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GUTE-NACHT/3114: Hallengeflüster - Alle laufen in eine Richtung (SB)


Gute Nacht Geschichten

Brummel und Puschel, die beiden Teddybären aus der Lagerhalle, liegen in ihrem Karton, der ganz zuoberst auf vielen anderen Kartons steht. Hier in der Lagerhalle werden jeden Tag, außer am Wochenende, Kartons und Kisten an ihre Besitzer herausgegeben und neue eingelagert. Für den Stellplatz haben die Besitzer zu zahlen. Auch Brummel und Puschel gehören jemandem, der dafür zahlt, daß sein Karton hier auf seine Rückkehr warten kann.

Die Arbeiter der Halle beginnen morgens um halb acht mit der Arbeit. Dann wird das große Tor geöffnet und die Neonröhren werden angeschaltet. Grelles, helles Licht scheint so plötzlich in den Karton der beiden Teddybären, daß sie sofort aufschrecken. Die beiden hatten eigentlich mit einem langsamen Erwachen bei Tagesanbruch gerechnet. Doch Dämmerlicht am Morgen oder Dämmerlicht am Abend gibt es hier in der Halle nicht. Nur der schockartige Neonlichteinfall oder totale Dunkelheit, manchmal durchbrochen von dem Lichtkegel der Taschenlampe des Nachtwächters, wechseln hier ab. Daran werden sich die beiden Teddybären noch gewöhnen, denn sie werden von nun an noch für eine längere Zeit hier in der Halle verweilen.


*


"Brummel, was ist das für ein Lärm!", sagt Puschel zu dem dunkelbraunen Teddybären. Der kneift die Augen zu, er mag das Licht noch weniger als den Krach. "Das weiß ich auch nicht. Schau doch mal ganz vorsichtig über den Rand unseres Kartons." Puschel aber traut sich nicht. Er ist eben ein besonders ängstlicher Teddy.

Mit seiner Pfote schirmt Brummel seine Augen ab und öffnet sie dann langsam. Vorsichtig lugt er über den Rand des Kartons und sieht verschiedene Männer hin und her rennen. Auch ein Junge ist darunter, der biegt aber in einen Seitengang ab und ist dann nicht mehr zu sehen.

"Was siehst du?", fragt Puschel. Dabei schiebt ihn seine Neugierde selbst Millimeter für Millimeter weiter nach oben zum Rand des Kartons. Endlich kann auch er darüber schauen. Ganz erstaunt, daß hier um sie herum so viel los ist, ziehen sich die beiden Teddys schnell wieder in den Karton zurück und beraten sich.

Nach einer ganzen Weile ertönt ein lautes durchdringendes Geräusch. Plötzlich wird es ruhiger in der Halle. Sämtliche Maschinen gehen aus. Nun sind die Stimmen der Arbeiter um so lauter zu hören. Doch auch sie werden leiser und leiser bis sie ganz verstummen.

Neugierig blicken Brummel und Puschel erneut über den Rand ihres Kartons. Sie sehen die Arbeiter alle eilig in eine Richtung fortlaufen. Sie scheinen sich in einen angrenzenden Raum zurück zu ziehen. Da kommt noch ein Nachzügler. Es ist der Junge, der vorhin in einen Seitengang verschwunden war und jetzt anscheinend aus diesem wieder auftaucht und ebenfalls hinter den anderen herläuft.

"Warum laufen sie alle fort?", möchte Puschel wissen. Doch Brummel beschäftigt eine ganz andere Frage: "Warum laufen sie alle in eine Richtung, auch der Junge?" Eine Antwort bekommen die beiden nicht. Aber nach nicht allzulanger Zeit tauchen die Männer und der Junge wieder auf, und somit beginnt auch der Lärm der Maschinen wieder. Mittags dann, nachdem die Glocke erneut ertönt, ziehen sich die Menschen ebenfalls wieder zurück, um nach kurzer Zeit erneut aufzutauchen. Als sie dann ein drittes Mal verschwinden, wird auch das Licht gelöscht und es ist wieder stockdunkel in der Halle.

Das finden die beiden Bären gar nicht schön. Jetzt, wo alle fort sind, hätten die beiden Teddys gern einmal einen Gang in die Richtung unternommen, in die die Menschen heute schon zweimal verschwunden sind. Diesen Erkundungsgang heben sie sich nun für einen anderen Zeitpunkt auf. Sie bleiben im Dunklen lieber in ihrer Kiste.


11. Januar 2010

Gute Nacht