vorgängerregierung geschlossen worden war, durch den Vizeminister und Zuständigen für den iranischen Film im Kultusministerium, Hodschatollah Ayubi, wieder eröffnet. Sowohl der abgesetzte Vorstand als auch zahlreiche Prominente des iranischen Films waren bei der Eröffnung anwesend. Im Haus des Kinos war der Verband der Filmproduzenten, Regisseure und Schauspieler untergebracht. Der Verband hatte über Jahre trotz Repressionen seine Selbständigkeit bewahrt, bis dessen Schließung von der alten Regierung angeordnet wurde. Die Wiedereröffnung löste große Freunde bei allen Mitgliedern und Freunde des iranischen Films aus und wurde begrüßt und gefeiert.

Bei der Eröffnung sagte Ayubi: "Wir habe eine Ordnung der Islamischen Republik und ein Haus des Kinos." Die Probleme, die das Haus in den vergangenen zwei, drei Jahren hatte, hätten mit den Werten der iranischen Revolution nichts zu tun. Doch einige hätten die internen Problemen des Verbands als Probleme des Staates dargestellt.

"Ich möchte betonen, dass das Haus des Kinos nicht aufgelöst, sondern auf Anordnung des Kulturministeriums lediglich vorübergehend geschlossen wurde. Wenn eine Institution amtlich registriert ist, kann das Ministerium sie nicht auflösen", sagte Ayubi. Die neue Regierung wolle erklärtermaßen so weit wie möglich die Verantwortung auf regierungsunabhängige Organisationen und Verbände übertragen. Auch aus diesem Grund gewinne die Wiederinbetriebnahme des Hauses des Kinos eine besondere Bedeutung. Und wenn die Regierung das Haus finanziell unterstütze, bedeute dies nicht, dass es nun verstaatlich sei.

Auf die Frage, ob das Ministerium an der geplanten Anzeige gegen den Film "Argo" und am Auftrag an die französische Anwältin, die den Fall übernehmen sollte, festhalte, sagte Ayub: "Leider kenne ich die Frau ganz gut. Daher würden wir, selbst wenn wir einen schriftlichen Vertrag mit ihr hätten, diesen auflösen. Sie kassiert immer wieder Geld und fliegt wieder weg." Es gäbe einige Rechtsanwälte in Europa, die als "Anwalt des Teufels" bezeichnet würden. Sie übernehmen Fälle, die niemand zu übernehmen bereit sei. Er halte diese Frau der Islamischen Republik für unwürdig. "Im Übrigen hat eine Klage gegen "Argo" keinen Sinn. Nehmen wir an, ein französisches Gericht würde den Film verurteilen. Was hätten wir davon?" Auf die Frage, ob Dschafar Panahi wieder arbeiten dürfe, gab Ayub keine klare Antwort. "Zwingen Sie mich nicht in die Position des Richters", sagte er. Der international bekannte Filmemacher Dschafar Panahi war zu fünfjähriger Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt worden, weil er einen Film über die Unruhen von 2009 drehen wollte.

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WIRTSCHAFT

• Atomkonflikt
• Scharfe Kritik an Internationaler Atombehörde
• Überprüfung aller Ölverträge
• EU-Gericht hebt Sanktionen gegen mehrere Firmen auf
• Facebook-Mitgliedschaft für Politiker wird überprüft
• Iran übernimmt Atommeiler in Bushehr


ATOMKONFLIKT

Am 26. September fanden die ersten Atomgespräche nach der Übernahme der Regierung durch Präsident Hassan Rohani am Rande der UN-Vollversammlung in New York statt. Da es sich um ein erstes Sondierungsgespräch handelte, erwartete niemand handfeste Ergebnisse. Wichtig war zunächst, dass die Gespräche überhaupt wieder aufgenommen wurden und vielleicht noch mehr, dass dieses Gespräch auf Außenministerebene stattfand und dass bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal nach Jahrzehnten die USA und Iran auf dieser Ebene miteinander Gespräche führten. John Kerry und Mohammad Dschawad Sarif trafen sich vor der gemeinsamen Sitzung mit der Gruppe 5+1 zu einem Gespräch unter vier Augen. Das Gespräch dauerte eine halbe Stunde. Über den Inhalt ist nichts Genaues bekannt.

EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, die die 5+1-Gruppe (die fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat plus Deutschland) führt, äußerte sich nach der Sitzung positiv und gab bekannt, dass ein neuer Termin für den 15. und 16. Oktober in Genf vereinbar worden sei. Kerry sprach von einem "konstruktiven" Gespräch. Er sagte: "Wir alle freuen uns, dass Herr Sarif an dieser Sitzung teilgenommen hat und Positionen vertreten hat, die sich sowohl im Ton als auch in der Sichtweise von früheren Stellungnahmen der Vertreter Irans stark unterschieden." Es sei vereinbart worden, diesen Weg fortzusetzen, um Antworten auf die Fragen der 5+1-Gruppe zu erhalten. Es erübrige sich, darauf hinzuweisen, dass der neue Ton noch keine Antwort auf die anstehenden Fragen liefere. "Wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns, wir werden die Arbeit fortsetzen", erklärte Kerry.

Auch Sarif bezeichnete das Gespräch als "substanziell und sehr konstruktiv" und sagte: "Wir wollten die Staatengemeinschaft davon überzeugen, dass das iranische Atomprogramm friedlich ist." Es sei vereinbart worden die Gespräche zeitlich zu begrenzen. Die Sanktionen bezeichnete Sarif als destruktiv. Insbesondere die einseitigen US-Sanktionen müssten kurzfristig aufgehoben werden. Präsident Rohani hatte von drei bis sechs Monaten gesprochen.

Der britische Außenminister William Hague erklärte nach der Sitzung, der Ton Irans habe sich stark geändert. Es sei ein "guter Anfang" gewesen, aber es sei noch zu früh, um das Gespräch als einen großen Fortschritt zu bezeichnen. "Jetzt ist die Zeit gekommen, um sich mit Details zu beschäftigen", sagte Hague.

In einem Interview mit dem US-Sender CBS stellte Kerry den raschen Abbau von Sanktionen in Aussicht, falls Iran zur vollen Zusammenarbeit bereit wäre und etwa die Kontrolle der Anlage in Fordo erlauben würde. In diesem Fall könnten die Sanktionen innerhalb weniger Monate gelockert werden. Auf die Frage, ob er sich wie Rohani vorstellen könne, innerhalb von drei bis sechs Monaten eine Einigung zu erzielen, sagte Kerry: "Natürlich, das ist möglich". Er fügte allerdings hinzu: "Die Vereinigten Staaten werden nicht die Sanktionen aufheben, bis klar ist, dass ein sehr überprüfbarer, rechenschaftspflichtiger, transparenter Prozess läuft, bei dem wir genau wissen, was Iran mit seinem Programm machen wird."

Israel kritisierte wie erwartet die Position der USA. Der Minister für Zivilverteidigung, Gilad Erdan, sagte am 27. September der Jerusalem Post: "Jetzt, da die Sanktionen Iran zu treffen scheinen, ist der Augenblick gekommen, sie zu verstärken und sich nicht zu einer Abschwächung hinreißen zu lassen."


