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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/347: Iran-Report Nr. 7 - Juli 2015


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 7 - Juli 2015
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Mit der Wahl Hassan Rohanis zum iranischen Präsidenten und dessen Amtsantritt am 3. August 2013 wurde in der iranischen Politik ein bedeutender Wandel eingeleitet. Besonders augenfällig ist dies im Kurswechsel der Atompolitik. Die Öffnung der iranischen Politik nach außen und die Ankündigung innenpolitischer Reformen werden im Land von den konservativen Kräften heftig bekämpft. Der Widerstand lässt Rohani und seiner Regierung wenig Spielraum.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Beschimpfungen gegen Rohani
• Pasdaran warnen die Regierung
• Ahmadinedschad kehrt auf die politische Bühne zurück
• Regierungssprecher: Kundgebungen gegen Atomverhandlungen sind illegal
• Ein zweiter ehemaliger Vizepräsident Ahmadinedschads in Haft
• Zehn Jahre Haft für Rafsandschanis Sohn
• Rede- und Bild- und Reiseverbot für Chatami
• Rohani fordert freie und korrekte Wahlen
• Störer beim Vortrag von Rohani wieder freigelassen
• Webseite zur Heiratsvermittlung gestartet


BESCHIMPFUNGEN GEGEN ROHANI

"Die ungerechten Sanktionen müssen aufgehoben werden, damit wieder Kapital ins Land fließt und unsere Umwelt-, Beschäftigungs-, Industrie- und Trinkwasserprobleme löst", sagte Präsident Hassan Rohani auf einer Veranstaltung am 7. Juni anlässlich der "Woche der Umwelt". Außerdem erklärte er auf einer Kundgebung in der der Stadt Bodschnurd am 14. Juni: "Jene, die sagen, die Sanktionen seien nicht wichtig, haben keine Ahnung, was die Menschen in unserem Land noch in ihrem Geldbeutel haben. Und jene, die sagen, unsere versierten Diplomaten dürften nicht mit der 5+1-Gruppe verhandeln, haben keine Ahnung vom Leben in unserem Land." Natürlich lege die Regierung nicht die Hände in den Schoß, bis die Sanktionen aufgehoben würden, fuhr Rohani fort. Sie habe gleich nach der Amtsübernahme begonnen, trotz der Sanktionen die Lebensumstände zu verbessern. Doch manche "Übeltäter" hätten aus den Sanktionen Kapital geschlagen und geschmuggelte Waren teuer an die eigene Bevölkerung verkauft. "Wir fürchten die Sanktionen nicht, werden sie aber bekämpfen und sie mit der Unterstützung des Volkes außer Kraft setzen."

Die Äußerungen des Präsidenten riefen die Gegner der Atomverhandlungen auf den Plan. Justizchef Sadegh Laridschani kritisierte, es sei ein strategischer Fehler, die Sanktionen und die Atomverhandlungen mit den wirtschaftlichen Problemen des Landes in Verbindung zu setzen. Auch der ehemalige Oberkommandierende der Revolutionsgarden, Mohssen Resai, der zurzeit als Generalsekretär des Schlichtungsrats tätig ist, betonte in seinem Redebeitrag, "die Außenpolitik der Kadscharen und Pahlevis (Dynastien vor der Revolution) wird nicht mehr zurückkehren. Es dürfen keine irrealen und falschen Signale an das Ausland gesendet werden. Es darf nicht gesagt werden, dass wir kein Trinkwasser haben, weil gegen unser Land Sanktionen verhängt worden sind."

Auf einer Gedenkveranstaltung am 17. Juni, bei der dem Tod von 270 Kriegsopfern im iranisch-irakischen Krieg (1980-1988) gedacht wird, wurde Rohani mit ungewöhnlich harten Worten beschimpft. Der bekannte Teheraner Prediger Mahmud Karimi sagte indirekt an Rohani gerichtet: "Du sitzt ruhig da, begründest den Atomkompromiss und das Wasserproblem mit den Sanktionen. Hau doch ab, wenn du für den Posten nicht geeignet bist." Er verglich Rohani mit Abolhassan Banisadr, dem ersten Staatspräsident der Islamischen Republik, der nach weniger als eineinhalb Jahren in Ungnade fiel und abgesetzt wurde. Damals habe das Volk sich zunächst aus Rücksicht auf Ayatollah Chomeini zurückgehalten, aber dann sei Banisadr davon gejagt worden, sagte Karimi.

Die Versammelten trugen Plakate und riefen Parolen gegen die Atomverhandlungen. "Wir schämen uns vor euch Märtyrern, dass (Außenminister) Sarif mit eueren Mördern vergnügt verhandelt", stand auf einem Plakat. "Wir werden bis zum Ende Widerstand leisten", skandierten die Teilnehmer. Die Fernseh-Berichte über die Versammlung zeigten unter den Anwesenden auch den früheren Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, der seinen treuen Anhängern zuwinkte.

So zuspitzend und beleidigend die Veranstaltung war, so heftig waren auch die Reaktionen der Regierung und ihrer Anhänger. Regierungssprecher Mohammad Bagher Nobacht sagte, "die Denunzierung der iranischen Verhandlungsdelegation, die versuche nationale Interessen durchzusetzen, sei ein Akt gegen die Würde und das Ansehen der Islamischen Republik". Innenminister Abdolresa Rahmani Fasli sagte, die Verantwortlichen für die Veranstaltung würden zu Rechenschaft gezogen werden. Gesundheitsminister Hassan Haschemi notierte auf seiner Webseite, "die Veranstaltung, die im Namen der würdigsten Kinder des Volkes geführt wurde, säte Zwietracht und übte Verrat an den Märtyrern."

Einige Familien der Kriegsopfer veröffentlichten laut IRNA vom 18. Juni eine Erklärung, in der sie den Veranstaltern vorwarfen, den Tod von Gefallenen politisch missbraucht zu haben.

Am 18. Juni leistete Ex-Staatspräsident Haschemi Rafsandschani der Regierung Schützenhilfe. "Für manche Leute spielen die Sanktionen keine Rolle. (...) Doch die Sanktionen zermürben die Knochen der Lohnempfänger, die die Mehrheit der Bevölkerung bilden. Sie machen ihnen das Leben schwer." Viele Projekte seien liegengeblieben. Es gebe keinen religiösen Grund, die Auswirkungen der Sanktionen nicht beim Namen zu nennen. "Die Stimme der Gegner der Verhandlungen ist nicht die Stimme des Volkes. Es ist die Stimme einer kleinen Minderheit, hinter der bedauerlicherweise die Macht und die Sprachrohre (Medien) stehen."

"Die Kultur, die Ayatollah Chomeini mit der Revolution anstrebte, ist auf Abwege geraten",

fuhr Rafsandschani fort. "Wir müssen diesen Weg natürlich nicht mit Streit und Gewalt, sondern mit Argumenten und Worten korrigieren."


PASDARAN WARNEN DIE REGIERUNG

Innerhalb von fünf Tagen veröffentlichte die Imam Hossein Universität, die den Revolutionsgarden untersteht, zwei Erklärungen, in denen sie "manche Verantwortliche" für die Außenpolitik warnte. "Wir warnen die Leichtgläubigen (...), sie sollen ehe es zu spät ist zu der Position des Volkes, die nichts anderes ist als der reine Islam, zurückzukehren", hieß es in der Erklärung vom 29. Mai. Am 2. Juni folgte eine weitere Erklärung der "Studenten, Lehrkräfte und Angestellten" der Universität, die ihre "tiefe Unzufriedenheit über den Verlauf der Atomverhandlungen, die unter Kriegs- und Sanktionsdrohungen geführt werden", zum Ausdruck brachten. Die Unterzeichner forderten die Regierung auf, zu erklären, was bei diesen "unnützen und schädlichen" Verhandlung, die mit den "tyrannischen und ungerechten Amerikanern" geführt würden, herauskommen solle.

Gewarnt werden all jene, die der Strategie der Islamischen Republik "in der Theorie und in der Praxis" entgegenwirkten und "listig liberale Ansichten mit revolutionärem Vokabular zu tarnen versuchen". Sie sollten wissen, dass ihre Aktivitäten vor den Augen der Pasdaran nicht verborgen bleiben werden. Man werde zunächst die irrigen Positionen mit sachlichen Argumenten bekämpfen, so die Erklärung. "Doch sollten sie (die Irregeleiteten) versuchen, durch feindselige Täuschungen das würdevolle Gesicht der Islamischen Republik zu besudeln, (...) wird das Volk ihnen mit revolutionären Maßnahmen begegnen."

Die Kritik der Pasdaran richtet sich nach eigenen Angaben gegen Personen, die "seit einigen Jahren dem Volk politisch und gesellschaftlich den Rücken gekehrt und die revolutionären Werte aufgegeben haben" und nun versuchten, ihre Sichtweise mithilfe des Revolutionsführers durchzusetzen. Genannt werden ausdrücklich die Verantwortlichen für Politik und Wirtschaft. Diese sollten auf ihre Äußerungen achten und Erklärungen unterlassen, mit denen sie der Bevölkerung das Gefühl vermittelten, dass der Kampf um die Ehre und Macht der Islamischen Republik und des iranischen Volkes im Widerspruch zu einer Einigung im Atomkonflikt stehe. Diese "Leichtgläubigen" seien mit Blick auf den Atomkonflikt und die verhängten Sanktionen all zu leicht bereit, weltweite Ungerechtigkeiten und Verbrechen, die die USA, Israel und Saudi-Arabien tagtäglich begingen billigend in Kauf zu nehmen. Die Autoren zitieren Ayatollah Chomeini mit den Worten: "Die Verantwortlichen der Regierung sollten sich darüber im Klaren sein, dass unsere Revolution nicht auf Iran beschränkt bleibt, dass die Revolution in Iran der Beginn einer weltweiten islamischen Revolution ist. (...) Sollten die Verantwortlichen aus wirtschaftlichen und finanziellen Gründen ihre Pflichten vernachlässigen, wäre dies eine große Gefahr für und ein schwerwiegender Verrat gegen unsere Ziele und Ideale. Die Regierung der Islamischen Republik muss für den Wohlstand der Bevölkerung sorgen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie die großen Ziele der Revolution, das heißt die Gründung einer islamischen Weltherrschaft, aus den Augen verlieren darf."


