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GUTE-NACHT/3258: Der kleine Nachtwächter pflückt Löwenzahn (SB)


Gute Nacht Geschichten

Als der kleine Nachtwächter am Abend durch die Schrebergärten marschiert, hört er etwas, das wie Weinen klingt. "Da braucht doch sicher jemand meine Hilfe", denkt der kleine Nachtwächter und geht vorsichtig dem Geräusch nach. Er überlegt, ob er rufen soll. Aber das läßt er lieber sein, weiß er doch nicht, ob sein Rufen vielleicht den Hilfesuchenden erschreckt.

Lauter wird das Jammern. Endlich hat der kleine Nachtwächter die Ursache gefunden. In einem Käfig hockt ein Kaninchen und weint. "Was ist denn mit dir geschehen?", fragt der kleine Nachtwächter das Kaninchen.

Freudig hoppelt es in seinem kleinen Käfig an das Gitter. Dann aber wirkt es enttäuscht und das Jammern beginnt von neuem. "Warum beklagst du dich? Tut dir etwas weh?", fragt der kleine Nachtwächter. "Ja, mein Magen. Ich habe heute noch gar nichts gefuttert." - "Aber warum denn nicht?", möchte der kleine Nachtwächter wissen.

"Siehst du wie verdorrt und faulig mein Fressen ist? Es liegt schon seit zwei Tagen bei mir im Käfig. Und es ist keiner gekommen, mir frisches Futter zu bringen." - "Mhm", entfährt es dem kleinen Nachtwächter, "soll ich dich auf die Wiese lassen, damit du fressen kannst?" - "Aber nein, aber nein. Da draußen sind die großen Hunde oder der Fuchs. Manchmal schleicht des Nachts auch ein Marder um den Käfig. Nein, auf die Wiese will ich nicht. Es regnet ja auch."

Der kleine Nachtwächter überlegt. Dann fällt ihm etwas ein: "Ich habe noch zwei Möhren in meiner Tasche. Die gebe ich dir jetzt." Er öffnet den Käfig, holt das faulige Futter heraus, schüttelt das Stroh ein bißchen auf und legt die beiden Möhren in den Käfig. Dann sieht er, daß auch das Wasser im Napf ganz schmutzig ist. Er nimmt ihn und schaut sich im Garten um, wo er den Napf säubern und frisches Wasser bekommen kann. Dann trägt er den Napf zu dem Kaninchen zurück.

"Das Kaninchen hatte wohl so großen Hunger, daß es die Möhren bereits verputzt hat", denkt der kleine Nachtwächter, als er sieht, daß von beiden Karotten nichts mehr zu sehen ist. Er weiß ja nicht, daß das Häschen die Möhren in Sicherheit gebracht hat. So als letzte Notreserve.

"Hast du noch immer Hunger?", fragt der kleine Nachtwächter. "Aber wie!", stöhnt das Kaninchen. "Wie kann ich dir bloß helfen? Ich habe sonst nichts Eßbares mehr dabei", erklärt der kleine Nachtwächter. "Du kannst mir Löwenzahn pflücken", antwortet das Kaninchen. Der kleine Nachtwächter nimmt seine Taschenlampe und leuchtet den Boden ab. Da ruft das Kaninchen ihm noch hinterher: "Aber bitte nicht mit so viel Dreck. Das knirscht immer so zwischen den Zähnen."

Der kleine Nachtwächter findet eine Stelle auf der Wiese, auf der ziemlich viel Löwenzahn wächst. Davon pfückt er gleich einen ganzen Arm voll und bringt ihn zum Kaninchenstall. "Danke, kleiner Nachtwächter. Das reicht bis morgen früh." Das hätte der kleine Nachtwächter allerdings nicht gedacht. So viel Löwenzahn und so schnell aufgefressen?

"Nun, dann werde ich dir morgen früh noch einmal soviel pflücken. Dann aber werde ich mich um den Besitzer dieses Gärtchens kümmern. Ich will sehen, warum er dich vergessen hat zu füttern. Vielleicht ist ihm ja selber etwas Schlimmes geschehen." Damit verabschiedet sich der kleine Nachtwächter und verspricht am nächsten Morgen wieder zu kommen. "Kommst du auch ganz bestimmt?", fragt das Kaninchen. "Versprochen ist versprochen!", gibt der kleine Nachtwächter zur Antwort und geht nun seiner Arbeit nach.


20. September 2010

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