Schattenblick → INFOPOOL → GESELLSCHAFTEN → STIFTUNGEN


HEINRICH BÖLL STIFTUNG/341: Iran-Report Nr. 2 - Februar 2015


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 2 - Februar 2015
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Mit der Wahl Hassan Rohanis zum iranischen Präsidenten und dessen Amtsantritt am 3. August 2013 wurde in der iranischen Politik ein bedeutender Wandel eingeleitet. Besonders augenfällig ist dies im Kurswechsel der Atompolitik. Die Öffnung der iranischen Politik nach außen und die Ankündigung innenpolitischer Reformen werden im Land von den konservativen Kräften heftig bekämpft. Der Widerstand lässt Rohani und seiner Regierung wenig Spielraum.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Tagung der Reformer
• Tagung der Konservativen
• Eklat im Parlament
• Freie Kleidungswahl für Frauen
• Früherer Vizepräsident wegen Korruption verurteilt
• Neuer Leiter für das Erzbistum in Isfahan


TAGUNG DER REFORMER

Der "Rat zu Koordinierung der Reformer", der eine ganze Reihe von Organisationen der Reformer vertritt, veranstaltete am 15. Januar eine "Landesweite Tagung der Reformer" in Teheran. Auffallend war zunächst, dass der namhafteste Repräsentant der Reformbewegung, der frühere Staatspräsident Mohammad Chatami bei der Tagung nicht anwesend war. Dazu sagte Mohammad Resa Aref, der früher unter Chatami Vizepräsident war: "Wir hoffen in Zukunft nicht nur eine Grußbotschaft des Führers der Reformbewegung zu erhalten, sondern auch von seiner Anwesenheit profitieren zu können."

Drei Tage zuvor hatte Rahman Ghilsadeh, ein Mitorganisator der Tagung, erklärt, Chatami sei als Hauptredner eingeladen worden. Politische Beobachter führen Chatamis Abwesenheit auf die Einschränkungen zurück, die ihm nach den Protesten gegen die Wiederwahl von Ahmadinedschad 2009 auferlegt wurden. Damals erhielt Chatami Ausreiseverbot. Im Sommer vergangenen Jahres haben ultrakonservative Abgeordnete die Justiz aufgefordert, auch ein Rede- und Bilderverbot (keine Fotos von ihm in den Medien) gegen ihn durchzusetzen.

Abdolwahed Mussavi Lari, ehemaliger Innenminister im Kabinett von Chatami, sagte, der Versuch der Extremisten, die Reformer zu isolieren, sei gescheitert. "Wir vertreten nach wie vor einen Großteil der iranischen Bevölkerung."

Es war das erste Mal nach sechs Jahren, dass die Reformer ein großes, landesweites Treffen organisierten. Eine im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen von 2013 geplante Tagung wurde von den Sicherheitsdiensten verboten.

Während der Tagung traf jedoch eine Grußbotschaft Chatamis ein. Darin äußerte er die Hoffnung, dass in der Zeit der Regierung Rohani eine offene Atmosphäre entstehen werde, in der politische Gruppen und Organisationen ohne Einschränkungen aktiv sein könnten und "alle, die um das Schicksal des Landes besorgt sind, sich für die Entwicklung des Landes und die Durchsetzung der Ziele der Revolution einsetzen können". Chatami forderte die Tagungsteilnehmer auf, sich für die Zusammenführung aller Reformströmungen und für all jene, die die "Fundamente der Islamischen Republik anerkennen und festigen" wollen, einzusetzen.

Auch der frühere Staatspräsident Haschemi Rafsandschani war zu der Tagung eingeladen. Doch auch er schickte nur eine Grußbotschaft und forderte ebenfalls die "Legalisierung aller politischen Parteien und Organisationen". Alle Maßnahmen, die das Wahlrecht der Bürger einschränkten, sollten aufgehoben werden.

Aref sagte in seinem Redebeitrag: "Unser Ziel ist der Sieg bei den nächsten Parlamentswahlen im kommenden Jahr." Er kritisierte das amtierende Parlament, in dem die Volksvertreter nicht frei reden könnten. Der Reformer Mostafa Kawakebian wurde in der Presse mit den Worten zitiert: "Wir wollen nicht die Mehrheit im nächsten Parlament, wir wollen 290 Sitze." Das ist die Gesamtanzahl der Abgeordneten im iranischen Parlament.

An der Tagung nahmen landesweit bekannte Reformer teil, darunter Ali Schakuri, Masumeh Ebtekar, Mehdi Khasali und Hadi Chatami, der Bruder von Mohammad Chatami.


TAGUNG DER KONSERVATIVEN

Unter dem Motto "Einigkeit der Prinzipientreuen" veranstalteten am 8. Januar auch die Konservativen eine Tagung. Anwesend waren unter anderem Vertreter der "kämpfenden Geistlichkeit", dem Berufsverband der Basaris, sowie einige ehemalige Minister der Regierung von Ahmadinedschad.

Einer der bekannten Konservativen, Ahmad Alamalhadi, sagte am Rande der Tagung laut Presseberichten: "Ahmadinedschad war auf Abwege geraten, er war politisch am Ende und tot. Er hatte gegen 'Welayat-e Fagieh' (Herrschaft der Geistlichkeit) Widerstand geleistet."

Auf die Frage nach einem Bündnis mit Ahmadinedschad und seiner Gruppe sagte der konservative Abgeordnete Gholamali Adel: "Zunächst müssen wir feststellen, ob Ahmadinedschad sich selbst als konservativ betrachtet oder nicht. Hat jemand überhaupt jemals von ihm gehört, dass er sich zu den Prinzipientreuen bekennt?"

Alamalhadi sagte in seinem Redebeitrag: "Die Einigung der Prinzipientreuen ist sicher, natürlich und hundertprozentig. Die konservativen Gruppen haben in Iran keine Probleme, und wenn, dann mit Abtrünnigen, die 2009 die Protestbewegung unterstützt haben."

Auch Adel meinte, manche hätten die Ziele der Revolution vergessen, die Fraktion der Prinzipientreuen müsse diese Ziele durchsetzen. "Unser Ziel muss ein Sieg der Prinzipientreuen im nächsten Parlament sein, nicht ein Sieg der jeweiligen Organisation, deren Mitglied jeder Einzelne von uns ist."

Die Konservativen in Iran haben seit Jahren mit internen Spaltungen zu kämpfen. Eine der wichtigsten Spaltungen war die zwischen den Prinzipientreuen und der Gruppe um Ahmadinedschad, die sich Dschebhe Paydari (Widerstandfront) nennt. Der Abgeordnete Mohammad Resa Bahonar sagte am Rand der Tagung, "eine Einigung zwischen den Prinzipientreuen und Dschebhe Paydari ist nicht unmöglich, wir werden darüber reden".


EKLAT IM PARLAMENT

Bei einer öffentlichen Sitzung des Parlaments kam es zu einem Eklat, nachdem der Abgeordnete Ali Mottahari den seit vier Jahren bestehenden Hausarrest gegen die Oppositionspolitiker Mehdi Karrubi, Mir Hossein Mussavi und dessen Frau Sahra Rahnaward als illegal bezeichnet hatte.

Die Forderung nach der Freilassung der drei unter Arrest Gestelltenist in den letzten Wochen immer lauter geworden. Viele Oppositionspolitiker und Kulturschaffende erinnerten Präsident Rohani immer wieder an sein Versprechen, sich für die Aufhebung des Hausarrests einzusetzen. Offenbar fühlten sich die Konservativen von dieser Forderung herausgefordert. So wurde am 6. Januar eine von 230 Abgeordneten unterzeichnete Erklärung veröffentlicht, in der die Autoren betonten, dass der Hausarrest völlig legal sei. Sie äußerten die Hoffnung, dass die Justiz "nach der vom Nationalen Sicherheitsrat festgesetzten Frist" mit "aller Entschiedenheit" über "jene richtet, die Unrecht gegen das iranische Volk begangen und versucht hätten, 2009 das Votum des Volkes zu missachten".

Dazu meinte Justizchef Sadegh Laridschani, die drei Politiker würden nicht vor Gericht gestellt, weil erstens der Hausarrest vom Nationalen Sicherheitsrat beschlossen worden sei und zweitens, weil die Beschuldigten bei einem möglichen Prozess "sagen wollen, was ihnen beliebt".

Mottahari hatte bereits in einem Schreiben an die Justiz die Aufhebung des Hausarrests gefordert. Seine Rede im Parlament wurde ständig durch Zwischenrufe gestört. "Tod den Verschwörern" und "Tod den Abtrünnigen", skandierten konservative Abgeordnete. Mottahari warf der Regierung Rohani Versäumnisse vor. Sie habe sich trotz ihres Versprechens nicht um den Fall gekümmert. Einige Abgeordnete versuchten sogar Mottahari vom Rednerpult wegzudrängen, er wehrte sich und stieß sie zurück. Als es zu einem Tumult kam, brach der Sitzungsleiter Mohammad Hassan Abu Torabifard die Sitzung ab. An Mottahari gerichtet sagte er, "Ich denke nicht, dass die Fortsetzung Ihrer Rede angebracht ist. Alle Abgeordneten in diesem Haus sind um das Wohl des Landes besorgt. Sie müssen Verständnis haben. Wir wollen nicht in einer Atmosphäre arbeiten, die dem Ruf des Parlaments, dem Ruf der Abgeordneten und auch Ihrem Ruf schaden könnte."

Den Umgang mit den drei Politikern, um die es in der Rede Mottaharis ging, bezeichnete Torabifard als Zeichen der höchsten "Gnade und des Erbarmen des Islams". Die Maßnahmen gegen Mussavi und Karrubi seien unter Berücksichtigung nationaler Interessen beschlossen worden, sagte er. "Es wäre gut, wen auch Sie (Mottahari) diese Interessen und religiösen Vorschriften berücksichtigen würden."

Die Äußerungen Mottaharis lösten unterschiedliche Reaktionen aus. Mottahari wiederholte immer wieder seine Forderung und sagte, die Fortsetzung des Hauarrests schade dem Ansehen des Staates. Die Islamische Republik bezahle einen hohen Preis dafür. Seiner Meinung nach sollten die drei vor ein öffentliches und unabhängiges Gericht gestellt werden, ebenso wie der frühere Präsident Ahmadinedschad, den Mottahari für die Eskalation der damaligen Unruhen verantwortlich macht.

Der Sprecher der Justiz, Gholamhossein Mohase Ejehi, bezeichnete die Äußerungen Mottaharis als "Lüge und Unsinn". Er könnte dafür gerichtlich verfolgt werden.

Der Hausarrest gegen die drei Politiker ist von keinem Gericht angeordnet worden. Auch gibt es bis heute offiziell keine Begründung für die Strafmaßnahme. Hochrangige Politiker, die dem Revolutionsführer nahestehen, erklärten, dass die Maßnahme von Revolutionsführer Chamenei persönlich angeordnet und von Nationalen Sicherheitsrat beschlossen worden sei. Damit sollte den Protesten gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads, die neun Monate andauerten, ein Ende gesetzt werden. Die Politiker galten als Führer der "grünen" Protestbewegung.