AHMADINEDSCHAD KEHRT AUF DIE POLITISCHE BÜHNE ZURÜCK

Mohammad Hosseini, früherer Kulturminister im Kabinett von Präsident Mahmud Ahmadinedschad, gab am 14. Juni bekannt, dass die von ihm mitgegründete neue Partei "Yekta" neue Aktivitäten plane und am 15. Juni ihre erste große Versammlung veranstalten werde. "Yekta" ist ein Kürzel für "Fähige Weggefährten zur Entwicklung des islamischen Iran". Sämtliche Gründungsmitglieder der Partei seien ehemalige hochrangige Mitarbeiter der Regierung Ahmadinedschad, sagte Hosseini der Agentur ISNA. Alle Personen, die früher in der Hauptstadt und in den Provinzen führende Positionen inne gehabt hätten, könnten Mitglied der Partei werden. Auch für andere "fähige und loyale" Personen sei der Zugang zu der Partei offen. Organisatorisch habe die Partei keine Verbindung zu Ahmadinedschad, aber es habe mehrere gemeinsame Sitzungen mit ihm gegeben. Den Vorsitz der Partei werde zunächst der frühere Minister für Bildung und Erziehung, Hamidresa Hadj Babai, übernehmen. Aus Kreisen der Konservativen wurde bekannt, dass andere ultrakonservative Organisationen und einige hochrangige Geistliche sich bereits der neuen Partei angeschlossen haben.

Kamran Daneschdschu, ehemaliger Wissenschaftsminister und Mitglied des Zentralrats von Yekta sagte der Agentur Tasnim am 21. Juni, nach dem Fastenmonat Ramadan werde Yekta auch Büros in der Provinz eröffnen. Die Partei bereite nun ihre Registrierung beim Innenministerium vor. Er nahm Bezug auf eine Stellungnahme des Innenministeriums, dessen Sprecher Hossein Ali Amiri erklärt hatte, die Partei sei dem Ministerium nicht bekannt, sie habe keine Erlaubnis für politische Aktivitäten. "Diese Gemeinschaft hat keine Erlaubnis, daher ist sie illegal", sagte auch Innenminister Abdolresa Rahmani Fasli der Nachrichtenagentur ISNA. All dies hinderte die neue Partei jedoch nicht daran, ihre angekündigte Versammlung abzuhalten.

Die neue Partei könnte sich neben den Reformern und den konservativen "Prinzipietreuen" zu einer dritten Kraft auf der politischen Bühne entwickeln. Bedeutung gewinnt die Partei auch mit Blick auf die Parlamentswahlen im April 2016 und die Präsidentschaftswahl im Juni 2017. Es wird angenommen, dass Yekta Ahmadinedschad bei der Präsidentenwahl als Spitzenkandidat aufstellen wird. Präsident Rohani warnt immer wieder vor einer Wiederholung der Ära Ahmadinedschad, der das Land in die Isolation getrieben und ihm großen Schaden zugefügt habe. Noch drastischer äußerte sich Ex-Staatspräsident Haschemi Rafsandschani: "In den acht Jahren (der Regierung Ahmadinedschad) wurde der Gesellschaft ständig nur Tollwut injiziert", sagte er der Agentur Fars am 21. Juni.

Zeitgleich mit der Gründung der Partei machte auch Ahmadinedschad wieder in den iranischen Medien Schlagzeilen. Vor einer Versammlung von Geistlichen warnte er vor Gefahren, die den verborgenen Imam Mahdi, den schiitischen Messias, bedrohten. Die "satanischen Unterdrückungsmächte" seien schneller als Gläubige dem Imam auf der Spur. US-Universitäten und Forschungsinstitute seien bereits seit Jahren am Werk, "sie forschen unermüdlich, und haben Personen kontaktiert, die mit dem Imam in Verbindung stehen." Sie planten seine Festnahme, denn sie seien sich darüber bewusst, dass nur er ihre Pläne zur Errichtung eines teuflischen Imperiums vereiteln könne.

Ahmadinedschad ist ein versierter Propagandist. Er weiß dass solche Äußerungen zwar bei den bildungsfernen Teilen der Bevölkerung Zustimmung finden, bei der Mehrheit jedoch auf Widerspruch stoßen werden. Er kann sich mit diesem Statement aber sicher sein, dass beide Seiten darauf reagieren werden und dass er wieder in aller Munde sein wird.


REGIERUNGSSPRECHER: KUNDGEBUNGEN GEGEN ATOMVERHANDLUNGEN SIND ILLEGAL

Regierungssprecher Mohammad Bagher Nobacht sagte am 1. Juni auf einer Pressekonferenz in Teheran, Versammlungen und Kundgebungen der Gegner der Atomverhandlungen seien "juristisch illegal" und folglich auch religiös nicht zulässig. Bereits zuvor hatte der stellvertretende Innenminister, Hossein Ali Amiri, erklärt, während den Atomverhandlungen würden Versammlungen und Kundgebungen für oder gegen die Verhandlungen die nationale Sicherheit gefährden. Daher werde das Innenministerium keine Erlaubnis für solche Veranstaltungen erteilen.

In den Wochen davor hatten Kritiker der Atomverhandlungen Versammlungen beantragt und in verschiedenen Städten wie Ghom, Schiras und Maschhad auch Kundgebungen abgehalten. Eine Versammlung vor dem Parlament in Teheran wurde verboten. In Maschhad hatte der Stadtkommandant laut ISNA den Kritikern die Erlaubnis zu einer Kundgebung erteilt, über die auch in den Medien ausführlich berichtet wurde. Staatspräsident Rohani kritisierte indirekt die Konservativen wegen ihrer Aktivitäten gegen die Atomverhandlungen und bezeichnete die Gegner als "eine kleine Minderheit mit großen Lautsprechern".

In Maschhad fand die Kundgebung unter dem Motto "Wir erlauben nicht" statt. Zu den Rednern der Kundgebung gehörte unter anderem Mehrdad Baspasch, ein Berater des früheren Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. "Bürger von Maschhad protestieren gegen die überzogenen Forderungen der 5+1-Gruppe und gegen die Erniedrigung des iranischen Volkes", stand auf Plakaten. Schleier tragende Frauen skandierten Parolen gegen die USA und Israel.

Aufgerufen zu der Kundgebung hatten "Kulturverbände, Familien der Märtyrer, Geistliche, Experten, Wissenschaftler und Intellektuelle". Eine genauere Bezeichnung der Gruppen gab es nicht. Der Provinzgouverneur von Khorasan erklärte, eine Erlaubnis für die Kundgebung sei nicht erteilt worden.

Zwei Tage nach der Kundgebung in Maschad fand unter dem selben Motto eine ähnliche Kundgebung in der heiligen Stadt Ghom statt. Hauptredner war der bekannte konservative Abgeordnete Ghalamali Haddad Adel, der Revolutionsführer Ali Chamenei nahesteht. "Wir sind hier, um kundzutun, dass wir besorgt sind, besorgt über die Gegenseite bei den Atomverhandlungen. Die Gegenseite ist Amerika und den Amerikanern trauen wir nicht", sagte Adel.

Die Kundgebungen der "Wir erlauben nicht"-Demonstranten wurden in anderen Städten wie Ghaswin und Schiras fortgesetzt. In Schiras entschlossen sich die Protestierenden zu einem unbefristeten Sitzstreik in einer Moschee. Konservative Zeitungen titelten: "Protest der Studenten im Süden des Landes gegen überzogene Forderungen der USA."

Dass die Demonstrationen und Kundgebungen ungehindert veranstaltet werden konnten, obwohl sowohl das Innenministerium als auch die Provinzkommandeure sie ausdrücklich verboten hatten, zeigt, über eine wie breite Macht-Basis die Konservativen vor allem in der Provinz verfügen.


EIN ZWEITER EHEMALIGER VIZEPRÄSIDENT AHMADINEDSCHADS IN HAFT

Nach Mohammad Resa Rahimi, der Anfang des Jahres zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden war, wurde nun auch Hamid Baghai, der zweite Vizepräsident des ehemaligen Präsidenten Ahmadinedschads, inhaftiert. Dies gab Oberstaatsanwalt Gholamhossein Mohseni Ejehi ohne Nennung von Gründen laut ISNA am 8. Juni bekannt.

Der 46 Jahre alte Baghai war von April 2011 bis zum Ende der Regierungszeit von Präsident Mahmud Ahmadinedschad (2013) Vizepräsident. Zuvor gehörte er zum Leitungsteam des staatlichen Rundfunks und zu den Mitarbeitern Ahmadinedschads als dieser Bürgermeister von Teheran war. Zu Beginn der zweiten Amtszeit Ahmadinedschads (2009) übernahm Baghai das Amt für Kulturerbe und Tourismus. Ein Monat bevor er zum Vizepräsident ernannt wurde, hatte ihn das Verwaltungsgericht wegen "Amtsmissbrauchs" für vier Jahre aus dem Staatsdienst ausgeschlossen. Doch das Urteil wurde von der nächsten Instanz aufgehoben und die Akte Baghais an ein Revisionsgericht weitergeleitet. Ein Jahr später hieß es, das Urteil sei hinfällig.


ZEHN JAHRE HAFT FÜR RAFSANDSCHANIS SOHN

Der 45-jährige Sohn des Vorsitzenden des Schlichtungsrats und Ex-Staatspräsidenten Haschemi Rafsandschani muss laut einem Bericht der staatlichen Agentur IRNA für zehn Jahre ins Gefängnis. Mehdi Haschemi war zuvor bereits im März wegen Betrugs, Unterschlagung und der Annahme von Schmiergeldern zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte über Jahre hohe Positionen im Ölsektor inne und war stark am Ölexportgeschäft beteiligt. Dabei soll er von dem norwegischen Konzern Statoil und dem französischen Konzern Total Schmiergelder angenommen haben. Das Urteil wurde aber auch politisch begründet. Haschemi soll gegen die nationale Sicherheit verstoßen haben. Haschemi hatte die Proteste gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad 2009 unterstützt.

Nach den Unruhen reiste Haschemi nach England, hielt sich dort zwei Jahre lang auf und kehrte 2012 nach Teheran zurück, wo er sogleich am Flughafen festgenommen wurde. Da er für verschiedene Delikte für insgesamt 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden war, muss er dem Gesetz entsprechend nur die längste der Haftstrafen verbüßen, also 10 Jahre.

In Iran zweifelt wohl kaum jemand an den Machenschaften von Mehdi Haschemi. Dennoch herrscht die Meinung vor, dass das Urteil politisch motiviert sei und sich gegen den Vater richte. Rafsandschani gehörte zu den engsten Vertrauten des Gründers der Islamischen Republik Ayatollah Chomeini. Nach Chomeinis Tod wurde er zum mächtigsten Mann des Landes. Auch heute verfügt er noch über großen Einfluss. Doch seit seiner Parteinahme für die Proteste von 2009 haben die Anfeindungen gegen ihn enorm zugenommen.


REDE- UND BILD- UND REISEVERBOT FÜR CHATAMI

Oberstaatsanwalt Gholamhossein Mohseni Ejehi hatte bereits im Februar vor der Presse erklärt, Ex-Staatspräsident Chatami habe Redeverbot. Auch dürften in den Medien keine Fotos von ihm veröffentlicht werden. Eine Missachtung dieser Verordnung werde gerichtlich verfolgt. Solche Anordnungen beträfen Personen, die vom Nationalen Sicherheitsrat oder von der Justiz als "Führer der Verschwörung" eingestuft würden. Die Bezeichnung wird für Politiker benutzt, die die Proteste von 2009 gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad unterstützt haben.