SCHARFE KRITIK AN INTERNATIONALER ATOMBEHÖRDE

Im Vorfeld neuer Verhandlungen mit der Internationalen Atombehörde (IAEA) hat Iran die Behörde, insbesondere deren Chef Yokia Amano scharf kritisiert. Die IAEA hat auf Wunsch Irans auf ihrer Webseite ein Schreiben der ständigen Vertretung Irans vom 12. September veröffentlicht. Gegenstand der Kritik ist der letzte Bericht der Behörde, in dem nach Meinung Irans unhaltbare Behauptungen aufgestellt worden seien. Amano hatte in dem Bericht die Sorge seiner Behörde angesichts möglicher Verbindungen des iranischen Atomprogramms mit Nuklearwaffen zum Ausdruck gebracht und Iran zur Zusammenarbeit und Transparenz aufgefordert. Iran warf ihm vor, einen "unprofessionellen, einseitigen, juristisch unhaltbaren und politische tendenziösen Bericht" verfasst zu haben. Der Bericht stütze sich auf "dubiose und konstruierte Informationen" sowie auf Informationen westlicher Geheimdienste, die "offensichtlich" Iran gegenüber feindlich eingestellt seien.

Am 27. September begann die erste Runde der Gespräche zwischen Iran und der IAEA. Details über den Inhalt wurden nicht bekannt gegeben. Beiden Seiten bezeichneten das Treffen als "sehr konstruktiv". Man habe ein nächstes Treffen für den 28. Oktober vereinbart.


ÜBERPRÜFUNG ALLER ÖLVERTRÄGE

Laut einem Bericht der Agentur ISNA vom 2. September hat der neue Ölminister Bijan Zangeneh die Überprüfung aller Verträge mit in- und ausländischen Unternehmen angeordnet. Dies sagte der Leiter der Planungsabteilung Abdolmohammad Delparisch. Ziel der Überprüfung sei, ausländische Unternehmen zu mehr Investitionen in Iran zu ermuntern. "Zurzeit sind wir bei der Überprüfung von Bi-Verträgen in der Ölindustrie. Die Priorität liegt nicht bei der Beteiligung an der Produktion", sagte Delparisch.

Die Sanktionen haben einen drastischen Rückgang in der iranischen Ölproduktion verursacht. Der Kauf von iranischem Öl ebenso wie Investitionen in die Gas- und Ölindustrie haben stark abgenommen. Die neue Regierung ist bemüht, mit der Gewinnung ausländischer Investoren den Schaden zu reduzieren und damit die gegenwärtige Krise zu überwinden.


EU-GERICHT HEBT SANKTIONEN GEGEN MEHRERE FIRMEN AUF

Am 6. September kippte der Europäische Gerichtshof einige von der Europäischen Union beschlossenen Sanktionen gegen Iran. Das Gericht in Luxemburg befand das Einfrieren der Guthaben auf europäische Banken von sieben Firmen und einer Person für unzulässig. Es handelt sich um das Guthaben der Post Bank Iran, Iran Insurance Company, Good Luck Shipping, Aktiengesellschaft der Ingenieure zum Bau von Meereseinrichtungen, Bank zum Wohle der Arbeiter und die Export Development Bank of Iran. Diesen Unternehmen hatte die EU unterstellt, das iranische Atomprogramm unterstützt zu haben. Das Gericht hielt die Beweise für diese Unterstellung für nicht ausreichend. Bei anderen Unternehmen, die das Gericht nicht namentlich aufgeführt hat, seien der EU Beurteilungsfehler unterlaufen, urteilte das Gericht.

Auch Nasser Bateni, ehemaliger Leiter des Schiffstransports, der vor zwei Jahren auf die Sanktionsliste gesetzt worden war, konnte für sich einen Erfolg verbuchen. Dem Urteil des Gerichts zufolge muss sein Guthaben freigegeben werden.

Demgegenüber bezeichneten die Richter das Einfrieren der Guthaben der Bank Melli und der Europäisch-Iranischen Handelsbank für gerechtfertigt. Die EU kann das Urteil innerhalb von zwei Monaten anfechten. Erst nach Ablauf dieser Frist müssen die Sanktionen aufgehoben werden.

Am 16. September wurden vom Europäischen Gerichtshof erneut Sanktionen gegen die iranische Schifffahrt aufgehoben. 17 Schifffahrtsgesellschaften dürfen wieder ihre Aktivitäten aufnehmen. Mohammad Hossein Nadschmar, Vorstandsmitglied des Verbands iranischer Schifffahrtsgesellschaften, sagte: "Wir haben uns gegen die einseitigen und grundlosen Sanktionen gewehrt, haben einen erfahrenen Anwalt genommen und nach monatelangen Sitzungen und Überprüfungen erreicht, dass der Europäische Gerichtshof schließlich am 16. September die Sanktionen für illegal erklärt hat." Mit diesem großen Erfolg wurde das Recht der iranischen Schifffahrt auf Aktivitäten bestätigt. Das Gericht stellte fest, dass die Sanktionen gegen Iran grundlos gewesen seien.


FACEBOOK-MITGLIEDSCHAFT FÜR POLITIKER WIRD ÜBERPRÜFT

Elham Aminsadeh, Vizepräsidentin für juristische Angelegenheiten, sagte mit Blick auf die offizielle Blockierung der meisten Sozialnetze im Internet oder deren Nutzungseinschränkung in einem Gespräch mit der Agentur Fars am 6. September, die entsprechenden Gesetze und Bestimmungen, insbesondere jene, die die Mitgliedschaft der Politiker betreffen, würden überprüft.

Unter den Mitgliedern des Kabinetts sind nicht wenige, die Facebook bzw. Twitter für ihre Botschaften oder Diskussionen nutzen. Darunter Außenminister Sarif: www.facebook.com/jzarif, Vizepräsident Dschahangir: www.facebook.com/eshaghJahangiri, und die Sprecherin des Außenministeriums Afkham: www.facebook.com/MarziehAfkham. Afkham schrieb, mit Erlaubnis des Ministers habe sie diese Seite eröffnet. Selbst Revolutionsführer Ali Chamenei führt, wie bekannt wurde, seit einigen Monaten eine Seite auf Facebook.

Sowohl Facebook als auch Twitter wurden nach den Unruhen von 2009 blockiert. Zwar ist die Nutzung dieser Sozialnetze nicht ausdrücklich verboten, aber um sie zu erreichen, muss man einen geschlossenen Datentunnel wie VPN (Virtual Private Networks) benutzen, der aber ist verboten. Doch rund 20 Millionen Nutzer ignorieren das Verbot.

Die Behörden bezeichnen die sozialen Netze als "Instrumente für den sanften Krieg" gegen die Islamische Republik. Der Chef der Polizei, Esmail Ahmadi Moghaddam, sagte, die sozialen Netze wie Facebook und Twitter seien "Instrumente der verstreuten Unzufriedenen, Verbrecher und ausländischer Geheimdienste". Rohani hatte im Wahlkampf die Aufhebung der Blockierung der Netze gefordert.


IRAN ÜBERNIMMT ATOMMEILER IN BUSHEHR

Der Chef der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, erklärte am 22. September: "Morgen findet die offizielle Übergabe des Atomkraftwerks in Bushehr an Iran statt." Wie er weiter erläuterte, wird diese "vorläufige Übergabe" zwei Jahre dauern. Während dieser Garantiezeit blieben weiterhin russische Berater und Experten im Land. Erst danach werde die vollständige Übergabe erfolgen, sagte Salehi. Allerdings liege die Nutzung bereits jetzt vollständig in iranischer Hand.

Salehi sagte, die Verhandlungen mit Russland über den Bau eines zweiten Kraftwerks machten Fortschritte. Man werde demnächst mit dem Bau beginnen.