In einem offenen Brief vom 13. Januar protestierte Mottahari gegen den Abbruch seiner Rede im Parlament. Die Behinderung der freien Meinungsäußerung eines Abgeordneten sei ein Bruch des in der Verfassung verankerten Rechts der Volksvertreter, schrieb er. Was Torabifard getan habe, sei ein einmaliger Akt in der Geschichte des Parlaments. Die Attacken der Abgeordneten in Zusammenspiel mit der Maßnahme des Sitzungsleiters bestätigten den Verdacht, dass es sich hier um ein abgekartetes Spiel gehandelt habe.

Mottahari berichtete, dass einige Abgeordnete ihn vom Rednerpult heruntergezerrt hätten. Später habe er an seinen Händen und Armen einige Schrammen festgestellt. Der Abgeordnete Aghamohammadi habe ihm sein Redemanuskript weggeschnappt und zerrissen. "Dieser Bericht soll den Wählern zeigen, welche 'Demokraten' sie gewählt haben", heißt es in dem Brief.


FREIE KLEIDUNGSWAHL FÜR FRAUEN

Schahindocht Molaverdi, Vizepräsidentin für Frauenangelegenheiten, sagte im Zusammenhang mit der Forderung der Konservativen, Frauen stärker zum Tragen von islamischer Kleidung anzuhalten: "Man sollte es den Frauen selbst überlassen, ihre Kleidung zu wählen. Das heißt wir müssen ihnen das Recht einräumen, sich ihre Kleider ihrem Geschmack entsprechend aus der Vielfalt des Angebots auszuwählen", zitierte die Agentur ILNA vom 5. Januar die Vizepräsidentin.

"Es gibt keine Einschränkung für die Wahl der Farben", fuhr Molaverdi fort. "Wir haben einige Farben empfohlen, weil diese aus unserer nationalen oder regionalen Tradition stammen. Diese frohen Farben sind aus der Natur entnommen und verbreiten Fröhlichkeit und Lebendigkeit in der Gesellschaft."

Die Vizepräsidentin wies darauf hin, dass die zurzeit angebotenen Damenkleider teuer und rar seien und sagte, der Staatspräsident habe das Ministerium für Handel und Industrie angewiesen, dafür zu sorgen, dass Damenkleider günstiger angeboten werden. "Wir werden dafür sorgen, dass eine größere Auswahl von günstigen Kleidern auf den Markt kommt, damit einerseits das Angebot vielfältiger wird und wir andererseits unser Ziel erreichen."

Die Kleidungsvorschriften für Frauen Ž aber auch für Männer Ž stellen seit jeher ein Problem in der Islamischen Republik dar. Sittenpolizei und andere Organe versuchen, mit Gewalt die Vorschriften durchzusetzen und vor allem Jugendliche zu zwingen, sich "islamisch" zu kleiden. Jedes Jahr werden zahlreiche Frauen und Männer in allen Teilen des Landes wegen Missachtung von Kleidungsvorschriften bestraft, gelegentlich auch mit Gefängnis.


FRÜHERER VIZEPRÄSIDENT WEGEN KORRUPTION VERURTEILT

Mohammad Resa Rahimi, der in der Regierungszeit von Mahmud Ahmadinedschad das Amt des Vizepräsidenten innehatte, wurde am 21. Januar vom Obersten Gericht wegen Korruption zu fünf Jahren und 91 Tagen Gefängnis sowie einer Geldstrafe von 2,85 Milliarden Tuman (rund 315.000 Euro) verurteilt. Den Berichten der Agenturen zufolge ist das Urteil unanfechtbar.

Vor dreieinhalb Monaten teilte Rahimi in einem offenen Brief an den Justizchef mit, dass die Vorwürfen gegen ihn nicht aus der Zeit seiner Vizepräsidentschaft stammten. Es gehe vielmehr um die Zeit, in der er an der Organisation der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen mitgewirkt habe. Er behauptete, die in der Anklageschrift erwähnten Summen seien auf Anraten von Verantwortlichen der damaligen Regierung einigen Abgeordneten spendiert worden. Wenige Wochen danach gab Rahimis Anwalt bekannt, dass dieser 170 bis 180 Abgeordneten der Fraktion der "Prinzipientreuen" Geld gespendet habe.

Der Vorwurf der Korruption gegen Rahimi wurde zum ersten Mal von dem Abgeordneten Elias Naderan erhoben, zu einer Zeit, in der die Auseinandersetzung zwischen der Fraktion der Prinzipientreuen und der Gruppe um den damaligen Staatspräsidenten Ahmadinedschad ihren ersten Höhepunkt erreichte. Rahimi soll der Mittelpunkt des "Fatemi-Zirkels" sein. Diese Bezeichnung tauchte auf, nachdem Justizchef Sadegh Laridschani von einer "korrupten Bande" sprach, deren Mitglieder durch Fälschung von Regierungs- und Justiz-Dokumenten Milliarden kassiert hätten. Einige Blätter der Opposition schrieben damals, dass die Bande von einigen hochrangigen Politikern angeführt werde. Gerüchte besagten, dass Ahmadinedschad seinen Einfluss geltend gemacht habe, um einen Prozess gegen die Bande zu verhindern. Das Absurde ist, dass damals die Regierung den Kampf gegen die Korruption zu den wichtigsten Aufgaben erklärt hatte und hierfür ein Team gebildete hatte, dessen Vorsitzender Rahimi war.

Rahimi drohte in seinem offenen Brief, dass er im Falle einer Verurteilung vieles vom "bislang Ungesagten" offenlegen werde.

Am 25. Januar veröffentlichte das Büro von Ahmadinedschad eine Erklärung, in der es hieß, die Verurteilung von Rahimi habe mit dessen Funktionen in der Regierung nichts zu tun. Es sei wohl allen klar, weshalb hier versucht werde, einen Zusammenhang herzustellen.


NEUER LEITER FÜR DAS ERZBISTUM IN ISFAHAN

Einer Mitteilung des Vatikans zufolge hat Papst Franziskus den 43-jährigen iranischen Ordensmann Jack Youssef zum Leiter des Erzbistums Isfahan ernannt. Grund für die Ernennung war der Rücktritt des aus Italien stammenden 75-jährigen Erzbischofs von Isfahan, Ignazio Bedini, der aus Altersgründen seine Arbeit nicht fortsetzen konnte. Der Lazaristenpater Youssef übernimmt damit die Verwaltung der Erzdiözese vorübergehend, bis ein neuer Erzbischof ernannt wird. Sitz des Erzbischofs ist Teheran.

Unter den in Iran lebenden 45.000 Christen befinden sich nach vatikanischen Angaben rund 5.000 Katholiken, 2.000 von ihnen gehören dem Erzbistum Isfahan an.

In Iran dürfen gemäß der Verfassung der Islamischen Republik sowohl Christen als auch Juden ihre Religion frei ausüben. Dennoch wird in der Praxis immer wieder über Einschränkungen berichtet. Vor allem ist es den Anhängern dieser Religionen untersagt, für ihren Glauben zu werben.

Yussef studierte zunächst Informatik, danach arbeitete er als Lehrer an einem Gymnasium. 1999 trat er ins Priesterseminar ein. Er nahm ein Theologiestudium in Avignon und Paris auf und trat 2002 in den Lazaristen-Orden ein. Nach seiner Priesterweihe 2005 arbeitete er als Seelsorger, Oberer der Lazaristen in Iran, Leiter der nationalen Missionswerke sowie als Vorsitzender der Stiftungen der iranischen Bischofskonferenz.

*

KULTUR

• 22. Fadjr-Filmfestspiele
• Schriftstellerverband verurteilt Anschlag von Paris
• Milani bei Staatsanwaltschaft vorgeladen
• Hildesheimer helfen bei Sicherung historischer Musikbestände
• WhatsApp verboten


22. FADJR-FILMFESTSPIELE

Bei den diesjährigen Fadjr-Filmfestspielen, die vom 1. bis 10. Februar in Teheran stattfinden, stehen 22 Filme im Wettbewerb, unter ihnen einige von namhaften Regisseuren. "Der süße Geschmack der Illusion" von Kamal Tabrisi, "Der Fuchs" von Behrus Afkhami, "Iranberger" von Masud Dschafari Djosani, "Die Zeiten der Liebe" von Ali Resa Raisian, "Das Profil des Wahnsinnigen" von Abolhassan Dawudi und "Masarscharif" von Abdolhossein Warsideh gehören und den ausgewählten Filmen.

Die einzige Regisseurin, die an dem Wettbewerb teilnimmt, ist Niki Karimi mit ihrem Film "Nachtschicht".

Einige Regisseure waren bereits im vergangenen Jahr bei dem Festival dabei. Es sind aber auch Neulinge wie Ruhollah Hedschasi mit seinem Film "Der Tod des Fischs" dabei.

Die Juroren haben laut eigenen Angaben in vierzig Tagen achtundachtzig Filme gesehen. Sie bedauerten, dass die Auswahl auf 22 Filme beschränkt sei.

Eröffnet wird das Festival mit dem Film "Mohammad" von Madjid Madjidi. Dieser Film, dessen Produktion fünf Jahre lang dauerte, steht nicht im Wettbewerb, weil sein Regisseur zu den Juroren gehört und ein Film über den Propheten als zu erhaben gilt, um mit anderen Filmen zu konkurrieren.

Madjidi, dessen Film von Sunniten kritisiert wurde, sagte am 7. Januar auf einer Pressekonferenz in Teheran, die Kritiker sollten sich den Film erst einmal anschauen statt ihn zu boykottieren.

Der Film ist der bislang teuerste in der iranischen Filmgeschichte. Er wurde von der "Stiftung für die Armen" finanziert, einer Stiftung die bereits im ersten Jahr nach der Gründung der Islamischen Republik eingerichtet wurde, um Hilfsbedürftige, vor allem auch Hinterbliebene der Opfer des Iran-Irak-Kriegs zu unterstützen. Inzwischen gehört die Stiftung zu den reichsten und mächtigsten, aber auch korruptesten Unternehmen Irans. Die Kosten sollen nach Angaben des Vorstands von "Nurtaban", eines Subunternehmens der Stiftung, rund 623,3 Milliarden Rial (ca. 20 Mio. Euro) betragen haben. Die Britische Zeitung The Guardian hatte bereits zuvor von 50 Millionen Dollar berichtet, die für die Produktion des Films ausgegeben wurden.

Bei dem Film haben der italienische Kameramann und mehrfacher Oscar-Preisträger Vittorio Storaro und der berühmte britische Kostümbildner Michael O'Conner mitgewirkt. Der Junge iranisch-italienische Sänger Sami Yussef sowie der indische Komponist A.R. Rahman, der für den mit zwei Oscars gekrönten Film "Slumdog Millionär" die Musik komponierte, gehören ebenfalls zu den Mitwirkenden.

Der Film, dessen Drehbuch von Madjidi gemeinsam mit Kambusia Partowi und Hamid Amdjad geschrieben wurde, erzählt von den Ereignissen vor der Geburt von Mohammad sowie dem Werdegang des Propheten bis zu seinem 12. Lebensjahr. Er ist der erste Teil einer Trilogie, die die Lebensgeschichte Mohammads aus schiitischer Sicht darstellt.