Dazu nahm Präsident Rohani Stellung. Auf einer Pressekonferenz am 13. Juni sagte er, der Nationale Sicherheitsrat, dessen Vorsitzender er sei, habe keinen derartigen Beschluss gefasst. "Wer auch immer diese Nachricht verbreitet hat, muss bestraft werden."

Einen Tag später erklärte Ejehi in einem Interview mit der Agentur Tasnim, das Verbot sei nicht vom Nationalen Sicherheitsrat, sondern von der Staatsanwaltschaft angeordnet worden. Solange diese Anordnung bestehe, würden Verstöße dagegen bestraft.

Das Verbot gegen Chatami wurde erst offiziell wirksam, als im Juni vergangenen Jahres zehn Abgeordnete, die Ahmadinedschads "Paydari-Front" nahestehen, die Justiz aufforderten, die Maßnahme durchzusetzen. Einer von ihnen, der Abgeordnete Mohammad Mussavinejad, hatte behauptet, das Verbot sei vom Nationalen Sicherheitsrat beschlossen worden.

Am 15. Juni forderte der Abgeordnete Ali Mottahari die Staatsanwaltschaft in einem Offenen Brief auf, die Verbote gegen Chatami juristisch zu begründen und die Öffentlichkeit darüber zu informieren, welches Gericht das Urteil gefällt habe.


ROHANI FORDERT FREIE UND KORREKTE WAHLEN

Bei seiner Rede vor den Amtsleitern des Innenministeriums und den Provinzgouverneuren am 30. Mai forderte Präsident Rohani "freie und korrekte Wahlen". "Wahlen sind ohne Wettbewerb (zwischen verschiedenen politischen Strömungen) nicht möglich" und "Wahlen ohne Freiheit haben keinen Sinn", sagte Rohani. "Wehe, wenn die Regierung, die Militärs, die Revolutionsgarden, das Fernsehen und der Rundfunk, die Provinzgouverneure oder die Stadtkommandanten und Prediger für einen bestimmten Kandidaten Partei ergreifen würden. Das wäre Gift für die Wahlen."

Maßstab für die Zulassung der Bewerber zu den Wahlen seien die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen, sonst nichts. Gerüchte und Denunzierungen über Personen dürften keine Rolle spielen, sagte der Präsident. Die Bemerkung ist wohl eine Anspielung auf die immer wieder kritisierte Rolle des Wächterrats, der für die Zulassung von Kandidaten zuständig ist. Der Rat, der von Konservativen beherrscht wird, hat bisher bei jeder Parlaments- oder Präsidentenwahl eindeutig politische Filterungen vorgenommen und nicht genehme Kandidaten ausgeschlossen.

Über mögliche, schuldhafte Aktivitäten eines Bewerbers könnten einzig und allein Gerichte entscheiden, sagte Rohani. "Wir sind keine Richter." Die Wahlurnen müssten aus Plastik und durchsichtig sein, damit alle den Inhalt sehen können", forderte er weiter. Auch bei der Auszählung der Stimmen sollte der Vorgang durch Videokameras transparent gemacht werden.

Auch der Vorsitzende des Wächterrats, der Geistliche Ahmad Dschannati, nahm zu den Wahlen Stellung. "Der Wächterrat darf keine Personen zu den Wahlen zulassen, deren Aktivitäten in der Vergangenheit undurchsichtig sind und auch mit Nachforschungen nicht geklärt werden können ", sagte Dschannati. "Wir müssen es vor dem Volk und dem Parlament verantworten, wenn unfähige Personen in das Parament gewählt werden und vier Jahre lang dem Volk Schaden zufügen." Der Rat müsse politische Aspekte berücksichtigen und auch die Teilnahme an der "Verschwörung" unbedingt berücksichtigen. "Verschwörung" ist die gängige Bezeichnung für die Proteste von 2009 gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad.

Dschannati kritisierte auch die Regierung. Regierungsbeamte hätten zum Teil unterschiedliche politische Ansichten und äußerten diese auch ganz offen. Die Regierung dürfe sich nicht in die Angelegenheiten der Wahl einmischen, sagte er.


STÖRER BEIM VORTRAG VON ROHANI WIEDER FREIGELASSEN

Dschawad Sarrinkolah, Direktor für Sicherheitsangelegenheiten im Innenministerium, gab am 22. Juni bekannt, dass elf Personen, die die Rede von Präsident Rohani gestört hatten, festgenommen und nach einem Tag gegen Kaution freigelassen worden seien. Aus seinen Worten war nicht zu entnehmen, ob sie gerichtlich verfolgt werden würden.

Rohani sprach auf einer Versammlung zum Todestag von Ayatollah Chomeini. Die Störer protestierten gegen die Atomverhandlungen und versuchten die Veranstaltung abzubrechen. Doch Rohani setzte seine Rede fort.

Sarrinkolah sagte, die Störer seien von den Revolutionsgarden festgenommen worden. Die Garden seien für die Veranstaltung verantwortlich gewesen. Sie hätten alle elf Störer, ausschließlich Männer, verhört und darüber einen Bericht verfasst, den sie an das Innenministerium weitergeleitet hätten. Auf die Frage, ob die Behauptung eines Abgeordneten zutreffe, der gesagt hatte, der Stadtkommandant einer Stadt in der Nähe der Hauptstadt habe die Gruppe organisiert, sagte Sarrinkolah: "Ja, das wurde behauptet, aber dies haben die bisherigen Ermittlungen nicht bestätigt. Die Leute waren auf eigene Initiative gekommen."


WEBSEITE ZUR HEIRATSVERMITTLUNG GESTARTET

Um die Geburtenrate zu steigern und Singles zu Eheschließung zu ermuntern startete die Islamische Republik eine offizielle Webseite zur Heiratsvermittlung mit dem Namen Mamsan.Tebyan.net. "Wir haben eine hohe Heiratsnachfrage und elf Millionen Junggesellen, jeden Tag kommen neue hinzu", sagte Mahmud Golsari, Vizeminister für Sport und Jugend. "Dies ist eine wichtige Angelegenheit für die islamische Staatsordnung."

Es gibt mehrere Fragebögen, die die Bewerberinnen und Bewerber bezüglich ihres Alters, Berufs, ihres kulturellen und familiären Hintergrunds, ihrer finanziellen Lage sowie ihrer Vorstellungen von einem Ehepartner oder einer Ehepartnerin ausfüllen müssen. Die Vermittler sollen aus angesehenen gesellschaftlichen Kreisen stammen, unter ihnen Geistliche, Ärzte und Persönlichkeiten des Öffentlichen Lebens, die das Vertrauen der Bevölkerung genießen. Sie sollen die zueinander passenden Partnerinnen und Partner auswählen und miteinander in Verbindung setzen.

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KULTUR

• Navid Kermani erhält Friedenspreis des deutschen Buchhandels
• Konzertveranstaltung mit Kalhor untersagt
• Ehemaliger Fernsehproduzent zu acht Jahren Gefängnis verurteilt
• Nutzungszahlen für mobiles Internet stiegen rasant an
• Frauen von Männerwettkämpfen ausgeschlossen
• Rundfunk dementiert Trennung von Männern und Frauen
• Ausstellung mit IS-Karikaturen
• Zweiter Prozesstag gegen US-Reporter ohne Ergebnis


NAVID KERMANI ERHÄLT FRIEDENSPREIS DES DEUTSCHEN BUCHHANDELS

Der iranisch-deutsche Schriftsteller und Islamwissenschaftler Navid Kermani wird mit dem diesjährigen Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Er sei eine der wichtigsten Stimmen in unserer Gesellschaft, die für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher nationaler und religiöser Herkunft eintrete, heißt es in der Begründung der Jury. Als Wissenschaftler und Schriftsteller habe er sich mit Fragen der Mystik, der Ästhetik und Theodizee beschäftigt und insbesondere mit dem Islam und den islamischen Ländern auseinandergesetzt. In der Begründung werden auch Kermanis Romane, Essays und Reportagen aus Kriegs- und Katastrophengebieten hervorgehoben.

Aus ihnen werde ersichtlich "wie sehr er sich der Würde des einzelnen Menschen und dem Respekt für die verschiedenen Kulturen und Religionen verpflichtet weiß".


KONZERTVERANSTALTUNG MIT KALHOR UNTERSAGT

Der für Musikveranstaltungen verantwortliche Staatssekretär im Kulturministerium, Pirus Ardschomand, erklärte am 8. Juni laut einem Bericht der Tasnim-Agentur, Ordnungs- und Sicherheitskräfte hätten ein gemeinsames Konzert des international bekannten iranischen Kamantschespielers Kayhan Kalhor mit dem Streichquartett Brooklyn Rider untersagt. Das Konzert war für den 10. Juni geplant. "Diese Sichtweise (der Ordnungs- und Sicherheitskräfte) und Verbote von Veranstaltungen mit ausländischen Künstlern stehen im Widerspruch zu der Politik der Regierung, die eine enge Zusammenarbeit mit der Außenwelt anstrebt", sagte Ardschomand. Die Ordnungs- und Sicherheitskräfte sollten erklären, ob sie sich auch in diesem Bereich einmischen wollen. "Wenn dem so ist, müssen wir ihnen unser Büro übergeben", sagte Ardschomand scherzhaft. Der Sprecher des Kulturministeriums, Hossein Nuschasari, sagte: "Die Ordnungskräfte haben kein Recht, ein Konzert abzusagen."

Kalhor, ein Meister der altpersischen Kamantsche (Langhalslaute) trat bereits mit dreizehn Jahren im Iranischen Nationalorchester des Rundfunks und Fernsehens auf, arbeitete später mit mehreren berühmten Ensembles und komponierte auch Lieder für berühmte Sänger wie Mohammad-Resa Schadscharian und Schahram Nazeri, mit dem er 1990 in New York das Dastan Ensemble gründete. Ab 1996 leitete er das Ensemble Ghasal. Internationale Bekanntheit erlangte er mit seinen Auftritten in der Zankel Hall im Rahmen der Reihe "Carnegie Hall's Perspectives" des Komponisten John Adams und als Teilnehmer des Mostly Mozart Festivals im Lincoln Center. In dem Film "Youth without Youth" von Francis Ford Coppola spielte er als Solist in der von Osvaldo Golijov komponierten Filmmusik mit. Kalhor war bisher viermal für einen Grammy nominiert.

Aus Protest gegen die Maßnahme erklärte Kalhor, er werde keine Konzerte mehr in Iran geben, solange Kunst und Kultur "als Geisel im Machtkampf zwischen politischen Fraktionen" benutzt würden und solange es keine gesicherten Richtlinien für kulturelle Veranstaltungen gäbe.

Die Agentur ISNA schrieb, das Konzert sei in den letzten eineinhalb Monaten vorbereitet worden. Einreiseerlaubnisse seien bereits besorgt, Flugtickets gekauft und Hotels reserviert worden. Die Frage sei nun, wer nach der Absage des Konzerts die Ausgaben ersetzen werde.

