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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/404: Iran-Report Nr. 2 - Februar 2018


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 2 - Februar 2018
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Abschluss des Atomabkommens und der Aufhebung der Sanktionen erwartet das Volk einen wirtschaftlichen Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch eine Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung. Doch über den neuen Kurs, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Sensationelles Video aus dem Jahr 1989 • Ghadyani: "Der Hauptschuldige für die Proteste ist der Revolutionsführer" • Folgen der Proteste • Chronik der Ereignisse nach den Protesten • Bericht des Innenministeriums über die Proteste • Auch ein EU-Bürger bei Protesten festgenommen • Weggefährten Ahmadinedschads beantragen Demonstration • Warnung vor neuen Unruhen • Filterung von Telegram aufgehoben • Vollzug der Todesurteile wegen Drogendelikte gestoppt • Junge Frauen flüchten aus der Familie • Abgeordneter fordert: Keine Männer mehr als Frauenärzte zulassen • 17 Friseure werden gerichtlich verfolgt


SENSATIONELLES VIDEO AUS DEM JAHR 1989

Am 8. Januar dieses Jahres wurde eine sensationelle Videoaufnahme von einer historischen Versammlung vom 4. Juni 1989 veröffentlicht. "Man muss um den Zustand einer islamischen Gesellschaft Tränen vergießen, die jemanden wie mich als möglichen Führer in Erwägung zieht", hört man auf dem Video Ali Chamenei im Expertenrat vor den Abgeordneten sagen. Der zitierte Satz ist der Beginn einer Rede des derzeitigen Revolutionsführers.

Bei dieser Rede erläuterte Chamenei "die technischen und grundsätzlichen Probleme", die ihn daran hindern würden, die Nachfolge von Ayatollah Chomeini anzutreten. Ayatollah Chomeini, der Gründer der Islamischen Republik, war kurz zuvor gestorben. "Weder im Hinblick auf die Verfassung der islamischen Republik, noch aus religiösen Gründen wird mein Wort als Wort des Führers akzeptiert werden. Selbst in dieser Versammlung haben einige in ihren Redebeiträgen bestätigt, dass ich nicht die Kompetenz als Religionsführer besitze", sagte Chamenei.

Tatsächlich gehörte Chamenei nicht zu den religiösen Instanzen des schiitischen Glaubens. Dies galt gemäß der Verfassung als Voraussetzung für die Übernahme der Staatsführung. Dennoch stimmte eine Mehrheit zu, dass er "vorübergehend bis zu einer Volkbefragung und Änderung der Verfassung" das Amt übernimmt. Von den 82 Mitgliedern des Expertenrats waren 74 Mitglieder anwesend. 60 Mitglieder sprachen sich für die Wahl Chameneis aus.

Damals wurde der Vorschlag, die Führung statt an eine Person, an einen Rat zu übergeben, von der Mehrheit abgelehnt. Merkwürdig ist, dass in der damaligen Erklärung des Expertenrats, in der die Wahl Chameneis bekannt gegeben wurde, keine Rede davon war, dass er lediglich vorübergehend gewählt worden war. Unerwähnt blieb in der Erklärung auch, dass eine Volksbefragung durchgeführt werden sollte. Später wurde, nach einer Überprüfung der Verfassung, die religiöse Instanz als Voraussetzung für die Wahl zum Revolutionsführer gestrichen. Die auf die Person Chamenei angepasste Verfassung wurde am 28. Juli 1989 im Zuge der Parlamentswahlen den Wählern zur Abstimmung vorgelegt. Wie erwartet stimmte die Mehrheit der Wähler zu. Danach wurde in einer Sondersitzung des Expertenrats beschlossen, dass Chamenei nun dauerhaft das Amt des Revolutionsführers führen sollte.

Das Video wurde einem Journalisten im Ausland durch einen Unbekannten zugespielt. Das Büro von Chamenei reagierte darauf mit einer Erklärung, in der es hieß, damals habe keine der religiösen Instanzen die Zustimmung des Expertenrats für das Amt des Revolutionsführers erhalten - ein Problem, für das die Verfassung keine Lösung vorsah.

Wer das Video den Medien zur Veröffentlichung übergeben hat, ist nicht bekannt. Bemerkenswert ist, dass es gerade zu einer Zeit erschien, in der im ganzen Land Proteste gab, die sich unter anderem gegen die Person Chameneis richteten.


GHADYANI: "DER HAUPTSCHULDIGE FÜR DIE PROTESTE IST DER REVOLUTIONSFÜHRER"

Abolfasl Ghadyani, führendes Mitglied der Partei "Modjahedin der Islamischen Revolution", kritisierte in einem Interview mit dem persischsprachigen Programm der BBC die Stellungnahmen der Reformer zu den Protesten. Die Reformer hatten zwar den Bürgerinnen und Bürgern das Recht auf Protest zugestanden, aber auch sie hatten, ähnlich wie die Konservativen, ausländische Feinde für die Unruhen verantwortlich gemacht. Ghadyani meinte dahingegen, der Hauptschuldige für die weit verbreitete Unzufriedenheit im Land sei niemand anderes als der Revolutionsführer Ali Chamenei.

"Die Menschen haben ein Recht, gegen einen Diktator zu protestieren", sagte Ghadyani. Dieser musste bereits wegen Beleidigung des Revolutionsführers drei Jahre im Gefängnis verbringen. Auch danach hatte er mehrmals in offenen Briefen Chamenei scharf kritisiert. Chamenei habe, so Ghadyani, die ganze Macht monopolisiert, die Theokratie gefestigt, das Land zum Ausverkauf feilgeboten und überall seinen Willen durchgesetzt. Demgegenüber leide ein Großteil der Bevölkerung an Hunger, sagte er weiter.

Die jüngsten Unruhen bezeichnete Ghadyani als "Bewegung der Unterdrückten, die keine Geduld mehr haben." Es sei eine Beleidigung, sie als Lakaien des Auslands oder Anhänger der Monarchisten zu bezeichnen, fuhr er fort. In einer Erklärung, die von dem Nachrichtenportal "Kalameh" veröffentlicht wurde, schrieb er des Weiteren, die Proteste um die Jahreswende seien die größten gewesen, die er seit der Revolution erlebt habe.

"Alle wissen, dass der Hauptschuldige für die gegenwärtige Lage Chamenei ist, der an der Spitze von Institutionen und Unternehmen steht, welche 60 Prozent der Wirtschaft beherrschen. Sie genießen Immunität, können nicht zur Verantwortung gezogen werden und begehen permanent Raub an Staats- und Volkseigentum."

Ghadyani, der über längere Jahre zu den Wortführern der Reformer gehörte, kritisierte seine Weggefährten und sagte: "Bedauerlicherweise scheuen sich die Reformer davor, diese Tatsachen und den Hauptschuldigen zu nennen. Die Reformer seien für die gegenwärtige Lage selbst mitverantwortlich, so Ghadyani. Er warf ihnen Opportunismus und Duckmäusertum vor. Mit ihren Stellungnahmen hätten sie auch den Hardlinern die Argumente geliefert, um die Massenverhaftungen zu legitimieren.

Ghadyani machte drei Lösungsvorschläge: "Erstens muss man statt ihn zu flüstern, den Namen des Hauptverantwortlichen laut herausschreien, damit der "Despot" gezwungen wird, die Rufe zu hören. Zweitens sollte die Kontrolle der Wahlen durch den Wächterrat abgeschafft werden, damit statt opportunistische Abgeordnete und Präsidenten, die tatsächlichen Vertreter des Volkes gewählt würden. Drittens sollte die Justiz unabhängig werden."


FOLGEN DER PROTESTE

Die Fragen nach den wahren Gründen der unerwarteten Proteste, die sich um die Jahreswende in fast 80 Städten verbreitet hatten, beschäftigen weiterhin Politiker, Medien und Experten. Wie kam es zu den Protesten, wer hat sie organisiert, was sind ihre Ziele, wer waren die Teilnehmenden?

Schon am zweiten Tag wurden aus den Reihen der Reformer und Anhänger der Regierung von Präsident Rohani Stimmen laut, die den Konservativen und Hardlinern vorwarfen, sie hätten die Proteste organsiert, um die Regierung zu schwächen. Diese fingen in der Stadt Maschad, Hochburg der Konservativen. Der frühere Präsident Mohammad Chatami, der als Vater der Reformbewegung gilt, sprach von einer Verschwörung.

Die Konservativen wiesen den Vorwurf entschieden zurück. Der einflussreiche, ultrakonservative Freitagsprediger in Maschad, Ahmad Alam Alhodi, sagte, ein unbekannter Unternehmer, der seinen Besitz verloren hatte, habe mit Hinweis auf Teuerung der Preise zu einer Demonstration aufgerufen. Einige Hundert Personen seien dem Aufruf gefolgt. Später sei eine Gruppe von etwa fünfzig Personen dazu gestoßen und habe abwegige Parolen wie "weder Gaza noch Libanon, ich opfere mein Leben für Iran gebrüllt".

Alhodi begrüßte den Eingriff der Ordnungskräfte, der dem Spuk ein Ende gesetzt habe. "Sonst hätten die Demonstranten Videos und Fotos veröffentlich und behauptet, die Revolution habe ihre Basis in Maschad verloren", sagte er.

Es ist nichts Neues, dass die Ultras und Konservativen das Ausland für die Protestdemonstrationen verantwortlich machen. Das war 2009 genauso. Anstatt auf die berechtigten Proteste und Anliegen der Bevölkerung einzugehen, wird jede Bewegung, jeder Wunsch nach Veränderung als Verschwörung dargestellt und damit die Gegengewalt legitimiert.

Allerdings ließen sich die Proteste um die Jahreswende, die erstaunlicherweise auch in kleineren Orten stattfanden, nicht allein mit Verschwörungstheorien abtun. Selbst Ultras wie Alam Alhodi sahen sich genötigt, auch auf die Nöte der Menschen hinzuweisen. "Es darf nicht soweit kommen, dass die Menschen die Not bis auf die Knochen spüren und deshalb auf die Straße gehen", sagte er. "Bedauerlicherweise gibt es in der Regierung Verantwortliche, die nicht an die Probleme der Menschen denken. Doch ich möchte auch den Leuten, die auf die Straße gegangen sind, sagen, wenn eure Parolen gegen die Teuerung der Preise auch berechtigt waren, solltet ihr wissen, dass die Feinde uns schädigen wollen. Wir aber sollten nicht zulassen, dass unsere Forderungen missbraucht werden. Es ist nicht richtig, wenn gerufen wird, 'verlasst Syrien, denke an uns'."

Auch Revolutionsführer Chamenei sprach von Verschwörungen. "In den vergangenen Tagen haben Feinde Irans unterschiedliche Mittel wie Geld, Waffen, Politik und Geheimdienste eingesetzt, um in der Islamischen Republik Unruhe zu stiften."

Doch als die Proteste zu Ende waren, begannen Politiker und Medien die Ereignisse nüchterner zu betrachten. Bei einer Rede am 9. Januar sagte Chamenei: "Wenn einer sein Recht nicht bekommt und dagegen protestiert, oder wenn Protestierende sich versammeln und ihr gemeinsames Anliegen zum Ausdruck bringen, ist das eine Sache. Wenn aber andere die Ansammlung missbrauchen, ist das eine andere Sache. Diese Sachen darf man nicht miteinander vermischen." Es habe immer Proteste gegen staatliche Einrichtungen gegeben und niemand habe sich gegen solche Proteste ausgesprochen. Bestimmte Schichten seien unter Druck. "Die Verantwortlichen müssen sich darum kümmern, auch ich muss mich darum kümmern."

Die Proteste hätten sich zunächst gegen die Teuerung der Preise gerichtet, sagte Chamenei. "Das haben alle begrüßt. Aber als die Parolen politisch wurden, haben die Leute sich davon distanziert." Er griff jene scharf an, die die Demonstrationen politisiert hätten. "Sie haben einerseits gerufen, 'ich opfere mein Leben für Iran', andererseits haben sie die Fahnen der Islamischen Republik verbrannt."

