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GUTE-NACHT/2334: Familie Schwalbe - Aus der Erinnerung (SB)


Familie Schwalbe - Aus der Erinnerung

Auf dem Brett im Hauseingang sitzt Herr Schwalbe und scheint sich einen Moment auszuruhen. Gleich nach dem Eintreffen von Frau Schwalbe fliegt auch der Papa wieder los, um Futter für die Kleinen zu fangen.


*


Vater Menschlein sieht in diesen Tagen die Schwalben häufig hin und her fliegen. Die Schwalbenkinder sind geschlüpft, das ist sicher. Doch sie sind noch so klein, daß sie noch nicht über den Rand des Nestes herausschauen können. Das ist auch gut so. So können sie auch nicht aus dem Nest herausfallen.

"Schade, daß die Kleinen noch nicht Piepsen", denkt Vater Menschlein, "dann wüßte ich immer genau, zu welchem Zeitpunkt sie schlüpfen." Dieser Gedanke bringt Vater Menschlein auf einen anderen Gedanken. Bisher hatte er immer angenommen, daß das Gepiepse der Jungen die Eltern herbeiruft. Bei genauer Überlegung erinnert Vater Menschlein aber, daß die Jungen in den letzten Jahren immer nur dann gepiepst haben, wenn die Eltern schon am Nest waren und sobald sie wieder fortflogen, sogleich das Piepsen wieder einstellten. "Dann ist es wohl eher so, daß die Jungen sich zum einen bemerkbar machen, um vom Futtersegen überhaupt etwas ab zu bekommen und zum anderen ahmen sie die Eltern nach, denn die sind es, die die meiste Zeit von sich Reden machen."

Am Abend schaut Vater Menschlein in sein Schwalbentagebuch. Leider findet er jetzt nur noch leere Seiten vor. "Es wird Zeit mal wieder etwas hinein zu schreiben", stellt er fest, "schade, daß ich nicht auch in den letzten Jahren etwas notiert habe. Was war da eigentlich nochmal los?" Vater Menschlein versucht sich zu erinnern und schreibt es nieder.

Anschließend geht er der Schwalbenfamilie noch gute Nacht sagen.


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Aus dem Tagebuch einer Schwalbenfamilie - Teil 6


Rückblick auf das Jahr 2002


Nachdem die Schwalbenkinder das Fliegen gelernt hatten, kamen sie nur noch abends zum Nest. Dann verteilten sie sich auf die beiden Schwalbennester, das alte und das neue, während die Schwalbeneltern auf dem Brett schräg gegenüber nächtigten. Bald aber kamen die Kinder nicht mehr nach Hause. Jetzt begann die zweite Brutzeit des Schwalbenpaares. Diesmal verpaßte ich das Fliegenlernen der Schwalbenkinder. Anfang September flogen dann die letzten Schwalben fort und ich wartete bereits auf den nächsten Frühling.


Rückblick auf das Jahr 2003


In diesem Jahr sah es zuerst so aus, als würden zwei Schwalbenpaare bei uns brüten. Denn es waren ständig drei Schwalben im Hauseingang zugegen, die aufgeregt schwatzten. Dann aber stellte sich heraus, daß es sich um zwei Männchen handelte, die um ein Weibchen stritten. Leider verlor wohl das Männchen, das sich unser Nest zum Brüten ausgesucht hatte, den Kampf. Das war traurig für uns, denn in diesem Jahr wurde in unserem Hauseingang gar nicht gebrütet.


Rückblick auf das Jahr 2004


Auch das nächste Jahr, also 2004, war ein trauriges Schwalbenjahr. Drei der fünf Schwalbenkinder, die geboren wurden, starben und wurden von ihren Eltern aus dem Nest herausgeworfen. Ein Kleines war sogar noch am Leben als ich es fand. Sogleich besorgte ich "Lebendfutter" für den kleinen Vogel. Doch es war bereits zu spät. Er war wohl schon zu schwach, um die Nahrung aufzunehmen, die ich ihm bot. Oder hatte ich beim Füttern etwas falsch gemacht? Nicht nur bei uns kamen nur wenig Schwalbenkinder durch. Auch bei unserem Nachbar sah es nicht besser aus. Wahrscheinlich lag es daran, daß die Schwalbeneltern nicht genug Futter für die Kinder in der Luft fangen konnten. Es kam mir auch so vor, daß es überhaupt in diesem Jahr weniger Insekten gab.

Doch nicht nur zu wenig Futter läßt die Jungen nicht erwachsen werden, auch kleine Tümpel oder Teiche können gerade Jungvögeln zum Verhängnis werden. Fand ich doch eines Tages ein ertrunkenes Schwalbenkind in unserem Teich. Es mußte versucht haben, hier am Teich Insekten zu fangen. Dann war es sicher in das Wasser abgestürzt und konnte sich nicht wieder befreien.


Rückblick auf das Jahr 2005


Endlich brüteten die Schwalben wieder. Nur das zuletzt entstandene Nest wurde belegt. Das alte Nest blieb unberührt. Auch in diesem Sommer zog das Schwalbenelternpaar zwei Generationen von Schwalben groß.

Ich war sehr froh darüber, obwohl gerade in diesem Jahr viel Aufhebens um ein ganz besonderes Thema gemacht wurde. Es handelte sich um die Vogelgrippe. Vögel waren als Überträger der Vogelgrippe, einer für Menschen und Tiere gefährlich werdenden Krankheit, identifiziert worden. Gerade Zugvögel wurden an vielen Orten nicht mehr geduldet und gar getötet. Ich war sehr froh, als unsere Schwalben wieder eintrafen.


Rückblick auf das Jahr 2006


Ich wunderte mich, daß auch in diesem Jahr das ältere der beiden Schwalbennester nicht wieder bezogen wurde. Was veranlaßt die Schwalben dazu, ein Nest zu beziehen, ein anderes nicht?


25. Mai 2007

Gute Nacht