Am 23. September fand die Zeremonie in Anwesenheit der Repräsentanten beider Länder in Bushehr statt. Das Kraftwerk hat eine Kapazität von 1000 Megawatt und ist der einzige Meiler, den Iran besitzt. Der Bau des Kraftwerks, den Siemens übernommen hatte, begann in den siebziger Jahren. Nach der Revolution gab es eine lange Unterbrechung. Später setzten die Russen den Bau fort. Nach langen Verzögerungen konnte der Meiler erst 2011 in Betrieb genommen werden. Auch danach gab es immer wieder Probleme. Das Kraftwerk war Ziel von Cyber-Attacken, hinter denen die USA und Israel vermutet wurden. Auch aus diesem Grund musste es zweimal außer Betrieb gesetzt werden.

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AUSSENPOLITIK

• Rohani auf der UN-Vollversammlung
• Obamas Rede
• Glückwünsche für das jüdische Neujahr
• Obamas Schreiben an Rohani
• Rohani kündigt Annäherung an Europa an
• Iran und Syrien
• 52 Tote bei Angriff auf Camp Aschraf im Irak
• Sechs Slowaken freigelassen
• Schweizer Diplomat zu Besuch in Teheran
• Rohanis Antwortschreiben an Gauck


ROHANI AUF DER UN-VOLLVERSAMMLUNG

Irans Präsident Hassan Rohani hielt am 24. September seine mit vielen Erwartungen verknüpfte Rede auf der UN-Vollversammlung. Zunächst widmete er sich der Beschreibung der Lage in der Welt und in der Region. "Unsere Welt ist erfüllt von Angst und Hoffnung, Angst vor Kriegen und regionalen und internationalen Feindseligkeiten, vor Ausbruch von tödlichen religiösen, ethnischen Konflikten, vor Extremismus, Armut, vor Unrecht, Vernichtung der natürlichen Quellen des Lebens, vor Mangel an Menschlichkeit und Moral", sagte Rohani. Diesen Ängsten gegenüber stehe die Hoffnung auf den Grundsatz: "Frieden und nicht Krieg".

Jeder Fehler könne großen Schaden bringen, nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Verursacher. Die aggressiven wirtschaftlichen und militärischen Aktivitäten zur Erhaltung der eigenen Dominanz und der Privilegien würden mit Begriffen umhüllt, die Kriege legitimierten, Stabilität und Sicherheit zerstören, Begriffe, die die Vielfalt der Gesellschaften ignorieren und versuchen westliche Werte der ganzen Welt aufzuzwingen.

"In dieser Atmosphäre entstehen staatliche und nichtstaatliche Aggressionen, religiöse und ethnische, ja sogar rassistische Konflikte" und es sei nicht sicher, dass auch die Großmächte nicht in diese Konflikte verwickelt werden würden. Man dürfe die Wirkung der aggressiven und extremistischen Sprache nicht unterschätzen, diese könnte sehr gefährlich werden und zu großen Konflikten führen.

Die international geläufige Darstellung des Nordens als Mittelpunkt und des Südens als Randgebiet der Welt verwandle Verhandlungen in Monologe. Die Grenzziehungen gegen Fremde, die Propagierung von Feindlichkeit gegen Religionen, gegen den Islam, die Erzeugung von Ängsten gegen Schiiten, gegen Iran bedrohen die Stabilität und Sicherheit der Gesellschaften.

Diese Propagandafeldzüge, verbunden mit tatsächlichen oder vermeintlichen Drohungen hätten in den vergangenen drei Jahrzehnten zu unglaublichen Handlungen und Verbrechen geführt. Die Aufrüstung Saddam Husseins mit chemischen Waffen und die Unterstützung der Taliban seien Beispiele dafür. Es gäbe kaum eine Gegend auf der Erde, die wie Westasien und Nordafrika Aggressionen ausgesetzt gewesen seien. Der militärische Einmarsch in Afghanistan, der aufgezwungene Krieg Saddam Husseins gegen Iran, die Besetzung von Kuwait, die militärische Intervention in den Irak, die unaufhörlichen Aggressionen gegen das palästinensische Volk, die Terrorattentate gegen iranische Wissenschaftler und die Bombenlegungen in Staaten wie Irak, Afghanistan, Libanon seien Beispiele aus den vergangenen Jahrzehnten.

Die Aggressionen gegen Palästina seien strukturell, das Territorium der Palästinenser sei besetzt, die Rechte der Palästinenser würden auf eklatante Weise verletzt, sie könnten nicht heimkehren, jede Verbindung zu ihrer Heimat werde verhindert. Der Begriff Apartheid reiche nicht aus, um das, was den Palästinensern widerfahre, zu beschreiben.

"Die menschliche Katastrophe in Syrien ist ein weiteres tragisches Beispiel für die strukturelle Aggressivität in unserer Region" sagte Rohani. "Wir haben seit Beginn der Katastrophe, als manche regionale und internationale Akteure versucht haben mit der Lieferung von Waffen und Informationen zur Stärkung extremistischer Gruppen die Auseinandersetzungen zu militarisieren, erklärt, dass der Konflikt nicht militärisch zu lösen ist. Man kann nicht eine Änderung des Gleichgewichts in der Region erreichen, in dem man sich hinter menschenrechtlichen Begriffen versteckt. Das Ziel der internationalen Gemeinschaft kann nur die rasche Beendigung des Tötens unschuldiger Menschen sein. Wir verurteilen jede Art des Einsatzes von Chemiewaffen und begrüßen die Bereitschaft Syriens zur Annahme der Konvention zur Nichtverbreitung von Chemiewaffen. Wir sind davon überzeugt, dass solche Waffen in der Hand von Extremisten die größte Gefahr bilden, die der Region drohen. Gleichzeitig sind wir der Ansicht, dass die sinnlose Bedrohung oder der sinnlose Einsatz von Gewalt einzig der Verbreitung von Aggressionen und Krisen dienen kann."

Der Terrorismus und das Töten unschuldiger Menschen seien der Gipfel des Extremismus und der Gewalt. Der Terrorismus sei ein zerstörerischer Fluch, der sich rasch und Grenzen überschreitend verbreite. Zugleich seien auch Gewalteinsätze im Namen des Kampfes gegen den Terrorismus, wie der Einsatz von Drohnen, zu verurteilen. In diesem Zusammenhang sollten auch die Terroranschläge gegen die iranischen Atomwissenschaftler durch Verbrecher erwähnt werden. "Was hatten diese Wissenschaftler verbrochen, dass sie mit dem Tode bestraft wurden?" Die Vereinten Nationen sollten gefragt werden, ob sie die Terroristen verurteilt haben.

"Ungerechte Sanktionen, die angeblich zum Einhalt von Gewalt verhängt werden, richten sich grundsätzlich gegen Frieden und sind inhuman." Sie schaden, entgegen der Behauptung, nicht den Regierungen, sondern unbeteiligten Menschen, die Opfer politischer Abrechnung seien. "Vergessen wir nicht die Millionen Iraker, die durch Sanktionen, welche juristisch verpackt wurden, erhebliche Schäden zu tragen hatten oder getötet wurden. Noch muss ein erheblicher Teil von ihnen die Folgen ein Leben lang tragen. Diese Sanktionen sind aggressiv. ... Sie richten sich gegen die Menschenrechte, darunter gegen das Recht auf Frieden, auf Entwicklung, auf medizinische Versorgung, auf Bildung und allen voran gegen das Recht auf Leben."