Madjidi zeigte sich zufrieden über die Zustimmung der schiitischen Geistlichkeit zu dem Film und sagte, er habe sich während der Produktion immer wieder an geistliche Instanzen gewandt und ihren Rat eingeholt.

Madjidi hatte früher den Film des ägyptische Regisseurs Mustafa Oghad über Mohammad scharf kritisiert und ihn als "Unrecht gegen den Propheten" bezeichnet. Dieser Film zeige nur Kriege und den Islam als "kriegslüsternen Glauben". Zu seinem eigenen Film sagte er hingegen: "Das ist nicht nur ein Film, es ist der Beginn einer kulturellen Entwicklung, die zu einer richtigen Lesart des Islams führen wird."

Obwohl Madjidi den Film als Versöhnung zwischen Schiiten und Sunniten deutet und, wie er sagt, auch sunnitische Geistliche zur Beratung herangezogen hat, sind bislang keine positiven Äußerungen von sunnitischer Seite bekannt. Im Gegenteil, schon während der Produktion des Films haben einige Zeitungen in den arabischen Staaten gegen den Film Stellung bezogen. Auch der Scheich der Al Azhar Universität in Kairo hatte den Film vor zwei Jahren kritisiert, insbesondere, weil das Gesicht des Propheten gezeigt werde. Er sagte dies, obwohl die diplomatische Vertretung Irans in Kairo dem Geistlichen damals versichert hatte, dass das Gesicht Mohammads in dem Film nicht zu sehen sein werde.

Bestimmte Kriegsszenen, die ursprünglich in Indien aufgenommen werden sollten, mussten nach Südafrika verlegt werden, da die indische Regierung nach Beratung mit einigen arabischen Ländern zu der Ansicht gelangt war, dass die Bewilligung einer Dreherlaubnis für den Film möglicherweise zu Protesten im eigenen Land führen könnte.

In Iran wurde dem Filmteam in der Nähe der heiligen Stadt Ghom eine Fläche von einhundert Hektar für die Produktion des Films zur Verfügung gestellt. Hier wurden auch die Pilgerstätten Mekka und Medina nachgebaut.

Obwohl die Darsteller des Films Iraner sind, stammt die technische Expertise vorwiegend aus dem Ausland, vieles davon auch aus Deutschland. Der Film soll in drei Sprachen auf den internationalen Markt gebracht werden, in Persisch, Englisch und Arabisch.


SCHRIFTSTELLERVERBAND VERURTEILT ANSCHLAG VON PARIS

Der Verband iranischer Schriftsteller hat den terroristischen Angriff auf die Redaktion der Zeitschrift Charlie Hebdo auf das Schärfste verurteilt. In einer am 9. Januar veröffentlichten Erklärung heißt es, "die iranischen Schriftsteller und das iranische Volk können aufgrund eigener Erfahrungen mit dem qualvollen Ringen um die freie Meinungsäußerung sehr gut die Wut der Franzosen in diesen Tagen nachvollziehen". Der Terroranschlag gegen die Zeitschrift Charlie Hebdo vom 7. Januar sei ein "brutaler, terroristischer Angriff", der auch bei iranischen Schriftstellern und Journalisten viel Wut und Schmerz hervorgerufen habe.

In der Erklärung werden die Attentäter und Planer des "schrecklichen Verbrechens" gegen Journalisten und Karikaturisten als "Feinde der freien Meinungsäußerung und Anhänger der Ignoranz und des Aberglaubens" bezeichnet, deren Ziel nichts anders sei als "die Verbreitung der Rückständigkeit in der Welt".

Der Verband erklärt seine uneingeschränkte Solidarität mit den französischen Journalisten und äußert die Überzeugung, dass "dieses infame Verbrechen" der Terroristen die Franzosen niemals von der Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit und dem Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus abhalten werde.

Der Schriftsteller und Filmemacher Baktasch Aptin verurteilte in einem Interview jede Gewalttat und fügte hinzu: "Worte müssen mit Worten beantwortet werden". Der Hinweis auf Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Erklärung des Verbands der Schriftsteller sei aus der Sorge erfolgt, radikale Kräfte könnten das Verbrechen zum Vorwand nehmen, um auf die in Frankreich lebenden Muslime Druck auszuüben.

Am 17. Januar veröffentlichte die erst kürzlich gegründete Zeitung "Mardom-e Emruz" (Leute von heute) auf dem Titelblatt ein Bild von George Clooney mit der Überschrift: "Clooney: Ich bin Charlie".

Die Zeitung wurde sofort beschlagnahmt. Chefredakteur Mohammad Ghutschani bestätigte die Beschlagnahmung und sagte der Agentur ILNA, er werde zu einem späteren Zeitpunkt zu dem Fall Stellung nehmen.

Indes bemühte sich der konservative Abgeordnete Hamid Rasai um die Sammlung von Unterschriften für eine Erklärung, in der harte Strafen für die Verantwortlichen der Zeitung gefordert werden. Gleich am ersten Tag hatten mehr als siebzig Abgeordnete die Erklärung unterzeichnet. Auch die konservative Tageszeitung Kayhan übte scharfe Kritik an dem Titel von Mardom-e Emruz.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen veröffentlichte zu dem Verbot der Zeitung am 20. Januar eine Erklärung, in der es hieß: "Die Zeitung Mardom-e Emruz wurde nach 19 Nummern verboten. Bereits nach der Veröffentlichung der ersten Nummer hatten konservative Zeitungen, auch jene die den Pasdaran nahestehen, ein Verbot gefordert. Die Tageszeitung Kayhan habe zudem die Verhaftung der Redakteure, allen voran die des Chefredakteurs Ghutschani gefordert. Resa Moini, ein Mitglied der Organisation Reporter ohne Grenzen sagte, es sei nicht das erste Mal, dass in Iran das Recht der Zeitungen missachtet werde. Neu sei, dass zu dem brutalen Vorgehen der Justiz auch der Druck der konservativen Presse hinzugekommen sei, um unabhängige Zeitungen zum Schweigen zu bringen. Dem neuesten Bericht von Reporter ohne Grenzen zufolge, lag Iran in Bezug auf die Achtung der Pressefreiheit unter 183 Ländern auf Rang 173. Iran sei das Land mit der höchsten Zahl an inhaftierten Journalisten, heißt es in dem Bericht.


MILANI BEI STAATSANWALTSCHAFT VORGELADEN

Die international bekannte Regisseurin und Drehbuchautorin Tahmineh Milani sagte in einem Interview mit der Agentur ILNA am 11. Januar, sie habe eine Vorladung der Staatsanwaltschaft erhalten. Dabei gehe es um das Drehbuch "Schahrsad, die Frau von Tausend und eine Nacht", das von der Zensurbehörde genehmigt und inzwischen erschienen sei. Ihr werde "Propaganda gegen die islamische Staatsordnung" vorgeworfen.

Die Geschichte erzählt von einer Frau, die durch Klugheit, Kunst und Vernunft gegen Aggression und Blutvergießen ankämpft. Die Vorladung habe sie schockiert, sagte Milani. Sie habe eher ein Lob erwartet für die Menschlichkeit, für die in dem Drehbuch geworben werde. Sie vermutet, dass nicht ihr künstlerisches Wirken die Justiz zur Vorladung veranlasst hätten sondern die über sie verbreiteten Gerüchte. Unter anderem sei seit Wochen ein Schreiben im Umlauf mit dem Titel "An meine Tochter Golschifteh Farahani", das sie nie verfasst habe. "Solche Machenschaften dienen dazu, mich als Künstlerin und Kulturschaffende zu terrorisieren", sagte Milani.

Golschifteh Farahani ist eine iranische Schauspielerin, die inzwischen in mehreren preisgekrönten Filmen mitgespielt hat. Bereits mit vierzehn Jahren spielte die 1983 geborene die Hauptrolle in Dariush Mehrjuis Film "Derakht-e Golabi" (Birnenbaum). Beim 26. Festival der drei Kontinente in Nantes erhielt sie für den Film "Boutique" den Preis als beste Schauspielerin. Weiterhin spielte sie in mehreren Filmen von weltbekannten iranischen Regisseuren, wie dem Film Mim Mesle Madar (M wie Mutter) von Rasoul Mollagholipu, und in Asghar Farhadis Film "Alles über Elly", der bei der Berlinale 2009 mit dem silbernen Bären ausgezeichnet wurde.

Als der Agenten-Thriller "Der Mann, der niemals lebte" 2008 aufgeführt wurde, in dem Farahani neben Leonardo DiCaprio spielt, bekam sie in Iran Probleme mit der Justiz, die ihr Mitarbeit bei der CIA vorwarf. Sie bekam ein Ausreiseverbot. Als es ihr nach Monaten gelang, auszureisen, kehrte sie nicht mehr in ihre Heimat zurück. Großes Aufsehen erregte die Schauspielerin als ein Nacktfoto von ihr in dem französischen Magazin "Madame Le Figaro" erschien. Damit war die Chance auf eine Rückkehr nach Iran endgültig vorbei. Das Teheraner Kulturministerium ließ sie schriftlich wissen, dass man sie in Iran nicht mehr brauche. Sie solle ihre "Dienstleistungen woanders anbieten".

Tahmineh Milani gilt als konsequente Feministin. Für ihre in Iran und auch im Ausland begehrten Filme ist sie mit mehreren Preisen ausgezeichnet worden.


HILDESHEIMER HELFEN BEI SICHERUNG HISTORISCHER MUSIKBESTÄNDE

Musikwissenschaftler der Universität Hildesheim wollen, wie Professor Raimund Vogels, der Direktor des Hildesheimer Zentrums für Weltmusik, am 20. Januar ankündigte, ihre schon vor drei Jahren begonnene Zusammenarbeit mit Iran ausweiten. Bisher sei man mit der Digitalisierung iranischer Schelllackplatten beschäftigt gewesen. Nun gehe es um die Digitalisierung von 15.000 Schallplatten und Tonbändern aus der Zeit nach 1950. Danach werde das Projekt, das finanziell vom Auswärtigen Amt in Berlin unterstützt wird, sich um die Schulung iranischer Wissenschaftler hinsichtlich der Archivierung aktueller Musik in Iran kümmern. Das gesamte Archiv soll Interessierten zugänglich gemacht werden.

Wie die dpa am 20. Januar berichtete, hatte sich ein in Hildesheim promovierter Iraner an mehrere tausend Tonträger erinnert, die seit Jahren im Teheraner Museum lagerten. Viele davon wurden in Hildesheim gereinigt und die digitalisierten Schellackscheiben gepresst.

Nun sollen etwa 50.000 Einzeltitel digitalisiert werden. Viele davon seien von großem historischem Wert, sagte Vogels. Unter den Tonträgern befinden sich wichtige Reden von Politikern, Mitschnitte von Radiosendungen, aber auch iranische Popmusik aus den sechziger und siebziger Jahren.

