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GUTE-NACHT/3175: Glücksbringer ohne Glück (SB)


Gute Nacht Geschichten

Auweh, zwei kleine Hasen aus Papier werden von der Wand eines dunklen Raumes angesogen und ihnen nach folgen Staub, Fussel und Haare, die sich an den kleinen Figuren ansetzen, als saugten sie selber alles auf.

Noch wenige Augenblicke zuvor saßen die beiden hoch oben auf dem Regal im Kinderzimmer. Auch da war es staubig. Aber nun ist es, als wären sie in eine ganze Staubgrube gefallen.

Endlich läßt der Sog nach und auch der Lärm, den das Monstrum von sich gab, ist verstummt. Nur dumpf dringen die Geräusche von außerhalb hier in den Raum.

"Bist du noch da?", fragt das eine Häschen schüchtern. "Ja", kommt es prustend von irgendwo aus dem dunklen Raum her. Jetzt fühlt sich das grüne Häschen schon um einiges besser. Von seiner Farbe ist allerdings nicht mehr viel zu sehen und das nicht nur, weil es hier im Raum fast schwarz ist, sondern weil es von Staub nur so wirbelt.

"Wo sind wir hier?", fragt das grüne Häschen. "In dem Staubsauger!", kommt kurz die Antwort. "Wie kommen wir hier wieder heraus?", möchte das grüne Häschen wissen. "Wenn nicht ein Wunder geschieht, niemals!", erklärt das lilane Häschen. Denn es hat stets den Staubsauger nur gesehen, wenn er alles in sich eingesaugt hat, niemals aber hat das Häschen mitbekommen, daß das Innere eines Staubsaugers auch manchmal geleert wird, damit er weiterhin Staub saugen kann.

"Dann wünsche ich, daß ein Wunder geschieht!", sagt das grüne Häschen und wird gleich unterbrochen, denn das lilane Häschen erkennt außerhalb des dunklen Raumes eine Stimme wieder, leicht gedämpft, aber dennoch unverkennbar ...


*


"Mama! Wo sind meine Glücksbringer?", ruft Ajomi. Noch gestern saßen die beiden Häschen aus Papier auf ihrem Regal. "Aber Kind, du mußt doch wissen, wo du sie hingelegt hast", ist die Antwort. "Das weiß ich auch. Auf das Regal habe ich sie gesetzt. Aber da sind sie nicht mehr."

Als die Mutter mit dem Staubsauger in der Hand hereinkommt, schwant dem Mädchen nichts Gutes. Jetzt erst sieht es das staubfreie Regal. "Du hast auch schon bei mir gesaugt?!" Die Mutter nickt und erwartet eigentlich ein bißchen Anerkennung. "Dann hast du meine Glücksbringer bestimmt mit fortgesaugt." - "Davon weiß ich nichts!", rechtfertigt sich die Mama. "Aber sie sind nicht mehr da!" Das Mädchen schaut noch einmal, ob die beiden Origamihäschen vielleicht vom Regal herunter gefallen sind. Doch es kann sie nicht entdecken.

"Laß sie uns schnell aus dem Staubsaugerbeutel befreien." Doch die Mutter erklärt: "Wenn sie wirklich eingesaugt wurden, dann können wir sie jetzt nicht mehr retten." - "Laß es uns wenigstens versuchen!", drängelt das Mädchen und hört nicht eher damit auf bis seine Mutter nachgibt.

Im Flur öffnet sie den Staubsauger und holt den Beutel heraus. Ungeduldigt folgt das Mädchen der Mutter zur Mülltonne. Dort dreht die Mutter den Beutel mit der Öffnung nach unten und schüttelt ihn. Doch außer Staub fällt nichts heraus. Mit einem Haken langt die Mutter nun in den Beutel hinein und zieht die ersten Staubknäule, bestehend aus Haaren und Staub, heraus. Doch von einem Papierhäschen ist nichts zu sehen.

"Versuch es gleich noch einmal!", gibt das Mädchen nicht nach. Diesmal erscheint das lilane Häschen und ist außer der verstaubten Oberfläche völlig unversehrt. "Weiter", fordert das Mädchen die Mutter auf. Die ist von dem vielen Staub nur genervt. Doch das Mädchen gibt nicht nach: "Du hast das eine Häschen gefunden, dann ist darin auch noch das zweite." Aber das zweite Häschen scheint nicht im Beutel zu sein. Die Mutter hat mit dem Haken schon jede Ecke ertastet. "Mama, bitte!", sagt Ajomi, als ihre Mutter sich zum Gehen wendet. "Aber, nur noch ein Versuch, ich kann ja glatt unter die Dusche, so staubt hier alles."

Endlich kommt auch das grüne Häschen wieder zu Tage. Es ist ebenso verstaubt wie das lilane Häschen. Doch um einiges sieht es noch schlimmer aus. Denn es ist ein wenig aus den Falten geraten. Ajomi tut das sehr leid. Sie läuft mit den beiden Glücksbringern ins Haus und sucht sich einen Pinsel, mit dem sie die beiden Tierchen entstauben kann. Dann verhilft sie dem grünen Häschen wieder in seine gefaltete Form zurück zu gelangen. Jetzt erst sieht Ajomi, daß die Falten der Häschen leicht an einer Stelle zusammengenäht wurden, damit sie nicht aus der Form geraten. Dieser Knoten ist bei dem grünen Häschen ausgerissen. Aber das macht nichts. Ajomi kann mit Nadel und Faden umgehen, und bald sehen die beiden Häschen fast so gut aus wie zuvor. Diesmal setzt Ajomi die beiden in ein kleines Schächtelchen aus Plastik. So sind sie gleich vor weiteren Staubsaugerattacken oder ähnlichem geschützt.

"Es kann doch nicht angehen, daß meine Glücksbringer selber kein Glück haben!", flüstert Ajomi den beiden Häschen zu, bevor sie an diesem Abend das Licht auslöscht.


7. April 2010

Gute Nacht