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GUTE-NACHT/2227: Spiel mit Folgen (SB)


Eine halbe Stunde hat es gedauert, bis Lisa die Bodentür wieder aufgeschlossen hat. Hugo nutzte die Zeit, den Dachboden zu staubsaugen. Dabei fand er einzelne Kuscheltiere, darunter zwei Pferdchen, ein weißes und ein braunes, eine riesige Schlange und neben weiteren Kuscheltieren auch einen ziemlich alten Teddybären. Dieser lag oben auf einer Truhe und Hugo wunderte sich, daß er überhaupt nicht staubig war, wo doch der ganze Fußboden voller Staub lag. Irgendwer mußte den Teddybären erst kürzlich hier nach oben auf den Dachboden gebracht haben. Dem aber widersprach, daß der Teddybär schon ziemlich alt sein mußte. Das erkannte Hugo daran, daß der Bär nicht so weich wie die anderen Kuscheltiere war. In ihm konnte als Fütterung eigentlich nur Holzwolle stecken. Doch das wurde heutzutage kaum noch verwendet. Welches Kind wollte schon so einen starren Bären, mit dem es gar nicht kuscheln kann?

Nachdem Hugo mit Staubsaugen fertig war, den Stecker wieder einfuhr und sich dann unten auf den Treppenabsatz gesetzt hatte und auf Lisa wartete - denn Rufen würde bei ihr gar nichts nützen -, überlegte sich Hugo, ob er Lisa mit dem alten Teddy vielleicht eine Freude bereiten würde. So holte er sich den Bären und wartete mit ihm gemeinsam.


*


Nach einer halben Stunde endlich öffnet Lisa die Bodentür. Doch es ist nicht Hugo, der da vor Lisa auftaucht. Auf dem untersten Treppenabsatz sitzt der alte Teddybär. Hugo hat sich hinter der Tür versteckt. Lisa ist erst einmal sprachlos. Selbstverständlich erkennt sie ihren alten Teddybären sofort wieder. Ihr schlechtes Gewissen meldet sich sogleich.

"Armer Teddy", denkt sie, "ich habe dich wirklich mächtig lange hier oben eingesperrt. Aber wie bist du auf die unterste Treppenstufe gekommen?" Lisa will Teddy aufheben und in die Arme nehmen. Genau in diesem Augenblick kommt Hugo hinter der Tür zum Vorschein. Lisa erschrickt und hätte Hugo am liebsten gleich noch einmal eingesperrt. Diesmal am besten für die ganze Nacht. Doch nun erkennt sie, daß Hugo ihren Lieblingsteddy wohl auf die Treppe gesetzt hat. Woher wußte er davon?

Lisa greift nach dem Teddy. Aber auch Hugo faßt nach ihm. Es entsteht eine kleine Neckerei, die aber bald immer heftiger wird. "Nun laß schon los!" sagt Lisa. Doch Hugo will nicht so schnell nachgeben. Irgendwie macht es Spaß, Lisa zu ärgern. Auch Lisa scheint es zu gefallen, denn sie lächelt sogar dabei. Doch dann geschieht etwas, daß keiner von den beiden wirklich möchte. Beide ziehen gleichzeitig ziemlich stark. Der eine am Kopf, der andere am Bauch. Das hält der alte Teddy gar nicht aus, und der sowieso schon etwas lose sitzende Kopf ist schnell vom Rumpf getrennt.

"Autsch!"

Jetzt ist Lisa sauer. Zuerst schimpft sie auf Hugo, weiß aber doch, daß sie dem Teddy zuliebe, sich auf ein solches Spiel hätte gar nicht einlassen dürfen. Wo war sie überhaupt mit ihren Gedanken gewesen. Benehmen sich so zwei erwachsene Menschen? Streiten sich um einen Teddybären und reißen ihn kaputt?

Inzwischen hat Hugo den Teddy losgelassen und Lisa hält die zwei Teile in den Händen. "Ich bringe ihn gleich morgen zum Puppendoktor", sagt Hugo. Doch Lisa will das nicht. "Ich nehme ihn mit zu den anderen kaputten Spielsachen." Mit diesen Worten geht Lisa in ihr Nähzimmer und setzt den Rumpf von Teddy auf einen großen Karton. Den Kopf legt sie so auf den Rumpf, daß man gar nicht merkt, daß er abgerissen ist. Dann sagt sie leise: "Entschuldigung, alter Teddy." Nun löscht sie das Licht an der Decke, verläßt das Zimmer und schließt die Tür. Teddy bleibt allein in einer ganz neuen unbekannten Umgebung zurück.


Gute Nacht