"Die 45er-Schallplatten, die nun überspielt werden, stammen überwiegend aus den Jahrzehnten vor der iranischen Revolution und gelten somit als wichtige Tondokumente aus der unmittelbaren Zeit vor dem letzten fundamentalen Umbruch in Iran", zitiert dpa Vogels. Der Direktor des Teheraner Museums, Ali Moradkhani, sagte: "Das Archiv gilt weltweit als eine wichtige Quelle für Musikwissenschaftler, die über iranische Musik forschen. Wir versuchen diese Quelle so umfangreich wie möglich den Forschern aus aller Welt zur Verfügung zu stellen." Deutsche und iranische Wissenschaftler hätten von der Zusammenarbeit profitiert, die Fortsetzung sei eine Priorität für das Museum, sagte Moradkhani dem dpa-Bericht zufolge.

Vogels bedauerte, dass der Plan zu einem Studienaustausch nicht vorangekommen sei. Grund dafür seien die politischen Rahmenbedingungen.


WHATSAPP VERBOTEN

Einem Bericht der Agentur IRNA vom 7. Januar zufolge hat die iranische Justiz neben WhatsApp mit App Line und Tango zwei weitere Messenger- und Telefondienste verboten. Die Nutzung sozialen Netzwerken und Kommunikationsplattformen im Internet ist ein Dauerstreitpunkt zwischen der Regierung und der Justiz. Während die Regierung Rohani die Blockierung der Dienste und Internetseiten nur dann für zulässig hält, wenn es sich um eindeutig illegale Inhalte handelt, möchte die Justiz scheinbar alles verbieten, was nicht unter ihrer Kontrolle steht. Aber die Internetnutzer wissen sich zu helfen und umgehen die meisten der Kontrollen. Sie verschaffen sich über Proxy-Server oder sonstige Methoden Zugang zu den Diensten. So kommt es, dass iranische Internetnutzer weiterhin rege You Tube, Twitter und Facebook nutzen, obwohl diese offiziell längst blockiert sind.

*

WIRTSCHAFT

• Atomkonflikt
• Öleinnahmen im Haushaltsplan reduziert
• Schwarzmarkt bildet ein Drittel des Außenhandels
• Netanjahu verbietet Berichterstattung über Ölstreit mit Iran
• Kundgebung der Arbeiter vor dem Parlament


ATOMKONFLIKT

Die Sprecherin des Außenministeriums in Teheran Marsieh Afkham dementierte am 3. Januar zuvor erschienene Agenturmeldungen, die über einige Einigung zwischen Iran und den USA berichtet hatten. Den Meldungen zufolge sollte Iran das vorhandene angereicherte Uran nach Russland bringen. Afkhan wiedersprach dem und sagte, dass es bislang keine Vereinbarungen zwischen Teheran und Washington gegeben habe. Bei den Agentur-Berichten handele es sich um "Gerüchte", die gezielt in Umlauf gebracht würden, um die Atomsphäre bei den Atomverhandlungen zu trüben. Am Vortag hatte AP unter Berufung auf zwei Diplomaten gemeldet, Iran habe sich bereit erklärt, einen größeren Teil seines höher angereicherten Urans nach Russland zu bringen.

Indes versuchte Präsident Rohani die Kritiker im eigenen Land zu beschwichtigen. Wenn "wir bereit sind, einige Arten von Anreicherungen zu stoppen, die wir derzeit nicht brauchen, bedeutet das, dass wir unsere Prinzipien und unsere Sache verraten haben? Nein. Wir sind nicht auf eine Zentrifuge angewiesen. Unsere Sache hängt an unseren Herzen und an unserer Willenskraft." Trotz diesen Beschwichtigungsversuchen ließen die Kritiker nicht nach in ihrer Kritik. Die Konservativen im Parlament übten scharfe Kritik an Außenminister Sarif, der ihrer Meinung nach der Gegenseite zu viele Zugeständnisse gemacht und damit die roten Linien überschritten habe. Der Minister wehrte sich. Die diplomatischen Aktivitäten der Regierung hätten dazu geführt, dass Iran heute nicht mehr als Bedrohung angesehen werde. Das Land werde international als wichtiger Akteur in der Region betrachtet. "Große Länder und große Investoren stehen vor unserer Tür Schlange", sagte Sarif. Er appellierte an die Abgeordneten, die Atomverhandlungen als eine nationale und überparteiliche Angelegenheit zu betrachten und versicherte, die Regierung werde von den Prinzipien und den internationalen Rechten der Islamischen Republik nicht abweichen.

Nach einer kontroversen Debatte am 6. Januar sprach eine knappe Mehrheit der Abgeordneten dem Minister ihr Vertrauen aus. 125 Abgeordnete stimmten für und 86 gegen ihn, 6 Abgeordnete enthielten sich. Es handelte sich dabei nicht um eine formelle Vertrauensabstimmung sondern um ein spontan angesetztes Votum.

Indes erläuterte der Chef der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, im Vorfeld der neuen Verhandlungsrunde bei einem Fernsehinterview am 11. Januar die unterschiedlichen Positionen der Verhandlungspartner. Iran habe freiwillig die Begrenzung der Urananreicherung auf fünf Prozent akzeptiert. Doch die Gegenseite fordere, dass auch das niedrig angereicherte Uran in Brennstoff verwandelt werde.

Iran hatte eine Zeit lang Uran bis zu 20 Prozent angereichert, sich aber gemäß der Genfer Vereinbarung bereit erklärt, diese Bestände in Brennstoff zu verwandeln oder ins Ausland zu bringen. Berichten zufolge geben sich jedoch vor allem die bei den Verhandlungen vertretenen westlichen Staaten nicht mit der Begrenzung auf fünf Prozent zufrieden. Sie fordern eine Begrenzung auf dreieinhalb Prozent.

Differenzen gäbe es auch über die Kapazität der Anreicherung, sagte Salehi. Iran möchte nach dem Auslaufen des Vertrages mit Russland, der die Lieferung von Brennstoff für den Reaktor in Bushehr regelt, den Brennstoff, der bei 70 Tonnen pro Jahr liegt, selbst produzieren. "Wir brauchen also in acht Jahren, wie der Revolutionsführer bereits gesagt hat, 190.000 SWU's (Separative work units - Trennarbeitseinheiten), um den Reaktor in Bushehr und unsere Forschungsreaktoren mit Brennstoff versorgen zu können", so Salehi. Die Gegenseite fordere jedoch einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren.

Salehi sagte weiter, im vergangenen November, bevor die Frist für die Verhandlungen verlängert wurde, sei über die Grundsätze Einigkeit erzielt worden. "Doch plötzlich geschah etwas, was die Gegenseite zum Rückzug veranlasst hat." Salehi hatte bereits zuvor behauptet, der Rückzieher der westlichen Verhandlungspartner sei auf eine Intervention des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zurückzuführen.

Weiter sagte Salehi, mit dem Wechsel des Generaldirektors der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) von El Baradei zu Amano habe sich die Atmosphäre zwischen Teheran und der Behörde verändert. Amano habe sich auf gewisse Behauptungen versteift und sie zum Kernpunkt der Verhandlungen gemacht. Gemeinst ist hiermit der Verdacht, Iran habe im Geheimen auf der Militäranlagen Parchin Nuklearwaffen getestet.

Von 18 Fragen der Behörde habe Iran 16 klar beantwortet, sagte Salehi weiter. Amano weigere sich, die restlichen zwei Fragen einvernehmlich zu klären.

Am 5. Januar erklärte Frankreichs Präsident François Hollande in einem Interview mit dem französischen Radiosender France inter, sein Land werde im iranischen Atomkonflikt keine Kompromisse machen und werde hart bleiben, bis es die Sicherheit habe, dass Iran keine Nuklearwaffen bauen werde. Sollte Iran nicht überzeugend nachweisen können, dass es keine Nuklearwaffen anstrebe, werde es keine Einigung geben, sagte der Präsident.

Im Hinblick auf die Forderung nach neuen Sanktionen gegen Iran von den Republikanern, die im US-Senat und Repräsentantenhaus die Mehrheit haben, erklärte die US-Botschafterin bei der UNO, Samanta Power, beim Thema Iran habe die Kompromissbereitschaft der Regierung mit den Republikanern ihre Grenze erreicht. Sie warnte, dass neue Sanktionen gegen Iran die Verhandlungen ernsthaft gefährden würden. "Sollten wir mit neuen Sanktionen schießen, würden wir möglicherweise statt Iran uns selbst isolieren", sagte sie. "Iran könnte die USA dann beschuldigen, die Verhandlungen sabotiert und den Prozess zum Zusammenbruch gebracht zu haben, und wir würden die Möglichkeit verlieren, ein großes Problem für unsere nationale Sicherheit zu lösen." An den Kongress gerichtet sagte Power, sollten die Verhandlungen scheitern, gäbe es Zeit genug für weitere Sanktionen.

Am 14. Januar trafen sich Sarif und Kerry zu einem Gespräch in Genf. Die Verhandlungen zwischen den beiden Ministern, die nach ihren eigenen Angaben "substanziell" waren, dauerten über fünf Stunden, wobei die beiden Diplomaten zwischendurch das Hotel zu einem gemeinsamen Spaziergang verließen. Nach Angaben Sarifs sind die Gespräche wichtig gewesen. Sie hätten zur Beschleunigung der Verhandlungen beigetragen. Konkrete Ergebnisse hatten die beiden Minister allerdings nicht vorzuweisen. Die Gespräche würden in den nächsten Tagen auf Beamtenebene fortgesetzt, hieß es.

Nach dem Treffen mit Kerry begab sich Sarif nach Paris zu einem Treffen mit seinen deutschen und französischen Kollegen, Steinmeier und Fabius. Steinmeier sagte bei dem Treffen: "Wir dürfen nichts unversucht lassen, um zu einer Lösung zu kommen, die wir in den vergangenen Jahren nicht erreicht haben. Der Weg Irans zu Atomwaffen muss eindeutig, muss nachprüfbar, muss dauerhaft ausgeschlossen sein, und im Gegenzug dafür muss es glaubwürdig auch die Aufhebung der Sanktionen Schritt für Schritt geben." Gerade der letzte Punkt gehörte zu den Punkten, über die noch Diskussionsbedarf besteht. Denn Iran macht die sofortige und vollständige Aufhebung der Sanktionen zur Bedingung eines Abkommens.

Am 21. Januar warnte US-Präsident Barack Obama während seiner Rede an die Nation den Kongress, neue Sanktionen gegen Iran zu beschließen. Ein solcher Schritt würde so gut wie sicher zum Scheitern der Verhandlungen führen. Dann würde Iran sein Atomprogramm neu starten. "Das ergibt keinen Sinn", sagte der Präsident. Mit den Verhandlungen gäbe es die Chance auf ein umfassendes Abkommen. Dennoch werde er alle Optionen auf dem Tisch behalten. Das amerikanische Volk erwarte aber, dass der Krieg der letzte Ausweg bleibe.