Die Menschen seien der Kriege, Aggressionen und des Extremismus überdrüssig. Das biete eine einmalige Chance. Sie wollen eine Veränderung des gegenwärtigen Zustands. Die Islamische Republik sei der Überzeugung, dass mit Hoffnung im Einklang mit Mäßigung sich alle Probleme sich lösen ließen. Die Hoffnung gehöre für alle Menschen zu den größten Gaben Gottes. Und Mäßigung bedeute kluges Vorgehen, unter Berücksichtigung der Zeit und des Ortes. Sie werde getragen von wirksamen Ideen unter Berücksichtigung der Realitäten.

Frieden und Demokratie, die Wahrnehmung der berechtigten Interessen der Staaten in der Welt sowie in der Region ließen sich nicht mit Militarismus realisieren. Iran sei bestrebt, Probleme zu lösen und nicht zusätzliche zu erzeugen. Es gäbe kein Problem, das sich nicht durch Hoffnung und Mäßigung, gegenseitige Akzeptanz und Achtung bzw. durch Verzicht auf Aggressionen und Extremismus lösen ließe. "Lassen Sie mich auf das iranische Atomprogramm zu sprechen kommen. Die Akzeptanz des natürlichen juristischen und verbrieften Rechts Irans ist der einfachste Weg zur Lösung des Problems. Das ist keine politische Parole. Sie basiert auf der Kenntnis von der technologischen Entwicklung in Iran, der internationalen Lage und der sinnlosen Nullsummenspiele, die die Suche nach gemeinsamen Zielen und Interessen mit dem Ziel einer gegenseitig akzeptierten Vereinbarung notwendig machen. Mit anderen Worten, Iran und die Gegenseite sollten folgende zwei gemeinsame Ziele als untrennbare Voraussetzungen für eine politische Lösung des iranischen Atomkonflikts anstreben:

"Das iranische Atomprogramm wie das aller Länder muss friedlich sein. Ich betone hier ausdrücklich, dass dies schon immer das Ziel der Islamischen Republik gewesen ist und auch in Zukunft sein wird. Nuklearwaffen und Massenvernichtungswaffen haben noch nie zur Doktrin der iranischen Verteidigung gehört. Zudem stehen diese Waffen im Widerspruch zu unserer religiösen und moralischen Überzeugung. Unsere nationalen Interessen verlangen, dass wir jede begründete Sorge um das iranische Atomprogramm aus dem Weg räumen."

"Die Akzeptierung der Urananreicherung und der Nukleartechnologie auf iranischem Territorium bildet die Garantie für das erste Ziel. Die Nukleartechnologie ist in Iran heimisch geworden und die Urananreicherung hat den Stand der Massenproduktion erreicht. Daher ist es ein Irrglaube, durch Verhinderung des iranischen Atomprogramms und illegale Gewaltausübung den Frieden erreichen zu können."

"Die Islamische Republik ist, ausgehend von der Akzeptanz seiner nationalen Rechte, bereit, ohne Verzögerung zur gegenseitigen Vertrauensbildung, Beseitigung von Missverständnissen auf beiden Seiten und Transparenz Verhandlung aufzunehmen. Iran ist bestrebt auf der Grundlage der gegenseitigen Akzeptanz und gemeinsamer Interessen mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten. Das ist der Rahmen, der auch für die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten gilt. Ich habe heute die Äußerungen von Präsident Obama aufmerksam verfolgt. Sollte die Führung der USA den politischen Willen dazu aufbringen und sich nicht von den Interessen kriegstreibender Gruppen leiten lassen, ließe sich der Rahmen für die Lösung der Konflikte organisieren, ein Rahmen, in dem Gleichberechtigung, gegenseitige Achtung und Anerkennung und international verankerte Rechte akzeptiert werden. Wir erwarten, dass wir aus den USA eine einheitliche Stimme hören."

"In diesen Jahren war ständig die Äußerung zu hören: 'die militärische Option liegt auf dem Tisch'. Lassen Sie mich heute gegen diese unwirksame und illegale Äußerung sagen: ,Der Frieden ist greifbar'. Also schlage ich im Namen der Islamischen Republik vor, das Projekt ,Die Welt gegen Aggression und Extremismus" auf die Tagesordnung der Vereinten Nationen zu setzen. Alle Staaten und internationale Organisationen sind gefordert, neue Aktivitäten in diese Richtung zu initiieren. Wir sollten statt über "Koalitionen für den Krieg" in allen Teilen der Welt über "Koalitionen für den dauerhaften Frieden" nachdenken. Wir sollten es akzeptieren und imstande sein hier und jetzt neue Horizonte zu öffnen zu einer Welt, in der statt Krieg Frieden, statt Aggressionen Toleranz, statt Blutvergießen Entwicklung, statt Ungerechtigkeit Gerechtigkeit, statt Armut Wohlstand, satt Diktatur Freiheit herrschen. Der berühmte iranische Dichter Firdosi sagt: Versucht das Gute zu verbreiten und wenn ihr Kälte spürt, den Frühling zu bringen."


OBAMAS REDE

US-Präsident Barack Obama, der wenige Stunden vor Rohani auf der UN-Vollversammlung seine Rede hielt, schien bestrebt, sich auf eine diplomatische Lösung des iranischen Atomkonflikts konzentrieren zu wollen. "Der Pfad der Diplomatie muss ausgetestet werden", sagte er. Er habe seinen Außenminister John Kerry gebeten, an den 5+1-Verhandlungen teilzunehmen und gemeinsam mit Teheran einen Kompromiss zu suchen. Er begrüßte den neuen Kurs der iranischen Regierung und sagte, er sei ermutigt durch das moderate Vorgehen von Präsident Rohani. Er betonte allerdings: "besänftigenden Worten müssen Taten folgen, die transparent und verifizierbar sind".

Auffallend an Obamas Rede war, dass er weder mit Sanktionsverschärfungen noch mit Krieg drohte. Er unterstrich, dass er das Recht Irans zur friedlichen Nutzung der Atomenergie anerkenne und erklärte sich bereit zu direkten Verhandlungen mit Iran.

Sowohl Obama als auch Rohani scheinen entschlossen, die Probleme, die zwischen den USA und Iran im Laufe von Jahrzehnten entstanden sind, Schritt für Schritt zu lösen. Aber beide sind mit Widerständen im Innern konfrontiert und müssen darauf Rücksicht nehmen. Im Iran sind es die Ultras und die traditionell orientierten Konservativen, in den USA sind es einmal größere Teile der Republikaner sowie eine Minderheit unter den Demokraten und auf der anderen Seite die jüdischen Lobbyisten. Am 23. September mahnten vier Senatoren, zwei Republikaner und zwei Demokraten, Obama zur Vorsicht. Einer von ihnen forderte sogar die Sanktionen gegen Iran zu verschärfen.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu übte scharfe Kritik an der Rede Rohanis auf der UN-Vollversammlung. "Wie erwartet war dies eine zynische und heuchlerische Rede" sagte er am 25. September. In Iran würden die Menschenrechte eklatant verletzt und in Syrien sei das Land am Abschlachten der Bevölkerung beteiligt. Zudem sei Iran in dutzenden Ländern an Terroranschläge beteiligt gewesen. "Rohanis Rede enthielt nicht einen einzigen echten Vorschlag, das Atomprogramm zu stoppen" und es habe auch keine Zusage gegeben, Resolutionen des Sicherheitsrats zu befolgen. Iran leugne auch den Holocaust und wolle Israel zerstören.

