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GUTE-NACHT/2868: Der Geist in Pantoffeln und die Notlüge (SB)


Gute Nacht Geschichten


Beim Mittagessen erzählen sich Großmutter, Mutter und Paddy stets, was sich am Vormittag bei jedem so zugetragen hat - zuhause, in der Schule oder unterwegs. Paddy hat heute nicht viel zu berichten. Irgendwie sei es wie immer gewesen, findet sie.

Dagegen hat Großmutter etwas Ärgerliches zu beichten. "Ich war beim Kaufmann und wollte einen Kaffee kaufen. Es sollte schnell gehen und so schloß ich das Auto nicht ab. Zum Glück aber nahm ich den Schlüssel mit. Als ich wieder zurückkam, bemerkte ich noch nichts. Dann aber hier vor dem Tor wollte ich den kleinen Geist in Pantoffeln, den du mir heute morgen bei der Schule anvertraut hast, wieder mit ins Haus nehmen. Doch er war nicht mehr da, obwohl ich ihn doch auf den Vordersitz gelegt hatte." - "Was? Mein Geist ist weg?", entrüstet sich Paddy und ist ernsthaft verstimmt.

"Nun, wir können noch einmal gemeinsam im Auto nachsehen. Doch er scheint verschwunden. Ich hätte das Auto eben abschließen sollen", sagt Großmutter. Paddy kommen die Tränen. Mutter ist auch nicht gerade erfreut, daß das gestrige Mitbringsel heute bereits verloren ging.


An diesem Abend bringt Großmutter Paddy zu Bett, auch wenn ihre Enkelin etwas mürrisch reagiert. Doch Großmutter will es sich nicht nehmen lassen, Paddy noch etwas zu beichten. "Es war so, heute morgen", beginnt sie, "nachdem ich dich zur Schule gebracht hatte, bin ich wirklich zu dem kleinen Laden an der Ecke gefahren, um Kaffee zu holen. Dort erzählte mir Frau Döring, daß zur Zeit wieder einmal ein Dieb sein Unwesen treibe. Besonders auf offene Fahrzeuge hätte er es abgesehen. Schnell lief ich zum Auto und sah nach, ob etwas fehlt. Doch alles war noch da. Auch dein kleiner Geist."

Paddy kann nicht glauben, was sie da hört. Warum hatte Großmutter mittags etwas anderes behauptet? "Bei dir fällt der Groschen wohl in Pfennigen?", schmunzelt Großmutter. Paddy kennt diese Redewendung ihrer Oma. Zuerst will sie entgegnen: "Du sprichst wohl von Cent!" Plötzlich aber strahlt sie, denn diesmal ist bei ihr der "Groschen" gefallen und sie fragt strahlend: "Und wo ist mein Geist jetzt?" - "Nun, wir brauchten doch eine Geschichte, um den kleinen Geist verschwinden zu lassen. Da kam mir die Aussage von Frau Döring gerade recht." - "Das ist aber ein bißchen gemein", findet Paddy, die daran denkt, wie traurig sie heute mittag gewesen war. Großmutter pflichtet ihr bei, dennoch wendet sie ein: "Du hättest bestimmt gelacht, wenn du die wahre Geschichte schon vorher gekannt hättest. Dann wäre Mutter sicher stutzig geworden." Paddy nickt und meint: "Das war doch nun eine Notlüge, nicht wahr?" Großmutter bestätigt dies, warnt aber gleichzeitig: "Wir sollten wirklich auf solche Notlügen verzichten. Wir können die Überraschung für deine Mutter bestimmt auch anders vor ihr geheim halten, meinst du nicht auch?" Paddy nickt, und jetzt möchte sie ihren kleinen Geist in Pantoffeln gern wiedersehen. Leise flüstert Großmutter: "Das geht nicht, der steht bereits im Zimmer des Erhängten." Dahin möchte Paddy zu dieser späten Stunde nicht mehr gehen. Großmutter auch nicht. Besonders am Abend ist es in dem besagten Raum immer so unheimlich. Großmutter zieht Paddy die Decke über beide Ohren und rät ihr: "Denk heute nicht mehr an deinen Geist, sonst gruselst du dich am Ende noch hier in deinem Bett!"

26. Februar 2009

Gute Nacht