In die US-Debatte schalteten sich auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und die Außenminister Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands, ein. Gemeinsam appellierten sie am 22. Januar in der Washington Post an die Abgeordneten des US-Kongresses, keine neuen Sanktionen gegen Iran zu beschließen. Ein solcher Schritt würde den Erfolg der Atomverhandlungen gefährden. In dieser "empfindlichen Phase der Verhandlungen" können neue Hürden wie Sanktionen alle Bemühungen um eine Einigung unterlaufen, hieß es im Artikel. Es sei jetzt wichtig, der Diplomatie eine Chance zu geben. Obwohl es den Iranern bewusst sei, welche Vorteile eine Aufhebung der Sanktionen und die Normalisierung der Beziehungen zum Ausland für sie bringen würden, gäbe es immer noch Kräfte in Iran, die eine Einigung im Atomkonflikt ablehnten. Diesen Kräften sollte man keine neuen Argumente liefern, schreiben die Außenminister.

Ziel des Abkommens sei ein umfassender Vertrag, der "das Recht des iranischen Volkes auf die friedliche Nutzung der Atomenergie akzeptiert und zugleich der Weltgemeinschaft versichert, dass Iran keine Nuklearwaffen anstrebt" schreiben die Minister weiter.

Auch Irans Außenminister Sarif meldete sich in dieser Debatte zu Wort. Sollte der US-Kongress neue Sanktionen gegen Iran beschließen, würden die Verhandlungen scheitern, sagte Sarif beim Wirtschaftsforum in Davos. Auch die im vergangenen Jahr getroffenen Vereinbarungen wären dann hinfällig.

Indes sagte der iranische Vizeaußenminister und Verhandlungsführer Abbas Araghtschi, die Verhandlungen seien "sehr kompliziert", so sehr, dass man nicht schnell zu einem Ergebnis kommen könne. Araghtschi, der sich am 24. und 25. Januar zu Gesprächen mit amerikanischen und europäischen Verhandlungspartnern in Zürich aufhielt, sagte: "Beide Seiten haben bestimmte Bedenken, die ernst sind. Doch wir alle sind bemüht, uns näher zu kommen." Die Verhandlungen zwischen den Außenministern sollen am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz fortgesetzt werden. Auch in Istanbul soll es auf Experten-Ebene Gespräche geben.

Am 27. Januar teilte der demokratische US-Senator Bob Menendez Ž ein bislang entschiedener Verfechter härterer Sanktionen gegen Iran Ž Obama mit, dass er bis zur festgesetzten Frist der Verhandlungen (im kommenden Juli) keine neuen Strafmaßnahmen gegen Iran unterstützen werde. "Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass die Diplomatie die Fähigkeit Irans, eine Atomwaffe zu entwickeln, umkehren wird", heißt es in dem Brief. Menendez hatte gemeinsam mit dem republikanischen Senator Mark Kirk einen Antrag zur Verschärfung der Sanktionen vorbereitet.

Am 28. Januar gab Hossein Taghawi, Sprecher des Ausschusses für nationale Sicherheit und Außenpolitik im Teheraner Parlament, bekannt, dass 80 Abgeordnete eine Beschlussvorlage unterzeichnet hätten, in der es heißt: "Sollte der US-Kongress neue Sanktionen gegen Iran beschließen, werden wir die Vereinbarung von Genf annullieren und unseren eigenen Weg fortsetzen."


ÖLEINNAHMEN IM HAUSHALTSPLAN REDUZIERT

Wie Wirtschaftsminister Ali Tayebnia am 15. Januar ankündigte, beschloss die Regierung, die im Haushaltsplan vorgesehenen Öleinnahmen infolge des Verfalls des Ölpreises nach unten zu korrigieren. Der bei der Berechnung der Einnahmen zugrunde gelegte Preis von 72 Dollar pro Barrel sei zu hoch, man müsse nun von einem Preis von 40 Dollar pro Barrel ausgehen, sagte der Minister. In den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres sei das Öl im Durchschnitt für 105 Dollar pro Barrel verkauft worden, doch nun bewege sich der Preis auf 40 Dollar pro Barrel zu.

Dieser drastische Sturz des Ölpreises erfordere nicht nur eine drastische Reduzierung der Staatsausgaben sondern auch eine Reduzierung der staatlichen Investitionen. "Um aus dieser schwierigen Situation heil herauskommen zu können, müssen überflüssige Ausgaben gestrichen und manche Projekte gestoppt werden", sagte Tayebnia. Nach Einschätzung der Experten hat der Preisverfall des Öls Irans Wirtschaft zusätzlich zu den Auswirkungen der bestehenden Sanktionen großen Schaden zugefügt. In den vergangenen zwei Jahren nahm der iranische Ölexport um mehr als die Hälfte ab. Auch der Zugriff Irans auf die Öleinnahmen wurde infolge der Sanktionen gegen iranische Banken stark eingeschränkt.

Nach Angaben von Tayebnia fiel der iranische Ölexport im Zuge der Sanktionen von 2,4 Millionen Barrel pro Tag auf eine Million Barrel. Inzwischen kauften nur noch jene Staaten iranisches Öl, die von den USA dazu die Erlaubnis erhalten hätten, sagte der Minister. Die Senkung des Ölpreises sei nur erfolgt, um Iran und Russland zu schaden.


SCHWARZMARKT BILDET EIN DRITTEL DES AUßENHANDELS

Nach Einschätzung des "Zentralamts gegen die Schmuggelwirtschaft" hat der Schwarzmarkt einen Anteil von mehr als einem Drittel am Gesamthandel des Landes.

Amtsleiter Habibollah Haghighi sagte am 22. Januar der Presse, der Gesamtwert der importierten Waren betrage 50 Milliarden Dollar, der der geschmuggelten Waren rund 20 Milliarden Dollar.

"Die geschmuggelten Waren bremsen die Inlandsproduktion und haben einen negativen Einfluss auf die Wirtschaft, das Gesundheitswesen und die Kultur", sagte Haghighi.

Iran leidet seit Jahrzehnten unter der Schmuggelwirtschaft. Die beachtliche Rolle, die sie in der Gesamtwirtschaft einnimmt ist nach Meinung von Experten ohne eine Beteiligung von hochgestellten Politikern, Militärs und Justizbeamten nicht vorstellbar.

In der Regierungszeit von Mohammad Chatami (1997-2005) wurde von "illegalen Ankerplätzen" gesprochen und Ahmadinedschad sprach von "schmuggelnden Brüdern". Gemeint waren die Pasdaran, die zum Teil die Häfen, Flughäfen und Grenzen kontrollieren und damit Waren ohne Zoll importieren können.

Haghighi forderte die Geistlichkeit auf, den Gläubigen den Kauf von Schmuggelwaren zu untersagen. Ein wichtiger Teil des Schmuggelgeschäfts betrifft den Schmuggel von Brennstoff ins Ausland, dessen Wert nach Einschätzung von Haghighi bei rund fünf Milliarden Dollar pro Jahr liegt.


NETANJAHU VERBIETET BERICHTERSTATTUNG ÜBER ÖLSTREIT MIT IRAN

Laut israelischer Presse hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu versucht, der Presse des Landes zu verbieten, über einen Streit zwischen Iran und Israel zu berichten. Bei dem Streit ging es um den Anteil Irans an der Eilat Ashkelon Pipeline Company. Darüber haben wir in der letzten Nummer des Iran-Report (1/15) ausführlich berichtet. Der Streit hatte nach zwanzigjähriger Dauer mit einer Verurteilung Israels durch ein Schweizer Gericht zu einer Geldstrafe in Höhe von mehreren Millionen Dollar sein vorläufiges Ende gefunden. In der israelischen Presse wurde von einer Summe in Höhe von 50 bis 100 Millionen Dollar gesprochen. Das Urteil war vor einem Jahr gefällt worden, die Öffentlichkeit wurde bislang jedoch nicht informiert.

Nun hat die Zeitung Haaretz Einzelheiten über den Vorgang veröffentlicht. Wie die Zeitung berichtete, hatte Netanjahu im November 2013 in einem als streng geheim bezeichneten Erlass die Verbreitung von Informationen, die das Urteil betrafen, untersagt. Sie würde "der nationalen Sicherheit Israels und seinen Beziehungen zum Ausland Schaden" zufügen, hieß es als Begründung. Die Regierung Netanjahu hat nach Einschätzung von Haaretz die Geldstrafe bisher nicht zahlen wollen, um so dem iranischen Atomprogramm zu schaden. Die Zeitung wirft in ihrem Leitartikel auch die Frage auf, ob das Insistieren der Netanjahu-Regierung auf härtere Sanktionen gegen Iran allein aus Gründen der Sicherheit erfolgte oder nicht auch aus finanziellen Beweggründen.


KUNDGEBUNG DER ARBEITER VOR DEM PARLAMENT

Mehrere hundert Arbeiter der Elektrobrache aus verschiedenen Teilen des Landes haben am 7. Januar gegen Zeitverträge vor dem Parlament in Teheran demonstriert, berichtete die Agentur IRNA. Auch Tagelöhner des Unternehmens Iran Tayer nahmen an der Kundgebung teil.

Die Agentur ILNA zitierte einen Tagelöhner, der sagte: "Die Beschäftigung von Tagelöhnern für Arbeiten, die nicht kurzfristig oder saisonal sind, ist ungerecht. Diese leisten die gleiche Arbeit wie festangestellte Werktätige, sind jedoch nicht versichert und erhalten zudem weit weniger Lohn."

Ein Arbeiter der Elektrobranche meinte: "Wir befinden uns zwischen Arbeitern mit unbefristeten und zeitlich befristeten Verträgen. Wir haben keinen festen Status und keine Aussicht auf Festanstellung, obwohl die meisten von uns seit mehr als sieben Jahren beschäftigt sind."

Es gibt in Iran häufig Proteste und Streiks gegen Zeitverträge. Zugleich planen Regierung und Parlament Änderungen im Arbeitsgesetz, um Arbeitgeber durch die Senkung der Sozialstandards zu größeren Investitionen zu ermuntern.

*

AUSSENPOLITIK

• Anschlag von Paris verurteilt
• Chameneis Brief an die Jugend im Westen
• Iranischer General in Syrien getötet
• Kampf gegen den IS
• Ernsthafte Gespräche mit Saudi-Arabien gefordert
• Verstärkte militärische Kooperation zwischen Russland und Iran
• Netanjahu hält Rede vor dem Kongress in Washington
• Iranische Politiker verärgert über Roths Äußerungen in Iran


ANSCHLAG VON PARIS VERURTEILT

In einer am 7. Januar veröffentlichten Presseerklärung verurteilte das iranische Außenministerium den Terroranschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo. Terroranschläge gegen unschuldige Menschen hätten mit dem Islam nichts zu tun, hieß es in der Erklärung, die von der Außenamtssprecherin Marsieh Afkham unterzeichnet war. Die Tat sei inakzeptabel, so die Erklärung.

Auch beim Freitagsgebet in Teheran am 9. Oktober wurde der Anschlag verurteilt. "Wir verurteilen den Anschlag in Frankreich auf das Schärfste und sind davon überzeugt, dass der Islam das Töten unschuldiger Menschen nicht erlaubt", sagte Freitagsprediger Ahmad Chatami. Doch gleichzeitig fügte er hinzu: "Die Waffen dieser Terroristen werden mit amerikanischen Dollars, britischen Pfunds und EU-Euros finanziert." An diese Länder gerichtet sagte Chatami weiter: "Diese Bestien und Schlangen habt ihr aus euren Ärmeln geschüttelt."