Chamenei sagte weiter, außerhalb der iranischen Grenzen seien zwei Stützpunkte errichtet worden. Beide hätten unter amerikanischem und israelischem Kommando gestanden. Ein Stützpunkt habe sich um Cyber-Aktivitäten gekümmert und der andere um das Organisieren der Demonstrationen. Er wolle drei Botschaften an die Vereinigten Staaten schicken: Erstens sollten sie wissen, dass ihr Angriff gescheitert sei: "Es kann sein, dass ihr das wiederholt. Aber ihr werdet wieder auf Granit stoßen. (...) Zweitens haben sie uns Schaden zugefügt. Das wird nicht ohne Vergeltung bleiben. (...) Drittens sollte der Herr, der dort an der Spitze steht (Präsident Donald Trump), obwohl er nicht zurechnungsfähig ist, wissen, dass wir solche demonstrativen Irrläufe nicht ohne Antwort lassen werden."


CHRONIK DER EREIGNISSE NACH DEN PROTESTEN

Am 8. Januar sorgte die Nachricht von dem Tod eines Demonstranten im Gefängnis im ganzen Land für Empörung. Der 22-Jährige soll nach offiziellen Angaben Selbstmord begangen haben, was jedoch kaum jemand glaubte. Das Parlament forderte eine genaue Untersuchung und einen detaillierten Bericht über die Demonstrationen und Festnahmen.

Präsident Rohani wies immer wieder darauf hin, dass die Proteste sich nicht allein gegen die Wirtschaft oder die Regierung richteten, sondern auch die politische und kulturelle Lage des Landes kritisierten. Einen weiteren Aspekt nannte er am 8. Januar vor einer Versammlung der Verantwortlichen für die Wirtschaft des Landes: "Das Problem, mit dem wir heute konfrontiert sind, ist die Kluft zwischen den Verantwortlichen und der jungen Generation. Unser Denken unterscheidet sich erheblich von dem Denken der jungen Generation. Das ist ein Problem, für das wir eine Lösung finden müssen. Die Jugend hat heute eine Forderung. Sie sagt, 'auch wir können denken, auch wir haben etwas zu sagen. Ihr müsst uns zuhören.' Die Jugend bildet die Mehrheit unseres Landes, und wir müssen uns nach dem Willen der Mehrheit richten."

Der Abgeordnete Mahmud Sadeghi, der sich besonders um die Lage der Gefangenen kümmert, gab bekannt, dass bei den jüngsten Unruhen insgesamt rund 3.700 Personen festgenommen wurden. Zuvor hatte das Innenministerium von 1.700 Festnahmen gesprochen. Die korrekte Zahl ist nicht bekannt. Hinzu kommt, dass es nach dem Ende der Proteste Freilassungen gab, aber auch darüber fehlen verlässliche Zahlen.

Ein probates Mittel gegen Protestdemonstrationen in der Islamischen Republik sind Massenkundgebungen zugunsten der Herrschenden. Auch dieses Mal wurden an mehreren Tagen und Orten staatlich organisierte Gegendemonstrationen und Kundgebungen veranstaltet, an denen Zehntausende teilnahmen. Chamenei lobte die "massive Mobilisierung gegen die Verschwörung der Feinde". "Nirgendwo auf der Welt gibt es eine derartige Mobilisierung des Volkes", sagte er.

Am 9. Januar wurde der Tod eines zweiten Demonstranten im Gefängnis bestätigt. Auch er soll nach offizieller Darstellung Selbstmord begangen haben!

Indes erklärte die Justiz am 10. Januar, die sozialen Medien im Netz ganz abschaffen zu wollen. Es geht vor allem um Telegram und Instagram, die in Iran besonders populär sind. "Diese Medien verbreiten nicht nur Inhalte gegen die innere Sicherheit des Landes, sondern auch gegen die islamischen Werte", sagte Vizegeneralstaatsanwalt Abdol-Samad Chorramabadi. Da man diese Seiten nicht kontrollieren könne, müssten sie vollständig blockiert werden.

Am 11. Januar veröffentlichte das Informationsministerium eine Erklärung. In dieser hieß es, den Sicherheitskräften sei es gelungen, zahlreiche "Unruhestifter, die bei den Demonstrationen Waffen eingesetzt, öffentliches Eigentum zerstört und die Sicherheit des Landes gefährdet" hätten, festzunehmen. In der Erklärung wird von der Endeckung einer "Terroristengruppe in Sardascht" gesprochen, bei denen Waffen und militärische Ausrüstung gefunden worden seien. Die Gruppe soll über westliche Grenzen ins Land gekommen sein, mit dem Ziel, Terroranschläge zu verüben. Auch seien Personen verhaftet worden, die mit einer "konterrevolutionären Gruppe in Europa" in Verbindung standen.

Am 14. Januar gab Justizsprecher Gholamhossein Mohseni Ejehi bekannt, dass bei den Protesten 25 Personen getötet worden seien. 465 Demonstranten befänden sich noch im Gefängnis.

Am 16. Januar schickten 40 Parlamentarier ein Schreiben an Rohani und Justizchef Sadegh Laridschani, in dem sie vor Unruhen an den Universitäten warnten, falls die verhafteten Studenten nicht sofort freigelassen würden. Zudem wurde ein Antrag, die Demonstranten im Gefängnis besuchen zu können, im Parlament genehmigt. Auch Rohani verlangte die Freilassung von Studenten. Wissenschaftsminister Mansur Gholami erklärte nach einer Kabinettssitzung am 10. Januar: "Nach Konsultationen mit dem Innenminister und dem Geheimdienstchef forderte der Präsident die Freilassung aller Studenten innerhalb von 24 bis 48 Stunden." Rohani protestierte auch gegen einige Hardliner, die die Demonstranten als "Gesindel und Söldner des Auslands" bezeichnet hatten. "Demonstranten als Gesindel und Söldner abzustempeln, ist eine Beleidigung der iranischen Gesellschaft", sagte er. "Warum redet ihr so unflätig. Die politische Elite sollte nicht glauben, mehr oder besser zu wissen als normale Bürger."

Rohani lehnte auch verstärkte Kontrollen im Internet und die Blockierung der sozialen Netzwerke ab. Strenge Maßnahmen seien nicht nur falsch, sondern auch gefährlich, sagte er und warnte die Unterstützung der Bevölkerung aufs Spiel zu setzen. "Wenn der Glaube als prägende Kraft religiöser Werte unter unseren Jugendlichen immer weniger wird, dann ist es auch unsere Schuld als Verantwortliche."

Am 18. Januar meldete sich der Freitagsprediger Alhodi wieder zu Wort. Er widersprach dem Vorwurf, der Beginn der Proteste sei in Maschad von den Ultras organisiert worden. In einem Schreiben an den Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats, Ali Schamchani, behauptete er, die Proteste hätten nicht in Maschhad, sondern in Teheran begonnen. Er selbst sei am Tag der Proteste nicht in Maschad gewesen.

Am 18. Januar dementierte die "Organisation iranischer Gefängnisse" eine Äußerung des Abgeordneten Mahmud Sadeghi. Dieser hatte zuvor erklärt, er habe die Information erhalten, dass in den Gefängnissen den Gefangenen Pillen verabreicht worden seien, die ein Unwohlsein bei diesen erzeugt hätten. Es seien Unwahrheiten, die verbreitet würden, hieß es in der Erklärung. "Personen, die diese große Lüge geäußert haben, werden gerichtlich verfolgt." Daraufhin twitterte Sadeghi, es wäre besser, wenn die Gefängnisse, statt Drohungen auszusprechen, auf den Antrag der Abgeordneten, die Gefängnisse besuchen zu können, positiv reagieren würden. Der Innenminister sagte zu dem Vorgang, er habe derartige Informationen nicht bekommen. Seine Behörde werde der Sache nachgehen.

Sadeghi berief sich bei seiner Behauptung auf die Familie eines Gefangenen, der zuvor im Gefängnis gestorben war. Die Familie habe ihm von den Pillen berichtet. Am 21. Januar gab das Parlament bekannt, dass die Justiz dem Antrag der Abgeordneten, die Gefängnisse zu besuchen, zugestimmt habe.

Bemerkenswert war die Stellungnahme des Geheimdienstchefs Mahmud Alawi zu dem Hintergrund der Proteste. Nicht das Ausland, sondern Reformgegner hätten die Unruhen im Land ausgelöst, hieß es. Sie seien es gewesen, die die Unzufriedenheit der Menschen provoziert hätten. Ähnlich hatte sich Vizepräsident Eshagh Dschahangiri schon am zweiten Tag der Unruhen geäußert.


BERICHT DES INNENMINISTERIUMS ÜBER DIE PROTESTE

Vizeinnenminister Hossein Solfaghari gab am 21. Januar Auszüge aus dem vertraulichen Bericht über die Proteste bekannt, den das Innenministerium für den Präsidenten erstellt hat. Demnach habe es drei Hauptgründe für die Proteste gegeben: "Aktivitäten ausländischer Feinde", "sinken des Vertrauens der Bevölkerung dem Staat gegenüber" und "falscher Umgang des Staates mit der öffentlichen Meinung".

Dem Bericht zufolge hätten ausländische Feinde, vor allem die USA und deren Verbündete in der Region, ihre Aktivitäten zur Schwächung der Islamischen Republik verstärkt fortgesetzt.

Den Verlust des Vertrauens dem Staat gegenüber führt der Bericht auf die Schwäche und Unfähigkeit der staatlichen Einrichtungen zurück, auf die Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu reagieren und die Gründe für bestehende Probleme und Mängel zu erklären. Ferner hätten innere Auseinandersetzungen zum Vertrauensverlust geführt.

Der falsche Umgang mit der öffentlichen Meinung und Zunahme der nicht erfüllbaren Forderungen und Erwartungen, hätten dem Bericht zufolge die Unzufriedenheit in der Bevölkerung verstärkt. Die Erwartungen seien im Wahlkampf ohne Rücksicht auf potenzielle Möglichkeiten des Landes oder durch Rivalitäten der Fraktionen geweckt worden.

Der Bericht enthält auch Angaben zu dem Bildungshintergrund der Teilnehmenden der Demonstrationen. Demnach hätten 59 Prozent eine Schulausbildung ohne Hochschulreife, 14 Prozent eine Fachausbildung und ein Prozent eine Hochschulausbildung. Zu den restlichen 26 Prozent macht der Bericht keine konkreten Angaben.

Solfaghari betonte, dass der Hinweis auf die feindlichen Aktivitäten des Auslands nicht ausreichte, um die Gründe der Proteste zu erklären.

Laut dem Nachrichtenportal Saham News vom 25. Januar, das nach eigenen Angaben den vertraulichen Bericht zugespielt bekommen haben soll, sei der Bericht zu dem Ergebnis gekommen, dass 75 Prozent der Bevölkerung die Proteste befürwortet hätten. Von dieses 75 Prozent hätten jedoch nicht alle an den Protesten teilgenommen. 30 Prozent der Parolen, die bei den Protesten gerufen wurden, seien wirtschaftlicher Natur, 70 Prozent seien politisch gewesen. Die Orte, an denen die Demonstrationen stattfanden hätten, gehörten zu jenen, die als sicher eingestuft wurden. Insgesamt habe es 238 Demonstrationen in 80 Städten gegeben mit einer Gesamtzahl der Teilnehmer von 115.000 Menschen, davon 6 Prozent Frauen und 94 Prozent Männer. Landesweit seien 3.742 Personen festgenommen worden, davon 80 Prozent Selbständige, 12 Prozent Studierende, fünf Prozent pensionierte Offiziere und Soldaten. 67 Prozent der Inhaftierten seien unter 30 Jahre alt gewesen, drei Prozent älter als 50 Jahre. Angaben zu der Zahl der Toten bei Demonstrationen und im Gefängnis machte Saham News nicht.