Iran begrüßte die Rede Obamas, den "gemäßigten und respektvollen Ton". Doch noch wichtiger als der Ton seien die Taten, sagte Vizeaußenminister Mortesa Samadi. Sollte die Welt das Recht Irans auf friedliche Nutzung der Atomenergie anerkennen "ist eine Lösung vorstellbar, denke ich", sagte er der Nachrichtenagentur ISNA


GLÜCKWÜNSCHE FÜR DAS JÜDISCHE NEUJAHR

"Während die Sonne in Teheran untergeht wünsche ich allen Juden, insbesondere den iranischen Juden, glückbringende Helligkeit für das neue Jahr", schrieb Präsident Hassan Rohani auf seiner Twitter-Seite zum jüdischen Neujahr, das am Abend des 4. September begann. Die Botschaft Rohanis war mit dem Bild eines iranischen Juden beim Gebet versehen. Sie wurde in einigen israelischen und amerikanischen Blättern nachgedruckt. Man könne die Echtheit der Grußbotschaft nicht feststellen, hieß es in einigen Zeitungen. Doch Rohanis Büro habe die Nachricht nicht dementiert. Wäre sie aber nicht echt, hätte Iran bei so einer wichtigen Nachricht nicht geschwiegen. Die israelische Zeitung Haaretz schrieb, im Vergleich zu seinem Vorgänger Ahmadinedschad sei Rohani als gemäßigt bekannt. Auch habe er im Wahlkampf Ahmadinedschads verbale Attacken gegen den Holocaust als "überflüssiges Gerede" bezeichnet. In der Atompolitik habe er Transparenz versprochen, wolle jedoch an dem Atomprogramm festhalten. Und die Jerusalem Post schrieb, der Gleichschritt zwischen Obama und Rohani verkünde ein gutes Jahr: Obama habe bei seinem Schwedenbesuch am Neujahrstag eine Synagoge besucht und Rohani habe seine Glückwünsche geschickt.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Ruprecht Polenz, deutete in einer Stellungnahme gegenüber dpa die Geste Rohanis als mögliche Besserung des Verhältnisses zwischen Iran und Israel. "Ich würde es einen Schritt nennen, ein vorsichtiges Herantasten", sagte er am 6. September. Er halte es für klug, "wenn Israel jetzt auch versucht, auf die Signale aus Iran zu achten", sagte Polenz. Sonst nehme man Veränderungen nicht wahr und könne nicht angemessen reagieren.

Mindestens genauso wichtig wie Rohanis Botschaft wurde international eine Stellungnahme des Außenministers Mohammad Dschwad Sarif aufgenommen. Am 7. September schrieb Sarif auf seiner Twitter-Seite über den Holocaust und verurteilte das Verbrechen der Nationalsozialisten an den Juden. "Wir verurteilen das von den Nazis verübte Massaker an den Juden, und wir verurteilen das von Zionisten verübte Massaker an den Palästinensern", schrieb Sarif. Befragt zum Anlass dieser Stellungnahme sagte Sarif, er habe damit einer Frau, die sich als Tochter der obersten Demokratin im US-Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, bezeichnete, geantwortet. Sie hätte ihm, nachdem er den Juden zum neuen Jahr gratuliert hatte, geschrieben: "Vielen Dank, das neue Jahr wäre besser, wenn Sie die Leugnung des Holocaust durch Iran beenden würden, Sir." Er habe entgegnet, Iran habe nie den Holocaust geleugnet. Derjenige, der dies getan habe, "ist nun weg".

Während seines Aufenthalts in New York verurteilte Rohani in einem Interview mit dem Nachrichtensender CNN den Holocaust. "Jedes Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Geschichte, eingeschlossen das Verbrechen der Nazis an den Juden, ist verwerflich und verdammenswert" sagte Rohani. "Was auch immer sie den Juden angetan haben, wir verurteilen es. Die Tötung von Menschen ist verabscheuungswürdig", gleichgültig ob es sich dabei "um Christen, Juden oder Muslime" handle.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ließ sich von dem neuen Kurs der iranischen Regierung nicht beeindrucken und bezeichnete ihn als einen Versuch, von dem Atomprogramm abzulenken. In einer Erklärung, die am 7. September veröffentlicht wurde, forderte Netanjahu die Weltgemeinschaft auf, den Druck auf Iran zu verstärken. "Wir sollten uns nicht von einem Regime, das gerade in der letzten Woche Israel mit Vernichtung bedroht hat, beeindrucken lassen." Man müsse das iranische Regime nach seinen Taten und nicht nach den Glückwünschen beurteilen.

Netanjahu nahm vermutlich Bezug auf ein falsches Zitat aus einer Rede von Rohani, das am 2. August von internationalen Medien verbreitet wurde. Demnach soll Rohani am Al Ghods Tag Israel als eine "alte Wunde" bezeichnet haben, die ausgemerzt werden müsse. Dabei hatte Rohani gesagt, die Besetzung Palästinas und das Leid des palästinensischen Volkes sei eine "alte Wunde für die gesamte islamische Welt." Die Richtigstellung, die durch Videowiedergabe der Rede Rohanis belegt wurde, wollte Netanjahu wohl nicht zur Kenntnis nehmen.


OBAMAS SCHREIBEN AN ROHANI

Zum Auftakt eines dreitägigen Teheranbesuchs von Sultan Qabus, König von Oman, am 28. August gab es Spekulationen, der König habe möglicherweise ein Schreiben des US-Präsidenten Barack Obama im Gepäck. Das wurde weder in Teheran noch in Washington bestätigt, aber auch nicht dementiert. Nun behauptete die arabischsprachige Zeitung Al Hayat, Qabus habe tatsächlich ein Schreiben Obamas Rohani bei seinem Besuch in Teheran übergeben. Die Zeitung verfüge über eine Kopie des Schreibens.

Gründe für einen solchen Schritt Washingtons gäbe es schon. Der angekündigte Kurswechsel in der iranischen Außenpolitik sowie die wichtige Rolle, die Iran im Nahen und Mittleren Osten spielt, mache eine solche Gäste plausibel. Im Falle einer Annäherung Washingtons an Teheran könnte die Zusammenarbeit Irans mit den USA bei der Lösung der zahlreichen Probleme wie die in Afghanistan, Irak, Libanon und nicht zuletzt in Syrien für die USA nützlich sein.

Laut Al Hayat enthält das Schreiben von Obama vier Hauptpunkte: Die USA bringen ihre Anerkennung für das Wahlergebnis und den außenpolitischen Kurs der Islamischen Republik zum Ausdruck, sie sind bereit, die gegen Iran verhängten Sanktionen zu mildern, sie erwarten von Teheran klare Antworten auf Fragen zum iranischen Atomprogramm und sie erklären schließlich ihre Bereitschaft zu direkten Verhandlungen. Wie Al Hayat berichtete, hat Qabus das Schreiben Revolutionsführer Chamenei überreicht, der dies als eine Wende im Verhalten der USA gedeutet habe.

Zu den Ergebnissen des Schreibens, berichtet die Zeitung, gehöre die Bereitschaft der iranischen Regierung, am Rande der UN-Vollversammlung mit Vertretern der US-Regierung Gespräche zu führen, allerdings unter der Bedingung, dass sie positive Ergebnisse bringen würden.

Auch die Visite des iranischen Außenministers im Irak, das erste Land, das der neue Außenminister nach seiner Amtsübernahme besuchte, sieht Al Hayat in diesem Zusammenhang. Iraks Ministerpräsident Nuri Al Maleki hatte schon mehrmals versucht, zwischen Teheran und Washington zu vermitteln. Nun habe er dem US-Botschafter in Bagdad übermittelt, Iran sei bereit, in den Beziehungen zu den USA ein neues Kapitel aufzuschlagen. Maleki werde auch bei der UN-Vollversammlung in diesem Sinne tätig werden.

