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GUTE-NACHT/2436: Von der Sieben, die aus einer erstand (SB)


Sieben

Wer hat schon einmal eine Zuckertüte aus Lebkuchen gesehen? Tja, wohl kaum einer, denn die meisten Zuckertüten sind nicht etwa aus Zucker, sondern aus Papier und Pappe. Den Namen hat die Zuckertüte nur daher, daß etwas Leckeres - meist Süßes - in ihr steckt. Diese Schleckereien sollen den Schülern ihren ersten Tag zuckersüß erscheinen lassen, damit sie auch an den folgenden Tagen gern zur Schule kommen.

Eine Zuckertüte aber gab es, die aus Lebkuchen gefertigt war. Die winzige Schülerin hatte an ihrer Zuckertüte ganz schön zu schleppen, um sie nach Hause zu bekommen. Am liebsten hätte sie in den Lebkuchen gleich hineingebissen. Den anderen Kindern ging es wohl ähnlich. Der Duft des Lebkuchens strömte in alle Nasenflügel hinein.

Dann war der erste Schultag vorbei, und das Mädchen trat den Heimweg an. Sie ging ihn nicht allein. Die Mama hatte sie in die Schule gebracht und nun auch wieder abgeholt. "Soll ich dir tragen helfen?" Das Mädchen schüttelte den Kopf. Mit dem Ranzen auf dem Rücken gehörte sie schließlich zu den großen Kindern.

Mit der Zeit wurde ihre Schultütenlast immer schwerer. Doch auch jetzt blieb sie tapfer und trug, was ein neues Schulkind auszeichnet. Endlich kam das Zuhause immer näher. Nur noch über die schmale Brücke, die über den Ententeich führte und dann um die Ecke. Dort war sie zuhause. Doch welch Unglück. Soweit war sie mit der Lebkuchenzuckertüte gekommen, ohne sie abzusetzen, anzuknabbern oder fallen zu lassen.

Die Tüte schien allerdings beim Laufen noch schwerer geworden zu sein und irgendwie auch ein bißchen weicher. Plötzlich stolperte das Mädchen über die Bordsteinkante, die sie einfach nicht gesehen hatte. Dabei fiel ihr die Zuckertüte aus der Hand und zerbrach in sieben Teile. Das Mädchen, das bereits am Boden lag, begann zu weinen: "Die schöne Zuckertüte." Die Mama nahm sich der Lebkuchenteile an und sagte: "Zuhause kleben wir sie mit Zuckerguß wieder zusammen."

Da aber kam aus dem Ententeich eine kleine Ente heran. Sie schnappte nicht wie gewöhnlich nach dem hingeworfenen Brot, sondern schaute das weinende Mädchen an, als ob es sie dauere. Das fand das Mädchen so komisch, daß es zu lachen begann. Die Ente erschrak. Aber da nahm das Mädchen eines der sieben Lebkuchenstücke und begann die Ente damit zu füttern. Es schien der Ente sehr gut zu schmecken. Da probierte das Mädchen endlich auch ein Stück. Auf diesen Augenblick hatte es ja irgendwie schon den ganzen Morgen gewartet. "Mama, das schmeckt gut! Magst du auch ein Stück?" So aßen denn das Mädchen, ihre Mama und die kleine Ente jeder ein Stückchen Zuckertütenlebkuchen auf. Daß die drei nicht lange alleine blieben, versteht sich von selbst. Auch die anderen Enten aus dem Teich kamen herbei. Die Innereien der Zuckertüte hatte die Mama in dem Schulranzen in Sicherheit gebracht. Doch die sieben Teile der Zuckertüte wurden von der Enten-Mensch-Gemeinschaft völlig aufgefuttert.

Als das Mädchen zuhause ihren Ranzen öffnete fand sie noch die Überreste des Innenlebens der Zuckertüte vor. Es waren ein Stift, ein Radiergummi, eine Schreibtafel und fünf Dinge mehr. Alles war aus Marzipan und Schokolade gefertigt. Jetzt bekam das Mädchen von ihrer Mama sogleich eine Aufgabe gestellt: "Wieviele Süßigkeiten haben in der Lebkuchenzuckertüte gesteckt?"

25. September 2007

Gute Nacht