AUCH EIN EU-BÜRGER BEI PROTESTEN FESTGENOMMEN

Laut einer Meldung der dpa vom 4. Januar wurde auch ein EU-Bürger bei den Protesten festgenommen. Er hatte an den Demonstrationen in der Stadt Borudscherd, im Westen Irans, teilgenommen. Laut Angaben des Justizchefs der Stadt, Hamid Bolhassani, soll er von europäischen Geheimdiensten ausgebildet worden sein, um Proteste in Iran anführen zu können. Wie der Betreffende heißt, aus welchem EU-Land er stammt und ob er auch die iranische Staatsbürgerschaft besitzt, sagte der Justizchef nicht. Viele iranische Politiker, allen voran Revolutionsführer Ali Chamenei, äußerten die Meinung, die jüngsten Unruhen seien vom Ausland initiiert worden.


WEGGEFÄHRTEN AHMADINEDSCHADS BEANTRAGEN DEMONSTRATION

Sieben enge Weggefährten des früheren Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad haben am 24. Januar beim Innenministerium einen Antrag für eine Protestdemonstration gestellt.

Alle sieben waren hochrangige Amtsträger in der Regierungszeit von Ahmadinedschad. Sie wollen, wie aus dem Antrag hervorgeht, ihre "Ansichten und Proteste über die Verwaltung des Landes und das Verhalten der drei Gewalten kundtun und vor allem Maßnahmen im Bereich der Wirtschaft, der Justiz und Soziales unter die Lupe nehmen". Sie betonen, dass sie als Bürger ihre in der Verfassung verankerten Rechte, insbesondere das Recht zur Versammlung, in Anspruch nehmen würden. Sie erinnern dabei an die Worte des Revolutionsführers Ali Chamenei, der bei seiner Stellungnahme zu den Protesten gesagt hatte, es sei nichts dagegen einzuwenden, wenn Leute sich versammeln und ihre Rechte einfordern. Inakzeptabel sei, wenn andere Protestversammlungen für ihre Zwecke missbrauchen würden.

Die Unterzeichner des Antrags nehmen auch Bezug auf die jüngsten Proteste und die damit verbundenen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Forderungen, auf die ihrer Ansicht nach die Staatsführung nicht gebührend reagiert habe.

Ahmadinedschad und seine Anhänger hatten in den letzten Monaten immer wieder die Regierung und vor allem die Justiz kritisiert, womit sie bei der Staatsführung viel Unmut erzeugten. Es gibt Stimmen, die meinen sogar, bei den jüngsten Protesten habe Ahmadinedschad im Hintergrund mitgewirkt.


WARNUNG VOR NEUEN UNRUHEN

Nach dem Abebben der Protestwelle melden sich immer mehr Stimmen, vor allem aus den Reihen der Reformer, die vor neuen Unruhen warnen. Der frühere Staatspräsident Mohammad Chatami, der als Vater der Reformbewegung in Iran bezeichnet wird, forderte in einer Erklärung, die am 16. Januar auf seiner Webseite erschien, "alle Staatsorgane" auf, "ihre Mitschuld an der gegenwärtigen Lage zu gestehen". Es müsse eine Atmosphäre geschaffen werden, in der den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gewährt werde, frei und ohne Angst um ihre Sicherheit ihre Forderungen zu stellen. Chatami warnte davor, "die Menschen zu erniedrigen und Salz in ihre Wunden zu streuen". Es wäre eine Katastrophe, Menschen, die berechtigte Forderungen hätten oder gar protestieren wollten, als "Unruhestifter und Zerstörer" darzustellen.

Der Staat sei gegenüber den Bürgern verantwortlich, betonte Chatami. Enttäuschungen über Reaktionen des Staates, staatliche Propaganda und Missachtung des Willens des Volkes würden jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft vernichten. Sie würden dahin führen, dass die Menschen sich an jene Medien und Instanzen wendeten, die nicht das Wohl des Volkes wollten. An jene Organisationen, die nichts anderes im Sinn hätten als die Staatsordnung zu unterhöhlen, Resignation zu verbreiten und die Bevölkerung zur Anwendung von Gewalt und Zerstörung zu ermuntern.

Indes warnten 40 Abgeordnete im Parlament, sollten die verhafteten Studenten nicht unverzüglich freigelassen werden, könne es an den Universitäten zu Unruhen kommen. Sie stellen den Antrag, die Studenten im Gefängnis besuchen zu dürfen. Der Antrag wurde genehmigt. Unklar blieb, welche Abgeordneten an dem Besuch teilnehmen würden und wann der Besuch stattfinden soll.


FILTERUNG VON TELEGRAM AUFGEHOBEN

Wie das Ministerium für Kommunikation und Technologie am 14. Januar bekannt gab, wurden die im Zuge der jüngsten Unruhen angeordneten Einschränkungen für die App des populären Messengerdienstes Telegram aufgehoben.

Offenbar haben die Reformer sich gegen die Hardliner durchgesetzt, die sowohl eine totale Kontrolle der sozialen Netzwerke als auch des Internets forderten. Das Thema wurde in den vergangenen Wochen kontrovers diskutiert.

"Die Kampagne für Menschenrechte in Iran", die ihren Sitz in New York hat, hat am 10. Januar einen Bericht über die Lage des Internets in der Islamischen Republik veröffentlicht. Darin warf sie der Regierung Rohani vor, nicht in der Lage gewesen zu sein, trotz gegenteiliger Ankündigungen, die bereits bestehenden Einschränkungen im Internet nicht aufzuheben. "In mancher Hinsicht hat sich die Lage sogar verschlechtert", hieß es in dem Bericht.

Mit den neuen Einschränkungen und Verlangsamung des Internets habe die Zensur in Iran eine neue Phase erreicht, so die Autoren des Berichts. Zwar habe sich das Internet in den letzten Jahren weiterentwickelt, so hätten heute weit mehr Menschen als noch vor einigen Jahren Zugang zum Internet. Doch auch die Methoden der Zensur hätten sich entsprechend weiterentwickelt. Suchmaschinen reagierten auf bestimmte Schlüsselwörter und -begriffe und führten die Nutzer auf falsche Webseiten. Auch der Zugriff auf Konten der User verletze permanent die Privatsphäre der Nutzer und gefährde deren Sicherheit.

Die Reformer lehnen Internet-Kontrollen grundsätzlich ab. Die Zensur verletze "die Rechte der Bürger", wenn man ihnen vorschreibe, wie sie das Internet nutzen sollten, sagte Fatemeh Saidi, Leiterin der Bürgerrechtskommission des Parlaments. Demgegenüber verlangen die Hardliner bereits seit Jahren die Einrichtung eines "nationalen Internets", das vollständig unter der Kontrolle des Staates steht. Während der Proteste verlangten sie zudem eine Blockade der sozialen Netzwerke wie Telegram und Instagram. Diese sollten durch eine iranische Version ersetzt werden.

Dem widersprach Saidi. "Keiner kann die Menschen dazu zwingen, nationale Kommunikation-Apps zu verwenden", sagte sie. Die Nutzer hätten kein Vertrauen mehr zum Staat.

Nun sagte der Sprecher des Ministeriums für Kommunikation und Technologie: "Die Berichte über das Ende der Filterung von Telegram sind Korrekt." Die Einschränkungen seien "auf Anweisung des Präsidenten der Republik gänzlich aufgehoben". Telegram ist mit rund 25 Millionen Nutzern die populärste Messenger-App in Iran.

Doch Medienberichten zufolge ist Telegram nach der Aufhebung der Filterung langsamer geworden. Der Grund dafür liegt nach Ansicht der Agentur Ilna darin, dass sie von mehr Usern genutzt wird.

Indes forderte Präsident Hassan Rohani die Hardliner dazu auf, endlich zu begreifen, dass das Internet das wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Leben der Menschen geändert habe. "Diese Tatsache nicht richtig einzuschätzen und einzuordnen, könnte zu einem gefährlichen Generationskonflikt führen", sagte Rohani. Er sagte, mit Forderungen nach Einschränkung des Internets oder Filterung der sozialen Netzwerke, bestehe die Gefahr, dass die Jugend dem Staat den Rücken kehrt und ihm die Unterstützung verweigert.


VOLLZUG DER TODESURTEILE WEGEN DROGENDELIKTE GESTOPPT

Irans Justizchef Sadegh Laridschani hat gemäß dem neuen, im vergangenen Herbst vom Parlament verabschiedeten Gesetz angeordnet, den Vollzug der Todesurteile zu stoppen und die Akten der Verurteilten erneut zu überprüfen. Dem neuen Gesetz zufolge sollen nur noch bewaffnete Drogendealer und Drogenschmuggler mit mehr als 50 Kilogramm Opium, zwei Kilogramm Heroin und drei Kilogramm Glas mit dem Tod bestraft werden.

Die "Kampagne zum Kampf gegen Drogen" hatte sich gegen das Gesetz ausgesprochen. Sie warnte davor, mit dem neuen Gesetz werde die Verbreitung von Drogen stark zunehmen. Auch im Parlament gab es kontroverse Meinungen. Doch am Ende wurde das Gesetz im vergangenen Oktober verabschiedet, vom Wächterrat bestätigt und vom Staatspräsidenten unterzeichnet.

Mit dem Tod bestraft werden weiterhin Drogenbosse, die den Handel mit Drogen organisieren, oder Drogenschmuggler, die Jugendlichen unter 18 Jahren beschäftigen.

Iran gehört zu den Ländern mit der höchsten Zahl an Hinrichtungen. Die meisten Hinrichtungen betreffen Täter, die mit Drogenschmuggel zu tun hatten. Dieser Umstand veranlasste seit Jahren Menschenrechtsorganisationen zu der Forderung, die Todesstrafe gegen Drogenhändler abzuschaffen. Diese hoffen nun, mit dem neuen Gesetz werde die Zahl der Hinrichtungen merklich abnehmen. Iranischen Medien zufolge gibt es zurzeit rund 5.000 Personen, die wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt wurden. Sie werden jetzt eine mildere Strafe bekommen.


JUNGE FRAUEN FLÜCHTEN AUS DER FAMILIE

Wie die iranische Wohlfahrtsorganisation am 10. Januar berichtete, haben im vergangenen Halbjahr rund 3.000 junge Frauen ihre Familien verlassen. Die Flucht aus dem Elternhaus habe im Vergleich zum Vorjahr zugenommen, sagte Hossein Assadbeygi, Leiter des Sozialdienstes der Organisation. Im Vorjahr hatten insgesamt rund 5.000 junge Frauen ihr Elternhaus verlassen.

Die angegebenen Zahlen betreffen Frauen, die sich an die Wohlfahrtsorganisation gewendet haben. Die tatsächliche Zahl wird vermutlich wesentlich höher sein. Nach Ansicht der Organisation sind Beleidigungen, Erniedrigungen und Anwendung von Gewalt die Gründe für die Flucht aus dem Elternhaus.

Es gibt in der Hauptstadt Teheran vier Zentren für flüchtende junge Frauen. Diese Zentren, die als "Gesundes Haus" bezeichnet werden, bieten den Frauen für maximal drei Wochen Aufenthalt. Laut Gesetz müssen Frauen, die Unterstützung benötigen, in diesen Zentren betreut werden. Doch die Kapazität dieser Zentren ist sehr gering.


ABGEORDNETER FORDERT: KEINE MÄNNER MEHR ALS FRAUENÄRZTE ZULASSEN

Der Parlamentsabgeordnete Nassrollah Pedschmanfar forderte laut der Nachrichtenagentur Tasnim vom 15. Januar, fortan keine Männer mehr als Frauenärzte zuzulassen. Es sei nicht nur für ein islamisches Land unangemessen, Frauen von Männern behandeln zu lassen, es sei eine Sünde, wenn fremde Männer Frauen untersuchten oder bei Geburten oder Schwangerschaftsabbrüchen dabei seien. "Dies führt dazu, dass sich die Sünde, die auf beiden Seiten begangen wird, normalisiert", sagte der Abgeordnete. Dasselbe gelte für Krankenpfleger und Labortechniker.