Am 15. September sagte Barack Obama in einem Interview mit dem Fernsehsender ABC, er habe mit Rohani Botschaften ausgetauscht, den Inhalt erwähnte er jedoch nicht. Iran könne potenziell zur Herstellung des Friedens in Syrien eine Rolle spielen. "Ich denke, Iran hat begriffen, dass das Atomproblem und die Gefahr, die ein nukleares Iran für Israel darstellt, für unsere Kerninteressen eine wesentlich größere Gefahr bildet. Der nukleare Wettkampf bedroht stark die Stabilität der Region", fügte Obama hinzu. Iran dürfe aus der bisherigen militärischen Zurückhaltung der USA nicht schließen, dass die USA Iran nicht angreifen würden. Er glaube, dass Iran spätestens nach den ernsthaften Sanktionen dies begriffen habe.

Verhandlungen mit Iran seien immer schwierig gewesen und er glaube nicht, dass der neue Präsident sie plötzlich leicht machen würde, sagte Obama weiter. "Aber ich denke , ernsthafter Druck und Gewaltandrohung gepaart mit ernsthaften diplomatischen Verhandlungen könnten zum Erfolg führen." Er betonte, dass er daran glaube und er werde seine Hoffnung nicht aufgeben.

Indes erklärte eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der USA, Bernadette Meehan, am 16. September laut dpa, dass Obama kein Treffen mit dem iranischen Präsidenten am Rande der UN-Vollversammlung in New York plane. "Wie wir gesagt haben, hoffen wir, dass diese neue iranische Regierung sich substanziell engagiert, um eine diplomatische Lösung zu erreichen, die den Besorgnissen der internationalen Gemeinschaft über Irans Atomprogramm Rechnung trägt", sagte Meehan. "Wir sind weiter zu Kontakten mit der Rohani-Regierung auf der Basis gegenseitigen Respekts bereit, um eine friedliche Lösung der nuklearen Frage zu erreichen." Tatsächlich kam es während Rohanis Aufenthalt in New York nicht zu dem Treffen, auf das viele doch gehofft hatten. Iran lehnte es ab, an einem Mittagessen, bei dem auch Obama anwesend war und zumindest ein Händeschütteln möglich gewesen wäre, teilzunehmen, unter dem Vorwand, dort würden alkoholische Getränke serviert. Kurz vor der Abreise Rohanis kam es zu einem Telefongespräch zwischen den beiden Präsidenten. "Die pure Tatsache, dass dies die erste Unterhaltung zwischen einem Präsidenten der USA und einem iranischen Präsidenten seit 1979 war, unterstreicht das tiefe Misstrauen zwischen unseren Ländern", sagte Obama. "Aber es zeigt auch die Aussicht, diese schwierige Geschichte hinter uns zu lassen." Noch gebe es "bedeutende Hindernisse" im Atomkonflikt. "Aber ich glaube, dass wir eine umfassende Lösung finden können."

Am 17. September sagte Obama in einem Interview mit dem spanischen Fernsehprogramm Tele Mondo, eine Wende, wie sie der iranische Präsident vollzieht, habe es bisher noch nicht gegeben. Er äußerte die Hoffnung, dass Iran diese diplomatische Chance wahrnimmt und zum eigenen Nutzen handelt.


ROHANI KÜNDIGT ANNÄHERUNG AN EUROPA AN

Laut der Nachrichtenagentur ISNA sendete Präsident Rohani am 9. September ein Schreiben an den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, in dem er ankündigte, ein besseres Verhältnis zu Europa herstellen zu wollen. "Eines der Hauptziele der neuen iranischen Außenpolitik ist, Missverständnissen ein Ende zu setzen und auf der Grundlage eines besseren Verständnisses eine neue politische Ära zu beginnen", schrieb Rohani. Das Schreiben war eine Antwort auf die Glückwünsche, die ihm Schulz zu seinem Amtsantritt geschickt hatte.


IRAN UND SYRIEN

Der Oberkommandierende der Revolutionsgarde (Pasdaran), General Mohammad Dschafari, sagte mit Blick auf einen möglichen Angriff der USA gegen Syrien einem Bericht der BBC vom 31. August zufolge, die Vorstellung der USA, einen militärischen Angriff zeitlich begrenzt durchzuführen, sei "illusionär". Er warnte die Staaten, die die USA bei ihrem Vorhaben unterstützen wollen. Sie würden sehr bald eine "Krise ihrer nationalen Sicherheit" erleben, sagte er. "Krieg und Mangel an Sicherheit sind nicht kontrollierbar", sagte Dschafari und warnte, die Verschärfung der Krise in Syrien könne auch für Israel Gefahren bringen.

Der Westen wirft den Pasdaran vor, die syrischen Streitkräfte zu unterstützen. Die libanesische Hisbollah, die ebenfalls von Iran unterstützt wird, ist nach eigenem Bekunden an den Auseinandersetzungen in Syrien aktiv beteiligt.

Iran hat sich neben Russland und China entschieden gegen eine militärische Intervention in Syrien ausgesprochen. Alle drei Staaten treten für eine diplomatische Lösung ein. Ihnen gegenüber stehen Saudi-Arabien, Katar und die Türkei, die unnachgiebig den Sturz Assads verlangen und die Rebellen auch mit Waffen unterstützen.

Irans Botschafter in der Türkei, Aliresa Bigdeli, sagte am 1. September der türkischen Nachrichtenagentur Anatoli, die Türkei und Iran könnten gemeinsam alle Probleme des Nahen Ostens lösen. Er warnte davor, in die Falle des Westens zu geraten, dessen Ziel es sei, Konflikte zwischen den islamischen Staaten zu erzeugen. Eine militärische Intervention bringe keine Lösung und nutze nur westlichen Interessen.

Am 1. September besuchte eine iranische Delegation unter der Leitung des Ausschussvorsitzenden für Nationale Sicherheit und Außenpolitik, Alaeddin Borudscherdi, Syrien und führte unter anderem ein Gespräch mit Präsident Assad. Dabei sagte Assad, Syrien sei in der Lage, jeder Aggression von außen Widerstand zu leisten. Eine US-Intervention werde den syrischen Staat nicht davon abhalten, die "Terroristen" im eigenen Land zu bekämpfen. Borudscherdi betonte, Iran werde Syrien beistehen.

Der Stellvertreter des syrischen Außenministers sagte vor der Presse: "Ein militärischer Angriff gegen Syrien bedeutet auch ein Angriff gegen Iran."

Die neue Außenamtssprecherin Marzieh Afkham kritisierte am 2. September laut ISNA die Position der Arabische Liga im Syrienkonflikt: "Ohne vorher die Ergebnisse der UN-Inspekteure abzuwarten, so ein Urteil zu fällen, ist voreilig, politisch einseitig, gefährlich und nicht hilfreich", sagte sie. Die Arabische Liga hatte das Assad-Regime für den Einsatz von Chemiewaffen verantwortlich gemacht. Der iranische Außenminister Mohammad Dschawad Sarif hatte in einem Telefonat mit dem UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am 2. September Irans Bereitschaft bekundet, im Syrienkonflikt zu vermitteln. "Wir erklären unsere Bereitschaft, als Vermittler eine friedliche Lösung in der Syrien-Krise zu finden", sagte Sarif. Er warnte vor einer militärischen Intervention, die für den gesamten Nahen Osten unabsehbare Folgen haben könnte.

