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GUTE-NACHT/2613: Felix wird aufgespürt (SB)


Wenn der Tiger eine Reise macht

Während Vater Gustav irgendwo da draußen am Kai sein Fischbrötchen aß, langweilte ich mich hier im Auto auf dem Vordersitz. Ich wollte noch ein bißchen mehr von dieser Stadt Lübeck sehen. Etwas beleidigt kuschelte ich mich zusammen. Plötzlich schreckte ich hoch. Es klingelte. Wo kam das Klingeln her? Vater Gustav hatte sein kleines Telefon hier im Auto liegengelassen. Das nervte nun ganz schön, denn es wollte nicht aufhören zu läuten. Mußte wohl etwas ganz Wichtiges zu sagen haben.

Nach einer Weile hörte das Klingeln dann endlich auf, um kurze Zeit später von neuem zu beginnen. Glücklicherweise kam Vater Gustav jetzt wieder zurück, sonst hätte mich das Gebimmele noch ganz verrückt gemacht. Gerade als Vater Gustav sein Telefon aufnehmen wollte, hörte aber das Klingeln auf. Das ärgerte Vater Gustav. "Warum habe ich das Handy bloß nicht eingesteckt", schimpfte er. Er wußte ja nicht, daß das Telefon quasi ununterbrochen geklingelt hatte. Es gab also da jemanden, der unbedingt mit ihm sprechen wollte und sicher gleich erneut versuchen würde, Vater Gustav zu erreichen. Also würde die kleine Hand, wie Vater Gustav das Klingelmonster nennt, bestimmt gleich wieder zu lärmen beginnen.

So war es dann auch. Erleichtert, nichts verpaßt zu haben, nahm Vater Gustav die kleine Hand in seine große und grüßte: "Hallo!" Nun entstand eine kurze Pause, dann fuhr er fort: "Ach, du bist es Luisa. Ja, es geht ihm gut. Er ist die ganze Zeit bei mir. Es passiert ihm nichts und ich passe auch auf, daß er wieder mit mir nach Hause kommt. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen."

Außer mir war keiner mehr bei Vater Gustav. Es mußte also bei dem Gespräch um mich gehen. Luisa machte sich demnach Sorgen um mich. "Brauchst du nicht, Luisa", sagte ich leise. Aber das konnte sie ja nicht hören. Nun sprach Vater Gustav wieder: "Bald bin ich ja wieder zurück. Ich bringe dir auch etwas Schönes mit. Ja, den Tiger, aber auch noch etwas anderes. Gib mir mal Mutti!"

Nach einer kleinen Pause sprach er dann wieder: "Soso, Luisa hat schon den ganzen Tag geweint, weil der Tiger sie nicht von der Schule abgeholt hat. Er ist hier wirklich in guten Händen. Er darf sogar neben mir auf dem Vordersitz sitzen, was sich Luisa sonst immer wünscht, wofür sie aber noch zu klein ist. Sag mal, ißt Luisa eigentlich Marzipan?" Mutter mußte mit "ja" geantwortet haben, denn Vater Gustav sprach gleich weiter: "Dann werde ich ihr mal ein besonders leckeres Marzipanbrot besorgen - das gute und einzigartige Lübecker Marzipan mit den zwei Türmen des Lübecker Holstentores darauf. Ich begebe mich gleich auf den Weg. Anschließend habe ich noch ein Gespräch und bin schon bald wieder auf der Rückreise. Bevor Luisa heute abend ihre Äuglein schließt, bin ich auf alle Fälle zurück. Ich will doch meinem kleinen Schatz ihren geliebten Schlaftiger nicht vorenthalten und ihr auch selbst noch ein Schlaflied singen." Die kleine Hand schien zu lachen. Sicher war es Luisas Mutter, die gerade an Vaters brummigen Gesang dachte.


Erstveröffentlichung am 13. Oktober 2001

24. April 2008

Gute Nacht