17 FRISEURE WERDEN GERICHTLICH VERFOLGT

Mostafa Gowahi, Leiter des Verbands der Männerfriseure, sagte der Agentur Isna am 10. Januar, im vergangenen Jahr sei gegen 17-18 Friseuren geklagt worden, weil sie nicht nur Männer, sondern auch Frauen frisiert hätten. In diesem Jahr seien bisher noch keine Fälle bekannt. "Selbst wenn diese Dienstleitungen (Frisieren von Frauen) zu Hause und privat angeboten werden sollten, werden wir es herausfinden und die Polizei informieren", sagte Gowahi. Die Staatsanwaltschaft habe sich bei dem Verband für die Kooperation des Vereins bedankt.

Viele Friseure in Iran arbeiten privat und empfangen ihre Kunden im eigenen Haus. Vor zwei Jahren hatte der Verbandsleiter gesagt, rund 2.000 Friseure hätten eine Lizenz, während 2.400 ohne Lizenz arbeiteten.

Mehrere Friseure in Iran wurden außerdem bestraft, weil sie "dekadente westliche Modelle" nachahmten. Einige Männerfriseure erhielten eine Strafe, weil bei ihnen Lippenstifte gefunden wurden. Friseuren ist das Frisieren von Augenbrauen bei Männern untersagt. Friseuren, die die Vorschriften missachten, wird die Lizenz zunächst vorübergehend und bei Wiederholung dauerhaft entzogen.

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KULTUR

• Englischunterricht an Grundschulen verboten
• Streit um Auftritt von Frauen bei Konzerten
• Uni-Zweigstellen in Syrien, Irak und Libanon geplant
• Stellungnahmen von Künstlern zu den Protesten


ENGLISCHUNTERRICHT AN GRUNDSCHULEN VERBOTEN

Mehdi Nawid Adham, Vorsitzender des Rats für Lehre und Erziehung, erklärte am 7. Januar im staatlichen Fernsehen, das Unterrichten der englischen Sprache an privaten oder staatlichen Grundschulen sei verboten. Jede Missachtung dieser Anordnung werde gerichtlich verfolgt. An den Grundschulen müsse die persische Sprache und die islamisch-iranische Kultur gepflegt werden. Erst an der Oberschule könne man mit dem Unterricht von Fremdsprachen beginnen.

Der für Grundschulen zuständige Vizeminister, Reswan Hakimsadeh, erwiderte, die Anordnung enthalte nichts Neues. Im Lehrplan für Grundschulen sei die englische Sprache nicht vorgesehen.

Bereits vor Monaten hatte Revolutionsführer Ali Chamenei sich darüber beklagt, dass das Lernen der englischen Sprache immer größere Kreise ziehe. "Wir haben das Lernen von Fremdsprachen für die englische Sprache monopolisiert und sind dabei, diese Sprache nun auch an Grundschulen und sogar in den Kindertagesstätten zu unterrichten. Warum?", fragte er bei einer Versammlung von Lehrern. Die englische Sprach sei nicht die einzige Sprache, die in der Wissenschaft verwendet werde. Auch andere Sprachen wie Spanisch, Französisch, Deutsch und Sprachen, die im Osten gesprochen werden, seien "Wissenschaftssprachen".

Mit dieser Kritik reagierte Chamenei auf eine Äußerung von Präsident Hassan Rohani, der das Erlernen der englischen Sprache empfohlen hatte, da diese Sprache für den Erfolg im Beruf nützlich sei. Überhaupt seien Fremdsprachen nützlich, sagte Rohani "Welche und wie viele Fremdsprachen wir unterrichten, hängt von unseren Möglichkeiten ab, von der Zahl der Lehrer für Fremdsprachen und natürlich auch von dem Wunsch der Bevölkerung. Wir können nicht alle Sprachen an den Schulen unterrichten. Wenn an einer Schule 98 Prozent dieselbe Fremdsprache wählen, können wir nicht für die restlichen zwei Prozent zusätzliche Lehrkräfte einstellen. Wir sollten Sprachen unterrichten, über die wir am leichtesten Zugang zu Wissenschaften finden, durch die wir mehr Arbeitsplätze für unsere Jugend schaffen und bessere Beziehungen zu der Außenwelt herstellen können."


STREIT UM AUFTRITT VON FRAUEN BEI KONZERTEN

Seit Jahren wird in der islamischen Republik darüber gestritten, ob Musikerinnen und Sängerinnen bei Konzertveranstaltungen öffentlich auftreten dürfen. Neuer Anlass für das erneute Aufflammen der Diskussion lieferte das Musikfestival Fadschr, das vom 10. bis 20. Januar in Teheran stattfand. Hier gab es nur zwei Darbietungen, an denen Frauen beteiligt waren. Bei einer Veranstaltung durfte die Musikerin Neshat Amiri das Orchester dirigieren.

Bislang gibt es keine klaren Regelungen für öffentliche Auftritte von Frauen. Während in der Hauptstadt Teheran Frauen gelegentlich auftreten dürfen, ist zum Beispiel in der Provinz Isfahan der Auftritt von Frauen strikt verboten. Obwohl dem Orchester von Isfahan auch Frauen angehören und diese bei Proben mitwirken dürfen, werden sie bei öffentlichen Auftritten ausgeschlossen. Dasselbe Orchester kann aber in Schiras mit Frauen auftreten.

In Teheran wurde bei einer Konzertveranstaltung, bei der ein Sänger und eine Sängerin gemeinsam singen sollten, das Mikrofon der Sängerin ausgeschaltet. Die Konservativen und Hardliner versuchen überall wo sie können, Auftritte von Frauen zu verbieten. So wird die Lage für Künstlerinnen immer schwerer. Beim Musikfestival Fadschr gab es im vergangenen Jahr vier Auftritte von Künstlerinnen, in diesem Jahr nur zwei.

Selbst landesweit bekannte und beliebte Künstlerinnen bekommen selten die Chance zum öffentlichen Auftritt. Die Künstlerin Hengameh Achawan sagte in einem Gespräch mit Chabar Online: "Seit acht oder neun Jahren dürfen unsere Auftritte (Auftritte von Frauen) nicht gefilmt werden, ja, nicht einmal Fotos sind erlaubt. Die Sittenwächterinnen sind bei Aufführungen immer präsent und achten sogar bei ausländischen Musikerinnen darauf, dass die islamischen Kleidungsvorschriften eingehalten werden."

Die Asad-Universität (übersetzt Freie Universität!), die landesweit Zweigstellen hat, hat am 14. Januar das Problem dadurch gelöst, dass sie Musikveranstaltung an der Universität mit oder ohne Frauen verboten hat. "Jede Art von musikalischen Darbietung, zu welchem Zweck und aus welchem Anlass auch immer, ist fortan an allen Zweigstellen der Universität untersagt", hieß es. Die private Asad-Universität ist, mit rund zwei Millionen Studierenden, die größte Universität des Landes.

Nun will der Minister für Kultur und islamische Führung, Abbas Salehi, den Streit um Frauenauftritte beenden. Er habe seinen, für die Künste zuständigen Stellvertreter, beauftragt, Regelungen auszuarbeiten, die im ganzen Land befolgt werden sollen. "Aus unserer Sicht bildet der öffentliche Auftritt von Frauen bei Musikveranstaltungen kein Problem. Das sollte für das ganze Land gelten. Auch über Soloauftritten von Frauen werden wir Verordnungen erlassen." Politische Beobachter, auch Künstlerinnen und Künstler, bezweifeln, dass es dem Minister gelingen kann, sich gegen die Konservativen, vor allem in den Provinzen, durchzusetzen.


UNI-ZWEIGSTELLEN IN SYRIEN, IRAK UND LIBANON GEPLANT

Die Asad-Universität plant, laut Aliakbar Welayati, nun auch in den Ländern Syrien, Irak und Libanon, Zweigstellen zu eröffnen. Welayati war jahrelang Außenminister und ist derzeit außenpolitischer Berater des Revolutionsführers Ali Chamenei und Dekan der Asad-Universität. "Ich habe dies Präsident Assad schriftlich mitgeteilt und er hat angeordnet, dass die Zweigstellen des Asad-Universität in allen Städte Syriens eröffnet werden sollen", sagte er. Auch aus dem Irak habe er die Zustimmung des Obersten Rats der Islamischen Revolution erhalten. Demnach sollen die Zweigstellen in den Städten Kerbela, Nadschaf, Bagdad und Erbil entstehen. In Libanon habe der Chef der libanesischen Hisbollah ihm zugesichert, die Zustimmung des Wissenschaftsministeriums für das Projekt einzuholen.

Vermutlich hat die Islamische Republik mit diesem Projekt das Ziel, neben dem politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einfluss in den genannten Ländern, nun auch seinen kulturellen Einfluss zu verstärken.


STELLUNGNAHMEN VON KÜNSTLERN ZU DEN PROTESTEN

Zahlreiche Künstler, Filmemacher, Schauspieler und Regisseure haben zu den Protesten um die Jahreswende Stellung genommen. Die meisten appellierten an den Staat, die Forderungen der Demonstranten ernst zu nehmen.

Der Sänger Aliresa Assar, der nach einer längeren Pause am 2. Januar wieder auf der Bühne erschien, sagte: "Ich bin nicht damit einverstanden, dass Scheiben eingeschlagen und Sachen beschädigt werden, aber meine persönliche Meinung ist, die Leute haben Recht. Ich sage aus den Tiefen meines Herzens, die Leute haben Recht. Fernab aller klischeehaften Äußerungen sage ich, die Leute haben Recht. Ich fordere die Verantwortlichen auf, aufmerksam zu sein. Wir haben ein reiches Land. Die Menschen haben das schwere Leben nicht verdient."

Der Schauspieler Hamid Dschabali veröffentlichte auf Instagram ein Foto, auf dem Antiaufruhrtruppen zu sehen waren und schrieb, "das ist keine richtige Antwort auf die Proteste".

Der Regisseur Mehdi Karampur schrieb: "Es ist ein Fehler, Gewalt anzuwenden und öffentliches Eigentums zu zerstören, aber es ist auch ein Fehler das Volkseigentum zu rauben. Die Stimme des Volkes muss gehört werden. Die Filterung (sozialer Netzwerke) ist kein Ausweg."

Der international bekannte Filmemacher Dschafar Panahi kritisierte den "Aufmarsch von Truppen gegen die Demonstranten" und forderte eine Volksbefragung (bezüglich der Forderungen der Demonstranten).

Der Regisseur Mahmud Rasawi kritisierte die Berichterstattung der staatlichen Medien und forderte, statt Telegram und Instagram sollte das staatliche Fernsehen gefiltert werden.

Die Schauspielerin Mahnas Afschar schrieb, "die Antwort auf berechtigte Proteste sind nicht Knüppel und Tränengas".

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WIRTSCHAFT

• Schicksal des Atomabkommens weiterhin ungewiss • Armee und Garden sollen sich aus der Wirtschaft zurückziehen • Verbreitete Armut unter Werktätigen • Minister beklagt Opfer der Umwelt • Deutsche Wirtschaft reagierte besorgt auf die Unruhen in Iran • Mögliche Sanktionen Deutschlands gegen Iran


SCHICKSAL DES ATOMABKOMMENS WEITERHIN UNGEWISS

Das Schicksal des 2015 zwischen den UN-Vetomächten plus Deutschland und Iran ausgehandeltem Atomabkommens bleibt weiterhin ungewiss. Grund hierfür ist, dass sich die USA immer noch nicht entschieden haben, ob sie dem Abkommen treu bleiben oder sie es aufkündigen. Irans Vizeaußenminister Abbas Araghtschi, Leiter der iranischen Delegation bei den Atomverhandlungen, sagte auf der Sicherheitskonferenz in Teheran am 8. Januar: "Seit mehr als einem Jahr bemüht sich US-Präsident Donald Trump, das Abkommen zu vernichten. Die Staatengemeinschaft muss sich auf die neue Phase vorbereiten." Weiter sagte er, die USA seien auf dem Weg, das Abkommen zu vernichten. Iran sei auf jedes Szenario vorbereitet. Trump wolle einen "internationalen Erfolg in eine Niederlage verwandeln".