Auch der Vizekommandeur der Pasdaran, General Hussein Eslami, warnte, eine Militärintervention könne in einen Religionskrieg münden. "Die Amerikaner sollten wissen, dass ein Krieg Energien freisetzt und dementsprechend bei Muslimen die Haltung verstärken könnte, dass es bei den Konflikten um einen Religionskrieg geht", sagte der General laut der Agentur Fars am 4. September. Bei einem Krieg stehe nicht nur das Schicksal Syriens auf dem Spiel, auch nahezu die gesamte islamische Welt würde in Mitleidenschaft gezogen werden.

Im iranischen Parlament unterzeichneten 170 Abgeordnete eine Erklärung zum Syrienkonflikt, die am 4. September veröffentlicht wurde. Darin beteuern die Unterzeichner, sie würden, sollte der iranische Staat zustimmen, ihr Leben für die Unterstützung ihrer syrischen Brüder riskieren.

Am 6. September berichtete das Wall Street Journal, die USA hätten einen Befehl des Chefs der für Auslandseinsätze zuständigen Ghods-Spezialeinheit der Pasdaran an schiitische Milizen im Irak abgefangen, in dem die Milizen aufgefordert werden, im Falle eines Militärschlags der USA in Syrien amerikanische Einrichtung im Irak anzugreifen.

Am gleichen Tag kam ein Dementi aus Teheran: "Das sind absurde Unterstellungen, die wir kategorisch dementieren", sagte der Sprecher der iranischen UN-Mission Aliresa Mirjusefi laut der Agentur "Mehr". Mit dergleichen Unterstellungen sollen die Abgeordneten im US-Kongress für die Zustimmung zu einem militärischen Angriff gewonnen werden.

Am 10. September begrüßte Iran die Ankündigung Russlands, die syrische Regierung sei bereit, seine Chemiewaffen unter die Kontrolle der UN zu stellen. "Iran strebe die Vernichtung aller Massenvernichtungswaffen an", sagte Außenamtssprecherin Marzieh Afkham. Dies müsse auch die Chemiewaffen umfassen, die sich in der Hand syrischer Rebellen befinden. Iran vertritt die Ansicht, dass der Einsatz von Chemiewaffen am 21. August durch syrische Rebellen erfolgt ist.

Am selben Tag schlug Präsident Rohani sanfte Töne an. Teheran versuche, eine Konfrontation in Syrien zu vermeiden. Sollte es doch zu einem Krieg kommen, hoffe er auf einen kurzen Einsatz mit wenig Opfer. Teheran werde dann humanitäre Hilfe leisten. "Wir können ja nicht zusehen, wenn ein islamisches Land ohne Brot dasteht", sagte er.

Bei einem Treffen mit Kommandeuren der Revolutionsgarde am 16. September sagte Rohani: "Syrien muss in erster Linie zur Stabilität zurückkehren. Und dann werden auch wir bei einem demokratischen Prozess jeden (Kandidaten), der die Mehrheit der Stimmen erhält, akzeptieren".

Vor seiner Abreise zur UN-Vollversammlung in New York bot Rohani in einem Beitrag für die Washington Post an, im Syrienkonflikt zu vermitteln. Das Angebot fand fast überall Zustimmung. Der Sprecher der Bundesregierung Steffen Seibert begrüßte am 20. September in Berlin Irans Vorschlag. Wichtig sei, dass die syrische Regierung die zugesagte Vernichtung ihrer Chemiewaffen tatsächlich umsetze. "Wer immer auf dieses Regime einwirken kann in diesem Sinne, ist uns natürlich willkommen", sagte Seibert. Und zu den jüngsten Entspannungssignalen aus Teheran sagte Seibert: "Ich möchte für die Bundesregierung mitteilen, dass wir die neue Erklärung des neuen iranischen Präsidenten Rohani mit großer Aufmerksamkeit verfolgen." Er fügte hinzu, die angekündigte Politik der Mäßigung müsse sich auch tatsächlich positiv auf die internationale Zusammenarbeit auswirken.

Andreas Peschke, Sprecher des Auswärtigen Amtes, erklärte: "Wir würden uns wünschen, dass Iran in der Syrienfrage eine konstruktive Rolle spielt. Das war in der Vergangenheit leider häufig nicht der Fall." Peschke versuchte, Erwartungen an die Rolle Irans zu dämpfen. "In Syrien sind so viele Kräfte involviert, dass es tatsächlich nicht nur ein Land sein kann, das da jetzt durch eine Vermittlungsrolle den Durchbruch erzielen kann."

Die französische Regierung erklärte, sie habe die Absicht, aktiv an einer politischen Lösung in Syrien mitzuwirken. Präsident Hollande, der für wenige Tage später ein Treffen mit Rohani am Rande der UN-Vollversammlung in New York vereinbart habe, werde versuchen, Rohani für eine größere Mitwirkung bei den Aktivitäten zur Wiederherstellung des Friedens in Syrien zu gewinnen, sagte am 21. September ein Regierungsberater der Agentur Reuters. "Wir wollen, dass sich Iran zu einem politischen Übergang in Syrien bekennt."

Indes hat die syrische Opposition das Vermittlungsangebot Irans abgelehnt. Die Syrische Nationale Koalition erklärte am 21. September, das Angebot sei "nicht ernst gemeint" und "politisch unglaubwürdig". Teheran sei selbst "Teil des Problems" und sollte lieber seine Truppen aus Syrien abziehen.


52 TOTE BEI ANGRIFF AUF CAMP ASCHRAF IM IRAK

Bei Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der Volksmodjahedin auf Camp Aschraf im Irak am 1. September sind 52 Personen ums Leben gekommen und zahlreiche verletzt worden. Ein Sprecher der Volksmodjahedin warf den irakischen Behörden vor, durch einen Militärangriff auf das Lager ein Massaker angerichtet zu haben. Der Befehl zu dem Angriff sei durch den iranfreundlichen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki erteilt worden, sagte Schahriar Kia.

Der für das Lager verantwortliche Behördenvertreter bestritt den Angriff. Es habe keinen Angriff von außen gegeben. Er vermute, dass es infolge eines Feuerausbruchs zu dem Vorfall gekommen sei. Demgegenüber erklärte die Polizei, die Camp-Bewohner seien aufgebracht gewesen, nachdem fünf Mörsergranaten auf das Lager niedergegangen seien. Es sei daraufhin zu Auseinandersetzungen gekommen und zum Schusswechsel, bei dem zwei irakische Soldaten getötet und drei verletzt worden seien. En Krankenhaus im nahe gelegenen Baakuba bestätigte die Zahl der verletzten und getöteten Soldaten. Von den Mitgliedern der Volksmodjahedin sei aber niemand eingeliefert worden, hieß es.

Camp Aschraf war ursprünglich ein militärischer Stützpunkt nahe der iranischen Grenze, den der einstige irakische Präsident Saddam Hussein der oppositionellen Volksmodjahedin zur Verfügung gestellt hatte. Die Gruppe war in den achtziger Jahren während des iranisch-irakischen Kriegs nach Irak umgesiedelt, um von dort aus gemeinsam gegen das Regime im Iran bewaffnet zu kämpfen. Nach dem Sturz von Saddam Hussein erhielten die rund 3000 Volksmodjahedin von der amerikanischen Besatzung Schutz. Nach Abzug der Amerikaner forderte die irakische Regierung die Modjahedin auf, das Land zu verlassen. Einer Abmachung mit dem UN-Flüchtlingsrat zufolge sollten die Volksmodjahedin nach und nach als Flüchtlinge in anderen Ländern aufgenommen werden. Zu diesem Zweck wurden sie ins Camp Liberty nahe der Hauptstadt Bagdad verlegt. Etwa hundert Mitglieder sind jedoch in Camp Aschraf geblieben. Die Volksmodjahedin werfen der irakischen Regierung vor, ihre Mitglieder zugunsten Irans opfern zu wollen.