Die Terroristen seien das Produkt westlicher Staaten und ihrer Verbündeten, fuhr Chatami fort. "Lasst ab von dieser listigen Politik. Jetzt merkt ihr allmählich, dass der Weg, den ihr zehn Jahre lang gegangen seid, in die Irre führt. Hört damit endlich auf!"

Auch Präsident Hassan Rohani verurteilte den Anschlag. Gewalt und Terrorismus seien schärfstens zu verurteilen, unabhängig davon, ob sie in der Region, den USA oder in Europa stattfänden, sagte Rohani am 9. Januar laut Medien. Er warf den Attentätern vor, die Islamfeindlichkeit im Westen zu fördern. "Jene, die ungerechtfertigter Weise im Namen des Dschihad, der Religion und des Islam morden und gewaltsame und extremistische Taten begehen, fördern die Islamfeindlichkeit, ob sie es wollen oder nicht. Beim Propheten Mohammad ging es immer um Gerechtigkeit, nie um Rache." Statt zur Gewalt, habe Mohammed stets zu Besonnenheit und Vergebung aufgerufen, sagte der Präsident.

Teheran unterstütze "alle Völker, die den Terrorismus bekämpfen", fuhr Rohani fort. Sein Land begrüße, dass die Muslime im Irak, in Syrien, dem Libanon und Palästina, ebenso wie in Pakistan und Afghanistan mit aller Kraft gegen den Terrorismus kämpften. "Menschen zu töten und zu terrorisieren, um die Religion zu verteidigen, ist des Islams und der Muslime nicht würdig", sagte Rohani am 20. Januar laut ISNA in der Kabinettssitzung. Man müsse aufklären und Überzeugungsarbeit leisten, wenn religiöse Gefühle verletzt werden. Der Geistliche Rohani kritisierte aber auch die Mohammed Karikaturen. "Es ist eine Katastrophe, dass in der heutigen zivilisierten Welt einige Länder Provokationen und Beleidigungen als Meinungsfreiheit ausgeben", sagte er.

Es gab in Iran auch Stimmen, die den Anschlag begrüßten. Das Organ der ultrakonservativen Gruppe "Ansar-e Hisbollah", das den Revolutionsgarden (Pasdaran) nahesteht, schrieb in der Ausgabe vom 14. Januar, die Feinde des Propheten seien ins Grab geschickt worden. Die Vollstreckung der Strafe habe mit Terrorismus und dem IS nichts zu tun, hieß es weiter. Die Aktion sei vor Monaten geplant gewesen und sei schließlich mit dem Ruf: "Wir haben unseren Propheten gerächt" vollzogen worden.

Nach dem Erscheinen der neuesten Nummer von Charlie Hebdo kritisierte Außenamtssprecherin Afkham die auf dem Titel abgebildete Karikatur des Propheten Mohammed. Diese Karikatur sei beleidigend und für Muslime provozierend, sagte sie vor der Presse am 14. Januar. Die Achtung vor dem Glauben und den Heiligtümern sei ein von allen akzeptierter Grundsatz. Sie hoffe, dass dieser Grundsatz auch von europäischen Politikern akzeptiert werde. "Der Missbrauch der freien Meinungsäußerung im Westen ist nicht hinnehmbar und muss verhindert werden."

Am 19. Januar gab es in Teheran in der Neauphle-le-Chateau-Straße vor der französischen Botschaft eine Kundgebung gegen die abermalige Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in Charlie Hebdo. Neauphle-le-Chateau ist der Ort, in dem sich Ayatollah Chomeini nach seinem irakischen Exil in der Nähe von Paris niedergelassen hatte.

Die Demonstranten skandierten Parolen gegen Frankreich, Israel, Großbritannien und die USA, überklebten die Straßenschilder mit dem Namen Mohammeds und forderten die Umbenennung des Straßennamens, die Ausweisung des französischen Botschafters und die Schließung der Botschaft. Den Presseberichten zufolge hatte die studentische Organisation der Basidsch-Milizen zu der Kundgebung aufgerufen. Laut der Agentur Fars sagte der Sprecher der Demonstranten: "Wir haben uns hier versammelt, um dem unfähigen französischen Botschafter zu sagen: 'Wir werden die Botschaft nicht zertrümmern, weil unser Revolutionsführer es uns untersagt hat.'"

Unter den Demonstranten waren auch die beiden Parlamentsabgeordneten Ahmad Tawakoli und Hamid Rasai. Tawakoli kritisierte in seinem Redebeitrag Außenminister Mohammad Dschawad Sarif. Der Minister hatte sich am 14. und 15. Januar mit US-Außenminister John Kerry in Genf sowie mit den Außenministern Deutschlands und Frankreichs in Paris getroffen. In Genf hatte Kerry und Sarif einen Teil ihres Gesprächs während eines gemeinsamen Spaziergangs geführt.

Auch der Oberkommandierende der Basidsch-Milizen, General Mohammd Resa Naghdi, übte scharfe Kritik an Sarif. "Ich habe bis jetzt zu den Atomverhandlungen keine Stellung genommen, um die Position des Außenministers nicht zu schwächen. Doch es gibt Fehler, die unverzeihlich sind. Nun sage ich ganz offen, dass Herr Sarif aus meiner Sicht sein Ansehen verloren hat."

Naghdi warf Sarif "Dilettantismus und die Wiederholung von Fehlern" vor und forderte ihn auf, sich beim iranischen Volk zu entschuldigen. Der gemeinsame Spaziergang Sarifs mit Kerry sei eine Missachtung des "vergossenen Bluts der Märtyrer" gewesen. "Das war hässlich und unverzeihlich." Der Besuch in Paris habe am selben Tag stattgefunden, an dem der französische Ministerpräsident die Mohammad-Karikatur demonstrativ in die Kameras hielt.

Auch der Herausgeber der Tagezeitung Kayhan, Hossein Schariatmadari, kritisierte in einem Leitartikel die Reise Sarifs nach Paris. Justizchef Sadegh Laridschani erklärte, das Außenministerium müsse dafür sorgen, dass iranische Diplomaten ausländischen Diplomaten mit aller Entschiedenheit entgegenträten, vor allem jenen, die den Islam beleidigten.

Am 25. Januar wurde Sarif von 31 Parlamentsabgeordneten wegen "zwei diplomatischen Fehlleistungen zu einer Anhörung einbestellt". In der Anfrage heißt es: "Ihr Spaziergang mit dem amerikanischen Außenminister und Ihr Besuch in Paris zu einer Zeit, in der die Muslime von der Zeitschrift Charlie Hebdo mehrmals beleidigt wurden, war eines Ministers nicht würdig." Angesichts des Verhaltens der USA Iran gegenüber, sei "ein vertrautes Verhältnis zwischen den Außenministern Irans und der USA nicht vorstellbar", erläuterten die Abgeordneten und fragten: "Warum wollen Sie mit diesem unüblichen Verhalten nicht aufhören? Versuchen Sie ohne Umschweife die hehren Ziele der islamischen Revolution durchzusetzen."

Sarif hatte bereits zuvor erklärt, es habe sich um ein "sehr ernstes und klares Gespräch" gehandelt. Der Spaziergang sollte die im Raum herrschende, angespannte Atmosphäre auflockern.


CHAMENEIS BRIEF AN DIE JUGEND IM WESTEN

Am 22. Januar meldet sich auch Revolutionsführer Ali Chamenei zu dem Terroranschlag in Paris zu Wort. In einer Erklärung, die von iranischen Medien verbreitet wurde, forderte er die Jugend im Westen auf, unbefangen auf den Islam zuzugehen und sich über den Koran und das Leben des Propheten Mohammed zu informieren. Er wende sich an die Jugend, weil Jugendliche "auf der Suche nach Wahrheit" seien, heißt es in dem "Brief an die Jugend im Westen". Er wende sich in seinem Brief dezidiert nicht an die Politiker, denn "sie haben bewusst den Weg der Politik von dem der Wahrheit und Aufrichtigkeit getrennt", so Chamenei.

Chamenei bezeichnete die "islamfeindliche Propaganda" indirekt als eine "organisierte und bewusste Instrumentalisierung, um im Westen Ängste zu schüren und den Islam als Feind darzustellen". Seit über zwei Jahrzehnten, genauer seit dem Zerfall der Sowjetunion, gäbe es im Westen verschiedene Aktivitäten, um die große Religion des Islam als ein furchterregendes Feindbild darzustellen.

Der Versuch, Angst und Hass zu schüren, sei im Westen nichts Neues, schreibt Chamenei. Er erwähnte die Zeit des Kolonialismus, die Rassendiskriminierungen sowie den Ersten und Zweiten Weltkrieg und bezeichnete diese historischen Ereignisse als schändlich für den Westen. Des Weiteren wirft er die Frage auf, warum man versuche, eine Aufklärung über den wahren Charakter des Islams zu verhindern.

Chamenei forderte die Jugend auf, sich zu fragen, warum "die alte Politik des Schürens von Angst und Hass" nun verstärkt gegen den Islam eingesetzt werde. "Weshalb ist man gewillt, den Geist des Islams an den Rand zu drängen?" Die Jugend solle sich direkt und ohne Vermittlung über den Islam informieren und den Koran und das Leben von Mohammed studieren. "Ich bestehe nicht darauf, dass ihr meine Auffassung vom Islam akzeptiert", schreibt Chamenei. "Aber lasst nicht zu, dass die Wahrheit durch unlautere Absichten verzerrt wird. Lasst nicht zu, dass beauftragte Terroristen als Vertreter des Islams bezeichnet werden."

Der Brief erschien auch auf Englisch auf der persönlichen Webseite Chameneis, begleitet von Twitter-Botschaften.


IRANISCHER GENERAL IN SYRIEN GETÖTET

Die Revolutionsgarden (Pasdaran) bestätigten am 19. Januar den Tod eines ihrer Kommandeure, General Mohammad Ali Allahdadi, der bei einem israelischen Luftangriff in den syrischen Golanhöhen ums Leben gekommen war. Außer dem General wurden nach iranischen Angaben auch sechs Hisbollah-Kämpfer getötet.

Die libanesische Hisbollah, die mit Iran verbündet ist, hatte den Vorfall bereits am 17. Januar bekannt gegeben. Demnach soll ein israelischer Hubschrauber Raketen auf zwei Hisbollah-Fahrzeuge abgefeuert haben. In der Bekanntmachung wurden die Namen der sechs Hisbollah-Kämpfer veröffentlich. Unter ihnen ist auch der Name Dschihad Mughnieh, der der Sohn des 2008 in Damaskus getöteten Hisbollah-Funktionärs Imad Mughnieh ist. Auch er wurde nach Angaben der Hisbollah durch einen israelischen Angriff getötet. Dschihad Mughieh hatte zuvor Iran besucht. Auf einem Foto ist er neben dem legendären iranischen General Ghassem Soleimani zu sehen, der sowohl in Syrien als auch im Irak, vor allem bei den Kämpfen gegen den IS, eine wichtige Rolle spielt. Bei dem Angriff am 17. Januar soll auch der hohe Hisbollah-Funktionär Mohammad Issa getötet worden sein.