Am 8. Januar gab der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel im ZDF bekannt, dass die EU den iranischen Außenminister Mohammad Dschawad Sarif für den 11. Januar zu einem Gespräch über das Atomabkommen eingeladen habe. Er deutete an, dass man auch über die Proteste in Iran mit dem Außenminister reden werde. Daraufhin erklärte Sarif, dass er gerne nach Brüssel kommen werde, um jedoch ausschließlich über das Atomabkommen zu sprechen. Zugleich forderte er von Europa mehr als nur diplomatische Unterstützung. "Anstatt nur Presseerklärungen abzugeben, sollten auch mal praktische Schritte unternommen werden", sagte er beim Treffen mit dem italienischen Außenminister Massimo D'Alema in Teheran. Es sei nicht hinnehmbar, dass europäische Großbanken nach wie vor zögerten, mit Iran Geschäfte zu machen.

Vor dem Treffen in Brüssel stärkte Russland Iran den Rücken. Außenminister Sergej Lawrow erklärte bei einem Treffen mit Sarif: "Wir werden die Lebensfähigkeit dieses Programms verteidigen". Er forderte alle an dem Abkommen beteiligten Staaten auf, an dem Abkommen festzuhalten.

Das Treffen in Brüssel gewann umso mehr an Bedeutung als US-Präsident Trump wieder einmal nach Ablauf von einer Frist von 90 Tagen eine Entscheidung über das Abkommen treffen musste. Daher versuchten nicht nur Russland und China, sondern auch die EU-Länder, Druck auf die USA auszuüben, um ein Scheitern des Abkommens zu verhindern. Am 11. Januar veröffentlichten die drei EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine Erklärung, in der sie die USA aufforderten, das Abkommen zu akzeptieren. Zugleich betonten die Unterzeichner, Iran habe das Recht, die aus der Aufhebung der Sanktionen für das Land entstandenen Vorteile in Anspruch zu nehmen. Gabriel hob hervor: "Die Wiener Nuklearvereinbarung hat eine akute Krise im Mittleren Osten eingehegt und zählt heute zu den Kernelementen der globalen Nichtverbreitungsarchitektur." Er bezeichnete das Abkommen als "einen zentralen Bestandteil unserer Sicherheit", die EU habe an dem Erhalt des Abkommens "ein überragendes Interesse".

Im Vorfeld des Treffens in Brüssel drohte Iran: "Falls die Amerikaner aus dem Deal aussteigen, werden wir in null Komma nichts darauf reagieren", sagte Präsidentenberater Madschid Tachtravantschi der Presse in Teheran.

Nach dem Treffen mit Sarif erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die Vereinbarung mit Iran "mache die Welt sicherer". Gabriel appellierte an Trump, das Abkommen einzuhalten. "Wir werden das Abkommen vor eventuellen Versuchen, es zu untergraben, beschützen." Auch Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian forderte die USA auf, das Abkommen zu akzeptieren, betonte aber zugleich, dass es mit Iran Meinungsverschiedenheiten über andere Themen gebe, zum Beispiel über das iranische Raketenprogramm oder über die Rolle Irans in der Region. Der britische Außenminister Boris Johnson meinte, das Abkommen könne für die iranische Wirtschaft, die jahrelang unter Sanktionen gelitten habe, einen Aufschwung bringen, wovon auch die iranische Bevölkerung profitieren könnte.

Am 13. Januar forderte Trump die europäischen Vertragspartner, Deutschland, Frankreich und Großbritannien ultimativ auf, die "schrecklichen Mängel" des Abkommens zu beseitigen, andernfalls würden die USA das Abkommen kündigen. Er verlängerte die Aussetzung der Sanktionen um weitere 120 Tage. Während dieser Zeit könnten sich die europäischen Partner entscheiden. "Das ist die letzte Chance", betonte der Präsident. Er verzichte auf bestimmte Sanktionen, um die europäischen Partner für die Zustimmung zur Aufhebung der Mängel zu gewinnen. "Wenn ich zu irgendeinem Zeitpunkt zu dem Schluss komme, dass solch ein Abkommen nicht in Reichweite ist, werde ich sofort aus der Vereinbarung aussteigen. Niemand sollte an meinem Wort zweifeln. Zugleich kündigte er neue Sanktionen gegen Iran wegen Verletzungen der Menschenrechte und Entwicklung ballistischer Raketen an.

Trumps Ultimatum stellte eine neue, große Belastung für die Beziehungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten dar. Man nehme Trumps Position zur Kenntnis. Die EU werde darüber beraten, hieß es aus Brüssel.

Irans Außenminister Sarif twitterte nach Trumps Rede: "Trumps Politik (und) die heutige Bekanntmachung belaufen sich auf verzweifelte Versuche, ein solides multilaterales Abkommen zu unterminieren." Das Teheraner Außenministerium erklärte, ein international anerkanntes und abgeschlossenes Abkommen sei nicht verhandelbar. Teheran sei unter keinen Umständen bereit, über etwaige Änderungen zu verhandeln. Präsident Hassan Rohani sagte in einer vom Fernsehen übertragenen Rede am 14. Januar, der amerikanischen Regierung sei es nicht gelungen, den Atom-Deal zu untergraben." Mit seinen Äußerungen isoliere Trump sein Land. Zudem verliere jede Regierung ihr Ansehen, wenn sie ein von der Vorgängerregierung vereinbartes Abkommen ignoriere, das zudem international anerkannt worden sei. Rohani rief alle Unterzeichnerstaaten dazu auf, an dem Abkommen festzuhalten.

Sowohl Russland als auch China weisen Nachverhandlung über das Abkommen zurück. Sein Land lehne das Ansinnen der USA ab, das Abkommen zu ändern und Bedingungen zu stellen, die für Iran nicht annehmbar seien, sagte Lawrow auf einer Pressekonferenz in Moskau am 15. Januar. Er warnte auch davor, dass eine Ablehnung des Abkommens seitens der USA mögliche Verhandlungen mit Nordkorea erheblich erschweren würde.

Johannes Hahn, EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen, sagte am 16. Januar im Europaparlament, die EU prüfe gemeinsam mit Großbritannien, Frankreich und Deutschland die Äußerungen Trumps und arbeite an einer gemeinsamen Stellungnahme. Weiter sagte er, über Probleme mit Iran, wie über das Raketenprogramm, die Rolle des Landes in der Region und die Proteste um die Jahreswende, sei beim Treffen mit Sarif gesprochen worden. "Um es klar zu sagen: alle diese Probleme müssen behandelt werden, aber außerhalb des Atomabkommens." Der EU-Außenpolitiker David McAllister warnte Trump vor der internationalen Isolierung seines Landes. Der angekündigte Kurs "America first" mache das Land nicht stärker, sondern schwächer, sagte er. "Kein Land der Welt kann auf Dauer ohne enge Verbündete erfolgreich sein.

Am 21. Januar begab sich US-Außenminister Rex Tillerson auf eine Europareise. Ziel war bei Besuchen in Frankreich und Großbritannien die Regierungen dieser Länder zu überzeugen, Iran durch Sanktionen unter Druck zu setzen und zu Nachverhandlungen zu zwingen. Nur so könne man das Abkommen retten, meinte Tillerson.

Indes erklärte Iran sich bereit, mit der EU über sein Raketenprogramm und seine Rolle in der Region "diplomatische Gespräche" zu führen. Nachverhandlung über das Atomabkommen lehne Teheran ab, sagte Araghtschi am 22. Januar der Zeitung Etemad. "Das tun wir nicht, das werden wir auch nicht tun." Mit dem Angebot will Iran offenbar den Europäern Argumente liefern, um Trump von der Richtigkeit ihrer Iran-Politik zu überzeugen. Araghtschi betonte jedoch, dass diplomatische Gespräche nicht mit Verhandlungen gleichzusetzen seien. Diplomaten könnten über alles reden, auch über das iranische Raketenprogramm. Das bedeutet, dass Iran auch Verhandlungen über sein Raketenprogramm und seine Aktivitäten in der Regierung nicht ausschließt.

Maria Adelbahr, Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin, sagte am 22. Januar: "Wir plädieren dafür, jetzt mit unseren europäischen Partnern und gemeinsam mit Iran und natürlich auch den USA zusammenzukommen und über verschiedenste Fragen zu sprechen. Unsere Grundposition ist unverändert: Wir unterstützen das Nuklearabkommen mit Iran." Gleichzeitig sei die Bundesrepublik über die regionale Rolle des Landes besorgt, sagte Adelbahr. "Insofern gibt es viel zu besprechen, und das gehen wir jetzt an." Zu einem Spiegel-Bericht, Deutschland plane Sanktionen gegen Iran, nahm sie keine Stellung. "Ich kann Gesprächen, die es jetzt geben wird, nicht vorgreifen." (zu dem Spiegel-Bericht s. Seite 19)

Bei einem Treffen mit Angela Merkel beim Weltwirtschaftsforum in Davos versuchte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu laut seinem Büro, die Bundeskanzlerin von der Gefahr, die von Iran ausgehe, zu überzeugen. Iran müsse unbedingt zu Nachverhandlungen gezwungen werden, kosmetische Änderung hätten wenig Sinn, sagte Netanjahu. Er unterstütze Trumps Iran-Politik voll und ganz. Bei einem Treffen mit Trump sagte er: "Wir unterstützen Sie komplett in Ihrer unerschütterlichen Position zum Atomdeal mit Iran." Weiterhin sagte er zu der Allianz, die von den USA gegen Iran organisiert wird: "Ich habe die ganzheitliche Allianz zwischen den Vereinigten Staaten, Israel und Ihren anderen Verbündeten in der Region noch nie so stark und einheitlich gesehen, wie sie unter Ihrer Führung ist."


ARMEE UND GARDEN SOLLEN SICH AUS DER WIRTSCHAFT ZURÜCKZIEHEN

Verteidigungsminister Amir Hatami sagte in einem Interview mit der Tageszeitung "Iran", Revolutionsführer Ali Chamenei habe die Streitkräfte und die Revolutionsgarden angewiesen, ihre wirtschaftlichen Unternehmen abzugeben. Sich sollten sich aus wirtschaftlichen Aktivitäten, die nicht zu ihren Aufgaben gehörten, zurückzuziehen. Auch Präsident Hassan Rohani habe empfohlen, diesen Prozess bis zum Jahresende (21. März) abzuschließen. "Das ist eine Entwicklung, der wir alle grundsätzlich zustimmen", sagte der Minister. "Wir werden uns bemühen, den Prozess so rasch wie möglich voranzutreiben. Allerdings hängt der Erfolg von der Lage des Marktes ab, auch davon, wie weit es gelingt, die Einrichtungen auf andere Unternehmen zu übertragen." Auch nach Meinung von Sachverständigen wird es kaum möglich sein, das Vorhaben innerhalb von zwei Monaten zu vollenden.

Drei Wochen zuvor hatte Rohani "alle staatliche Einrichtungen, von Ministerien bis zu den Banken, angewiesen, bis zum Jahresende den Verkauf der wirtschaftlichen Einrichtungen an die Privatwirtschaft abzuschließen", sagte Rohanis Bürochef Mahmud Waezi. Gemeint sei nicht die Übertragung des Staatseigentums auf pseudostaatliche Unternehmen, sondern auf tatsächlich private Unternehmen.

Über die Rolle der Revolutionsgarden im Bereich der Wirtschaft wird seit Jahren gestritten. Nach Ansicht der Reformer ist die Monopolstellung der Garden für die Entwicklung der Wirtschaft schädlich. (Schätzungsweise wird ein Drittel der iranischen Wirtschaft von den Garden kontrolliert). Sie sind der Meinung, die Garden sollten sich um ihre militärischen Aufgaben kümmern. Ohnehin treten die Reformer für die Privatisierung der Wirtschaft ein und versuchen auch staatliche Unternehmen zu privatisieren.

Mohammad Salehdschukar, parlamentarischer Vizechef der Revolutionsgarden, zeigte sich überrascht von der Nachricht. Er habe von einer Anweisung des Revolutionsführers bezüglich des Ausstiegs der Garden aus der Wirtschaft nichts gehört, sagte er in einem Interview mit Etemad Online am 25. Januar. Die Projekte, die die Garden durchführten, gehörten nicht zum Bereich der Wirtschaft, sie seien Entwicklungsprojekte, die keinen Gewinn bringen.

Auch General Esmail Kosari, Vizekommandant des "Stützpunktes Sarollah", einer für die Sicherheit zuständigen Abteilung der Garden, sagte, die Entwicklungstätigkeit der Garden stimme mit der Verfassung überein, sie stehe unter direkter Aufsicht des Revolutionsführers.


VERBREITETE ARMUT UNTER WERKTÄTIGEN

Die katastrophale Lage der iranischen Wirtschaft hat dazu geführt, dass immer mehr Werktätige und ihre Familien unter Armut leiden. Das persisch-sprachige Programm der BBC führte mit einigen Arbeitern Interviews, unter anderem mit einem Werktätigen einer Fabrik, die Fahrzeuge produziert.

"Seit vier Monaten habe ich keinen Lohn bekommen. Wenn ich dagegen protestiere, sagt der Arbeitgeber, im Moment kann ich dir keinen Lohn geben. Wenn es dir nicht passt, kannst du gehen. Sei sicher, dass dich ein anderer rasch ersetzen wird. Was soll ich mit meinen drei Kindern tun? Wie soll ich meine Familie ernähren. Auch das Arbeitsamt hilft mir nicht", sagt Mohammad. Er erzählt, dass seine Frau seit zwei Monaten putzen geht. "Ich lasse nicht gern meine Kinder, die zehn, sechs und drei Jahre alt sind, alleine zu Hause."

Klagen der Werktätigen über ihre Lebenslage sind nicht neu. Aber in letzter Zeit werden die Klagen immer lauter, weil die Lage schlechter geworden ist. Im Durchschnitt gibt es in Iran alle drei Tage in irgendeiner Fabrik Arbeiterstreiks. In den meisten Fällen geht es um den Rückstand der Auszahlung von Löhnen. Da es keine freien Gewerkschaften gibt, finden die Streiks vereinzelt und meist spontan statt.

Amir, ein anderer Arbeiter, sagt: "Seit 15 Jahren bin ich hier beschäftigt. Ich gehöre zu den glücklichen Arbeitern. Wenn ich keinen Lohn bekomme, fahre ich Taxi. Das Problem ist, dass ich 16 bis 17 Stunden am Tag arbeiten muss, um meine Familie ernähren zu können. Meinen Kollegen geht es genauso."

Recherchen der BBC zeigen, dass der jährliche Durchschnittsverbrauch von den wichtigsten Nahrungsmitteln, wie Fleisch, Brot, Reis und Milch, im vergangenen Jahrzehnt um 30 bis 50 Prozent zurückgegangen ist. Der Rückgang betrifft natürlich die unteren Schichten der Gesellschaft.


MINISTER BEKLAGT OPFER DER UMWELT

Gesundheitsminister Hassan Ghasisadeh Haschemi sagte am 16. Januar in Teheran vor der Presse, "die Zahl der täglichen Opfer, die die Umwelt verursacht, ist anderthalbmal mehr als die, die bei dem Brand des Öltankers Sanchi ums Leben gekommen sind." (...) "Unter unseren Füßen bebt die Erde, vom Himmel kommt kein Regen und um unser Land herum gibt es Kriege und Terroristen."

Bei dem Brand eines iranischen Öltankers vor der chinesischen Küste waren sämtliche der 32 Besatzungsmitglieder ums Leben gekommen.

Vizepräsident Issa Kalantari, der zugleich Chef der Umweltbehörde ist, hob die Bedeutung des Umweltschutzes hervor. Umweltschutz sei bedeutender als das Atomprogramm, sagte er am 16. Januar. "Wenn gesagt wird, dass das Atomprogramm ein Recht des Volkes ist, dann sind saubere Luft und sauberes Wasser definitiv ein weitaus wichtigeres Recht der Menschen."

Die Umweltverschmutzung stellt in Iran ein riesiges, kaum zu bewältigendes Problem dar. Immer wieder müssen, vor allem in den Wintermonaten, die Schulen schließen. Die Hauptstadt Teheran gehört zu den am meisten verschmutzten Städten der Welt.

Das größte Problem ist aber der zunehmende Wassermangel. Dafür gibt es mehrere wirtschaftliche, technische, organisatorische und kulturelle Gründe. Zu alledem kommt der Mangel an Regen. Der für Wasser und Abwässer zuständige Vizeminister für Energie, Rahim Meidani, sagte, es habe in diesem Jahr (das persische Jahr beginnt am 21. März) weniger geregnet als in den fünfzig vergangenen Jahren zuvor. Nur in den zwei Provinzen Ardebil und Golestan sei die Witterung normal gewesen.

Nach Angaben des Wetteramts sind 90 Prozent der Gebiete des Landes mehr oder weniger mit dem Problem des Wassermangels konfrontiert. Zuvor hatte Schahroch Fateh, zuständig für Dürre und Umweltkrisen, bekannt gegeben, dass es in den ersten Herbstwochen in den fünf Provinzen Ghom, Isfahan, Südchorasan, Teheran und Yasd 80 Prozent weniger als der normale Bedarf geregnet habe.

Die Dürre hat verheerende Folgen für die Land- und Viehwirtschaft. Sie hat eine starke Landflucht zur Folge. Die neu veröffentlichen Statistiken zeigen, dass 5,3 Prozent des Landes unter sehr starker, 23,1 Prozent unter starker, 43,3 unter mittelmäßiger, 18 Prozent unter schwacher Dürre leiden. In nur 8,6 Prozent des Landes herrschen normale Verhältnisse.

Das Landwirtschaftsministerium erklärte, selbst wenn es normale Mengen an Regen geben würde, blieben immer noch 50 Prozent der Krise wegen falschen Wasserverbrauchs bestehen.

Isa Kalantari, Leiter des Umweltamtes, sagte, die Probleme seien seit drei Jahrzehnten bekannt, ebenso die Fehler der Politik und des Managements. "Doch niemand hat den Mund aufgemacht, alle haben geschwiegen. Das Ergebnis ist, dass wir in Bezug auf unsere Wasserwirtschaft am Abgrund stehen. Heute haben wir keine gesunden Feuchtgebiete und Seen mehr und wundern uns, warum die Sandstürme derart zugenommen haben."

Nach Einschätzung von Sachverständigen dauere die Dürreperiode in Iran 20 Jahre. Davon sind erst zehn Jahre vorbei. Während dieser Zeit wurde das Grundwasser in vielen Gebieten des Landes völlig unsachgemäß verbraucht oder auch vergeudet. Dieser Zustand setzt sich weiter fort. Es gibt keine Instanz, die dem Treiben Einhalt gebieten würde.


DEUTSCHE WIRTSCHAFT REAGIERTE BESORGT AUF DIE UNRUHEN IN IRAN

Volker Treier, Außenwirtschaftschef beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), sagte laut Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 2. Januar, die "angespannte politische Lange" stelle eine zusätzliche Belastung für die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen dar, die ohnehin die durch das Atomabkommen ausgelösten Erwartungen nicht erfüllt haben. Auch der Präsident des Großhandelsverbands BGA, Holger Bingmann, sprach von Ernüchterung. "Die Exporte in den Iran bleiben bislang weit hinter den Erwartungen zurück. Dazu habe insbesondere die Iran-Politik der USA beigetragen, indem sie den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes behindert habe."

Michael Tockuss, Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Handelskammer, meinte, die Proteste in Iran hätten noch keine spürbare Wirkung auf die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen gehabt. Sie würden jedoch durch die schwierige Finanzierung stark belastet. "Die großen Banken sind noch immer nicht bereit, das Iran-Geschäft anzufassen", weil sie sich vor Sanktionen seitens der USA fürchteten.

Die Agentur Reuters zitierte den Geschäftsführer am 2. Januar: "Das Handelsvolumen lag einst bei fünf Milliarden Euro. Wenn wir mittelfristig dorthin kämen, wäre das schon ein maximaler Erfolg."

Laut Reuters wächst der Handel zwischen Deutschland und Iran seit der teilweisen Aufhebung der Sanktionen (Januar 2016) "kräftig", sagte Tockuss. Deutsche Exporte nach Iran hätten in den ersten zehn Monaten 2017 um rund 19 Prozent auf knapp 2,4 Milliarden zugenommen. An erster Stelle stehen demnach Fahrzeuge und Chemie- sowie Pharma und Medizinprodukte.

Laut Handelskammer gäbe es Projektanfragen auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien, die gegenwärtig in Iran gefördert würden. Doch "für solche mittelfristige Investitionen Bankfinanzierungen zu bekommen", sei "fast unmöglich", sagte Tockuss laut Reuters. Zudem gäbe es Visa-Probleme. "Wenn iranische Geschäftsleute nach Deutschland kommen wollen, dauert es vier bis fünf Monate, ehe sie ein Visum erhalten. Das verhindert viele Geschäfte."

Ulrich Ackermann, Außenwirtschaftschef des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagebauer (VDMA) bestätigte, laut Reuters vom 4. Januar, dass die Proteste "bislang" auf die Iran-Geschäfte keine Auswirkungen gehabt hätten. Bisher erteilte Aufträge würden vertragsgemäß erfüllt, sagte er. Ob es auch in Zukunft dabeibleiben werde, könne er nicht sagen. "Man kann derzeit nicht abschließend beurteilen, ob die iranische Wirtschaft wegen der innenpolitischen Lage ihre Investitionen zurückfährt oder aufschiebt", zitierte Reuters Ackermann.

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, sagte der Agentur: "Wir beobachten die Lange in Iran sehr genau. Soll es mit der erfreulichen wirtschaftlichen Entwicklung in Iran weitergehen, müssen die Proteste und die Reaktionen darauf friedlich sein." Der deutsche Export nach Iran sei im vergangenen Jahr um fast eine Milliarde Euro gestiegen - auf insgesamt 3,5 Milliarden Euro. "Die aktuelle Demonstrationswelle zeigt, dass es Iran bisher nicht ausreichend gelungen ist, die positiven Effekte der wirtschaftlichen Entwicklung, auch in der breiten Masse der Bevölkerung spürbar werden zu lassen", sagte Lang.


MÖGLICHE SANKTIONEN DEUTSCHLANDS GEGEN IRAN

Wie der Spiegel am 21. Januar unter Berufung auf Diplomatenkreisen in Brüssel berichtete, erwägt Deutschland neue Sanktionen gegen Iran. Damit würde Berlin sich der harten Gangart Washington gegenüber Teheran annähern. Begründet werden die Strafmaßnahmen mit dem zunehmenden Einfluss Irans im Nahen Osten und dessen Einmischen im syrischen und jemenitischen Krieg. Auch das iranische Raketenprogramm stelle nach Ansicht Berlins eine Gefahr für die Region dar und solle gestoppt werden.

Das Vorhaben solle mit Frankreich und Großbritannien koordiniert werden. "Mit den zusätzlichen Sanktionen wollen Deutschland, Großbritannien und Frankreich demonstrieren, dass sie die Kritik von US-Präsident Donald Trump am iranischen Regime ernst nehmen und dem Treiben Teherans nicht tatenlos zusehen", schreibt das Magazin.

