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GUTE-NACHT/3460: Knopf, Knöpfchen und Auge sind am Ziel (SB)



K N O P F ,   K N Ö P F C H E N   &   A U G E

sind am Ziel


Knöpfchen hielt die Augen geschlossen und das Flaue in seinem Magen ebbte ab. Vom Zimmer nebenan waren Stimmen zu hören. Aber die drei Freunde konnten sie nicht verstehen.

"Wo ist er denn nur?", murmelte Maria-Luisa vor sich hin. "Wer?", fragte ihre Mutter, "der alte Teddy? Den hab ich doch in die Mülltonne geworfen. Der war doch total kaputt!" Schwiegermutter stöhnte auf und stützte sich auf den nächsten Stuhl, sollte ihre Mühe ganz umsonst gewesen sein?

Gut, daß Auge nicht im Zimmer war und Mutters Worte gehört hatte, es hätte ihm das Herz gebrochen.

Maria-Luisa hingegen schien kein bißchen beunruhigt
und suchte noch immer fleißig weiter. Sie wußte, es
stimmte, ihre Mutter hatte Teddy in die Mülltonne
geschmissen. Aber Mutter wußte nicht, daß Maria-Luisa
den Teddy wieder hervorgeholt hatte.

Ohne etwas zu sagen, suchte Maria-Luisa weiter. Schwiegermutter dagegen wurde sehr traurig und wollte nun am liebsten wieder nach Hause. Sie war sehr enttäuscht. Denn die ganze Aktion war umsonst gewesen. Na, vielleicht nicht ganz umsonst, hatte sie sich doch wieder ein wenig mit ihrer Schwiegertochter vertragen oder war das jetzt auch schon wieder vorbei? Traurig verließ sie den Raum. In Maria-Luisas Zimmer gab es für sie nichts mehr zu tun. Deshalb schlich sie ins Wohnzimmer. Sie setzte sich auf ihren alten Platz zurück und griff zur Tischplatte. Von dort nahm sie Auge hoch, blickte ihn traurig an, sagte aber kein Wort.

Auge merkte, daß es nicht gut um ihr Vorhaben bestellt war. Doch was war wirklich los? Konnte Schwiegermutter denn nicht einmal berichten, was gerade geschah? Sonst hatte sie doch auch immer vor sich hingemurmelt. Aber Schwiegermutter blieb stumm.

Mutter war inzwischen in die Küche gegangen. Sie wollte sich aus der Schußlinie von Maria-Luisas Vorwürfen bringen. Das war der Tochter recht, obwohl sie gar nicht vorhatte, ihre Mutter zu beschimpfen. Das hätte sie am liebsten schon viel früher getan, nämlich damals als sie Teddy aus der Mülltonne fischte. Da ihre Mutter nichts von der Rettungsaktion erfahren sollte, hatte sie lieber geschwiegen. Das tat sie auch jetzt. Mutter sollte in ihrer Küche ruhig ein schlechtes Gewissen haben. Spielzeug ist eben nicht einfach etwas wie ausgediente Kleidungsstücke. "Papa komm, hilf mir mal!", Maria-Luisa war endlich wieder eingefallen, wo sie Teddy versteckt gehalten hatte. Bei der Umräumerei der Spielsachen für das Waisenhaus hatte sie ganz den Überblick verloren, in welche Kisten, sie was gesteckt hatte. Einige Kisten mit Dingen, die sie unbedingt behalten wollte, hatte sie auf den Dachboden gepackt. Andere Sachen, darunter auch Teddy, hatte sie in die Bastelkisten verstaut. Es waren Stoffe, Garnreste und kaputte Spielsachen. Sie hatte vor, daraus ein kleines Kunstwerk zu bauen, naja eine kleine Skulptur. Teddy sollte darin einen besonderen Platz einnehmen. "Schlechtes Gewissen" sollte die Skulptur heißen. Wem sie gewidmet sein würde, war nicht schwer zu erraten.

Auge wußte das Schweigen von Schwiegermutter zu deuten. Aber da die Dinge oft anders sind als sie scheinen, ging auch Auge in der Annahme fehl, ihr Abenteuer sei gescheitert. Naja, was konnte er auch erwarten, nach so langer Zeit, den alten Teddy wiederzusehen? Knopf fühlte sich ebenfalls nicht wohl in seiner Knopfhaut. Schließlich hatten er und Knöpfchen ja Auge zu diesem Abenteuer erst überredet. Knöpfchen hingegen dachte mal wieder nur an sich. Wäre er ein kleiner Mensch gewesen, hätte er sicher gerade in diesem Moment Durst gehabt oder auf Klo gemußt.