Wie immer in solchen Fällen hat Israel den Bericht weder bestätigt noch dementiert. Demgegenüber schrieben sowohl die syrische Regierung als auch die UN-Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Syrien den Angriff Israel zu. UN-Sprecher Farhan Hagh sagte laut BBC, am 17. Januar seien zwei Drohnen beobachtet worden, die von Israel aus die syrische Grenze überflogen hätten. Nach einer Stunde habe man Rauch aufsteigen sehen, was vermutlich durch eine Detonation verursacht worden sei. Danach seien die Drohnen nach Israel zurückgeflogen.

In der Erklärung der Pasdaran heißt es, dass sich General Allahdadi, der zuvor Kommandeur der Streitkräfte in der Provinz Yasd gewesen sei, "zur Unterstützung der syrischen Regierung und des syrischen Volkes im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS)" in Syrien aufgehalten habe. Der Vorfall mache deutlich, wie die Koordinierung zwischen "den terroristischen Verschwörungen des IS und anderen Gotteslästerern mit den Plänen gegen die Muslime der Zionisten und der Führer im Weißen Haus " funktioniere, hieß es.

Das Teheraner Außenministerium verurteilte den israelischen Angriff und bezeichnete ihn als "Staatsterrorismus". Auch der Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats, Ali Schamkhani, verurteilte den Angriff und warf Israel die Verletzung der nationalen Souveränität des Landes vor. Wie die Erfahrung zeige, werde die "Widerstandsbewegung" den Angreifern "eine gebührende Antwort" erteilen.

Der Oberkommandierende der Pasdaran, General Mohammad Ali Dschafari, erklärte laut BBC am 20. Januar: "Die Kämpfer und Mujahedin des Islam in der Region werden ihren Kampf bis zur völligen Auslöschung Israels fortsetzen." Der General drohte Israel mit "verheerenden Blitzschlägen".

Laut dpa vom 20. Januar wurden Israels Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt. Denn neben Iran hat auch die Hisbollah Israel mit Vergeltung gedroht. Dem israelischen Rundfunk zufolge hat die Armee in der Nähe der libanesischen Grenze das mobile Raketenabwehrsystem "Eisenkuppel" aufgestellt.

Irans Vizeaußenminister Amir Abdollahian sagte der Agentur IRNA am Rande der Trauerfeier für General Allahdadi, Iran habe den USA über diplomatische Kanäle mitgeteilt, dass Israel die Folgen seiner Taten büßen werde. Mit dem Mord an Allahdadi habe Israel Irans rote Linie überschritten.

Wenige Stunden später meldete sich die Sprecherin des US-Außenministeriums Jen Psaki mit einem Dementi. Bei den Atomgesprächen zwischen Iran und den USA sei kein Wort über etwaige Warnungen Irans an Israel gesprochen worden.

Die israelische Zeitung Jedi'ot Achronot zitierte einen ungenannten hochrangigen Sicherheitsbeamten, der behauptet, dass der iranische Kommandant nicht Ziel des Angriffs gewesen sei. Man habe die Gruppe um ihn irrtümlich für eine Gruppe von Milizen gehalten. Und Kanal 10 des israelischen Fernsehens meldete, Israel habe über Russland eine Botschaft an Iran geschickt und darin betont, Israel wünsche keine Eskalation, die Verantwortlichen in Teheran sollten Ruhe bewahren.


KAMPF GEGEN DEN IS

Der Einsatz Irans gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) wird immer stärker. Einem Bericht der dpa vom 13. Januar zufolge landen täglich zwei bis drei iranische Militärflugzeuge mit Waffen und Munition am Bagdader Flughafen. Iran habe im vergangenen Jahr für rund 8,5 Milliarden Euro Waffen und Geräte an den Irak verkauft, darunter Sturmgewehre, schwere Maschinengewehre und Raketenwerfer. Am 7. Januar erklärte General Ahmad Resa Purdastan, Befehlshaber der iranischen Bodenstreitkräfte, er habe den IS deutlich gewarnt, als er sich dem östlichen Teil Iraks näherte. Sollten die Terroristen die "Rote Linie" vierzig Kilometer vor der iranisch-irakischen Grenze überschreiten, würden die iranischen Streitkräfte sie mit aller Härte zurückschlagen. Nach dieser Warnung hätten sich die Terroristen schleunigst aus dem Gebiet zurückgezogen.

Iran hatte den IS bereits in den vergangenen acht Monaten mehrmals gewarnt, diese von Teheran festgelegte rote Linie nicht zu überschreiten, und erklärte, dass die Streitkräfte des Landes in der Lage und bereit seien, einen vernichtenden Schlag gegen die Terroristen auszuführen. Im vergangenen Sommer hatten die IS-Terroristen die irakische Stadt Dschelula in der Provinz Dialeh erobert, die weniger als fünfzig Kilometer von der iranischen Grenzstadt Chosrawi in der Provinz Kermanschah entfernt liegt. Die Stadt wurde jedoch vor eineinhalb Monaten von irakischen und kurdischen Kämpfern zurückerobert.

Iran hatte den IS auch vor Angriffe gegen schiitische Heiligtümer im Irak gewarnt. Teheran behauptet stets, nur beratend im Irak und Syrien präsent zu sein. Doch unabhängige Berichte zeugen von einem aktiven militärischen Engagement, vor allem der iranischen Pasdaran, sowohl im Irak als auch in Syrien. Koordiniert werden die Operationen vom legendären General Ghassem Soleimani, dem Oberkommandierenden der Al Ghods Brigade, einer Abteilung der Pasdaran, die für Auslandseinsetze zuständig ist. "Wenn Ghassem Soleimani und die Islamische Republik nicht wären, wäre heute die irakische Regierung entweder im Exil, oder sie würde nicht mehr existieren", sagte Hadi Al-Ameri, Befehlshaber der irakischen Al-Badr-Brigade am 5. Januar in Teheran bei der Beisetzung von General Hamid Taghawi, einem der Kommandeure der Pasdaran, der zehn Tage zuvor im Irak ums Leben gekommen war. Am 26. Januar haben 208 Abgeordnete im iranischen Parlament Soleimani ihr Lob ausgesprochen. Sie dankten ihm für die Wahrung der Sicherheit in der Region.

Irans Präsident Rohani warf einigen islamischen Ländern vor, den IS zu unterstützen. "Im Namen des Islams enthaupten einige Kriminelle Menschen, sie zerstören Kirchen (...) und einige islamische Länder unterstützen diese Terroristen mit Geld und Waffen", zitierte ihn dpa am 7. Januar. Namen nannte Rohani nicht, doch es ist nicht schwer zu erraten, dass er vor allem Saudi-Arabien und die Türkei meinte. Der Präsident betonte, dass der IS alle Muslime bedrohe, ungeachtet dessen, ob diese in Aleppo oder in Riad lebten. Er appellierte an alle islamischen Länder, verschiedene Zweige des Islams als Teile eines gemeinsamen Glaubens anzuerkennen.

Auch Außenminister Sarif forderte eine internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus. "Gerade die Ereignisse in Paris haben gezeigt, wie notwendig derzeit eine globale Koalition gegen Extremismus ist", sagte der Minister am 11. Januar vor Journalisten in Teheran.

Bei einem Treffen mit dem kenianischen Botschafter in Teheran am 26. Januar verurteilte Präsident Rohani der Agentur ISNA zufolge auch die Islamistenmiliz Boko Haram, die er als eine Schande für den Islam bezeichnete. "Leider agieren diese Terroristen im Namen des Islam, obwohl das, was sie tun, überhaupt nichts mit dem Islam zu tun hat", sagte Rohani.


ERNSTHAFTE GESPRÄCHE MIT SAUDI-ARABIEN GEFORDERT

Der Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats Ali Schamchani erklärte die Bereitschaft seines Landes zu "offenen, transparenten und umfassenden Gesprächen" mit Saudi-Arabien. Bei einem Treffen mit dem iranischen Botschafter in Saudi-Arabien am 20. Januar in Teheran kritisierte er die "noch nie dagewesenen finanziellen und personellen Schäden infolge von ethnischen und religiösen Auseinandersetzungen in der islamischen Welt" und forderte "einen radikalen, ehrlichen und ernsthaften Kampf gegen Extremismus und Terrorismus, welche sich derzeit unter der Maske Islamischer Staaten verbergen".

Die Beziehungen zwischen der Islamischen Republik und Saudi-Arabien ist seit Jahren belastet und durch die Vorgänge in Syrien, im Irak, in Jemen und Bahrain getrübt. Der aktuelle drastische Verfall des Ölpreises hat nun zu einer Eskalation des Konflikts zwischen Riad und Teheran geführt. Iran spricht erbost über die Weigerung Saudi-Arabiens, einer Reduzierung der Öl-Fördermenge der OPEC-Länder und damit einer Stabilisierung des Ölpreises zugestimmt zu haben. Dieses Verhalten wird als "Ölverschwörung" gegen Iran bezeichnet. Präsident Rohani hatte die Verschwörung als "Verrat an der islamischen Welt" bezeichnet.

Iran ist es gelungen, seine Beziehungen zu den meisten Staaten am Persischen Golf zufriedenstellend zu gestalten, nicht jedoch zu Saudi-Arabien, obwohl Teheran offensichtlich eine Normalisierung der Beziehung zu Riad anstrebt. Der erste Berater von Rohani, Ali Yunesi, sagte kürzlich, die herrschende Atmosphäre zwischen den beiden Staaten erlaube nicht, dass Ex-Staatspräsident Haschemi Rafsandschani zur Beilegung des Konflikts Saudi-Arabien besuche. Rafsandschani genießt in Saudi-Arabien ein hohes Ansehen.

Die Äußerungen von Schamchani machen den Wunsch Irans nach guten Beziehungen zu Saudi-Arabien deutlich. Politisch wäre dies für Iran ein Gewinn. Dadurch hätte Iran größeren Zugang zu den arabischen Völkern, insbesondere zu den Schiiten unter ihnen. Genau darin mag auch die skeptische Haltung der Saudis begründet sein. Sie befürchten, dass Iran seinen Einfluss in der Region stärken könnte. Sollte es zudem zu einem Abkommen im Atomkonflikt und folglich zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Teheran und Washington kommen, könnte Saudi-Arabien als derzeit engster Verbündeter der USA und der EU in der Region ins Abseits gedrängt werden.

Nun hofft Iran, dass der neue König in Riad für ein Tauwetter sorgen könnte. "Wir hoffen, dass die Saudis demnächst mit einer neuen und realistischeren Einstellung die Grundlagen für eine bessere bilaterale Zusammenarbeit schaffen werden", sagte Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif am 25. Januar in Teheran. "Wir müssen die Differenzen in der Region und im Kampf gegen den Terrorismus ausräumen." Erneut betonte Sarif, dass die Einladung an seinen Amtskollegen Saud al-Faisal, Iran zu besuchen, weiterhin bestehe.

Präsident Rohani gratulierte König Salman zu seiner Ernennung. "Wegen den gemeinsamen historischen und religiösen Bindung beider Länder hoffe ich demnächst auf eine Ausweitung der bilateralen Beziehungen", schrieb der Präsident. Die bestehenden Konflikte sind auch der Grund dafür, dass nicht Rohani, sondern Sarif an der Trauerfeier für den verstorbenen König Abdullah teilnahm.

