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GUTE-NACHT/2503: Überraschung für Raupe Melanie (SB)


Mutter Maus im Sandmannhaus

Mutter Maus kennt die Geschichte über Großmutters Freundin Tineola noch nicht. Großmutter hatte bisher nie über sie gesprochen. Vielleicht wird Mutter Maus später noch einmal nach Tineola fragen, denn im Moment ist sie an einer ganz anderen Geschichte interessiert. Sie möchte erfahren, wie die Geschichte des Sandmannes sein Ende findet. Deshalb läßt sie Großmutter ein Auge auf ihre Kleinen werfen und begibt sich aus der geschützten Höhle hinaus in den großen Saal.

Von Kater Mombart ist nichts zu sehen oder zu riechen. Er scheint sich wohl wieder außerhalb des Hauses herumzutreiben. Gut, so braucht Mutter Maus nur ein Auge auf den Sandmann zu haben. Der hat sich in seinen Lehnstuhl gesetzt und schaukelt hin und her. Er scheint zu überlegen, was er als nächstes schreiben kann. Nach einer Weile kommen leise Atemgeräusche aus dem Lehnstuhl, ein sicheres Zeichen dafür, daß der Sandmann am Einschlafen ist. Noch ein bißchen Geduld und Mutter Maus hat freies Feld.

Sie klettert eines der vier Tischbeine hinauf und findet das Buch der Träumme offenliegen. So hat sie es sich gewünscht. Jetzt kann sie erfahren, was weiter bei Raupe Melanie geschieht.


*


Überraschung für Raupe Melanie

In einem Pelz lebten viele Raupen, die tagein, tagaus damit beschäftigt waren, sich dick und lang zu fressen. Nur eine Raupe war darüber ins Grübeln gekommen und wollte nicht alle Haare und alles Pelzwerk in sich hineinstopfen. Es war die Raupe Melanie. Wenn die Sonne schien und ihr Licht auf den Pelz warf, schimmerten die langen Haare in allen bunten Farben. Melanie wunderte sich, daß nur ihr dies auffiel. Keine der anderen Raupen interessierte sich dafür.

Eines Tages betrachtete Melanie wieder das Schauspiel der Sonne zwischen dem Pelzwerk. Von dem Pelz selber war kaum noch etwas übrig. Er war durchlöchert und staubig geworden. Das war das Werk der hundert Raupen, die hier seit einiger Zeit ihr Zuhause hatten. Doch sie fraßen ihr Heim regelrecht auf. Nur Melanie störte dies.

Während Melanie so vor sich hinstarrte, gesellte sich ein ganz anderes Wesen zu ihr. Als Melanie diesen goldglänzenden Falter erblickte, war sie voller Bewunderung. Der Falter war so schön wie das Spiel der Sonne selber. "Möchtest du etwas von unserem Pelz?" fragte Melanie und wollte der schönen Erscheinung etwas zu fressen abgeben. "Ich nehme nichts zu mir", sagte der glänzende Falter. "Wie kannst du ohne zu Fressen leben?" fragte Raupe Melanie und erinnerte sich an das Gefühl in ihrem Innern, wenn sie einmal den ganzen Tag sich geweigert hatte zu essen. "Ich lebe nicht um zu fressen, ich lebe, um meine Eier dorthin abzulegen, wo meine kleinen Raupenkinder es weich und gemütlich haben werden, wenn ich nicht mehr da bin."

"Warum willst du nicht bei deinen Kindern bleiben?" fragte Raupe Melanie den goldenen Falter. "Weil meine Raupenkinder meiner Hilfe nicht bedürfen." Da erkannte Melanie, daß sie selbst eines dieser Raupenkinder war. In diesem Augenblick erhob sich der goldene Falter und flog davon. Melanie wurde so traurig, daß sie sich nicht mehr bewegte und ihr Äußeres ganz hart wurde. Doch sie war nicht die einzige Raupe, der dies geschah. Auch die anderen Raupen verpuppten sich. Dann geschah lange Zeit gar nichts mehr, nur daß der alte zerfressene Pelz fortgeworfen wurde. Er und seine darin befindlichen Puppen hatten Glück gehabt, nicht gleich ins Feuer zu wandern.

So kam der Tag, an dem sich in all den kleinen Hüllen wieder etwas regte. Überall drängten neue goldene Falter aus den Puppen ans Licht. Auch die Raupe Melanie war zu einem dieser wunderschönen goldenen Falter geworden. Sie entfaltete ihre Flügel und flog schnell der Sonne entgegen. Das war ihr Glück. Denn ein Mensch hatte inzwischen den alten Pelz wiedergefunden und entdeckt, daß lauter Motten ihn zerfressen hatten. So wanderte das löchrige Ding mitsamt allen noch übrig gebliebenen Puppen doch noch ins Feuer.


*


"Das ist aber ein trauriges Ende", findet Mutter Maus und begibt sich schnell wieder auf den Weg in ihre Höhle. "Ich glaube, den Schluß werde ich meinen Mäuschen zuliebe doch ein bißchen abwandeln", sagt sie zu sich selber und was sie meint, dazu steht sie auch.

13. Dezember 2007

Gute Nacht