Die Konzertveranstaltung von Kalhor war nicht die einzige, die in den letzten Wochen abgesagt wurde. Das Konzert von "Parwaz Homay" wurde wenige Stunden vor Beginn der Veranstaltung auf Anordnung der Justiz abgesagt. Warum die Veranstaltung nicht stattfinden durfte und welche Stelle der Justiz die Absage veranlasst hatte, wurde nicht bekannt. Das Konzert sollte ab dem 10. Juni fünf Abende lang in der Teheraner Milad-Halle stattfinden. Dafür hatte das Kulturministerium, das für Musik- und Theateraufführungen zuständig ist, auch die Erlaubnis erteilt.

Zuvor war ein drittes Konzert mit der Gruppe Paywar, das für den 30. April und den 1. Mai angekündigt war, laut der Agentur "Mehr" abgesagt worden.

Die Absage von Konzerten, insbesondere mit Beteiligung von Künstlerinnen, hat seit der Amtsübernahme der Regierung Rohani stark zugenommen. Dabei hatte Rohani während des Wahlkampfs immer wieder betont, er werde sich für die Freiheit der Musiker, Künstler, Filmemacher und Schriftsteller einsetzen. Ausdrücklich nannte er auch den populären Sänger Mohammad Resa Schadscharian, gegen den ein Auftrittsverbot in Iran verhängt wurde, nachdem er sich mit den Protesten gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad (2009) solidarisiert hatte. Schadscharian, der häufig auch im Ausland auftritt, sagte kürzlich: "Ich lebe in einem Land, in dem ich seit einigen Jahren nicht für meine Landsleute singen darf."

Am 17. Juni erklärte Kulturminister Ali Dschannati, die Regierung plane eine Änderung der Bestimmungen für Konzertveranstaltungen. Den bisherigen Bestimmungen zufolge sei es den Ordnungskräften erlaubt, in bestimmten Fällen einzuschreiten und eine Veranstaltung zu verbieten, sagte er. Diese Möglichkeit solle nun ausgeschlossen werden. "Konzerte, die vom Kulturministerium die Erlaubnis zur Aufführung erhalten, sollen von keiner Instanz mehr abgesagt werden dürfen."

Auch Präsident Rohani hatte einige Tage zuvor erklärt: "Wenn die Erlaubnis für eine Konzertveranstaltung erteilt wird und die Leute Karten kaufen und sich auf das Konzert vorbereiten, werden durch Verbote die Rechte der Menschen missachtet. Dazu hat keine Behörde das Recht."

Auf diese Äußerung Rohanis reagierte der Vizechef der Justiz für kulturelle Angelegenheiten mit den Worten: "Es ist nicht zulässig, zu sagen, wir halten uns an das Gesetz, nicht jedoch an religiöse Vorschriften."


EHEMALIGER FERNSEHPRODUZENT ZU ACHT JAHREN GEFÄNGNIS VERURTEILT

Der frühere Fernsehproduzent Mostafa Asisi wurde am 8. Juni von einem Revolutionsgericht unter dem Vorsitz des Richters Abolghassem Salawati zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Sein Sohn, Arasch Asisi, notierte auf Facebook, sein Vater sei wegen "Teilnahme an Versammlungen und Aktivitäten gegen die Sicherheit der Islamischen Republik und Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik" verurteilt worden.

Es wird vermutet, dass die Texte, die Mostafa Asisi auf Facebook veröffentlichte, zu seiner Verurteilung geführt haben. Asisi hat gegen das Urteil Widerspruch eingelegt und eine Revision gefordert. Er lebt seit einigen Jahren in Kanada. Einen Monat nachdem er zum Besuch seiner Verwandten nach Iran zurückgekehrt war, wurde er im Februar festgenommen. Unbestätigten Berichten zufolge wurde er zunächst in einer Einzelzelle untergebracht und harten Verhören unterworfen. Er war Jahre lang beim staatlichen Rundfunk und Fernsehen als Produzent und Leiter des Programms "Bildung und Wissenschaft" beschäftigt, hatte landesweite Bekanntheit erlangt und eine ganze Reihe von Auszeichnungen erhalten. Weshalb er nach Kanada übersiedelte ist nicht bekannt.

Der Internationale Schriftstellerverband (PEN) hat in einem offenen Brief vom 17. Juni an Revolutionsführer Ali Chamenei die sofortige Freilassung Asisis gefordert. Der Verband forderte alle Mitglieder und Sympathisanten auf, gegen das Urteil zu protestieren. PEN zeigte sich auch besorgt über den Gesundheitszustand Asisis und verlangte eine angemessene ärztliche Versorgung. Asisi leidet unter Diabetes und Rheuma und ist zudem herzkrank.


NUTZUNGSZAHLEN FÜR MOBILES INTERNET STIEGEN RASANT AN

Der Minister für Kommunikation und Technologie, Mahmud Waesi, sagte laut ISNA am 14. Juni, seit der Amtsübernahme der Regierung von Präsident Rohani sei die Zahl der Internetnutzer im Mobilfunk-Bereich von 200.000 auf 11 Millionen angestiegen. In derselben Zeit sei die Bandbreite des Internets von 700 Megabite pro Sekunde auf 2.400 Megabite pro Sekunde erhöht worden. Waesi hatte zuvor die geringe Geschwindigkeit des Internets in Iran kritisiert und die Widerstände gegen eine Beschleunigung beanstandet. Tatsächlich gehörte Iran zu den Ländern mit der langsamsten Geschwindigkeit des Internets. Dies liegt u.a. am Widerstand der Ultrakonservativen, die hierdurch die Zahl der Internetnutzer möglichst gering halten wollen.


FRAUEN VON MÄNNERWETTKÄMPFEN AUSGESCHLOSSEN

General Hossein Aschtari, Chef der iranischen Polizei, sagte am 13. Juni Medienberichten zufolge, es gehöre zu den Aufgaben der Polizei, bestimmten Personen den Zutritt zu Konzertveranstaltungen und Sportstadien zu verweigern. "In diesen Tagen wirft man uns vor, dass wir den Zutritt von Frauen zu den Sportstadien verhindern oder manche Konzertveranstaltungen verbieten. Dabei haben einige von den Konzertveranstaltern keine Erlaubnis. Zudem sind einige Instanzen gegen solche Veranstaltungen. Wir handeln nur nach dem Gesetz. Das gehört zu unseren genuinen Aufgaben und zu unseren religiösen Pflichten", so Aschtari nach einem Besuch bei dem Großayatollah Nasser Makarem Schirasi.

Die Teilnahme von Frauen an Sportveranstaltungen der Männer macht seit Wochen in den iranischen Medien Schlagzeilen. Das Thema ist zu einem Kräftemessen im Machtkampf zwischen den Konservativen und den Reformern geworden. Auch wird das Thema von den Rechten politisch gegen die Rohani-Regierung instrumentalisiert.

"Welche Notwendigkeit besteht für Frauen, Sportwettkämpfen beizuwohnen?", fragte Ayatollah Schirasi. "Was geschieht, wenn sie nicht hingehen?" Die Regierung sollte es unterlassen, Widerstände gegen bestehende Regelung zu unterstützen, die den Aufgaben der Polizei widersprechen.

Bereits am 12. Juni hatte eine Gruppe von Extremisten, die sich "Hisbollah Ommat" (Parteigänger Gottes) nennen, die Regierung nach dem Freitagsgebet aufgefordert, die Erlaubnis für Frauen, an dem Volleyballspiel der Herrn-Nationalmannschaft gegen die USA teilzunehmen, zurückzuziehen. Denn die Präsenz der Frauen in den Stadien würde der Verbreitung von Prostitution dienen und sei daher aus religiösen Gründen nicht zulässig. Sollte die Entscheidung nicht revidiert werden, "werden wir es blutig verhindern". Ein entsprechendes Flugblatt mit schwarzer und roter Schrift wurde in allen Stadtteilen Teherans verteilt. Die Regierung drohte mit Strafen. Ein gewaltsames Auftreten gegen Frauen und ein blutiger Widerstand würden Folgen haben, sagte Regierungssprecher Bagher Nobacht.

Zunächst hieß es, es seien bis zu 500 Tickets für Frauen für das Spiel Iran-USA reserviert worden. Doch dann erklärte der Volleyball-Verband, alle 12.000 Plätze des Asadi-Stadions seien bereits ausverkauft.

Diese de facto Absage an die Teilnahme von Frauen rief Proteste im In- und Ausland hervor. Eine mögliche Folge könnte die Absage sämtlicher Heimspiele für die iranische Mannschaft in der Volleyball-Weltliga sein. Auch könnte Iran die Erlaubnis für internationale Wettkämpfe im eigenen Land untersagt werden. Aus demselben Grund wurde 2019 der Antrag Irans auf dem Asien-Cup im Fußball abgelehnt. Ein Sprecher der FIFA sagte am 17. Juni in einem Interview mit der BBC, der Verband werde die Vorgänge in Iran aufmerksam beobachten. Soweit er informiert sei, seien die Einschränkung für Frauen nicht aufgehoben worden. Die FIFA werde an ihrer Forderung, dem freien Zugang für Frauen zu den Stadien, festhalten und entsprechend über den Antrag Irans entscheiden.

Am 17. Juni gab es eine Kundgebung der Gegner einer weiblichen Präsenz in den Stadien. Etwa 100 Personen, darunter auch Frauen, versammelten sich vor dem Sportministerium und forderten den Rücktritt der für Sport und Familie zuständigen Vizepräsidentin Schahindocht Molawerdi. Sie hatte zunächst bekannt gegeben, dass Frauen die Teilnahme erlaubt worden sei.

Der Wettkampf zwischen Iran und den USA fand ohne Frauen im Publikum statt. Selbst westlichen Reporterinnen wurde trotz Akkreditierung der Zutritt untersagt. Iran gewann die Partie mit 3:0. Laut ISNA überwachten Polizeieinheiten die Vorgänge in- und außerhalb des Stadions. Draußen soll es zu Rangeleien gekommen sein.

Molawerdi erklärte am 1. Juli in einem Gespräch mit der Agentur ILNA, obwohl die Regierung den Zugang der Frauen zu den Stadien vorbereitet und organisiert habe, habe sie aufgrund einer Intervention geistlicher Instanzen, auf die Durchsetzung verzichtet. Zugleich betonte sie, "die Menschen brauchen Freude und Unterhaltung". Besonders bei jungen Frauen, die oft schon mit 13 Jahren zu Drogen griffen und versuchten damit künstlich Stimmung zu erzeugen, sei es nötig, sie an gesellschaftlichen Ereignissen teilhaben zu lassen. Das bedeute allerdings nicht, "dass wir dieses Thema als wichtigstes Problem der Frauen betrachten und unsere Aktivitäten darauf konzentrieren", fügte sie hinzu.


RUNDFUNK DEMENTIERT TRENNUNG VON MÄNNERN UND FRAUEN

Der staatliche Rundfunk dementierte laut Medien am 21. Juni Berichte über eine geplante Trennung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Arbeitsplatz und bezeichnete einen solchen Gedanken als moralisch verwerflich und mit dem journalistischen Beruf unvereinbar.