Dies gab die Sprecherin des Außenministeriums Marsieh Afkham am 25. Januar bekannt. Laut der Agentur ISNA reiste Sarif, der an dem Weltwirtschaftsforum in Davos teilnahm, direkt von der Schweiz nach Saudi-Arabien. Die Trauerfeier fand am 30. Januar statt.


VERSTÄRKTE MILITÄRISCHE KOOPERATION ZWISCHEN RUSSLAND UND IRAN

Einer Meldung der dpa vom 20. Januar zufolge haben Moskau und Teheran vereinbart, ihre militärische Zusammenarbeit zu verstärken. Konkret sollen, wie der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu den Journalisten bei seinem Besuch in Teheran mitteilte, der Kampf der beiden Staaten gegen den Terrorismus besser koordiniert, Soldaten zur militärischen Ausbildung ausgetauscht und gemeinsame Manöver veranstaltet werden. Zudem sollen künftig Marineschiffe die Häfen des jeweils anderen Staates öfter anlaufen. Die bedrohliche Lage in der Region erfordere ein gemeinsames Vorgehen, betonte der Minister.

Von möglichen Waffenlieferungen sprach der Minister nicht. Laut einem Vertrag von 2007 sollte Russland Luftabwehrraketen vom Typ S-300 an den Iran liefern. Doch der Plan wurde auf den Druck der USA und Israels hin nicht umgesetzt, was scharfe Proteste aus Teheran hervorgerufen hat. Die S-300 gehörte damals zu den modernsten Abwehrraketen am Markt.

Schoigu ist der erste russische Verteidigungsminister, der seit 15 Jahren Iran besucht hat. Die neuen Schritte zur Intensivierung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten hängen nicht zuletzt mit dem Konflikt zwischen Russland und dem Westen, insbesondere mit den USA, zusammen. Sowohl Iran als auch Russland leiden unter den vom Westen verhängten Sanktionen. Im Nahen Osten unterstützen beide Staaten das Regime in Syrien, das sowohl vom Westen als auch von arabischen Staaten sowie von der Türkei bekämpft wird.

Bezugnehmend hierauf sagte Irans Verteidigungsminister Hossein Dehghan, das Abkommen sei auch die Grundlage für gemeinsame Aktivitäten gegen die Einmischung der USA in inneren Angelegenheiten anderer Staaten. Er warf Washington eine "zerstörerische Außenpolitik" vor. "Die Lage in der Region und in der Welt erfordert, dass das mächtige Russland und der mächtige Iran bei der Festigung der internationalen Sicherheit und regionalen Stabilität zusammenarbeiten", sagte der Minister.


NETANJAHU HÄLT REDE VOR DEM KONGRESS IN WASHINGTON

Der Sprecher des US-Repräsentantenhauses John Boehner hat am 21. Januar den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu einer Rede vor dem Repräsentantenhaus und dem Senat eingeladen. Als Begründung führte er an: "Netanjahu ist ein großartiger Freund unseres Landes und diese Einladung bringt die felsenfeste Hingabe für die Sicherheit und das Wohlergehen seines Volkes mit sich." In beiden Kammern haben die Republikaner die Mehrheit. Thema der Rede ist die Bedrohung durch das iranische Atomprogramm und durch den radikalen Islam. Die Einladung erfolgte ohne Wissen der Regierung, was in Washington zu einem Eklat führte.

"Es ist ungewöhnlich, von dieser Einladung vom Büro des Sprechers zu hören", sagte Außenminister John Kerry. Der Sprecher der Weißen Hauses Josh Eamest meinte: "Das typische Protokoll wäre es, dass der Führer eines Landes den Führer eines anderen Landes informiert, wenn er dorthin fährt." Jede andere Vorgehensweise widerspreche dem Protokoll.

Die Einladung ist nach Meinung politischer Beobachter ein Streich, den die Republikaner nach der nun erreichten Mehrheit in den beiden Häusern dem demokratischen Präsidenten Barack Obama spielen wollen. Offenbar wird mit diesem Schachzug der Versuch unternommen, ein Abkommen mit Iran im Atomkonflikt und damit einen außenpolitischen Erfolg Obamas zu verhindern. Diesem Ziel dient wohl auch der Plan, vor Ablauf der Frist der Atomverhandlungen härtere Sanktionen gegen Iran beschließen zu wollen.

Am 22. Januar gab das Weiße Haus bekannt, dass Obama Netanjahu bei seinem Besuch in Washington nicht empfangen werde. Der Besuch Anfang März werde in der Woche vor den Parlamentswahlen in Israel erfolgen und es sei "langjährige Praxis", dass der Präsident während des Wahlkampfs keine Amtsinhaber und Kandidaten empfange, hieß es zur Begründung.

Netanjahu nahm die Einladung Boehners trotz negativer Reaktion des Weißen Hauses an. In einer ersten offiziellen Stellungnahme am 25. Januar erklärte er, er sehe sich moralisch verpflichtet, jede Gelegenheit wahrzunehmen, um auf die "tödliche Gefahr", die von Iran gegen sein Land ausgehe, hinzuweisen. Es sei möglich, dass es in den nächsten Wochen zwischen Iran und den Weltmächten zu einer Einigung komme und damit Iran in ein Land verwandelt werde, das "ernsthaft die Existenz Israels" bedrohe, sagte der Ministerpräsident.

Es handele sich um denselben Iran, der die Macht in Syrien und Libanon übernommen habe und nun dabei sei, seine Herrschaft über Jemen und den Irak auszuweiten, "es geht um denselben Iran, der dabei ist, auf den Golanhöhen und im Süden Libanons eine Front gegen uns aufzubauen." Ein solches Land dürfe nicht den Bau von Nuklearwaffen planen, sagte Netanjahu laut BBC.

Anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung von Ausschwitz am 27. Januar sagte Netanjahu in der Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem, Iran plane einen "neuen Völkermord" gegen Juden. Die Juden und der Staat Israel würden seit jeher gehasst und vertrieben. Doch im Unterschied zu vergangenen Zeiten seien die Juden heute in der Lage, sich zu schützen und ihre Freiheit zu verteidigen.

Weiter sagte der Ministerpräsident laut AFP: "Die iranischen Ayatollahs leugnen die Realität des Holocausts, während sie einen neuen Völkermord an unserem Volk vorbereiten. Dass die Dinge klar sind: Das jüdische Volk wird sich selbst gegen diese Bedrohung verteidigen."

Mit Blick auf ein mögliches Atomabkommen mit Iran warnte Netanjahu, Iran werde innerhalb weniger Monate Nuklearwaffen entwickeln, was in der Region zu einem Wettrüsten führen werde.

Netanjahu beklagte auch den Anstieg des Antisemitismus im Westen ebenso wie bei internationalen Organisationen. Israel und die Juden würden von "angeblich aufgeklärten"

Organisationen wie dem UN-Menschenrechtsrat und dem Internationalen Gerichtshof angegriffen. Dies sei eine "Offensive" gegen die "einzige Demokratie in der Region", sagte der Ministerpräsident. "Diese Obsession mit den Juden und ihrem Staat hat einen Namen: Das nennt sich Antisemitismus."


IRANISCHE POLITIKER VERÄRGERT ÜBER ROTHS ÄUßERUNGEN IN IRAN

Laut einem Bericht der dpa vom 28. Januar sorgte Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth durch ihre Äußerungen über politische Gefangene während ihres Iran-Besuchs vor allem bei konservativen Politikern für Ärger. Bei einem Treffen mit dem ehemaligen Vizepräsidenten und gegenwärtigen Spitzenkandidaten der Reformer für die Parlamentswahlen im nächsten Jahr, Mohammad Resa Aref, forderte sie die Freilassung der Politiker Mir Hossein Mussavi und Mehdi Karrubi aus ihrem Hausarrest. Die beiden Politiker, die bei der Präsidentschaftswahl gegen den damaligen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad kandidiert hatten, wurden später im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Wahlfälschungen inhaftiert. Sie befinden sich seit vier Jahren in Hausarrest.

Dem Bericht zufolge hatte sich Roth zudem indirekt für einen Wahlsieg der Reformer bei den Parlamentswahlen ausgesprochen. Sie hoffe, Aref in den nächsten Jahren in einer neuen Funktion zu treffen, sagte sie.

Konservative Politiker zeigten sich verärgert über diese Stellungnahmen. Der Vorsitzende des Ausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik, Alaeddin Borudscherdi, forderte die Einbestellung des deutschen Botschafters. Und die Abgeordnete Fatemeh Alieh meinte, Roths Besuch hätte unverzüglich abgebrochen werden müssen, weil sie sich in die inneren Angelegenheiten Irans eingemischt habe. Dazu sagte die Sprecherin des Außenministeriums Marsieh Afkham, Roths Besuchsprogramm sei dem Parlament im Voraus mitgeteilt worden. Der Besuch der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags habe im Rahmen der Beziehungen zwischen den beiden Parlamenten stattgefunden. Dieser Rahmen unterscheide sich von Beziehungen zwischen Regierungen.

Der Leiter der Basidsch-Milizen, Mohammad Resa Naghdi, erklärte mit Blick auf die zwei Weltkriege laut der Agentur Fars: "Besonders die Deutschen sollen vorsichtig sein mit Menschenrechtskritik." Die Pegida-Demonstrationen zeigten, wie stark Rassismus und Vorurteile gegen Religionen noch präsent seien.

Am 29. Januar nahm Aref Roth in Schutz. "Frau Roth hat lediglich ihre persönliche Meinung geäußert und das ist keineswegs eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes", sagte Aref der Agentur Fars zufolge.

Das Teheraner Außenministerium bestellte am 2. Februar den deutschen Botschafter ein. Grund für den Protest seien die Bemerkungen Roths gewesen, die "grundlos und außerhalb der diplomatischen Normen waren", sagte Vizeaußenminister Hassan Ghaschghawi der Agentur Fars zufolge.

Ghaschghawi sagte, er habe zuvor im Parlament den Ausschuss für Nationale Sicherheit und Außenpolitik über die Umstände des Besuchs von Roth informiert und den Kritikern erläutert, dass das Außenministerium bei diesem Besuch lediglich zwischen der deutschen Botschaft und dem Parlament vermittelt habe. Dabei sei das Parlament über die Positionen von Frau Roth sowie die Vorgänge, die mit der Reise von Frau Roth von 2010 zusammenhingen, unterrichtet worden. Die Entscheidung über den Besuch selbst und das dazugehörige Programm habe beim Parlament gelegen.

Der Iran-Report kann kostenfrei auf der Website der Heinrich Böll Stiftung abonniert werden unter
www.boell.de

Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Bauke Baumann
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
14. Jahrgang

*

Quelle:
Iran-Report Nr. 2/2015 - Februar 2015 / 14. Jahrgang
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Schumannstr. 8, 10117 Berlin
Telefon: 030-285 34 - 0, Fax: 030-285 34 - 109
Email: info@boell.de
Internet: www.boell.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang