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GUTE-NACHT/2825: Wie zuvor im Wald (SB)


Gute Nacht Geschichten


Weihnachtsbäume werden in den meisten Familien erst am Heiligen Abend aufgestellt. So war es auch bei der Familie, die vom Markt gleich zwei Bäume mit drei Spitzen mit nach Hause genommen hatte.

Noch eine Nacht sollte für Ruhe sorgen, bevor das große Fest mit all seinen Turbulenzen losgehen konnte. Die beiden Weihnachtsbäume wurden aus Platzgründen erst einmal auf den Hof gestellt und behielten das für den Transport im Auto übergezogene Netz um sich herum. Es würde der Familie auch morgen noch gute Dienste leisten.

Es war kalt draußen auf dem Hof. Schnee lag und einige Stellen waren vereist. Eine Katze kam herbeigeschlichen. Sie wollte doch einmal aus der Nähe sehen, was denn die Nachbarsleute da mitgebracht hatten.


Dann kam der nächste Morgen. Mutter hatte schon alles vorbereitet und die Kartons mit den Weihnachtssachen vom Dachboden geholt. Sie liebäugelte noch immer mit dem Zweispitzenbaum. Aber die Kinder ließen ihn links liegen und wollten nur eine Spitze am Weihnachtsbaum sehen.

Im Haus war es viel zu eng. So entschied sich die Familie, doch nicht noch einen zweiten Baum aufzustellen. Das bedeutete, der zweispitzige Nadelbaum konnte sich die Feier und den anderen geschmückten Baum von draußen ansehen.

Noch am Abend stand der zweispitzige Baum, eingezwängt in dem Netz auf dem Hof. Da kam ein heftiger Windstoß und wehte ihn um. Niemand war da, um ihn aufzuheben. Auch nicht als die Glocken zur Kirche läuteten, und alle zur Weihnachtsandacht strebten, um dem Krippenspiel beizuwohnen, half jemand dem Bäumchen auf. Noch lange lag der Baum so auf den harten Steinen.


Die Heilige Nacht ging vorüber, es kam der Morgen des ersten Weihnachtstages. In dem Haus der Familie lebte in der zweiten Etage ein Mann allein. Er hatte keine Arbeit, was ihn sehr bedrückte. In dieser Nacht war er fort gewesen und kam mit einer roten Nase wieder nach Hause. Er sah den noch immer eingewickelten Tannenbaum am Boden liegen und hob ihn auf. Das den Baum umhüllende Netz war oben offen. Daraus hervor schauten den Mann zwei Baumspitzen an. Der Mann schüttelte den Kopf. Das konnte doch nicht sein. Jetzt sah er sogar schon die Spitzen eines Weihnachtsbaumes doppelt. Schnell ließ er den Baum gegen die Wand fallen und verschwand in seiner Wohnung.

Es dauerte ein Weilchen, da kam die Mutter der Familie nach draußen, die den Baum gekauft hatten. "Ach, dich haben wir ja auch noch", flüsterte sie dem Baum zu. Dann ging sie weiter, als gäbe es ihn gar nicht. Sie ging zur Mülltonne, um edliches an Papier loszuwerden. Auf dem Rückweg sprach sie noch einmal zu dem Baum: "Was fangen wir jetzt bloß mit dir an?" Wieder verschwand sie. Diesmal im Haus. Nach einer Weile kehrte sie nach draußen zurück und hatte einen Korb dabei.

Sie holte sich nun einen Eimer, nahm dann das Bäumchen und trug es hinüber auf die Wiese. Dorthin holte sie auch den Eimer und steckte das Bäumchen hinein. Es war klar, daß das Bäumchen mitsamt dem Eimer umkippen würde, sobald sie ihn losließe. Darum legte sie den Baum noch einmal auf die Erde, sammelte größere Steine vom Hof und lief dann erneut ins Haus. Diesmal brachte sie eines ihrer Kinder mit, das das Bäumchen in dem Eimer festhalten sollte. Die schweren Steine plazierte sie nun um den Stamm des Bäumchens in dem Eimer drum herum, so daß der Baum nicht mehr umkippte. Sie rüttelte noch einmal an dem Baum. Das ganze Gebilde schien ihr noch nicht fest genug zu stehen. So sammelte sie noch einmal Steine vom Grundstück zusammen, die sie diesmal außen um den Eimer herum plazierte. Jetzt stand der Baum wirklich fest. Das Netz konnte nun einfach abgezogen werden.

Endlich konnte das Bäumchen seine Äste wieder ausbreiten. Das tat ihm gut. Ein Lächeln legte sich über das Gesicht der Frau. Sie nahm nun ihren Korb und holte verschiedenste Sachen daraus hervor. Es waren mehrere Kugeln, die da an einem Faden hingen, die sie an dem Bäumchen rundherum verteilte. Jetzt gab es noch Ringe, die ebenfalls mit einem Faden an das Bäumchen gehängt werden konnten. Die Ringe und die Kugeln waren nicht bunt wie die Kugeln, die das Bäumchen im Wohnzimmer trug. Der Schmuck hier war grau und glänzte überhaupt nicht.

Als die Frau ein weiteres Mal ins Haus ging und wieder nach draußen kam, brachte sie eine lange Schnur mit, an der etwas wie Eiszapfen hing. Die Frau plazierte die Schnur um das Bäumchen herum, dann rief sie zum Haus hin: "Kannst du den Stecker mal bitte einstecken?"

Sogleich begannen die Eiszapfen an der Schnur zu leuchten. Das freute das Bäumchen. Ihm wurde gleich ganz warm um seinen Stamm. Die Frau ging wieder zum Haus. Dabei flüsterte sie: "Mal sehen, ob du gleich Gesellschaft bekommst. Ich wette, von deinen schönen Kugeln und Ringen wird bald nichts mehr übrig sein."

Das Bäumchen wunderte sich, wer sollte ihm denn jetzt Gesellschaft leisten?

8. Januar 2009

Gute Nacht