Zuvor hatte die Agentur ILNA über ein Rundschreiben berichtet, das beim Rundfunk und Fernsehen eine Geschlechtertrennung am Arbeitsplatz anordnen soll. Die stellvertretende Intendantin, Nargess Abrawani, habe das Rundschreiben an die Abteilungsleiter geschickt, hieß es. Danach habe man in verschiedenen Abteilungen mit der Trennung begonnen und weibliche Angestellte und Sekretärinnen aus allen Büros, in denen Männer saßen, hinaus gebeten. Nargess Abrawani ist nach zehn Jahren die erste Frau, die den Posten der stellvertretenden Intendantin übernommen hat.

"Wie können in einer Einrichtung, in der Frauen und Männer beruflich bedingt unter Beachtung der religiösen und weltlichen Bestimmungen zusammenarbeiten, die Geschlechter getrennt werden?", heißt es in der Stellungnahme des staatlichen Fernsehens und Rundfunks. "Wenn Frauen, wie Sekretärinnen oder Büroleiterinnen, die notwendigerweise bis zum späten Abend an ihrem Arbeitsplatz tätig sind, den Dienst von Männern in Anspruch nehmen, ist dies ein Zeichen für die Würdigung, die den Frauen zuteilwird. Allein die Tatsache, dass Nassrin Abrawani als erste Frau zur stellvertretenden Intendantin ernannt worden ist, macht alle Behauptungen von einer Geschlechtertrennung zunichte."

Seit einigen Jahren machen Pläne zur Trennung der Geschlechter an Bildungs- und Kultureinrichtungen sowie in der staatlichen Verwaltung Schlagzeilen. Im vergangenen Sommer lösten die Äußerungen des Teheraner Bürgermeisters über die Trennung der Geschlechter in den städtischen Ämtern kontroverse Diskussionen aus. Auch die Trennung der Geschlechter an den Universitäten wird von Konservativen immer wieder gefordert.


AUSSTELLUNG MIT IS-KARIKATUREN

Das Kulturzentrum Arasbarabn stellte 270 Karikaturen von überwiegend iranischen Künstlern über den Islamischen Staat (IS) aus. Es sei nicht nur Aufgabe der Politik, sich mit den Terroristen des IS auseinanderzusetzen. Auch Künstler, Schriftsteller und Kulturschaffende seien verpflichtet, das Ausmaß an Brutalität und Grausamkeit des sogenannten Islamischen Staates darzustellen, sagte der Organisator Massud Schodschai bei der Eröffnung am 1. Juni. Ziel der Ausstellung sei es ferner, zu zeigen, dass "diese Terroristen" mit dem Islam und der islamischen Gemeinde nichts zu tun hätten.

In den Karikaturen werden die IS-Dschihadisten durch Heuschrecken, durch Werwölfe mit bluttriefenden Zähnen und durch schwarze Schafe in einer Herde von weißen Schafen symbolisiert. "Diese brutalen Mörder haben in der Welt dafür gesorgt, dass es gegen jeden Muslim nun einen Generalverdacht gibt", zitiert die dpa eine Studentin, die die Ausstellung besuchte.

Die Ausstellung beabsichtigt eine klare Distanzierung vom "Islamischen Staat", der Iran bislang zwar nicht direkt bedroht, aber als eine Gefahr betrachtet wird, die die iranischen Interessen in der Region beeinträchtigen könnte. Es ist bekannt, dass Iran sowohl in Syrien als auch im Irak die jeweiligen einheimischen Streitkräfte politisch, finanziell und militärisch im Kampf gegen den IS unterstützt.

Die Ausstellung hat auch eine zweite Botschaft, die eine nicht nur in Iran, sondern auch in der islamischen Welt weitverbreitete Meinung wiedergibt. Demnach ist der IS ein Machwerk der "Zionisten und ihrer amerikanischen Unterstützer", das die islamische Welt spalten, die Regionalmächte schwächen und sie in einen langfristigen Glaubenskrieg verwickeln soll.


ZWEITER PROZESSTAG GEGEN US-REPORTER OHNE ERGEBNIS

Auch der zweite Prozesstag im Fall des iranisch stämmigen US-Reporters Jason Rezaian verlief ohne Ergebnis. Medienberichten vom 8. Juni zufolge wurde die Verhandlung, die wie schon bei der ersten Runde vor zwei Wochen hinter verschlossenen Türen stattfand, abermals vertagt. Jason Rezaian, der als Korrespondent der Washington Post in Teheran arbeitete, sitzt schon seit elf Monaten in Haft. Ihm werden Spionage für die USA sowie Propaganda gegen die islamische Staatsordnung vorgeworfen. Diese Vorwürfe können ein Strafmaß bis zu zwanzig Jahren Gefängnis zur Folge haben.

Der 39-jährige Journalist Rezaian besitzt sowohl die iranische als auch die amerikanische Staatsangehörigkeit. Doch da Iran die doppelte Staatsangehörigkeit nicht akzeptiert, wird er auch beim Gericht als normaler iranischer Staatsbürger behandelt. Dennoch habe er sich, wie die Nachrichtenagentur Tasnim berichtete, beim Gericht auf Englisch verteidigt. Er bestritt die Vorwürfe gegen ihn und erklärte, dass er nur seiner journalistischen Arbeit nachgegangen sei.

Die US-Regierung bezeichnete die Vorwürfe gegen Rezaian als absurd und verlangte seine sofortige Freilassung. Mary Rezaian, die Mutter des Angeklagten, die vor einem Monat nach Iran gereist war, durfte der Verhandlung nicht beiwohnen. Sie sagte der AP, es gäbe jemanden, der glaubt, dass die Inhaftierung ihres Sohnes (für die Islamische Republik) nützlich sein könne. Sie teile diese Meinung nicht. Sie durfte bislang zweimal ihren Sohn im Gefängnis besuchen. "Mein Sohn ist erschöpft und gestresst", sagte sie. "Man wirft ihm Spionagetätigkeit vor. Dabei hat er nichts anderes getan, als über ein Land zu berichten, das er liebt."

Oberstaatsanwalt Gholamhossein Ejehi kritisierte, dass Einzelheiten des ersten Verhandlungstags öffentlich geworden seien. Man werde die Schuldigen gerichtlich verfolgen, sagte er. Sie seien noch nicht ermittelt, auch sei nicht klar, was sie mit der Verbreitung der Informationen über die Verhandlung beabsichtigt hätten. Die Agentur "Mehr" hatte wenige Tag zuvor berichtet, der Staatsanwalt habe Rezaian beschuldigt, in einem Brief an Präsident Obama behauptet zu haben, er stehe mit verschiedenen Schichten der Bevölkerung, von "einfachen Arbeitern" bis hin zu "einflussreichen Geistlichen" in enger Verbindung. Dieser Bericht wurde sofort von der Washington Post dementiert. Rezaian habe niemals direkt mit dem US-Präsidenten korrespondiert, hieß es in einer Erklärung der Zeitung. Das Blatt hatte den Prozess als "intransparent und ungerecht" bezeichnet und die für den Angeklagten unerträglichen Haftzustände scharf kritisiert.

Am 16. Juni verabschiedete das US-Repräsentantenhaus eine Resolution, in der die Islamische Republik aufgerufen wurde, drei in iranischer Haft befindliche Amerikaner freizulassen. Auch sollte Teheran endlich sämtliche Informationen über den seit 2007 vermissten FBI-Agenten Robert Levinson preisgeben. Offiziell verlautete aus Washington, der damals 59-jährige Levinson sei privat unterwegs gewesen. Er sei während einer Geschäftsreise auf der Insel Kisch am Persischen Golf verschwunden. Doch laut Recherchen der Nachrichtenagentur AP soll er im Auftrag der CIA nach Iran gereist sein, um für die US-Regierung Informationen über das iranische Regime zu beschaffen. Nach dem Verschwinden des Agenten soll die CIA der Familie Levinsons AP zufolge 2,5 Millionen Dollar gezahlt haben, um auf ein Gerichtsverfahren zu verzichten, bei dem geheime Informationen über den Auftrag bekannt geworden wären. Einem Bericht der AP vom 13. Dezember 2013 zufolge habe das Weiße Haus sein Bedauern über die Veröffentlichung der Recherche bekundet. Die Recherchen der Agentur würden nicht weiterhelfen, Levinson "nach Hause zu bringen".

Zu den drei Amerikanern, deren Freilassung der Kongress forderte, gehören neben Rezaian Pastor Saeed Abedini, der im September 2012 verhaftet und später für das Abhalten einer Bibelstunde verurteilt wurde, sowie der frühere US-Marine Amit Hekmati, der sich wegen Spionage seit 2011 in iranischer Haft befindet. Er wurde zunächst zum Tode und später zu zehn Jahren Haft verurteilt. Nach Wunsch der Kongressabgeordneten soll eine Einigung im Atomkonflikt von der Erfüllung der gestellten Forderungen abhängig gemacht werden.

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WIRTSCHAFT

• Atomkonflikt
• Spionage bei den Atomverhandlungen
• Wirtschaftsbeziehungen zu Russland ausgeweitet
• Keine Provinz ist ausreichend mit Wasser versorgt
• Iran vergibt Millionen-Kredit an Venezuela


ATOMKONFLIKT

Eigentlich hatten wir gehofft, Ihnen an dieser Stelle über den Ausgang des Atomkonflikts berichten zu können. Doch nun wurde die festgesetzte Frist für eine Einigung, die ursprünglich der 30. Juni war, um eine Woche verlängert. Dies gibt beiden Seiten noch einmal die Gelegenheit, zu versuchen, mit allen Mitteln der Diplomatie der Gegenseite weitere Zugeständnisse abzuringen. So erklärte US-Präsident Barack Obama am 30. Juni, dass es bei den noch zu führenden harten Verhandlungen auf Teheran ankäme, die nötige Kompromissbereitschaft zu zeigen. Er drohte auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus, er werde "die Verhandlungen verlassen, falls es ein schlechtes Abkommen geben sollte." Voraussetzung für ein akzeptables Abkommen sei ein "starker, rigoroser Kontrollmechanismus" für die Atomanlagen. Es gehe darum, Iran den Weg zu Nuklearwaffen verlässlich und endgültig zu versperren, sagte der Präsident. Am selben Tag erklärte Präsident Hassan Rohani, sollte die Gegenseite die erzielten Vereinbarungen nicht einhalten, "werden wir unseren früheren Weg weit radikaler als sie es sich vorstellen können fortsetzen".