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AUSSENPOLITIK

• Iran verletzt laut UN Waffenembargo in Jemen • Iran/USA • Iran und Saudi-Arabien • 2.000 Afghanen im syrischen Krieg "für den Islam gestorben" • Frankreichs Außenminister besucht Iran • Türkischer Angriff gegen Kurden in Syrien verurteilt • Iranische Agenten spionieren in Deutschland • Irans früherer Justizchef hat fluchtartig Hannover verlassen • Berichte persisch-sprachiger Sender in London sollten gestoppt werden


IRAN VERLETZT LAUT UN WAFFENEMBARGO IN JEMEN

Einem Bericht der Agentur dpa vom 13. Januar zufolge haben die von den Vereinten Nationen beauftragten Experten festgestellt, dass Iran mit der Lieferung von Raketen und Waffen an die Huthis in Jemen die UN-Resolution 2216 missachtet und das 2015 im jemenitischen Bürgerkrieg verhängte Waffenembargo gebrochen habe. Sie verwiesen auf die gefundenen Reste militärischer Ausrüstung sowie unbemannte militärische Flugobjekte, die aus Iran stammen.

Iran hat stets bestritten, Waffen an die Huthis geliefert zu haben. Sicher ist, dass Iran die Huthis politisch unterstützt, während Saudi-Arabien und einige andere arabische Staaten gegen die Huthis Krieg führen. Dem Bürgerkrieg sind bislang mehr als 10.000 Menschen zum Opfer gefallen.


IRAN/USA

Die USA forderten im Zusammenhang mit den Unruhen in Iran eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats. "Die UN müssen ihre Meinung sagen", erklärte die amerikanische Botschafterin bei der UN, Nikki Haley, am 2. Januar in New York. Die Proteste, Festnahmen und Toten in Iran müssten vom Sicherheitsrat sowie vom UN-Menschenrechtsrat thematisiert werden. Haley sprach laut dpa von der "iranischen Diktatur, die seit Jahren ihre Bürger "ermordet". "Nirgends wird die Dringlichkeit von Frieden, Sicherheit und Freiheit mehr getestet als in Iran", sagte sie und lobte mit Blick auf die Proteste den "enormen Mut des iranischen Volkes".

Demgegenüber legte Iran in einem Schreiben an den UN-Generalsekretär Antonio Guterres Beschwerde gegen die USA bei der UNO ein. Darin warf Teheran Washington Einmischung in die inneren Angelegenheiten Irans und einen "grotesken" Versuch der Einflussnahme vor.

Am 4. Januar erklärte der US-Finanzminister Steven Mnuchin in Washington, die Regierung habe Sanktionen gegen fünf iranische Unternehmen, Tochtergesellschaften der Shahi Bakeri Industrial Group, beschlossen, die am Raketenprogramm des Landes beteiligt seien. Deren Vermögen in den USA würden gesperrt und den US-Unternehmen sei es verboten, mit diesen Firmen weiter Geschäfte zu treiben.

Bei der Dringlichkeitssitzung im UN-Sicherheitsrat kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedern. China, Russland und Frankreich machten den USA große Vorwürfe. Russland warf Washington "unverschämtes Einmischen in (die) inneren Angelegenheiten Irans" vor. Ähnlich äußerte sich der chinesische Botschafter. Auch Frankreich erklärte, die Unruhen in Iran gehörten zu den inneren Angelegenheiten des Landes. Solange diese nicht die Sicherheit anderer Staaten bedrohten, könnten sie nicht im Sicherheitsrat thematisiert werden. Zugleich kritisierte er das Verhalten der iranischen Regierung in der Region.

Irans Botschafter, der als letzter Redner sprach, warf den USA Missbrauch des Sicherheitsrats vor. Er verwies auf die Politik der neuen US-Regierung in Jemen und

Palästina und auf zahlreiche Einmischungen der USA in Angelegenheiten der Region und sagte, keiner dieser Fälle, auch nicht die Unruhen in den USA, seien je im UN-Sicherheitsrat diskutiert worden.

Indes kritisierte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die USA, Israel und Saudi-Arabien wegen ihres Verhaltens Iran gegenüber. Laut Reuters vom 4. Januar sagte er, die drei Staaten seien in mehrfacher Hinsicht Verbündete Frankreichs. Aber ihre "offizielle Linie" sei "fast eine, die in den Krieg führt". Er warnte davor, eine neue "Achse des Bösen" aufzubauen.

Am 6. Januar erklärte US-Außenminister Rex Tillerson in einem Interview mit CNN, die USA unterstützten die Forderungen der Demonstranten in Iran, aber die Unterstützung gelte nur für einen friedlichen Machtwechsel in Iran. Die Sprecherin im Weißen Haus zeigte sich über die Vorgänge in Iran "tief besorgt" und verlange die sofortige Freilassung der Festgenommenen Demonstranten. Das Repräsentantenhaus hatte zuvor fast einstimmig neue Sanktionen gegen Iran gefordert. Der Kongress stehe "an der Seite des iranischen Volkes, das sich mit legitimen und friedlichen Protesten gegen ein unterdrückerisches, korruptes Regime engagiert", hieß es in der Resolution. Auch das Finanzministerium kündigte am 11. Januar neue Sanktionen gegen Iran an.

Am 13. Januar wurde eine ganze Reihe von Personen und Unternehmen aus Iran mit Maßnahmen bestraft. Unter den Personen befindet sich auch Irans Justizchef Sadegh Laridschani. Er ist der bisher ranghöchste Politiker, der von den USA bestraft wird. Zu den weiteren hochrangigen Personen, gegen die die USA bereits Sanktionen verhängt haben, gehören unter anderem Hassan Firusabadi, früherer Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte, Mohammad Ali Dschafari, Oberbefehlshaber der Revolutionsgarde, Ghassem Soleimani, Oberbefehlshaber der Al-Kuds-Brigade, Gholamhossein Mohsseni Ejehi, Vizejustizchef und Sprecher der Justiz, Esmail Ahmadi Moghaddam, früherer Chef der Polizei, Mohammad Resa Neghdi, früherer Oberbefehlshaber der Basidsch-Miliz, Sadegh Mahsuli, früherer Innenminister, Heidar Moslehi, früherer Geheimdienstminister und Mostafa Nadschar, früherer Verteidigungsminister.


IRAN UND SAUDI-ARABIEN

Der Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Ali Schamchani, beschuldigte Saudi-Arabien in einem Interview mit einem libanesischen Sender am 2. Januar, einen "Stellvertreterkrieg" gegen Iran im Internet zu führen. Iran werde darauf mit einer "heftigen Antwort" reagieren. Die Äußerung war der erste deutliche Hinweis eines ranghohen iranischen Politikers auf die Rolle, die, nach Meinung Teherans, Saudi-Arabien bei den Protesten spielte.

Am 5. Januar beschuldigte Saudi-Arabien abermals Iran, Raketen an die Huthi-Rebellen in Jemen geliefert zu haben. Anlass dazu lieferte eine Rakete, die aus Jemen am saudischen Himmel abgefangen und vernichtet wurde. Der Sprecher der von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition gegen die Rebellen in Jemen, Torki al-Maleki, sagte, am frühen Morgen des 5. Januar sei eine ballistische Rakete aus einer Basis der Huthi-Rebellen gegen nichtmilitärische Ziele abgefeuert worden. "Das zeigt, dass Iran weiterhin die Huthis militärisch unterstützt." Die saudische staatliche Nachrichtenagentur Espa berichtete, die Rakete sei um sieben Uhr bei Dschisan niedergegangen und habe geringe Zerstörungen verursacht. Die Huthis hatten den Abschuss der Rakete bereits bekannt gegeben. Sie habe "ihr Ziel erreicht", hieß es in einer Erklärung. Am 17. Januar meldeten die Huthis den Abschuss einer weiteren Rakete. Dazu gab es aber aus Riad keine Stellungnahme.

Saudi-Arabien forderte die Staatengemeinschaft abermals dazu auf, dem Treiben Irans in Jemen Einhalt zu gebieten. Die US-Botschafterin bei der UNO, Nikki Haley, hatte am 14. Dezember versucht, durch Ausstellung von Teilen einer aus Jemen auf Saudi-Arabien abgeschossenen Rakete zu beweisen, dass die Rakete aus Iran stammt. Irans Verteidigungsminister, General Amit Hatami, bezeichnete die Vorwürfe der USA als "haltlose Behauptungen". Der Auftritt der Botschafterin sei eher ein "absurdes Theater", sagte er.

Am 8. Januar sagte Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif auf einer Sicherheitskonferenz in Teheran, die Nachbarstaaten sollten sich hüten, das Feuer der Unruhen in Iran zu schüren und das Land zu destabilisieren. Ohne die Länder, die er im Blick hatte zu benennen, warf er diesen vor, die Proteste um die Jahreswende in Iran missbraucht zu haben. Solche Versuche seien vergeblich, sagte er.

Indes bot Irans Präsident Hassan Rohani den Saudis abermals Versöhnung an. Um die Probleme in der Region zu lösen, sei eine Zusammenarbeit zwischen den Staaten erforderlich. "Wir glauben, dass dies auch mit Staaten möglich ist, mit denen wir politisch Differenzen haben", sagte er auf einer parlamentarischen Konferenz islamischer Staaten. Es gebe Länder, die unter dem Einfluss der USA und Israels einen falschen Weg eingeschlagen hätten, der zur Spaltung der islamischen Länder führe. Insbesondere islamische Länder sollten nicht vergessen, dass der Islam eine Religion des Friedens sei.

Den Vorwurf der Einmischung in innere Angelegenheiten der Staaten der Region, den Saudi-Arabien und der mit ihm verbundenen Staaten gegen Iran erheben, wies Rohani zurück. Iran sei von Damaskus und Bagdad um Unterstützung gebeten worden. Dieser Bitte sei Teheran nachgekommen, was letztendlich zum Sieg über den Islamischen Staat (IS) geführt habe, so Rohani.


2.000 AFGHANEN IM SYRISCHEN KRIEG "FÜR DEN ISLAM GESTORBEN"

Einer der Kommandanten der "Fatemiun Devision", die unter dem Kommando der Revolutionsgarden am Krieg in Syrien teilnimmt, gab bekannt, dass in dem Krieg mehr als 2.000 Afghanen gestorben seien. Zudem habe es mehr als 8.000 Verletzte gegeben. Es handle sich um afghanische Flüchtlinge in Iran, die für die Teilnahme an dem Krieg angeworben wurden. Der Kommandant beklagte, dass den Afghanen, die so viel Opfer gebracht hätten, nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt worden sei. Selbst afghanische und iranische Opfer würden unterschiedlich behandelt, sagte er.

Der Sprecher der afghanischen Regierung, Schah Hossein Mortasawi, kritisierte, dass afghanische Flüchtlinge für den Stellvertreterkrieg, den Iran in Syrien führe, eingesetzt würden. "Wir reden nicht über die Zahlen der Opfer. Aber genauso wie wir nicht erlauben, dass in Afghanistan Stellvertreterkriege geführt werden, sind wir auch gegen Stellvertreterkriege in anderen Ländern", sagte er am 6. Januar in Kabul. Es sei nicht zulässig, dass die Probleme afghanischer Flüchtling für die expansionistischen Ziele anderer Staaten ausgenutzt würden.


FRANKREICHS AUßENMINISTER BESUCHT IRAN

Wie die Zeitung Figaro am 22. Januar unter Berufung auf das Außenministerium in Paris berichtete, wird der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian am 5. März zu Gesprächen nach Teheran reisen. Hauptthemen sind das iranische Raketenprogramm und die Rolle Irans im Nahen Osten. Eigentlich wollte Drian bereits Anfang Januar Iran besuchen. Doch die Reise wurde wegen den landesweiten Protesten in Iran verschoben. "Wir haben bereits mit Gesprächen mit Teheran über ballistische Raketen und über die Lage der Region begonnen", sagte Drian in einem Interview mit dem Figaro. Frankreich möchte mit Teheran auch über die destabilisierenden, militärischen Aktivitäten Irans in der Region und über die Unterstützung der libanesischen Hisbollah und der jemenitischen Huthis sprechen. "Falls Iran in den Schoß der internationalen Gemeinschaft zurückkehren möchte, muss es mit anderen Staaten kooperieren, sonst wird der Verdacht bestätigt, das Land wolle Nuklearwaffen produzieren."