Das Massaker und die Tötung der Mitglieder der Volksmodschahedin wurden von der iranischen Revolutionsgarde begrüßt. Die Tötung von "siebzig Mitgliedern der Volksmodjahedin" sei eine Beruhigung für die Menschen in Iran und für jene Hinterbliebenen, deren Angehörige von den Volkjsmodjahedin getötet wurden, hieß es in einer Erklärung der Pasdaran vom 1. September.

Die UNO äußerte ihr Bedauern über den Vorfall und forderte die irakische Regierung, die für die Sicherheit der Volksmodjahedin verantwortlich sei, dazu auf, den Vorfall zu klären. Auch die USA und Frankreich forderten eine unabhängige Untersuchung. Die USA und die EU haben über lange Jahre die Volksmodjahedin auf der Liste der Terroristenorganisationen geführt.

Am 2. September besuchte eine UN-Untersuchungsgruppe das Camp Aschraf. Der Leiter der Gruppe, György Busztin sagte, gerichtet an die irakische Regierung, solange die Campbewohner nicht in Sicherheit gebracht worden seien, müssten alle Maßnahmen zu ihrem Schutz ergriffen werden. In einer Erklärung der Gruppe heißt es, die Opfer seien durch Schüsse in den Kopf oder auf die obere Körperpartie getötet worden. Bei manchen seien die Hände gebunden gewesen. Manche Gebäude seien beschädigt und ein Gebäude sei ausgebrannt. Bei der Durchsuchung der Gebäude habe man Sprengstoff gefunden.

Am 7. September forderte die irakische Regierung die verbliebenen Mitglieder der Volksmodjahedin auf, das Camp unverzüglich zu verlassen. Diese Aufforderung sei ein Recht der irakischen Regierung, sagte der Sprecher der Regierung, Ali Mussa. Dies sei ein Befehl, der befolgt werden müsse.

Medienberichten zufolge habe die Volksmodjahedin inzwischen Camp Aschraf vollständig geräumt.


SECHS SLOWAKEN FREIGELASSEN

Sechs von acht slowakischen Staatsbürgern, die vor vier Monaten unter Spionageverdacht in Iran verhaftet worden waren, wurden laut einer Meldung der französischen Nachrichtenagentur AFP vom 2. September freigelassen. Die Agentur beruft sich auf den slowakischen Ministerpräsident Robert Fico.

Demnach sagte Fico vor Journalisten in Bratislava, die Verhandlungen mit Teheran seien erfolgreich geführt worden und er sei froh, dass nun sechs der Gefangenen frei seien. Die beiden letzten würden solange in Haft bleiben bis alles geklärt sei. Er vermute, dass die nächsten Verhandlungen schwerer werden würden.

Im Mai dieses Jahres hatte der iranische Außenamtssprecher Hossein Araghtschi erklärte, einige slowakische Staatsbürger seien wegen "ungebührlichen Verhaltens und Missachtung iranischer Gesetze" festgenommen worden.

AFP berichtete unter Berufung auf Freunde der Verhafteten, es habe sich um eine Gruppe gehandelt, die in Iran Luftaufnahmen für ihren zweiten Dokumentarfilm machen wollte. Die Aufnahmen für den ersten Dokumentarfilm wären bei Gleitflügen über den Himalaya entstanden.

Irans Staatsanwalt Mohseni Ejehi sagte kürzlich, die Gruppe habe geschmuggelte Geräte mit sich geführt. Die Slowaken hätten Probleme bekommen, weil sie Funkgeräte und hochsensible Kameras, die gewöhnlich für wichtige Sportereignisse verwenden würden, benutzt hatten. Der Gebrauch von Funkgeräten ist in Iran ohne Genehmigung verboten.

Den Einsatz von Funkgeräten bestätigte auch einer der Freigelassenen. Allerdings sagte er, in Iran seien Aufnahmen unter einer Höhe von 2300 Metern verboten. "W ir flogen aber über dieser Verbotsgrenze", sagte er.

Die Freigelassenen sagten, dass sie im Gefängnis sehr freundlich behandelt worden seien. Sie hätten, getrennt von anderen Gefangenen, einen großen Raum bekommen mit Fernseher und einer kleinen Küche. Irans Landschaft bietet zahlreiche Gegenden, die für Paragliding günstig sind.


SCHWEIZER DIPLOMAT ZU BESUCH IN TEHERAN

Der Besuch eines hochrangigen Schweizer Diplomaten ist die erste offizielle Visite aus Europa seit Rohanis Amtsantritt. Der Agentur IRNA zufolge traf der Leiter der Abteilung Mittelost und Afrika im Schweizer Außenministerium, Wolfgang Amadeus Brülhart, in Begleitung einer Delegation am 2. September zu Gesprächen in Teheran ein. Wie die Agentur berichtete, wurde die Delegation am gleichen Tag vom Staatssekretär für Europa und USA im iranischen Außenministerium empfangen.

Beide Seiten äußerten die Hoffnung, durch den Regierungs- und Kurswechsel in Teheran alle Potentiale für die Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur ausschöpfen zu können. Die Beziehung zwischen Iran und der Schweiz, die auch die Interessen der USA in Iran vertritt, ist gut, vor allem im Bereich der Wirtschaft.

Die Schweizer Botschaft in Teheran übermittelt auch die Botschaften Irans an die Vereinigten Staaten und umgekehrt. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Beispielen. Die geheimen Verhandlungen zwischen Teheran und Washington über den Afghanistan- bzw. Irakkrieg liefen über die Schweizer Botschaft. Kürzlich sagte der neue iranische Außenminister Mohammad Dschawad Sarif, sein Land habe vor neun Monaten die USA darüber informiert, dass chemische Waffen nach Syrien gebracht würden.

Seit der Amtsübernahme der Regierung Rohanis häufen sich die Gerüchte über die Aufnahme direkter Gespräche zwischen Teheran und Washington. Selbst Revolutionsführer Ali Chamenei, der bislang gegen die Aufnahme der Beziehungen zu den USA war, sagte kürzlich, er sei zwar nicht optimistisch, hätte aber nichts dagegen, wenn direkte Gespräche mit den USA nötig sein sollten. Ob der Besuch von Brülhart auch in diesem Zusammenhang stattgefunden hat, war nicht herauszufinden.


ROHANIS ANTWORTSCHREIBEN AN GAUCK

Rohanis hat am 22. September Bundespräsident Joachim Gauck für dessen Glückwünsche zu seiner Wahl gedankt und in seinem Antwortschreiben betont, dass die Bundesrepublik Deutschland das wichtigste Land Europas für Iran sei. "Innerhalb der EU hat die Ausweitung der Beziehungen zu Deutschland besondere Priorität für die iranische Außenpolitik", schrieb Rohani der Agentur ISNA zufolge. Iran sei stets bestrebt, seine guten politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland fortzusetzen.

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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Vera Lorenz
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
12. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 10/2013 - Oktober 2013 / 12. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2013