Im Monat Juni, vor allem in der zweiten Monats-Hälfte, schienen alle Seiten ernsthaft bemüht, die Verhandlungen zum Erfolg zu führen. Eigentlich besteht der Konflikt im Kern zwischen dem Westen und Iran, und hierbei insbesondere zwischen Iran und den USA. Russland und China hingegen, die ebenfalls zu der 5+1-Gruppe gehören, stehen bei den Verhandlungen mehr oder wenige abseits. Gleichwohl zeigte Russland sich am 15. Juni über den langsamen Verlauf der Verhandlungen besorgt. Vizeaußenminister Sergey Riabkov sagte, der letzte Schritt müsse nun rascher vollzogen werden. Russland werde nicht akzeptieren, dass immer weitere Forderungen an Iran gestellt würden, und dies angeblich auf der Grundlage von " Informationen, die sie haben und wir nicht ".

Am 16. Juni schickte der Vorsitzende des Ausschusses für Außenpolitik im US-Senat, Bob Corker, ein Schreiben an Präsident Obama, in dem er sich über die vielen Zugeständnisse an Iran besorgt zeigte. "Der Abstand zwischen Ihren Erklärungen und Zielen zu der Entwicklung, die die Verhandlungen inzwischen eingeschlagen haben, ist erstaunlich." Sollten die Berichte über mögliche weitere Zugeständnisse an Iran zutreffen, fühle er sich verpflichtet, auf die drohenden Folgen hinzuweisen, sagte Corker. Es brauche Mut, ein schlechtes Abkommen abzulehnen, aber das sei das Beste, was Obama für die Vereinigten Staaten und für die ganze Welt tun könne.

Ein wichtiges Thema bei den Verhandlungen sind die Sanktionen. Iran fordert, dass sie unmittelbar nach der Unterzeichnung des Abkommens aufgehoben werden, der Westen, vor allem die USA, wollen sie hingegen nach und nach aussetzen, jedoch nicht aufheben. Dazu erklärte die US-Botschafterin bei der UNO, Samantha Power, am 16. Juni, die Sanktionen könnten wieder eingesetzt werden, sollte Iran gegen die Vereinbarungen verstoßen.

Gegner des Abkommens mit Iran wie Senator Corker verlangen, dass in dem Abkommen vermerkt werden solle, dass das iranische Atomprogramm früher auch militärisch ausgerichtet gewesen sei. Teheran lehnt diese Forderung ab. Es sei eine Behauptung des Westens, für die es keinerlei Beweise gebe, hieß es. Zu dieser Frage nahm auch US-Außenminister John Kerry am 16. Juni Stellung. "Wir konzentrieren uns nicht auf das, was Iran früher getan hat. Wir wissen sehr wohl, welche militärischen Pläne sie (die Iraner) hatten. Aber für uns ist es jetzt wichtig, dass wir den Blick auf die Zukunft richten."

In den letzten zwei Wochen vor dem Ablauf der Frist gerieten die Verhandlungen immer wieder ins Stocken. Wichtigste Knackpunkte waren nach wie vor die Sanktionen, die Kontrollen der Atom- und Militäranlagen sowie die Reduzierung der Anreicherungskapazitäten Irans. Doch die Verhandlungspartner verbreiteten Zuversicht. Gleichzeitig verstärkten die Gegner einer Einigung, die Republikaner in den USA, die israelische Regierung, die arabischen Staaten und die extremen Islamisten in Iran ihre Aktivitäten. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mahnte erneut vor einem "schlechten Abkommen". Notfalls schließt Israel auch einen militärischen Alleingang gegen die iranischen Atomanlagen nicht aus. Laut dem Wall Street Journal war Israel mit seiner Spionagetätigkeit auch in die Verhandlungen in Genf, Lausanne und Wien involviert. Zu einem möglichen israelischen Angriff gegen Iran sagte Präsident Obama in einem Interview mit dem Zweiten israelischen Fernsehen am 2. Juni: "Ein Militärschlag ist keine Lösung, selbst wenn sich die USA daran beteiligen. Er würde das iranische Atomprogramm nur verzögern, aber nicht zerstören."

Die Republikaner in den USA setzten durch, dass dem Kongress ein Mitspracherecht beim geplanten Atomabkommen eingeräumt wird. Damit hat der Kongress die Möglichkeit, die Vereinbarung mit Iran abzulehnen und dem Präsidenten zu verbieten, die Sanktionen gegen Iran aufzuheben. Allerdings könnte der Präsident in diesem Fall das Votum mit einem Veto zurückweisen, was aber innenpolitisch zu harten Auseinandersetzungen führen würde.

Auch in Iran blieben die Konservativen nicht untätig. Armeesprecher Masud Dschasajeri erklärte laut der Webseite der Revolutionsgarden am 5. Juni: "Die iranischen Streitkräfte werden keinen Besuch und keine Inspektion der Militäranlagen zulassen, seien sie begrenzt und kontrolliert (...) oder ganz gleich welcher Art." Auch das Parlament verabschiedete ein Gesetz, das die Inspektionen von Militäranlagen und die Befragungen iranischer Atomwissenschaftler verbietet. Allerdings erklärte die Regierung am 23. Juni, dass dieses Gesetz verfassungswidrig sei. "Die Atomverhandlungen haben nichts mit dem Parlament zu tun, sondern laut Verfassung nur mit dem Nationalen Sicherheitsrat", sagte Regierungssprecher Bagher Nobacht. Noch wichtiger war die Stellungnahme des Revolutionsführers Chamenei. In einer Rede vom 23. Juni vor Regierungsverantwortlichen stärkte Chamenei zwar den iranischen Atomhändlern den Rücken, stellte jedoch klar, dass Iran Inspektionen von Atomanlagen und Befragungen von Wissenschaftlern nicht akzeptieren werde. Die Sanktionen müssten gleichzeitig mit der Unterzeichnung des Abkommens aufgehoben werden. Allerdings schränkte Chamenei im Gegensatz zu seiner bisherigen Position diese Forderung etwas ein, indem er nicht mehr die vollständige Aufhebung der Sanktionen verlangte, sondern nur noch die Aufhebung der wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen sowie die, die die iranischen Banken beträfen. Weiter sagte Chamenei, Iran werde eine Vertragsdauer von 10 oder 12 Jahren, so wie von den USA gefordert, nicht akzeptieren. "Die USA versuchen, unsere Atomindustrie zu vernichten."

US-Außenminister Kerry reagierte gelassen auf Chameneis Äußerungen. Diese seien für den "innenpolitischen Gebrauch", sagte er am 25. Juni. Was Chamenei gesagt habe, sei nicht neu. "Was für uns zählt ist, was in den Eckpunkten eines Dokuments vereinbart wird, und das muss noch festgezurrt werden."

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius verlangte ein "robustes Abkommen" mit Iran, das ein umfassendes Kontrollsystem beinhalte, "einschließlich des Besuchs von militärischen Anlagen, wenn das nötig ist", so Fabius am 22. Juni vor Journalisten nach einem Treffen mit Irans Außenminister Sarif in Luxemburg.

Am 25. Juni warnten fünf ehemalige Präsidentenberater Obama in einem offenen Brief vor zu großen Zugeständnissen an Iran. "Die meisten von uns hätten ein strikteres Abkommen bevorzugt", schrieben die Unterzeichner. "Das Abkommen wird Iran nicht an der Entwicklung von Kernwaffen hindern. Es wird keine Zerstörung der iranischen Infrastruktur zur Anreicherung von Uran verlangen."

Am 28. Juni stimmten alle Verhandlungsdelegationen überein, die festgesetzte Frist, den 30. Juni, zu verlängern. Am 30. Juni beschloss die EU, die Aussetzung von einem Teil der Sanktion, die bereits im vergangenen Jahr beschlossen worden war, um eine weitere Woche zu verlängern mit der Begründung, "mehr Zeit für die andauernden Verhandlungen über eine langfristige Lösung in der iranischen Atomfrage zu schaffen". Netanjahu übte laut seinem Büro am 28. Juni weitere scharfe Kritik an den Verhandlungen. "Wir sehen vor unseren Augen einen klaren Rückzug von roten Linien, die die Weltmächte erst kürzlich und öffentlich für sich definiert haben. Es gibt keinen Grund dieses schlechte Abkommen, das von Tag zu Tag schlimmer wird, hastig abzuschließen." Zudem wies Netanjahu auf Verletzungen der Menschenrechte in Iran hin, die nun im Zuge der Atomverhandlungen ignoriert würden.

In der letzten Juniwoche tagten die Verhandlungsdelegationen und auch die Außenminister nahezu permanent. Aus Diplomatenkreisen wurde bekannt, dass der angestrebte Vertrag plus Anhängen Duzende Seiten umfassen wird. Am 29. Juni berichtete AFP, die 5+1-Gruppe habe Iran nach Aussage eines hochrangigen US-Vertreters einen Kompromissvorschlag unterbereitet, der den Inspektoren der Internationalen Atombehörde (IAEA) den erforderlich Zugang zu den militärischen Anlagen ermöglichen würde. Demnach hätten die Inspektoren nicht die Erlaubnis, beliebig jede Militäranlage zu untersuchen, sie müssten für eine Untersuchung jeweils nachvollziehbare Gründe vorlegen. Sollte Iran dem zustimmen, wäre einer der beiden Hauptstreitpunkte gelöst.

Am 30. Juni stellte eine Gruppe von Ultras auf dem Teheraner Asadi-Platz eine Tafel auf, auf dem die Bedingungen für ein Abkommen geschrieben standen. Niemand sei berechtigt, im Namen des iranischen Volkes ein "schlechtes Abkommen" zu unterzeichnen, hieß es. Die Sanktionen müssten vollständig und gleichzeitig mit der Unterzeichnung des Abkommens aufgehoben werden. Für die Weitentwicklung der iranischen Atomindustrie dürfe es keine Einschränkungen geben. Inspektionen von Militäranlagen seien inakzeptabel.

Am 30. Juni gaben die Delegationen offiziell bekannt, dass die Verhandlungen um eine Woche verlängert werden. Ob ein Abkommen zustande kommen wird, hängt nicht zuletzt von der IAEA ab, die in den letzten Tagen neben den Außenministern und Experten an den Konsultationen teilnimmt. Überraschend reiste IAEA-Chef Yukia Amano am 1. Juli nach Teheran. Dort sind Gespräche mit Präsident Rohani, dem Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrats, Ali Schamchani, und weiteren Regierungsvertretern geplant, meldete IRNA.


SPIONAGE BEI DEN ATOMVERHANDLUNGEN

Die Computer-Sicherheitsfirma Kaspersky teilte am 10. Juni mit, dass sie bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm ein Computervirus namens Duqu entdeckt habe, mit dem Informationen über die Atomgespräche in Lausanne, Genf und Wien gesammelt worden seien. Es habe eine große Ähnlichkeit mit dem Virus Stuxnet, mit dem 2010 größere Teile des iranischen Computersystems in den Atomanlagen außer Betrieb gesetzt oder zerstört wurden. Laut Medien war Stuxnet von den israelischen und amerikanischen Geheimdiensten gemeinsam entwickelt worden. Kasparsky machte keine konkreten Angaben über den Urheber von Duqu, wies jedoch darauf hin, dass nicht kriminelle Hacker, sondern ein Staat hinter der Aktion stecken dürfte. Einem Bericht des Wall Street Journals zufolge, wird Israel als Urheber vermutet. Israel dementierte jedoch alle Berichte über ein mögliches Ausspionieren der Atomgespräche.

