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GUTE-NACHT/3464: Der kleine Nachtwächter und seine "Petersilien" (SB)


Gute Nacht Geschichten vom kleinen Nachtwächter

Der kleine Nachtwächter und seine "Petersilien"



Der kleine Nachtwächter ist mit seinem Hund Rebell unterwegs auf Arbeitsuche. Seine Laterne und die Taschenlampe sind wie immer dabei. Zur Zeit benötigt er sie nicht sehr oft, da er des Tages reist und in der Nacht schläft. Ganz ungewohnt ist das für die beiden.

"Es wird Zeit, uns einen Platz für die Nacht zu suchen!", läßt der kleine Nachtwächter Rebell wissen. Sie spazieren einen holprigen Seitenweg, abseits der Hauptstraße, entlang. Wie hier durch die Felder, schlendert der kleine Nachtwächter gern. Der Mais ist hoch gewachsen und wird sicher bald dem Getreide folgen, das in den letzten Tagen und Nächten mit großen Maschinen geerntet wurde.

Plötzlich hält Rebell seine Nase in den Wind und schnüffelt. Auch der kleine Nachtwächter zieht den süßen Duft ein und fragt: "Was liegt denn hier in der Luft." Die Schritte der beiden werden schneller.

Beim Näherkommen entdeckt der kleine Nachtwächter eine unscheinbare Kade, die abseits des Weges durch das hohe Maisfeld versteckt liegt. "Daher kommt der süße Duft", stellt er fest. Es riecht nach Zimt und Bananen und nach einer Spur Curry. Der kleine Nachtwächter kann nicht widerstehen und lenkt seine Schritte zielstrebig auf das Haus zu.

Auf der Bank vor dem Haus sitzt ein alter Mann und raucht seine Pfeife. Enttäuscht nimmt der kleine Nachtwächter das Bild in sich auf, glaubte er doch, hier etwas Leckeres zu Essen erstehen zu können. Aber der Duft der Pfeife ist ihm ebenso angenehm. Er fragt den alten Mann, ob er sich eine Weile zu ihm setzen und sich ausruhen könne. Der Mann nickt und weist mit seiner Hand eine einladende Geste. Der kleine Nachtwächter nimmt Platz.

Rebell läßt sich nicht so leicht täuschen. Er schnüffelt weiter und hält seine Nase noch immer in den Wind, aber nicht in Richtung der Pfeife. "Ich dachte, ich hätte Bananen gerochen, aber es ist nur Tabak", beginnt der kleine Nachtwächter ein Gespräch.

Der Mann zieht die Pfeife aus dem Mund, lacht und zeigt dabei eine Zahnlücke. Er hält die Pfeife dem kleinen Nachtwächter direkt unter die Nase: "Riecht das vielleicht nach Bananen?" Der kleine Nachtwächter muß zugeben, daß dem nicht so ist.

"Meine gute Alte kocht Bananenmarmelade. Sie hat das Rezept von unserer Tochter und probiert wie immer alles gleich aus." Der kleine Nachtwächter niest und saugt lieber noch eine Prise des Bananenduftes ein. "Das riecht lecker, ob ich davon vielleicht etwas erstehen könnte?" - "Da mußt du meine Alte fragen! Aber warte nur ab. Sie bringt mir bestimmt bald etwas zum Probieren heraus. Das hält sie immer so."

Also wartet der kleine Nachtwächter auf die Kostprobe, und auch Rebell lauert mit. In der Zwischenzeit erkundigt sich der kleine Nachtwächter nach einer Schlafgelegenheit: "Könnten mein Hund, meine Utensilien und ich vielleicht bei euch ein Schlafplätzchen finden?" Der alte Mann entgegnet: "Für euch und euren Hund findet sich sicher ein Plätzchen. Und für eure Petersilie könnt ihr bestimmt einen Blumentopf mit Erde von meiner Frau bekommen."

Der kleine Nachtwächter stutzt. Wieso ihm der Alte einen Blumentopf mit Erde verschaffen will. Seine Frage steht ihm ins Gesicht geschrieben, und der alte Mann ergänzt: "Ihr wollt doch Petersilie einpflanzen oder nicht?"

Der kleine Nachtwächter lacht und schwenkt seine Laterne. "Ich habe keine Petersilie. Ich meinte meine Nachtwächter-Utensilien. Jeder Nachtwächter trägt bei seiner Arbeit ganz bestimmte Gerätschaften, notwendige Hilfsmittel für seine Tätigkeit, ja Gegenstände, die ihm in der Nacht helfen, seine Arbeit zu verrichten, mit sich. In meinem Fall sind es die Laterne und die Taschenlampe." Beides hält der kleine Nachtwächter einmal hoch. Dann ergänzt er: "Eigentlich führt ein Nachtwächter auch ein Schlüsselbund mit sich, für alle Türen und Tore, die er zu kontrollieren hat. Doch zur Zeit bin ich ohne Arbeit und trage daher auch keine Schlüssel mit mir herum."

Dem kleinen Nachtwächter sacken die Schultern etwas herunter, was sein Bedauern über die fehlende Arbeit ausdrückt. Doch dann spannt er sie wieder an, hebt seinen Kopf und strahlt: "Aber bald werden Rebell und ich im Zoo arbeiten. Dorthin sind wir unterwegs." - "Aha, große Tiere bewachen. Na dann könnt ihr uns ja eine Probe ...", weiter kommt der alte Mann nicht. Seine Frau ist an die Bank herangetreten mit einem Tablett in den Händen.

"Eine Probe? Was für eine Probe?", möchte sie wissen, "redet ihr von einer Kostprobe meiner Marmeladen?" Das lassen sich die beiden nicht zweimal sagen und schmecken die verschiedenen Sorten. Es gibt einfaches Bananenmus, dann Banane verfeinert mit Zimt und Bananenchutney mit Curry. Dem kleinen Nachtwächter schmeckt alles drei sehr gut.

Da die Alte nichts von Bananen für einen Hund hält, bringt sie Rebell einen Zipfel bester alter Wurst und ein Stückchen selbstgemachten Käse aus dem Haus. Der kleine Nachtwächter weiß nicht, ob er jetzt nicht lieber tauschen möchte.

Bald sind sich die drei einig. Der kleine Nachtwächter darf mit seinem Hund im Gästezimmer schlafen. Vorher muß er aber ein Bad nehmen, und auch Rebell kommt nicht ungeschoren davon. Die Alte bürstet ihm ordentlich das Fell, bevor er ins Haus darf. Es gibt noch so viel zu erzählen. Erst sehr spät wird sich in der Kade, abseits der Hauptstraße, "Gute Nacht" gesagt.

Buntstiftzeichnung: Copyright 2011 by Schattenblick

zum 27. August 2011