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GUTE-NACHT/2920: Sei bloß am Leben (SB)


Gute Nacht Geschichten


Der Mäuserich Sokrates lag in Gunnars Hand und hörte wie aus weiter Ferne Gunnars Stimme: "Sei bloß am Leben!" Die warme Hand unter sich tat der Maus wohl. Mit geschlossenen Augen wurde Sokrates in die Wohnung zurück getragen und in einen Eimer auf ein weiches Tuch niedergelegt. Gunnar fühlte, daß das kleine Herz aufgeregt pochte. Sokrates war also noch am Leben. "Ob ich mit ihm zum Tierarzt gehen sollte?", fragte sich Gunnar. Doch zuvor mußte er etwas anderes erledigen. Der Käfig auf dem Flur, der einen ganzen Treppenabsatz heruntergeflogen war, mußte wieder aufgehoben und alles Futter und das Streumaterial wieder eingesammelt werden. Ohne feucht die Treppe zu wischen, würde seine Nachbarin ihn auch nicht davon kommen lassen. Aus war es mit dem Lernen. Da hätte er ja vorhin gleich seine Arbeit unterbrechen können, als Sokrates in seinem Käfig zu randalieren begann. Schnell sah Gunnar noch einmal nach Sokrates, der inzwischen seine Augen wieder geöffnet hatte, dann war die Treppe an der Reihe.

Das weiche Tuch unter sich wurde von Sokrates gleich erst einmal eingeweiht, es sollte schließlich nach ihm riechen und nicht nach diesem Zeug, das ihn jetzt umgab. Wieso konnte er da gar nicht mehr hindurchschauen? Bislang hatte er wenigstens durch die Gitterstäbe seines Käfigs blicken können. Gunnar wollte ihn doch sicher nicht von nun an in diesem Rondell einsperren?

Diese Frage klärte sich schnell. Denn bald schon kam Gunnar mit dem Käfig und frischer Streu zurück in die Küche. Er bettete den Mäuserich um, gab ihm Wasser und etwas Futter und brach dann alsbald auf zum nächsten Tierarzt. Es war eine Tierärztin, die Dienst hatte. Gunnar schilderte, was vorgefallen war. Die Ärztin untersuchte den kleinen Kerl und konnte zum Glück nichts feststellen. Doch sie schlug vor, die Maus noch über Nacht zur Beobachtung in der Praxis zu lassen. Sie selbst hatte Nachtdienst und würde ab und an nach der Maus sehen. Gunnar fand nichts dabei. Sokrates würde schließlich die Nacht in seinem eigenen Käfig verbringen, auch wenn es außen herum fremd aussah. Morgen würde Gunnar die Maus wieder abholen. Bald würde auch sein Freund Georg wiederkommen. Dann konnte er ihm endlich die Verantwortung für das kleine Lebewesen wieder zurückgeben.

Wenn Gunnar wüßte, daß er Sokrates nie wiedersehen sollte, hätte er den kleinen Kerl dann wohl auch zurückgelassen?

29. April 2009

Gute Nacht