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GUTE-NACHT/3147: Auf der Suche nach einem Namen (SB)


Gute Nacht Geschichten

Im Kellergeschoß der alten Bücherei regt sich etwas unter dem schwarzen Schrank. Benjamina, die Leseratte erwacht. "Na, endlich!", bringt sogleich der Bücherwurm hervor, "nun können wir losziehen einen Namen für mich zu finden, wie du versprochen hast." Benjamina gähnt erst einmal ausgiebig. So schnell ist sie nicht bereit, gleich loszustürmen. Außerdem braucht sie noch etwas, womit sie den Bücherwurm mit sich nehmen kann. Auf Dauer ist so eine Milchpulvertüte doch ein bißchen sperrig, und außerdem hat der Bücherwurm bereits alle Buchstaben darauf aufgefressen.

"Warte einen Moment, ich bin gleich wieder zurück", befiehlt die Ratte. Sie läuft hinüber in die Leseecke der Kinder und holt sich das kleinste Buch, das es dort gibt. Es ist nicht länger als ein kleiner Finger. Hier hinein klettert der Bücherwurm. Dann beginnt der Ausflug. Benjamina trägt den Bücherwurm in dem kleinen Buch hinauf in das Erdgeschoß.

Dort angekommen schnüffelt der Bücherwurm bis er ein für ihn wohlriechendes Buch entdeckt hat. Die Leseratte zieht nun dieses Buch aus dem Regal hervor und klappt es auf. Dann beginnt sie zu lesen.

Da ist von dem Ritter Kunibald die Rede, der erst einen Lindwurm erlegen muß, bevor er seine angebetete Kunigunde heiraten darf.

"Was? Einen Wurm erledigen!", protestiert der Bücherwurm, "ich bin auch ein Wurm. Es ist nicht in Ordnung, einen wie mich zu erledigen!" So schimpft der Bücherwurm. Benjamina versucht den Bücherwurm zu beruhigen. Doch wie soll sie das anstellen, wenn sie nicht einmal weiß, was ein Lindwurm ist.

Früher, wenn Vater und Mutter Eckhardt etwas nicht wußten, zogen sie immer ein ganz bestimmtes Buch hervor. Darin suchten sie das Wort und so wußten sie dann Bescheid. Benjamina vertröstet den Bücherwurm und begibt sich auf die Suche nach diesem einen Buch, das erklären kann, was ein Lindwurm ist. Diese Suche dauert eine lange Weile.

Vom Warten bekommt der Bücherwurm Hunger und klettert von dem kleinen nur fingergroßen Buch in das dicke mit dem Lindwurm. "Da lerne ich den großen Verwandten doch gleich einmal kennen", überlegt sich der Bücherwurm.

Benjamina hat endlich das Buch gefunden, das sie sucht. Auf dem Umschlag steht "Lexikon". Dann beginnt die Leseratte das Wort zu suchen. "Alles hat eine Ordnung!", hat Vater Eckhardt früher immer gesagt, "sucht man etwas, muß man nur dieser Ordnung folgen." Aber Benjamina kann darin das Wort nicht finden. Plötzlich vernimmt sie ein lautes Geräusch. Sofort fällt ihr der Bücherwurm ein. Ob er vielleicht in Gefahr ist. Schnell läuft Benjamina dahin zurück, wo sie ihn verlassen hat.

Als wäre der Bücherwurm nie von seinem fingergroßen Buch fort gewesen, hockt er da auf der Schrift und wartet. "Hast du das laute Geräusch auch gehört?", fragt Benjamina, "ich dachte schon, dir wäre etwas geschehen." - "Mir geschehen? Ich habe nur mal meinen großen Verwandten besucht. Der hat sich vielleicht aufgeführt. Hoch aufgerichtet hat er sich und wollte mir Angst einjagen. Ich habe mich aber nicht beeindrucken lassen. Ich hatte nämlich Hunger und habe diesen gleich gestillt. Da war der Lindwurm plötzlich verschwunden." - "Kein Wunder", stellt Benjamina fest, "du hast mal wieder die Buchstaben aufgefressen und dabei den Lindwurm gleich mit."

"Jetzt bin ich aber müde!", sagt der Bücherwurm und verkriecht sich in dem kleinen Buch, das um einiges dicker geworden scheint. Es dauert nicht lange, da beginnt das kleine Buch zu schnarchen oder besser gesagt, der Bücherwurm darin. Benjamina ist noch nicht müde. Sie zieht noch einmal los, herauszufinden, was denn ein Lindwurm ist.

Am Ende der Nacht hat sie etwas darüber gefunden. Sie weiß nun, daß der Lindwurm als ungeflügelter Drache in der nordischen und deutschen Sagenwelt lebt. Einer von ihnen bewacht sogar einen Schatz, den Nibelungenhort.

"Ein Schatz, das wäre doch etwas für uns", denkt Benjamina. Morgen, wenn der Bücherwurm wieder ausgeschlafen hat, will die Leseratte ihm davon erzählen. Doch jetzt zieht sie sich erst einmal unter den schwarzen Schrank zurück. Vor lauter Müdigkeit vergißt sie ganz, auch das kleine Buch, in dem der Bücherwurm schnarcht wieder mit sich zu nehmen. Darum liegt das Buch noch immer oben auf dem Fußboden gleich neben dem Regal, wo auch das Sagenbuch der Nibelungen darauf wartet, wieder in das Regal zurück gestellt zu werden.


25. Februar 2010

Gute Nacht