Der Virus, der in drei Hotels in Genf, Lausanne und Wien entdeckt wurde, ermöglichte den Zugang zu den Computern, dem Telefonnetz, den Videokameras und sogar zu den Mikrofonen und Aufzügen in den betreffenden Hotels.

Die Schweiz hat wegen des Spionage-Vorwurfs ein Strafverfahren eingeleitet. In einem Haus in Genf wurden Computer und Software beschlagnahmt, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Sie eröffnete wegen Verdachts auf politische Spionage Strafverfahren gegen Unbekannt. Auch Österreich leitete Ermittlungen ein.

Die USA reagierten gelassen auf den Fall. "Wir haben Maßnahmen ergriffen, um sicher zu sein, dass die vertraulichen Details und Diskussionen hinter verschlossenen Türen bleiben, erklärte Jeff Rathke, Sprecher des Außenministeriums in Washington, am 11. Juni.

Iran legte am 13. Juni offiziell bei der österreichischen und Schweizer Regierung Protest ein und bekundete, über die Sicherheit der Verhandlungsorte "ernsthaft besorgt" zu sein. Zudem baten die iranischen Botschaften in Bern und Wien um detaillierte Informationen über die Ergebnisse der Ermittlungen, berichtete die Agentur IRNA. In der Erklärung der iranischen Botschaft in Wien wird die österreichische Regierung aufgefordert, "rasch alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit der Verhandlungsorte sowie die der Internetverbindungen sicher zu stellen".


WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN ZU RUSSLAND AUSGEWEITET

Ölminister Biajan Sangeneh sagte laut Reuters vom 7. Juni nach seiner Rückkehr von einem OPEC-Treffen, "Russland wird diese Woche mit den Öleinfuhren aus Iran beginnen." Es handelt sich um ein Tauschgeschäft, Öl gegen Waren, das Russland und Iran miteinander vereinbart haben. Darüber habe er sich mit dem russischen Energieminister Alexander Nowak verständigt, sagte Sangeneh. Iran werde zunächst ca. 500.000 Barrel Öl nach Russland exportieren und sie gegen russische Waren im gleichen Wert tauschen.

Der iranische Ölexport ist in den letzten Jahren durch die Sanktionen, die im Atomkonflikt gegen Iran verhängt wurden, drastisch gesunken. Während Iran 2011 noch 2,5 Millionen Barrel Öl pro Tag exportierte, liegt der Ölexport zurzeit bei rund einer Million Barrel pro Tag. Iran versucht, die Sanktionen auf verschiedenen Wegen zu unterlaufen. Dazu gehört auch das Abkommen mit Russland.


KEINE PROVINZ IST AUSREICHEND MIT WASSER VERSORGT

Resa Rai Esabadi, Leiter des Forschungsinstituts für Wasserversorgung in Iran, sagte laut der Agentur "Mehr" am 18. Juni mit Blick auf den im Land herrschende Wassermangel: "Keine der Provinzen befindet sich im Normalzustand", nirgends werde der Wasserbedarf tatsächlich gedeckt. In zehn Provinzen sei das Wasserproblem sogar dramatisch. In 23 von 31 Provinzen habe es zu wenig Regen gegeben, sodass die vorhandenen Wasserreserven für die Versorgung der Verbraucher nicht ausreichten. Die Lage sei dramatisch, betonte Esabadi. "Es ist schlimmer als wenn ich nur von einem normalen Wassermangel sprechen würde." Die Verbraucher müssten drastisch Wasser sparen. Das in die Staudämme hineinfließende Wasser habe in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt um 17 Prozent abgenommen, während das herausfließende Wasser nur um 5 Prozent abgenommen habe.

Die Gründe für den Wassermangel seien der geringe Niederschlag, schlechtes Management und die unverantwortliche Vergeudung von Wasser durch bestimmte Schichten der Bevölkerung, sagte Asabadi.


IRAN VERGIBT MILLIONEN-KREDIT AN VENEZUELA

Beim Besuch einer iranischen Delegation in Caracas gab Venezuelas Präsident Nicolas Maduro bekannt, dass Iran dem von einer Staatspleite bedrohten Land eine neue Kreditlinie gewährt habe. Die erste Überweisung betrage 500 Millionen US-Dollar.

Venezuela ist infolge des starken Verfalls der Ölpreise in eine schwere Wirtschaftskrise geraten. Das Land steht kurz vor einer Staatspleite. Es befinde sich in einem Wirtschaftskrieg, sagte Maduro. "Es wird uns aber nie an Freunden fehlen, die uns die Hand reichen."

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AUSSENPOLITIK

• Geheime Treffen zwischen Israel und Saudi-Arabien
• Israelische Militärführung zeigt sich optimistisch
• Zahl der Terroropfer drastisch gestiegen
• Iran und die Nachbarstaaten
• Terroranschläge verurteilt
• EU-Delegation durfte nicht mit ausländischen Journalisten reden


GEHEIME TREFFEN ZWISCHEN ISRAEL UND SAUDI-ARABIEN

Das Nachrichtenportal Bloomberg berichtete am 5. Juni, der frühere israelische Botschafter bei der UNO Dore Gold und der pensionierte saudische General Anwar Madsched Ashki, früherer Berater des saudischen Botschafters in den USA, hätten bei einer Konferenz der Denkfabrik Council on Foreign Relations in Washington "verraten", dass saudische und israelische Delegationen sich innerhalb der letzten 17 Monaten fünfmal geheim getroffen hätten, um sich über den "gemeinsamen Feind Iran" auszutauschen. Die Treffen hätten in Indien, Italien und Tschechien stattgefunden. Fragen der Journalisten zu den Treffen hätten die beiden jedoch nicht beantworten wollen, schreibt Bloomberg weiter.

Der pensionierte General Schimon Schapira, einer der Gesprächsteilnehmer, sagte dem Reporter von Bloomberg: "Wir kamen überein, dass wir gleiche Probleme, gleiche Konflikte und gleiche Antworten haben." Die Probleme seien durch die Aktivitäten Irans in der Region entstanden. Die Delegationen hätten über politische und wirtschaftliche Maßnahmen gesprochen, die Iran Einhalt gebieten könnten, sagte Schapira. Konkrete Angabe machte er jedoch nicht.

Es sei das erste Mal, dass die beiden Staaten, Israel und Saudi-Arabien, über gemeinsame diplomatische Beziehungen sprechen würden, schreibt Bloomberg. Das widerspräche der bisherigen Haltung Saudi-Arabiens, das den Staat Israel nicht anerkennt. Die Feindschaft habe die beiden Staaten offenbar nicht davon abgehalten, eine gemeinsame Botschaft zu verkünden: "Iran will die Region beherrschen, wir müssen ihn daran hindern."

Die Warnungen, die Ashki in seiner Rede auf der Konferenz ausgesprochen habe, seien sehr zugespitzt gewesen, schreibt Bloomberg. Am Ende habe er sieben Forderungen vorgelegt. Der zweite Punkt betraf einen "Regimewechsel in Iran", eine Forderung, der sich Gold, der zum politischen Direktor im israelischen Außenministerium ernannt werden soll, nicht anschloss. Gold sagte: "Wenn wir heute hier nebeneinander stehen, bedeutet das nicht, dass wir alle Konflikte, die seit Jahren zwischen Israel und Saudi-Arabien bestehen, gelöst haben. Aber wir hoffen, uns in den nächsten Jahren gemeinsam um sie kümmern zu können."

Eine Woche zuvor hatte der saudische Außenminister Adel al Dschubeir Iran vor einer Einflussnahme und Einmischung in die Angelegenheiten der Staaten der Region gewarnt und erklärt, sein Land werde demgegenüber nicht untätig bleiben.

Einer Umfrage des israelischen "Interdisciplinary Center in Herzliya" zufolge fürchten sich die Menschen in Saudi-Arabien mehr vor Iran und dem Islamischen Staat (IS) als vor Israel. Demnach betrachten 52 Prozent der Befragten Iran als "Hauptfeind", wohingegen nur 22 Prozent den IS und 18 Prozent Israel nannten. Eine große Mehrheit von Ihnen unterstützt den regionalen Friedensplan für den Israelisch-Palästinensischen Konflikt, den die Saudis 2002 vorgelegt hatten.


ISRAELISCHE MILITÄRFÜHRUNG ZEIGT SICH OPTIMISTISCH

Während Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach wie vor für einen größeren Druck auf Iran plädiert, berichten israelische Medien von einem "vorsichtigen Optimismus" bei der israelischen Militärführung, die der Meinung sei, das geplante Atomabkommen könnte Iran möglicherweise von Nuklearwaffen fernhalten. Die Agentur Reuters zitierte am 4. Juni einen hochrangigen israelischen Offizier, der bestätigte, dass diese Position in den höheren Rängen der Streitkräfte vertreten werde.

In den vergangenen eineinhalb Jahren stellte die israelische Regierung die Atomverhandlungen immer wieder infrage. Das Thema gehört zu den wichtigsten Konflikten zwischen Tel Aviv und Washington. Israel, das die einzige Atommacht im Nahen Osten ist, ist der wohl schärfste Gegner des iranischen Atomprogramms.

Die hiervon abweichende Meinung der Militärs ist allerdings nicht überraschend. Auch in der Vergangenheit haben die Militärs der Regierung Netanjahu immer wieder vorgeworfen, Ängste in Bezug auf Iran zu schüren, um daraus politisches Kapital schlagen zu können.


ZAHL DER TERROROPFER DRASTISCH GESTIEGEN

Der Terrorismusjahresbericht des US-Außenministeriums über das Jahr 2014 weist nach einem Bericht der AFP vom 19. Juni im Vergleich zum Vorjahr weltweit einen drastischen Anstieg der Opferzahlen auf. Demnach fielen 2014 fast 33.000 Personen einem Terroranschlag zum Opfer, 2013 waren es noch 17.800. Das ist ein Anstieg von 81 Prozent. Auch die Zahl der Entführungen verdreifachte sich im Vergleich zum Vorjahr auf 9.400 Fälle. Zu den am meisten von Terroranschlägen betroffenen Staaten gehören demnach der Irak, Pakistan, Afghanistan, Indien und Nigeria.

Terrorismus wird vom US-Außenministerium als "vorsätzliche politisch motivierte Gewalt, verübt gegen zivile Ziel durch nicht-staatliche Gruppen oder Geheimagenten" definiert. In dem Bericht wird auch die Islamische Republik Iran erwähnt. Die Sonderbotschafterin der US-Regierung für den Anti-Terror-Kampf sagte bei der Vorstellung des Berichts, der Iran unterstütze "weiterhin terroristische Gruppen rund um den Globus". Iran gehört neben Syrien und Sudan zu den Staaten, die von den USA als "Terrorunterstützer" eingestuft werden. Iran steht seit 1984 auf dieser Liste.