Vater und Maria-Luisa hatten bald die richtige Kiste gefunden. Geschwind war Teddy ausgepackt. Maria-Luisa drückte ihn fest an sich und meinte: "Na, mein Kleiner, so schnell sehen wir uns wieder."

Dann lief sie mit Teddy ins Wohnzimmer. "Oma, Oma, schau mal, hier ist er!" Großmutter blickte auf. Maria-Luisa hielt ihr Teddy genau vor die Nase. Das war eine Überraschung. Es gab ihn ja doch noch! Schwiegermutter nahm den Teddy in den Arm. In der Hand hielt sie noch Auge. Sie hob Auge hoch, hielt ihn neben das andere Teddyauge und verglich die beiden. Ja, es gab keinen Zweifel. Das Auge in ihrer Hand gehört zu diesem Teddy. "Ich möchte dir das Auge wieder anbringen!", sagte Schwiegermutter, wobei es nicht ganz ersichtlich war, ob sie mit Maria-Luisa oder mit Teddy sprach. Maria-Luisa freute sich, daß Oma über das Vorhandensein des Teddys ebenso glücklich war wie sie selber. Deshalb beschloß sie, ihr Teddy zu schenken.

Auge war auch glücklich. Hier gehörte er hin, endlich kehrte er heim, nach so langer Zeit. Knopf und Knöpfchen freuten sich mit ihm über den guten Ausgang dieses Abenteuers.

Doch beinahe hätte es für die beiden bös' geendet. Mutter war immer noch beschämt darüber, daß sie Teddy in die Mülltonne geworfen hatte. Deshalb konnte sie sich so gar nicht recht zu den anderen gesellen. Sie mimte beschäftigt zu sein, wischte hier, stellte dort etwas beiseite und griff dann, ohne recht bei der Sache zu sein, auf den Tisch, nahm Knopf und Knöpfchen in die Hand und wollte die beiden gerade in den Aschenbecher werfen, um diesen dann im Mülleimer auszuleeren.

Glücklicherweise hatte Schwiegermutter genau im rechten Moment hingesehen. "Was machst du da mit meinen Knöpfen?", fragte sie. Schwiegertochter blickte in ihre Hand und stutzte. Schnell gab sie die beiden Knöpfe zurück. Das war ja ein aufregender Tag. Schwiegermutter verabschiedete sich von all ihren Lieben, bedankte sich bei Maria-Luisa für das Geschenk. Sie nahm Teddy von ihrer Enkelin gerne an. "Dann besuchst du mich wenigstens mal - mich und Teddy", sagte sie erfreut. Und sie versprach, sobald sie wieder zuhause sei, sofort Auge anzunähen. Und die beiden Knöpfe, die ihr in der letzten Nacht einen Streich gespielt hatten? Die wollte sie unbedingt auch wieder mit nach Hause nehmen.

So geschah es. Schwiegermutter trennte den schwarzen Knopf von Teddy ab und nähte Auge wieder an. Dabei saß sie in ihrem Nähzimmer. Vor ihr stand ihre gute, alte Knopfkiste, in die schon so mancher Knopf gewandert war. Hierhinein legte Schwiegermutter auch den abgeschnittenen schwarzen Knopf. Knopf und Knöpfchen steckte sie noch nicht in die Knopfkiste zurück. Irgendwie spürte sie, daß die beiden Knöpfe etwas mit dem jetzt angenähten Auge verband. So legte sie Knopf und Knöpfchen auf ihre geschlossene Knopfkiste obenauf und setzte den wieder heilen Teddy daneben. Sicher hatten sich die beiden Knöpfe, das Auge und der Teddy eine Menge zu erzählen. Damit niemand die Vier störte, schritt Schwiegermutter aus dem Nähzimmer und schloß leise die Tür mit einem Flüstern hinter sich:

"Gute Nacht."

Knopf, Knöpfchen und Auge - Buntstiftzeichnung: © 2011 by Schattenblick

zum 22. August 2011