Die Missstimmung zwischen Teheran und Paris entstand, nachdem Frankreichs Präsident Emanuel Macron die Rolle Irans in der Region sowie das iranische Raketenprogramm kritisiert hatte. Iran hatte die Kritik scharf zurückgewiesen.


TÜRKISCHER ANGRIFF GEGEN KURDEN IN SYRIEN VERURTEILT

Iran und Ägypten haben den Angriff der Türkei auf die syrische Stadt Afrin verurteilt. Das Teheraner Außenministerium zeigte sich besorgt über die Lage der Stadt. Auch Ägypten verurteilte den Angriff wegen der Missachtung der Souveränität Syriens.

Der Angriff solle sofort eingestellt werden, sagte der Sprecher des Teheraner Außenministeriums Bahram Ghassemi am 21. Januar vor der Presse. Die Offensive werde sich möglicherweise zugunsten von Terroristen auswirken.

Indes erklärte Irans Präsident Hassan Rohani, sein Land werde die guten Beziehungen zu den irakischen Kurden weiterentwickeln. Allerdings müssten die Kurden die Verfassung und die Souveränität und territoriale Integrität der jeweiligen Staaten achten, betonte Rohani bei einem Treffen mit dem kurdischen Regionalchef, Nechirvan Barsani, in Teheran. "Die Stabilität ist eine wichtige Voraussetzung für die Sicherheit im Irak, die zu gefährden, ist, unter welchem Vorwand auch immer, nicht erlaubt", zitierte die dpa Rohani.


IRANISCHE AGENTEN SPIONIEREN IN DEUTSCHLAND

Am 9. Januar bestätigte das Auswärtige Amt, am 22. Dezember den iranischen Botschafter in Berlin einbestellt zu haben, um gegen die Spionagetätigkeit des iranischen Agenten Syed Mustafa Haidar Said Naghfi zu protestieren. Naghfi ist 31 Jahre alt, er stammt aus Pakistan. Das Berliner Kammergericht hatte den Berichten der Medien zufolge im März 2017 festgestellt, dass der Agent unter anderem das Privatleben des SPD-Politikers und ehemaligen Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe, ausspioniert habe. Robbe war von 1994 bis 2005 Mitglied des Bundestags, danach Wehrbeauftragter des Parlaments. Von 2010 bis 2015 war er Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Der Angeklagte wurde zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.

Mit dem Ausspähen sollten, dem Gericht zufolge, Ziele für mögliche Anschläge gegen israelische oder jüdische Einrichtungen und deren Repräsentanten in Europa gesucht werden, berichtete die dpa.

"Das Ausspähen von Personen und Institutionen mit einer besonderen Beziehung zum Staat Israel auf deutschem Boden ist ein eklatanter Verstoß gegen deutsches Recht", zitierte die dpa am 9. Januar das Auswärtige Amt. Dem iranischen Botschafter sei durch den zuständigen Abteilungsleiter Philipp Ackermann "unmissverständlich zu verstehen gegeben" worden, "dass solche Tätigkeiten nicht geduldet werden und vollkommen inakzeptabel sind".

Am 16. Januar durchsuchten Polizeieinheiten in Bochum und Düsseldorf Wohnungen von mutmaßlichen iranischen Spionen. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe sprach vom Verdacht "geheimdienstlicher Agententätigkeit". Festgenommen wurde niemand. Der Pressesprecher der Generalbundesanwaltschaft, Frauke Köhler, sagte, die Verdächtigen hätten die Absicht, Personen und Einrichtungen in Deutschland auszuspähen. Zu einem Bericht des Nachrichtenmagazin Focus, wonach die Verdächtigen Mitglieder des iranischen Al-Kuds-Brigade sein sollen, machte er keine Angaben. Die Brigade ist eine Abteilung der iranischen Revolutionsgarden für Auslandseinsätze. Der Hinweis auf die Verdächtigen soll vom Bundesamt für Verfassungsschutz gekommen sein.

Robbe zeigte sich empört über die Spionagetätigkeit der Iraner in Deutschland. "Die Aktivitäten gehören mit zur Spitze dessen, was ausländische Staaten hier an Spionage und Agententätigkeit betreiben", sagte er am 17. Januar im Deutschlandfunk. Er sprach von einer "neuen Qualität" des Ausspähens.

Das American Jewish Committee forderte von der Bundesregierung die Ausweisung des iranischen Botschafters. Rolf Mützenich, Vorsitzender der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe, sprach von einem "schwerwiegenden Vorgang". Der aus Iran stammende außenpolitische Sprecher der Grünenfraktion, Omid Nouripour, erklärte gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung: "Dass die iranische Botschaft eine Drehscheibe für Geheimdienstler ist, ist seit Jahren bekannt - bei Besuchen in Teheran selbst werde ich durchgehend beobachtet."

Jürgen Hardt, Außenexperte der Unionsfraktion im Bundestag, sagte der Rheinischen Post vom 18. Januar: "Um Israel und seine Feinde zu bekämpfen, schreckt das iranische Mullah-Regime nicht einmal davor zurück, durch kriminelle Handlungen die Beziehungen zu anderen Staaten empfindlich zu beschädigen." Der FDP-Außenexperte Bijan Djir-Sarai forderte mit Hinweis auf "zahlreiche" iranische Agenten, die seit 1979 in der Bundesrepublik tätig seien, im selben Blatt die Bundesregierung auf, der iranischen Regierung "unmissverständlich" klarzumachen, "diese illegalen und gefährlichen Aktivitäten in Deutschland zu beenden".


IRANS FRÜHERER JUSTIZCHEF HAT FLUCHTARTIG HANNOVER VERLASSEN

Irans früherer Justizchef, Mahmud Haschemi Schahrudi, der sich zu einer Behandlung in einer Privatklinik in Hannover aufhielt, unterbrach aus Furcht vor einer gerichtlichen Verfolgung die Behandlung und flog in aller Eile nach Teheran zurück. Der 69-jährige Geistliche wurde wegen eines Hirntumors behandelt.

Mehrere Personen und Organisationen hatten gegen ihn Strafanzeigen gestellt. Schahrudi war von 1999 bis 2009 Justizchef in Iran. Er ist für die Hinrichtung von Hunderten von Gefangenen, darunter auch zahlreiche Minderjährige, mitverantwortlich. Derzeit ist er Vizepräsident des Expertenrats.

Während Schahrudi in der Klinik lag, versammelten sich draußen täglich Dutzende Demonstrierende, die seine Auslieferung an die Justiz forderten. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Volker Beck, reichte eine Anzeige gegen ihn ein, mit der Begründung, für den Mord an mehr als 2.000 Personen verantwortlich zu sein. "Deutschland dürfe nicht Zufluchtsort für Personen werden, die in ihrem eigenen Land Menschen aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen unterdrücken oder ihnen mit dem Tod drohen", sagte Beck der Jerusalem Post am 8. Januar. "Das Regime in Iran bestraft Frauen, die vergewaltigt worden sind, unterdrückt die Bahais, Kurden, Homosexuelle und Atheisten." Es wäre ein großer Fehler, wenn Deutschland Personen, die den Massenmord organisieren, diplomatische Immunität gewähren würde. "Wir sollten kein Gesundheitszentrum für Menschenrechtsverletzer sein, vielmehr sollten diese zur Rechenschaft gezogen werden".

Im Jahr 2000, als Schahrudi Justizchef war, wurden zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften, die der Reformbewegung nahestanden, verboten. Auch für die Massenverhaftungen bei den Unruhen von 2009 ist Schahrudi mitverantwortlich. Als er noch Justizchef war, wurde nachgewiesen, dass Gefangene in den Gefängnissen gefoltert wurden. Ein Sprecher der vor der Klinik in Hannover versammelten Demonstranten erklärte: "Wir werden Schahrudi wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht bringen. Er wird den iranischen Boden nie mehr betreten." In einem Brief an den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil übten die Demonstranten scharfe Kritik an dem Land, das Schahrudi in Hannover Aufenthalt gewährt hatte.

Auch die Kurdische Gemeinde in Deutschland stellte eine Strafanzeige gegen Schahrudi, unter anderem wegen Todesurteile gegen Minderjährige. Das teilte ihr Bundesvorsitzender Mehmet Tanriverdi am 9. Januar in Gießen der Presse mit. Der Antrag wurde auch von der Gesellschaft für bedrohte Völker mitunterzeichnet.

Die Bundesanwaltschaft prüfte, ob sie rechtlich ein Verfahren gegen Schahrudi wegen Verbrechen gegen Menschlichkeit einleiten könnte. Doch die Mühe war vergeblich. Wie ein Polizeisprecher am 11. Januar in Hamburg der Agentur epd mitteilte, hatte Schahrudi an diesem Tag die Behandlung abgebrochen und Hals über Kopf mit einem halben Dutzend Begleiter die Bundesrepublik verlassen.

Angekommen in Teheran und glücklich einer gerichtlichen Verfolgung entkommen zu sein, bedankte sich Schahrudi bei der niedersächsischen Landesregierung, der Polizei und dem Ärzteteam. "Lobenswert war besonders die gute Koordinierung zwischen Regierung und Polizei", sagte er. So hätten die "wenigen Iraner", die gegen ihn protestiert hätten, im Zaum gehalten werden können.

Im niedersächsischen Landtag rief die Behandlung von Schahrudi ebenfalls Proteste hervor. "Herr Schahrudi ist ein Menschenrechtsverletzer von übelster Sorte", sagte Dirk Toepffer, Fraktionsvorsitzender der CDU, er hätte niemals die Einreiseerlaubnis für Deutschland erhalten dürfen. Ähnlich äußerte sich der SPD-Abgeordnete Karsten Becker. Schahrudi sei "für Gräueltaten eines Unrechtsregimes" verantwortlich. Der FDP-Fraktionschef Stefan Birkner kritisierte, dass sich ein "Straftäter unter Polizeischutz" in Deutschland aufhalten kann. Innenminister Boris Pistorius (SPD) machte den Bund für die Einreise Schahrudis verantwortlich. Es sei eine Entscheidung der deutschen Botschaft in Teheran gewesen, Schahrudi ein Visum zur humanitären, medizinischen Behandlung in Deutschland erteilt zu haben.


BERICHTE PERSISCH-SPRACHIGER SENDER IN LONDON SOLLTEN GESTOPPT WERDEN

Als die Proteste in Iran ausbrachen, hat Teheran die Einstellung der Berichte persisch-sprachiger Sender in Großbritannien gefordert. Als Begründung gaben sie an, diese Sender riefen die Menschen in Iran zum "bewaffneten Aufstand" auf. Welche Sender gemeint waren, ging aus dem Schreiben des iranischen Botschafters in London an die britischen Medienaufsichtsbehörde Ofcom vom 4. Januar nicht hervor. Die Berichte seien eine Missachtung sowohl britischer als auch internationaler Vorschriften, hieß es.

Vermutlich hatte der Botschafter vor allem den britischen Sender BBC im Blick, der in seinem persisch-sprachigen Fernseh- und Radioprogramm intensiv über die Proteste in Iran berichtete. BBC hat Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer sowie Zuhörer und Zuhörerinnen in Iran. Diese versuchen, von so Informationen über die Vorgänge im eigenen Land zu bekommen, die die einheimischen Medien ihnen vorenthalten.

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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Anja Hoffmann
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
17. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 2/2018 - Februar 2018 / 17. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2018

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