Iran habe auch 2014 seine Aktivitäten bei der Unterstützung terroristischer Gruppen fortgesetzt, hieß es. Konkret wird Iran vorgeworfen, Terrorgruppen in Gaza, die Hisbollah in Libanon und diverse Gruppen im Irak und in der gesamten Region des Nahen- und Mittleren Ostens zu unterstützen. Im Irak unterstütze Iran schiitische Organisationen im Kampf gegen den IS, darunter auch eine, die von den USA als terroristisch eingestuft werde.

Ferner wird Iran vorgeworfen, seine außenpolitische Ziele mithilfe der al-Kuds-Brigade, einer für Auslandseinsätze zuständigen Abteilung der Revolutionsgarden, durchzusetzen und hierdurch in der Region Unruhe zu stiften. Das US-Außenministerium bezeichnet die Brigade als "militärischen Arm" des Teheraner Regimes zur Unterstützung und Verbreitung des Terrorismus außerhalb Irans. Zwar konzentriere sich die Islamische Republik auf den Nahen Osten, insbesondere auf Syrien und Irak, sei jedoch auch in Afrika und Asien, und in geringerem Maße in Lateinamerika aktiv.

Aus Teheran kam am 20. Juni ein Dementi. Außenamtssprecherin Marsieh Afkham verurteilte den Bericht. Sie kritisierte die politisch gefärbte Darstellung des Terrorismus und die "doppelzügige" Sichtweise, die sie als eine Ursache des Terrorismus bezeichnete. Iran selbst sei Opfer des Terrorismus, sagte Afkham. "Die Präsenz und die freien Aktivitäten von Terroristen" in den USA und in den mit ihnen verbündeten Staaten und das Ignorieren der "Machenschaften Israels gegen die Palästinenser" mache den angeblichen Kampf der USA gegen den Terrorismus unglaubwürdig, sagte Afkham.


IRAN UND DIE NACHBARSTAATEN

Iraks Ministerpräsident Heider al-Abadi verteidigte in einem Fernsehinterview am 31. Mai die enge Zusammenarbeit mit Iran beim Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS). Iran habe immer an der Seite Iraks gestanden, sagte Abadi. Die Zusammenarbeit "ist notwendig."

In den USA sowie in den arabischen Staaten steigt die Sorge über die zunehmend wichtigere Rolle Irans in der Region. Der Kampf, der gegen den IS geführt werde, habe in Wirklichkeit das Ziel, die Staaten am Persischen Golf vor den Gefahren, die von den Terroristen ausgingen, zu schützen, sagte Abadi.

In Teheran ist man der Auffassung, dass außer Iran kein Staat den nötigen Willen zum Kampf gegen den IS habe. Einige Tage zuvor hatte der Kommandant der iranischen el-Kuds-Brigade, General Ghassem Soleimani, der sowohl in Syrien als auch im Irak eine wichtige Rolle spielt, den USA eine "Beteiligung an der Verschwörung" und Mangel an Kampfeswillen gegen den IS vorgeworfen.

Berichte besagen, dass die von Iran organisierten und finanzierten schiitischen Milizen bei der Rückeroberung der strategisch wichtigen Stadt Ramadi, die zuvor vollständig vom IS erobert worden war, die Hauptrolle spielten. Die irakische Regierung war zunächst abgeneigt, die Unterstützung der Schiiten in Anspruch zu nehmen. Doch den regulären irakischen Soldaten fehlte angeblich der Kampfeswille und die zögerliche Unterstützung der USA aus der Luft reichte für einen Angriff gegen die Terroristen offenbar nicht aus.

Am 1. Juni forderte Iran Saudi-Arabien auf, "politisch Vernunft walten zu lassen". Vizeaußenminister Hossein Amir-Abdollahian sagte laut IRNA, "im Gegensatz zu einigen Staaten, die den Terrorismus unterstützen, ihn für ihre politischen Ziele instrumentalisieren und damit die Sicherheit der Region aufs Spiel setzen, unterstützt Iran mit aller Kraft den Irak, Syrien, den Libanon und andere Staaten, die vom Terrorismus bedroht werden". Zugleich betonte Amir-Abdollahian: "Wir begrüßen gute Beziehungen zu Saudi-Arabien, erwarten aber auch, dass das Land in der Region eine konstruktive Rolle spielt und durch eine vernünftige Politik dazu beiträgt, einer Ausweitung der Kriege, einer Stärkung des Terrorismus und einer Gefährdung der Sicherheit in der Region Einhalt zu gebieten."

Einen Tag zuvor hatte der saudische Außenminister Ader al-Dschubeir Iran bei einem Besuch in Kairo eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten vorgeworfen und gedroht, sein Land werde dem Treiben nicht schweigend zuschauen.

Bei einem Besuch des syrischen Parlamentspräsidenten Mohammed al-Lahham in Teheran am 2. Juni sagte Präsident Rohani, Iran werde immer an der Seite der syrischen Regierung und des syrischen Volkes bleiben. Er warf "einigen Ländern" vor, gemeinsam mit dem IS die Eroberung von Damaskus innerhalb weniger Monaten geplant zu haben, was jedoch selbst nach vier Jahren nicht gelungen sei. Der Plan, Assad stürzen zu wollen, sei eine "Fehlkalkulation" gewesen. Die Folgen dieser Politik, vor allem die Instrumentalisierung des IS, könnten verheerend sein. Manche Länder hätten gemeint, "Terrorgruppen wären ein Mittel zur Erreichung der eigenen Ziele. Früher oder später wurden sie aber immer selbst von der Geißel des Terrorismus eingeholt."

Die AFP meldete am 3. Juni, dass tausende irakische und iranische Kämpfer in Syrien eingetroffen seien. Ziel dieser Unterstützung der syrischen Streitkräfte sei die Verteidigung der syrischen Hauptstadt Damaskus und ihrer Umgebung gegen die IS-Milizen. Eine Quelle aus syrischen Sicherheitskreisen sprach laut AFP von einem Kontingent von rund 7.000 Kämpfern, das mehrheitlich aus Irakern bestehe. "In den kommenden Tagen wird die Welt überrascht sein, was wir in Zusammenarbeit mit syrischen Militärführern vorbereiten", zitierte IRNA General Soleimani. Die Agentur wollte jedoch für diese Information "keine Verantwortung" übernehmen.

Iranischen Medien vom 15. Juni zufolge schickte Präsident Rohani eine Einladung an den Kalifen der Arabischen Emirate, Chalifa bin Zayid Al Nahyun, zur Teilnahme an einer Konferenz der Erdgasproduzierenden Länder. Die Tagung soll im kommenden Herbst in Teheran stattfinden.

Am 17. Juni traf der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi zu einem offiziellen Besuch in Teheran ein. Es ist das zweite Mal innerhalb von zehn Monaten, dass er Iran besucht. Er führte unter anderem Gespräche mit Revolutionsführer Ali Chamenei, Präsident Rohani, dem Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrats Ali Schamchani, dem Vorsitzenden des Schlichtungsrats Haschemi Rafsandschani und Außenminister Dschawad Sarif. Wichtigste Themen bei den Gesprächen waren die wirtschaftliche Zusammenarbeit, der gemeinsame Kampf gegen den Terrorismus und die Lage im Nahen Osten.

Am 22. Juni kündigte Irans Innenminister Abdolresa Rahmani Fasli eine engere Zusammenarbeit und regelmäßige Treffen zwischen Iran, Syrien und Irak an. Ihm zufolge die "drei islamischen Länder in der Region, die gemeinsam gegen Israel Widerstand leisten, gegen Terrorismus und Extremismus kämpfen und auf vielen Gebieten zusammenarbeiten". Er äußerte die Hoffnung, dass diese Treffen zu einer Einigung all jener islamischer Staaten in der Region führen werde, die die gleiche Sichtweise auf die Region hätten. Beim ersten dieser Treffen, an dem die Innenminister der drei genannten Staaten teilnehmen werden, sollen in erster Linie Sicherheits-Fragen erörtert werden.

Am 29. Juni berichteten iranische Medien, dass der militärische Berater des Revolutionsführers, General Rahim Safawi, bei einem Vortrag in der Stadt Karadsch bekanntgegeben habe, dass er eine Warnung an den IS geschickt habe. Sollten dessen Milizen sich den schiitischen Heiligtümern nähern, "werden wir direkt eingreifen. Euch ist wohl bewusst, dass ihr nicht in der Lage seid, den iranischen Basidsch-Milizen Widerstand zu leisten". Weiter sagte der General: "Manche unserer Jugendlichen fragen mich, warum wir Syrien und Irak unterstützen müssen. Ich antworte, wenn wir diese gottlosen Verbrecher nicht jenseits unserer Grenzen bekämpfen, müssen wir bald an unseren Grenzen gegen sie Krieg führen."


TERRORANSCHLÄGE VERURTEILT

Iran hat die jüngsten Terroranschläge in Frankreich, Tunesien und Kuwait verurteilt. Außenamtssprecherin Afkham erklärte am 27. Juni mit Blick auf den Anschlag in Frankreich: "Dieser terroristische Akt hat nichts mit den Lehren des Islam zu tun." Man müsse rasch die Wurzeln des Terrorismus austrocknen. Dies setze eine enge Zusammenarbeit aller Länder voraus. Sie rief vor allem die islamischen Länder dazu auf, eine gemeinsame Strategie gegen den extremen Islamismus zu entwickeln. Iran hatte bereits zuvor die Anschläge in Tunesien und Kuwait scharf verurteilt.


EU-DELEGATION DURFTE NICHT MIT AUSLÄNDISCHEN JOURNALISTEN REDEN

Einem Bericht der Agentur AFP vom 7. Juni zufolge wurde einer Delegation des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments, die sich zwei Tage lang zu Gesprächen in Teheran aufhielt, untersagt, ausländischen Journalisten Interviews zu geben. Delegationsleiter Elmar Brock hatte eine Pressekonferenz im Hotel Espinas, in dem die Delegationsmitglieder untergebracht waren, einberufen. Er durfte jedoch mit den Journalisten keine Gespräche führen. "Sie können mich nicht davon abhalten, mit Journalisten zu sprechen", protestierte er. Doch die Beamten teilten ihm mit, dass er dazu kein Recht habe. Die Pressekonferenz sei nicht mit dem Hotel koordiniert worden, hieß es zur Begründung. Zuvor waren bereits die ausländischen Journalisten informiert worden, dass die Pressekonferenz nicht erlaubt worden sei. Brock reagierte auf das Verbot, indem er ein Interview mit dem zugelassenen englischsprachigen Sender Press TV ablehnte.

Auch Foto- und Videoreporter wurden unter Androhung von Konsequenzen daran gehindert, Aufnahmen zu machen. Laut AFP sagte Brock, der Vorfall demonstriere ein "altes Verhalten" der iranischen Sicherheitsdienste, habe dem Besuch der Delegation jedoch nicht sonderlich geschadet.

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Autor: Bahman Nirumand
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2015

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